Fallen Yggdrasil
Fallen Yggdrasil
Interview
Es ist doch immer wieder erfreulich, wenn der deutsche Underground Bands hervorbringt, die nicht nur gute Musik machen, sondern sich hinter ihren Noten und Akkorden auch noch Gedanken über Mephisto, gierige Wirtschaftsbosse oder bestechliche Politiker machen. Anlässlich der Wiederveröffentlichung von Fallen Yggdrasils "In No Sense Innocence" über Supreme Chaos Records (Erstauflage ist vegriffen) hatte ich die Gelegenheit, deren Sänger Simon neben einigen musikalischen Fakten etwas philosophisch werden zu lassen.
Wie kam es zu Fallen Yggdrasil und was ist bisher so passiert in eurer doch schon längeren Bandgeschichte?
Fallen Yggdrasil kam in erster Linie dadurch zustande, dass mein Bruder Raffael und ich auf dieselbe Musik abfuhren, bzw. noch immer abfahren. Irgendwann wollten wir nicht mehr nur Metal hören, sondern auch selbst machen und haben uns dann gegenseitig in dem Gedanken bestätigt, dass es „cool“ wäre, eine Band zu gründen. Die Band „existierte“ etwa seit Mitte der 90er – allerdings zunächst eher als fixe Idee in unseren Köpfen. Ich meine, immerhin konnte weder Raffael noch ich ein Instrument spielen, da ist das mit dem Musik-Machen nicht so einfach… Der erste Schritt, noch bevor wir begannen, ein Instrument zu lernen, war komischerweise, dass ich mir einen Namen ausdachte, so nach dem Motto „Wenn ich dann irgendwann mal eine Band gründe, dann soll sie Fallen Yggdrasil heißten“. Naja, daran sieht man, dass da von Anfang an auch einiges an Träumerei mit im Spiel war. Aber irgendwann hatten wir uns dann doch für Instrumente entschieden, Raffael übernahm die Gitarre, ich den Bass und den Gesang. Dann fingen wir an, Mitmusiker zu suchen. Das war 1996. Erst haben wir hauptsächlich gesoffen und im Proberaum Party gemacht, aber ich denke, dass das bei vielen Bands am Anfang so ist. Erst so langsam hat sich etwas Ernstzunehmendes daraus entwickelt. Ein Jahr später stand dann ein erstes arbeitsfähiges Line-Up. Und von da an ging’s dann los… 1998 kam das erste Studiodemo raus und von da ab würde ich sagen, waren wir endgültig ein Bestandteil der Szene.
Ihr hattet bisher immer Line-up Probleme. Normalerweise ist das gerade für eine Undergroundband ziemlich hart. Warum habt ihr euch nie unterkriegen lassen? Ist jetzt etwas mehr Stabilität eingekehrt?
Aus unseren Ex-Mitgliedern könnte man zwischenzeitlich locker eine neue Band formieren, ohne Witz. Nur Raffael und ich sind noch von der Anfangsbesetzung dabei und irgendwie waren wir auch immer das Rückgrat der Band. Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass wir schon immer die tragenden Rollen in der Band innehatten. Trotzdem war jeder Besetzungswechsel ein harter Schlag für uns, der die Band jedesmal zurückgeworfen hat. Nicht nur, weil jeder Besetzungswechsel das soziale Gefüge der Band durcheinander bringt und man sich auf die neuen Leute erst einstellen musste, sondern auch rein zeitlich. Immerhin muss man nach jedem Line-Up Wechsel viel Zeit mit dem Einüben der Neuen verbringen. In dieser Zeit ist dann natürlich nicht an das Einstudieren neuer Songs zu denken. So kommt es übrigens auch, dass wir massig Songs auf Halde liegen haben, die mehr oder weniger komplett geschrieben, aber bis heute noch nicht eingeübt sind. Aber um auf Deine Frage zurückzukommen: Es gab Phasen, in denen das Schicksal der Band auf Messers Schneide lag, weil wir einfach total frustriert waren. Wobei ich dazu sagen muss: Nicht die Tatsache eines Besetzungswechsels an sich ist das frustrierende an der ganzen Geschichte. Viel schlimmer war immer die Zeit davor, wenn man jemanden in der Band hatte, von dem man wusste, dass er keinen Bock mehr hat und der wie ein Klotz am Bein war. Wenn man dauernd Konzerte absagen musste, weil irgendwer nicht mitzog oder wenn Leute einfach nicht zur Probe erschienen sind und so weiter. Da ist es dann eine regelrechte Erlösung, wenn der Besetzungswechsel endlich vollzogen ist. Mit etwas Abstand betrachtet muss ich auch sagen, dass wir uns teilweise zu sehr auf der Nase haben rumtanzen lassen. So einiges, was wir damals zähneknirschend haben durchgehen lassen, würde heute zum sofortigen Rausschmiss führen. Das klingt jetzt natürlich so, als seien wir total zerstritten mit unseren Ex-Mitgliedern, das ist aber auf keinen Fall so. Wir verstehen uns mit allen noch – oder wieder – sehr gut, aber trotzdem war die Situation damals nicht immer optimal – und das habe ich jetzt sehr zurückhaltend ausgedrückt, haha.
