Exumer
Interview mit Sänger Mem Von Stein

Interview

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Ganze vier Jahre musste der geneigte Thrasher auf ein neues Album von EXUMER warten. Bald ist es endlich soweit und wie wir bereits in unserer Rezension geklärt haben, darf man sich auf einen weiteren aggressiven Brocken hochkarätigen Thrash Metals einstellen. Anlässlich des Release nahmen wir uns Sänger und Frontmann Mem Von Stein zur Brust und sprachen mit ihm über die Geschichte EXUMERs, Todesfälle innerhalb der Band und vieles mehr.

Hi, Mem! Seit dem Release von „Fire & Damnation“ sind fast vier Jahre vergangen. Was ist in diesen vier Jahren bei euch passiert?

Mem: In den vergangenen vier Jahren ist eine Menge passiert. „Fire & Damnation“ kam raus, wir gingen auf Tour und haben viel gespielt. Überall auf der Welt. Wir waren in Südamerika, den USA, häufig in Europa – alles war recht turbulent.

Leider ist unser Gitarrist Holger an Krebs erkrankt und hat uns verlassen. Nach einiger Zeit stieß Marc zu uns und zu diesem Zeitpunkt haben wir angefangen, neue Riffs und Ideen für die kommende Platte zu sammeln. Es gab viel zu tun in den vergangenen vier Jahren. Wie gesagt, sehr turbulent. Von der Veröffentlichung der „Fire & Damnation“, den vielen Tourneen, dem Fakt, dass Holger die Band verlassen hat und ein Jahr später an seiner Erkrankung verstorben ist – es ist sehr viel passiert.

Denkst du, dass diese Zeitspanne positiven Einfluss auf die Entstehung von „The Raging Tides“ hatte?

Mem: Wir finden schon, dass die lange Zeit einen positiven Einfluss auf „The Raging Tides“ hatte. Je länger man sich für etwas Zeit lässt, desto besser kann das Endprodukt werden. Zumindest bei uns ist es so. Wir wollen nicht wie in einem Zyklus Platten schreiben und veröffentlichen, sondern dann, wenn wir denken, dass wir bereit sind und das beste Material zusammenhaben. So können wir dann auch eine Platte aufnehmen und mit gutem Gewissen veröffentlichen.

Bei manchen Bands klappt es, dass sie alle zwei Jahre eine Platte rausbringen und das ist der Hammer. Wir kennen unsere eigenen Grenzen und dementsprechend nehmen wir Sachen auf, veröffentlichen diese und versuchen das Beste zu veröffentlichen, was wir können.

„The Raging Tides“ wirkt in meinen Augen durchdachter und ausgereifter als „Fire & Damnation“ Wie siehst du das?

Mem: Wir hatten den Vorteil, dass wir die positiven Aspekte von „Fire & Damnation“ zu „The Raging Tides“ hinzufügen konnten. Wir sind „The Raging Tides“ also mit dem Hintergedanken angegangen, dass wir wussten, was bei Fans, Presse und auch bei uns am meisten hängengeblieben ist. So kann es natürlich sein, dass sich „The Raging Tides“ durchdachter anhört – obwohl wir uns auch zwei bis drei Jahre Zeit gelassen haben, um „Fire & Damnation“ zu schreiben und aufzunehmen. Wir lassen uns eigentlich immer relativ viel Zeit.

Ich finde, dass sich dein Gesang seit euren letzten Veröffentlichungen positiv entwickelt hat. Insbesondere im dritten Song „Catatonic“ konntest du mich sehr überraschen. Abgesehen von der Aggressivität des Songs finde ich, dass du sehr variabel agierst. Wie ist dein Eindruck dazu?

Mem: Mein Gesang ist natürlich mit mir gewachsen. Dieser ist auf alle Fälle ausgereifter. Ich versuche, so viel wie möglich von der Aggressivität beizubehalten und variabler mit der Stimme umzugehen. Je nachdem, wie es der Song zulässt. Bei „Catatonic“ ist es natürlich einfacher, da es ein Midtempo-Stück ist und ich mehr Raum zum Singen habe. Bei den schnelleren Stücken ist es wesentlich schwieriger, Melodien einzubringen.