Warum wir immer weitergemacht haben, kann ich gar nicht so einfach beantworten. Das war einfach so. Irgendwie stand trotz dem, was ich oben geschrieben habe, eine Bandauflösung auch nie ernsthaft zur Debatte. Das mag nun etwas seltsam klingen, aber die Band hat sich bei uns gewissermaßen zu einer selbstständigen Größe in unserem Leben entwickelt, sie läuft und läuft und wir ordnen uns gewissermaßen ihrer Dynamik unter… Im Moment ist das Line-Up sehr stabil, aber ich bin zwischenzeitlich aus Erfahrung zu vorsichtig geworden, um mich da in Sicherheit wiegen zu lassen, denn ich weiß, das sich das ganz schnell ändern kann. Da muss nur eine neue Freundin daherkommen, die Stress macht, weil wir wochenends oft weg sind und schon kippt so mancher um.
Eure Musik weist einen latent schwedischen Touch auf. Liegen in dieser Richtung auch eure Einflüsse und musikalischen Vorlieben?
Generell kann man sagen, dass jeder von uns so ziemlich alles im Metalbereich hört, jeweils mit verschiedenen Schwerpunkten natürlich. Aber gerade der schwedisch Death Metal ist schon so etwas wie unser gemeinsamener Nenner, ich möchte hier nur mal den Namen Dismember ins Spiel bringen.
Was bedeutet eigentlich Yggdrasil? Ich habe es anfangs irgendwie mit Herr der Ringe in Verbindung gebracht, konnte aber nichts darüber finden.
Yggdrasil ist die Weltenesche der nordischen Mythologie. Sie steht also für die Welt und der ganze Name – „fallen“ vom englischen „to fall“ – hat demzufolge apokalyptische Bedeutung, denn es ist ja doch etwas unangenehm, wenn Dir die Welt unterm Hintern weggehackt wird… In den 80ern gab es übrigens mal eine Metalband namens Yggdrasil und im Moment sind irgendwelche Nazifuzzis unter dem Namen Yggdrasil unterwegs. Die Spinner bitte nicht mit uns verwechseln, ja?
Eure erste CD heißt „In No Sense Innocence“. Wie kamt ihr auf dieses coole Wortspiel und was steckt dahinter?
Wie ich auf das Wortspiel kam, weiß ich nicht mehr so genau. Es könnte sogar möglich sein, dass mir zunächst das Wortspiel eingefallen ist und ich erst dann einen passenden Text dazu geschrieben habe. Die Bedeutung hängt natürlich eng mit dem gleichnamigen Song zusammen. Ein sehr depressiver Text in dem es um die Negierung alles Schönen und im weiteren Sinne um die Erbsünde geht, obwohl der zweite Aspekt eher in meinem Kopf und weniger im Text steht…
Eure Texte sind mal deutsch, mal englisch und ab und zu kommen sogar beide Sprachen in einem Song vor. Was wollt ihr damit bezwecken?
Dafür bin ich verantwortlich, weil ich ja alle Texte bei uns schreibe. Bezwecken tue ich damit eigentlich nichts Konkretes, es handelt sich dabei eigentlich um eine Art Notlösung. Ich arbeite ja viel mit Metaphern, Anspielungen, Ironie etc. und da fühle ich mich im Deutschen einfach sicherer. Auf der anderen Seite klingen manche Sachen auf Deutsch schnell kitschig oder aufgesetzt. In dem Fall greife ich dann lieber wieder aufs Englische zurück. Außerdem versuche ich meist, einige zentrale Passagen in Englisch zu lassen, damit auch Leute, die kein Deutsch können, wenigstens eine Chance haben, einen Teil des Textes für sich zu erschließen. Alles in allem steckt da aber kein Konzept dahinter. Es wird, wie es wird.
Wollt ihr mit eurem Song „NewAgeMephisto“ darauf hinweisen, wie aktuell die Thematik von Goethes Faust auch heute noch ist? Wo liegt in der Jetzt-Zeit deiner Meinung nach die größte Verführung durch das Teuflische oder Böse und was kann man dagegen tun, dieser Verführung zu entgehen?
Naja, ich wollte jetzt eigentlich weniger eine Lanze für Goethe brechen oder für seinen Faust werben, sondern hatte eher die gesamte Fausttradition, die ja schon wesentlich älter ist als Goethe, vor Augen. Wie Du aber richtig gesagt hast, handelt „NewAgeMephisto“ von Verführern, genauer gesagt hatte ich dabei vor allem an die „modernen“ Verführer gedacht: korrupte Politiker, gewissenlose Wissenschaftler und geldgeile Wirtschaftsbosse. Eben alle diese Opportunisten, die nur ihren eigenen Vorteil im Blick haben und dafür jegliche Skrupel über Bord werfen – um dann ganz schnell unterzutauchen, wenn es eng wird. Goethes Faust lässt sich aber ganz gut in diese Deutung integrieren: Mit Mephistos Hilfe macht sich Faust ein Land untertan (Politiker!), mit Mephistos Hilfe kreiert er ein Retortenbaby (Wissenschaftler!), mit Mephistos Hilfe führt er das Papiergeld ein (Wirtschaftsboss!) … Trotzdem gibt es einen ganz großen Unterschied zwischen Mephisto und den Verführern, die in „NewAgeMephisto“ besungen werden: Goethes Mephisto ist nicht ausschließlich negativ! Er ist zwar „der Geist, der stets verneint“, aber auf der anderen Seite ist er auch Teil des göttlichen Weltenplanes. Gott sagt über ihn: „Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,/ er liebt sich bald die unbedingte Ruh; / Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu, / der reizt und wirkt und muss als Teufel schaffen“. Oder so ähnlich, ganz genau hab ich das nicht im Kopf. Mephistos Aufgabe bei Goethe ist also, den Menschen anzutreiben und zur Tätigkeit zu bewegen. Natürlich geht dabei nicht alles mit rechten Dingen zu, nicht umsonst ist Mephisto ein Geschöpf der höllischen Sphäre. Aber ich denke, das ist doch ein wesentlicher Unterschied zu den Verführern, die ich im Blick hatte, denn diese sind ausschließlich darum bemüht, die Menschen zu verblöden und zu passiven Vollidioten zu machen. Genau darin sehe ich auch die größte Gefahr: Wir sind umgeben von Leuten, die davon profitieren, wenn die Masse möglichst wenig selbstständig denkt, denn dann tun und konsumieren die Menschen alles, was man ihnen sagt. Das gab es freilich schon immer, aber heute haben solche Leute dank der Massenmedien ganz andere Mittel zur Verfügung. Man braucht nur gewisse Zeitungen oder Fernsehsender und schon sieht man Volksverdummung pur – vorausgesetzt, man ist nicht selbst schon zu verblödet, um das zu erkennen.