Worum geht es in „Catatonic“?

Mem: Es geht um die Auswirkungen von Gewalt auf den Menschen und um die Variationen der Effekte, wenn ein Mensch Gewalt spürt. Ich habe hier in New York lange in der Psychiatrie gearbeitet und Patienten gesehen, die darunter gelitten haben. Die zum Beispiel stundenlang an der Wand gekrochen sind und sich festgehalten haben. Darauf habe ich „Catatonic“ dementsprechend geschrieben. „The Raging Tides“ dreht sich generell um die Gewalt. Alle zehn Songs befassen sich mit einer anderen Form davon. „Catatonic“ bezieht sich auf die Reaktionen der Menschen auf ebendiese Gewalt.

Das Cover von „The Raging Tides“ wird von eurem Bandmaskottchen geziert. Was kannst du uns über euer Maskottchen erzählen? Die Maske trägt es sicher nicht ohne Grund, oder?

Mem: Für unserer erste Platte „Posessed By Fire“ hatten wir ursprünglich einen anderen Titel und eine andere Idee für das Cover. Jemand hat dann aber vorgeschlagen, „Posessed By Fire“ als Titelstück zu nehmen. Wir fanden die Idee gut und dann hat sich Martin Appoldt, der damals viele Cover-Artworks für die Szene kreiert hat, entschlossen, ein Cover für uns zu erschaffen. Ich denke, das wurde damals von der Plattenfirma in Auftrag gegeben. Er kam dann mit dem Maskottchen – es war seine Idee und wir haben das weitergeführt. Es war damals wichtig und heute eigentlich auch, dass man als Band etwas hat, das einem eine Identität gibt. Bei IRON MAIDEN ist es Eddie, bei MOTÖRHEAD Snaggletooth usw. Bei uns ist es eben diese Maske.

Seit eurer Wiedervereinigung 2008 sind einige Jahre ins Land gezogen. Wie ist die Chemie innerhalb der Band? Denkt ihr, dass es heute besser funktioniert als vor der Jahrtausendwende?

Mem: Die Bandchemie ist im Grunde hervorragend. Ray und ich kennen uns schon sehr lange. Wir sind jetzt seit 31 Jahren befreundet und machen von diesen 31 Jahren recht lange Musik zusammen. Ich finde schon, dass wir wesentlich besser miteinander auskommen, als damals wo wir Jugendliche waren. Tony ist seit 2009 dabei, Matthias, unser Schlagzeuger, seit 2010. Markus ist der Einzige, der 2013 gekommen ist. Wir haben ein sehr festes Line-Up und versuchen es so stabil wie möglich zu halten. Es läuft sehr gut.

Was war der Grund, dass ihr EXUMER nach 18 Jahren wieder ins Leben gerufen habt? 2001 habt ihr ja noch einmal auf dem Wacken Open Air gespielt. Wie kam es dazu?

Mem: Wir haben EXUMER nach 18 Jahren schlicht wieder ins Leben gerufen, weil Ray und ich uns öfter sehen wollten und das Timing gepasst hat. Ich war mit meinem Projekt SUN DESCENDS hier in New York fertig, er hatte ein Rock-Projekt in Deutschland, das SEPTEMBER hieß. Es hat einfach gepasst. Das Konzert in Wacken war als Abschiedskonzert gedacht, weil wir beide mit anderen Projekten beschäftigt waren, die wir 2008 abgeschlossen haben. Insofern hat es mit dem Timing gepasst. So kam das. Die Band ist ein Vehikel dafür, dass wir uns regelmäßig sehen, Musik zusammen machen und unsere Freundschaft weiterhin läuft ohne dass man krampfhaft versucht, zusammen in den Urlaub zu fahren.