Was besagt der widersprüchliche Titel „You Suicide Me“? Wie kann eine Person an einer anderen Selbstmord begehen? Oder wird der besagte Selbstmord durch den anderen Menschen hervorgerufen?
Ja genau, es geht darum, dass das „Ich“ des Songs von einer anderen Person in den Selbstmord getrieben wird, oder besser gesagt: wegen dieser Person glaubt er nur noch im Selbstmord eine Lösung sehen zu können. Der Sprecher ist zunächst noch selbstgerecht und verteidigt seinen Schritt, dann kommen erste Zweifel, denn er merkt, dass er sich selbst über seine Gefühle nicht im klaren ist („You don’t feel! But I feel! I feel- what?“) und in dem akustischen Part kommt dann die endgültige Wende. Die Textpassage steht nicht im Booklet, aber es heißt an der Stelle, wo der Akustikpart von verzerrten Gitarren überlagert wird: „Oh no, this is not what I want“. Aber da ist es schon zu spät…
Hast du selbst schon einmal daran gedacht, dein Leben vorzeitig zu beenden? Für mich persönlich stellt Selbstmord nur eine Flucht ins Ungewisse dar, da ich der Meinung bin, dass alle Probleme (von unheilbaren Krankheiten einmal abgesehen) immer auf irgendeine Weise lösbar sind.
Ehrlich gesagt beschäftigt mich der Gedanke zuweilen. Weniger in dem Sinn, dass ich ernsthaft daran denke oder mir da irgendwelche konkreten Vorstellungen ausmale. Es geht eher um das Gefühl, eine Alternative zu haben, falls man mal keinen Bock mehr hat, weiter zu machen. Dabei denke ich weniger an konkrete Probleme, denn da gebe ich dir zumindest für die meisten Fälle recht, sondern eher daran, dass man vielleicht einfach mal keine Lust mehr hat. Also so eine Art „Lebensmüdigkeit“ und damit meine ich nun nicht Depression im pathologischen Sinne, sondern eine reflektierte Unlust am Leben und ein ebenso reflektierte Entscheidung, dem jetzt einfach ein Ende zu setzen. Obwohl man natürlich argumentieren kann, dass auch eine solche „Lebensmüdigkeit“ ihre Ursache in irgendwelchen konkreten Problemen hat. Da bin ich mir aber nicht in jedem Fall sicher. Im Übrigen denke ich, dass bei sehr vielen Suiziden zwei Aspekte eine ganz wichtige Rolle spielen: Erstens die romantisierende Vorstellung, dass man dann beweint werden wird und dass alle Menschen einen nachträglich bemitleiden. Zweitens die Idee, dass man durch seinen Selbstmord die anderen bestrafen kann, indem man ihnen Schuldgefühle hinterlässt und ihnen keine Möglichkeit gibt, diese zu sühnen. Immerhin kann man sich mit einem Toten schlecht versöhnen… Der erste Aspekt ist nachvollziehbar und irgendwie fast sympathisch, aber er wird sich in sehr vielen Fällen nicht erfüllen. Der zweite Aspekt ist prinzipiell nicht unbedingt weniger nachvollziehbar, aber dann doch schon eher hinterfotzig.
Das größte Problem am Selbstmord ist doch eh die Frage, was man damit den Hinterbliebenen antut.
Wenn ich es richtig verstanden habe, sprecht ihr in „Crown Of All Creatures“ vom Menschen als „höchstem Geschöpf“ (allerdings in einem negativen Sinne) und kritisiert nebenbei Gott als Schöpfer, dass wir so geworden sind. Glaubst du an Gott und daran, dass er wirklich dafür verantwortlich ist, dass auf der Welt momentan vieles im Argen liegt?
Eine gute Frage. „Gott“ ist ein abstrakter Begriff, hinter dem sich viel verbergen kann. Wenn man mal die – natürlich sehr wichtige!! – Rolle „Gottes“ für ein Leben nach dem Tod vernachlässigt, dann bedeutet „Gott“ zunächst nichts anderes als irgendein übergeordnetes Prinzip, dem man sich unterwirft und das zur absoluten Triebfeder jeglicher Handlung wird. Eine religiöse Gestalt kann also in der Tat „Gott“ sein, wenn man sie liebt oder fürchtet und wenn man sein Leben nach ihr ausrichtet. Auf der andern Seite können aber auch andere Dinge „Gott“ sein. Triebe können „Gott“ sein, wenn man sich von ihnen steuern lässt, Geld kann „Gott“ sein, wenn man in seiner Erlangung den höchsten Lebenssinn sieht. Und für den Egoisten ist das eigene Ich „Gott“. Diese Vielschichtigkeit haben die polytheistischen Religionen berücksichtigt, indem es bei ihnen für sämtliche Lebensbereiche und Dinge eine eigene Gottheit gibt. Wobei ich nicht sagen will, dass diese Religionen deswegen den monotheistischen überlegen sind, aber man kann schon den Eindruck gewinnen, dass sie dem wahren menschlichen Wesen näher stehen – ganz unabhängig davon, ob ich dieses menschliche Wesen nun gut finde oder nicht. Alles in allem lässt sich sagen: Meiner Meinung nach sitzt nirgendwo ein alter Herr, der uns wie Marionetten tanzen lässt und dem wir die Schuld dafür zuschieben können, dass wir selbt so scheiße sind. So ist das übrigens in dem Lied „Crown of all creatures“ auch nicht gemeint. Der Text ist recht kompliziert und besteht aus drei Ebenen: Der Perspektive Gottes, der Perspektive der Menschen und dann noch einer persönlichen Ebene, also quasi meiner eigenen Perspektive. Das jetzt zu erklären würde zu weit führen, nur soviel: In dem Text sind es die Menschen, die, nachdem sie so richtig schön auf die Schnauze geflogen sind mit ihrer Selbstüberschätzung und Überheblichkeit, gegen Gott den Vorwurf erheben, er habe sie getäuscht. Das ist aber natürlich Quatsch, denn die Menschen haben sich selbst etwas vorgemacht. Es geht in dem Song also in erster Linie um menschliche Selbstüberschätzung. Das ist übrigens ein Motiv, dass in meinen Texten immer wieder vorkommt.
Spielt Religion generell eine Rolle für dich?
Klaro. Denn es ist ja wohl so: Der Mensch lebt nicht isoliert, sondern ist immer Bestandteil eines bestimmten Kulturraums, der jeweils auch stark religiös geprägt ist, sei es nun in Geschichte, Kunst, ethischen Normen oder sonstwie. Insofern spielt Religion für jeden auf die eine oder andere Art eine Rolle, denn wir kommen auf Schritt und Tritt mit ihr in Kontakt, auch dort, wo wir uns dessen gar nicht bewusst sind. Soll heißen: Jeder von uns ist irgendwie religiös geprägt, in unserem Falle dann in erster Linie christlich. Da sollen mir dann zum Beispiel bitte unsere Herrn Black Metaller nicht erzählen, sie hätten sich von diesen Einflüssen freigemacht, ganz im Gegenteil: Sie negieren das Christentum und beweisen dadurch letzen Endes nur, wie stark sie von ihm abhängen. Viele Black Metal-Bands zum Beispiel sind komplett in christlichen Vorstellungen gefangen, nicht umsonst ist ihr Lieblingsobjekt der Teufel, der ein zutiefst christliches Symbol ist. Ähnlich ist es mit dem umgedrehten Kreuz: Man dreht das christliche Motiv auf den Kopf, benutzt es aber letzen Endes trotzdem weiter. Wenn man dann noch weiß, dass Petrus, immerhin der „Fels“, auf den Christus seine Kirche erbaut hat, mit dem Kopf nach unten gekreuzigt wurde und das umgedrehte Kreuz dadurch eigentlich das Symbol für den wohl wichtigsten Jünger ist, dann spricht das für sich, oder? Aber das ist natürlich wieder ein anderes Thema. Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass wir alle aufgrund unserer Erziehung und unseres kulturellen Umfeldes einer religiösen Prägung unterliegen, ob uns das nun passt oder nicht. Ich habe damit eigentlich kein Problem, ich bekenne mich im Großen und Ganzen zu der christlichen Ethik, die mir in weiten Zügen geeignet erscheint, um ein friedliches Miteinander der Menschen zu gewährleisten, und lebe eigentlich auch danach. Aber im Gegensatz zu vielen Christen – oder Anhängern anderer Religionen – brauche ich nicht die Drohung vom jüngsten Gericht und der Hölle, um mich ordentlich zu benehmen. So gesehen bin ich also eigentlich „ein guter Christ“ – und vermutlich sogar ein besserer, als viele Gläubige. Ohne, dass ich es direkt darauf anlegen würde, könnte man wohl sagen, dass Jesus schon einigermaßen zufrieden gewesen wäre mit mir.