Nach dem Tod eures Gitarristen Holger im Jahr 2014 standen euch sicher schwierige Zeiten ins Haus. Wie seit ihr mit seinem Tod umgegangen und was hat euch dazu bewogen, EXUMER trotzdem fortzuführen?

Mem: 2014 war natürlich ein Schock. Holger ist nach einem einjährigen Kampf gegen den Krebs gestorben. Für uns hat sich aber nie die Frage gestellt, EXUMER weiterzuführen oder nicht. Es wäre auch in Holgers Interesse gewesen, die Band fortzuführen. Holger hat die Band 2013 verlassen und wir hatten ein Jahr lang Zeit, uns darauf „vorzubereiten“ – obgleich man sich auf sowas nie vorbereiten kann. Zumindest nie genug. Wir mussten die Band dennoch weiterführen. Es hätte niemandem genützt, wenn wir EXUMER zum Stillstand gebracht hätten.

Für „The Raging Tides“ hat Marc Bräutigam den Posten der zweiten Gitarre übernommen. Für das Album hatte dies in meinen Augen keine Nachteile. Wie würdest du eure Zusammenarbeit beschreiben? Wie kam es dazu, dass Marc als zweiter Gitarrist an Bord gekommen ist?

Mem: Holger ist 2013 nach dem Bang Your Head ausgestiegen. Zu dieser Zeit hatten wir allerdings schon eine Südamerika-Tour gebucht. Wir brauchten jemanden und Marc kam erst als Session-Gitarrist zu uns. Nach der Tour lief es aber so gut, dass wir ihn direkt gefragt haben, ob er bei uns bleiben möchte. Er hat zugesagt, da es sehr viel Spaß gemacht hat. Er ist ein hervorragender Gitarrist und arbeitet perfekt mit Ray zusammen. Für uns war das keine Frage, es war eher eine Frage für ihn. Er hat durch die Tour, die so gut gelaufen ist, zum Glück zugesagt.

Was können wir in Zukunft von EXUMER erwarten? Dieses Jahr steht erst einmal eine Tour eurerseits an. Was kommt danach? Habt ihr euch darüber schon Gedanken gemacht?

Mem: Am 29.01. erscheint „The Raging Tides“ und wir begeben uns am 28.01 auf Europatour. Die nächsten ein, zwei Jahre werden wir viel live spielen – unter anderem dafür macht man ja Platten. Zusätzlich werden wir natürlich neue Ideen und Riffs für kommende Alben sammeln.

Vor einiger Zeit erreichte uns die schlimme Nachricht, dass Lemmy, eine der größten Ikonen der Szene, verstorben ist. Was sind deine Gedanken dazu?

Mem: Wir sind alle mit Lemmy aufgewachsen. Ich habe Lemmy mit MOTÖRHEAD das erste Mal 1981 auf der „No Sleep ‚Til Hammersmith“- Tour mit TANK als Vorgruppe live gesehen. Darauf folgten viele weitere Male. 1984 habe ich ihn selbst kennengelernt, da habe ich noch für den Metal Hammer gearbeitet. Ich habe zu der Zeit viele Interviews mit englischsprachigen Künstlern geführt, da mir das sehr einfach viel. Seitdem bin ich immer ein Fan gewesen. 1980 habe ich Lemmy das erste Mal im Fernsehen im Musikladen gesehen. Ich glaube, da haben sie „Ace Of Spades“ gespielt. Es ist sehr tragisch. Kürzlich habe ich erfahren, dass auch David Bowie gestorben ist. Auch wenn er kein Metaller ist, er ist eine ganz wichtige, große Legende in der Rockmusik. Es ist eine schreckliche Zeit momentan.

Danke für das Interview, Mem! Hast du ein paar abschließende Worte für eure Fans?

Mem: Viele Dank an die Fans natürlich, dass sie uns über die letzten 30, 31 Jahre treu geblieben sind. Ich hoffe, dass wir uns live sehen und uns irgendwann über den Weg laufen. Ich bedanke mich!

22.01.2016
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