Kommen wir wieder zurück auf musikalische Dinge. Die Erstauflage „In No Sense Innocence“ ist fast vergriffen (hat meine Ausgabe jetzt Sammlerwert? 😉 ), das Album wird jetzt aber von Supreme Chaos Records wiederveröffentlicht. Habt ihr dort auch einen Deal?
Jo, also die neue Auflage wird regulär bei Supreme Chaos veröffentlicht werden und dann auch unter ihrem Labelcode laufen. Man redet natürlich nicht über Vertragsinhalte, aber der Deal ist von unserer Seite aus sehr fair und läuft zunächst mal nur für die Wiederveröffentlichung von „In no sense Innocence“ und dann werden wir uns wieder zusammensetzen und schauen, wie es weitergeht. Das ist so auch ganz in unserem Sinne, denn es war uns immer etwas unwohl bei langfristigen Bindungen. Schaut Euch mal die homepage von Supreme Chaos an: http://www.s-c-r.de.
Hm, ansonsten lässt sich zu der Veröffentlichung sagen, dass sie jetzt Ende Februar aus dem Presswerk kommt und im Großen und Ganzen genauso ist wie die vorherige Version, nur dass wir das Bookletdesign etwas aktualisiert haben: Tippfehler weggemacht, Cover neu belichtet, Bandbiographie aktualisiert. Insofern besitzt Du dann also schon eindeutig eine „Specialedition“, haha.
Sogar mit authentischen, „truen“ Tippfehlern! 🙂 Gibt es schon Pläne und konkrete Ideen für euer nächstes Album?
Tja, also wie weiter oben ja geschrieben, haben wir einiges an neuem Material, zwei Songs davon spielen wir zwischenzeitlich auch live. Wir wollen versuchen, im Sommer oder Herbst wieder ins Studio zu gehen. Dazu müssen wir aber noch ordentlich was wegschaffen, denn eine Full Length muss es diesmal schon werden…
Das hoffe ich doch stark! Ich habe euch jetzt einmal live gesehen und war besonders von deiner energetischen Liveperformance überrascht. Was ist es, was bei dir den Schalter im Kopf umlegt und dich komplett ausrasten lässt, wenn du auf die Bühne gehst?
Oh, das geht von ganz alleine. Ich würde mich normalerweise als eher ruhigen und alles in allem recht sensiblen Menschen einschätzen. Da ist es eigentlich folgerichtig, dass man einen Ausgleich braucht, wenn man nicht irgendwann in die Luft gehen will. Ich schätze in diesem Zusammenhang muss man die Konzerte als Ventil sehen. Da die Songs und vor allem die Texte für mich einen hohen emotionalen Wert haben, fällt es nicht schwer, entsprechend auf der Bühne zu agieren.
Auf dem Livesektor seid ihr generell sehr aktiv? Was steht dieses Jahr noch an?
Also jetzt bringen wir erstmal die sieben Gigs für Februar hinter uns, dann treten wir im März erstmal etwas kürzer, und kümmern uns da um die neuen Songs.
Und dann geht’s lustig weiter. Ab Mai kommen dann auch schon die ersten Open Airs. Da ist dieses Jahr einiges geboten, allerdings vor allem kleinere Sachen, was von unserer Seite aber natürlich kein Problem ist. Auf jeden Fall freuen wir uns schon drauf, wieder mit Campingstühlen und Zelten anrücken zu können…das ist genau unser Ding.
Was ist dein größter Traum, den du dir mit Fallen Yggdrasil erfüllen willst?
Ich bin was die Band anbetrifft recht realistisch und neige darum nicht zu großen Träumereien, sondern denke immer Schritt für Schritt. Ich würde allerdings ganz gerne noch ein Stückchen weiter kommen, als wir bisher gekommen sind. Es muss nicht der große Wurf sein, nicht Majordeal und Welttournee, aber ich fände es ganz cool, wenn der Name Fallen Yggdrasil mal innerhalb der Metalszene einen richtig guten Klang hätte. Das wäre eine feine Sache. Ansonsten bin ich im Moment ganz zufrieden damit, wie es läuft… ich denke, wenn es so weitergeht, dann dürfte auch das mit dem guten Klang kein unrealistisches Ziel sein. Die ersten Schritte in die Richtung sind ja getan.
Was macht ihr neben der Band, um euern Lebensunterhalt zu verdienen? Oder liegt ihr als Bäfög-Empfänger dem Staat auf der Tasche wie meinereiner? 😉
Außer Denno, der irgend etwas mit Drucken und Layout macht, studieren bei uns im Moment alle. Raffael macht irgendwas mit Medien, Christoph macht Grundschullehrer, Suli Lebensmittelchemiker oder so und ich mach Germanistik/Geschichte. Bafög bezieht aber, glaube ich, wenn überhaupt nur Raffael. Christoph ist vermutlich zu reich, Suli war zu ehrlich und ich arbeite nebenher an der Uni und komm damit ganz gut über die Runden. Ich habe allerdings auch eine Zeit lang Bafög bekommen, aber dann war mir der ganze Bürokratenkram zu blöd und da ich eh mit dem auskomme, was ich im Moment zur Verfügung habe… Ich vermute ja eh, dass die ganzen Formulare vor allem dazu dienen, potentielle Bafög-Empfänger abzuschrecken. Bei mir hat’s geklappt…
Zu guter Letzt: Warum sollte jeder Death Metal-Fan „In No Sense Innocence“ im Schrank stehen haben?
Weil darin eine Menge Herzblut steckt. Und musikalisch ist es wohl auch nicht gerade schlecht. Das wird uns zumindest immer bescheinigt, also will ich’s einfach mal glauben, haha. Hm, wie ich sehe, war das die letze Frage? Dann bedanke ich mich erstmal bei Dir für das Interview, es hat echt Spaß gemacht!!! Zumal auch einige Fragen dabei waren, die bisher noch nie gestellt worden sind. An alle Lesern von metal.de einen schönen Gruß aus dem Fallen Yggdrasil-Camp! Was ich bei der Gelegenheit gerne loswerden möchte: Ich habe im Moment so das Gefühl, dass vielerorts immer weniger Leute zu (Underground-)Metalgigs kommen, was ich sehr schade finde. Und das sage ich jetzt nicht nur deswegen, weil wir als Band davon natürlich direkt betroffen sind, sondern vor allem auch deswegen, weil ich denke, dass Metal schon immer eine Live-Sache war und die Konzerte als Treffpunkt wichtig für die Szene sind! In diesem Sinne: Support your local Metallocation!!!
Ansonsten gilt wie immer: Wer Bock hat, zu schreiben oder wer noch Fragen hat:
Fallen-yggdrasil@web.de ; http://www.fallen-yggdrasil.de
Die MCD „In no sense Innocence“ (6 Songs, 24 Minuten) kann man bei Supreme Chaos bestellen: http://www.s-c-r.de, dürfte so etwa 7 Euro kosten (plus Porto).
Ich danke dir für die aufschlussreichen Antworten und wünsche dir und euch viel Glück für die Zukunft. Bis zum zweiten Schlachtfest in Hanau!
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