Exhumed
Interview mit Matt Harvey zu "Garbage Daze Re-Regurgitated"

Interview

Mit „Garbage Daze Re-Regurgitated“ haben vor kurzem auch EXHUMED ihren Beitrag zur Wiederverwertung klassischer Metalsongs in Form von Coveralben geleistet, die in letzter Zeit ziemlich en vogue zu sein scheint. Es ist ja einiges geschehen bei den Grabschändern. Um genau zu sein so viel, dass vom letzten Album nur noch Gründungsmitglied Matt Harvey übrig geblieben ist. Selbst das zweite verbliebene Urgestein Col Jones hat mittlerweile die Segel gestrichen, sodass Matt sich auch für den Platz am Drumkit nach einem neuen Mitstreiter umschauen musste. Mit neuen Mannen und frischem Wind geht es jetzt aber weiter! Über das neue Album, Personalprobleme, Bookingprobleme und Gene Simmons spricht zu Ihnen: Matt Harvey.

Exhumed

Coveralben liegen ja ziemlich im Trend in letzter Zeit. Wie und wann bist Du denn auf die Idee gekommen, auch etwas derartiges zu machen?

Yeah, ich glaube sie sind ziemlich… ähm, abgedroschen. Aber es macht Spaß, ein Coveralbum zu machen und ich wollte so etwas schon seit Jahren einmal durchziehen. Ich dachte es wäre ein guter Weg, um mit dem neuen Line-Up zusammen zu spielen, zusammen zu arbeiten und es auf Tour zu einer richtigen Band heranwachsen zu lassen, damit wir zu der Zeit, wenn das nächste richtige Album ansteht, eine funktionierende Chemie haben. Dadurch konnte ich den Jungs auch zeigen, wo ich meine Wurzeln habe. Außerdem ist unsere letzte Scheibe schon eine Weile her und wir wollten die Fans einfach wissen lassen, dass wir noch immer existieren, grinden, eine gute Zeit haben und bereit sind, auf Tour zu gehen, um ein paar Biere zu vernichten und Scheiße zu bauen!

Wie hast Du die Songs denn ausgewählt? Die Tracklist ist nicht unbedingt typisch für ein Coveralbum. Was hat Dich davon abgehalten, SLAYER, MAIDEN und AC/DC nachzuspielen?

Nun, als Mike Beams [Gitarre, Vocals – Anm. d. Red.] und ich beschlossen haben, das Ding zu machen, war das erste was ich sagte, dass wir NICHTS von Slayer, Iron Maiden, Venom, Possessed, Carcass, Napalm Death, Kreator, Entombed etc. etc. spielen werden, weil das genau das wäre, was die Leute erwarten. Ursprünglich schwebten mir ganz andere Bands vor, wie z.B. Wehrmacht, Obscurity, Slaughter Lord, Insanity, Necrovore, Infernal Majesty, Mantas, Cryptic Slaughter, D.R.I. und so Zeug. Dann kam aber „Leaders Not Followers II“ raus und ich fand, dass NAPALM DEATH ihre Sache, die frühen Death / Grind / Crossover Sachen zu covern, sehr gut gemacht haben. Das noch mal zu machen, wäre überflüssig gewesen. Also habe ich Zeug ausgewählt, das die Leute garantiert nicht mit EXHUMED in Verbindung bringen würden, wie PENTRAGRAM, ZEPPELIN oder einige alte Favorites wie „Twisted Face“, „Uninformed“ oder „Pay To Die“. Das Wichtigste war mir dabei, dass es ein EXHUMED Album wird und die Leute es kaufen, um UNS zu hören und nicht eine neue Version von „Pleasure To Kill“, „Into Crypts Of Rays“ oder sonst etwas. Wir haben mit „What’s Next To The Moon“ tatsächlich einen AC/DC Song geprobt, der allerdings überhaupt nicht nach EXHUMED geklungen hat, sondern wie AC/DC auf B gestimmt…

Magst Du Cover Songs? Was macht ein Cover zu einem guten Cover? Was ist Dein Lieblingscover und warum?

Ich mag Cover Songs ziemlich, wenn sie gut gemacht sind, was wohl nicht überrascht. Mein persönliches Lieblingscover? Wird wohl „Am I Evil?“ in der METALLICA Version sein, weil es bei mir einen so großen Eindruck hinterlassen hat, als ich noch ein Kind war. Ich weiß noch als ich so um 1988, als ich ultra Thrash Fan war, die DIAMOND HEAD Version davon hörte und nur dachte ‚Was soll denn der Scheiß?!?! Das klingt so erbärmlich!!‘ Sie [METALLICA] haben einen guten Song genommen und ihn gespielt, als sei es ihr eigener. Dabei haben sie ihn so viel heavier gemacht, dass es wirklich ihr Song wurde. Für mich ist das noch immer die definitiv beste Version dieses Songs. Irgendwann habe ich dann auch DIAMOND HEAD und die NWOBHM generell lieben gelernt. Aber wenn du ein Kid bist, das total auf das schnelle Zeug abfährt, erscheint Dir diese Musik einfach nicht extrem genug, denke ich. Aber das ist genau unsere Herangehensweise: wir haben einfach alles gespielt als ob es ein EXHUMED Song sei, was sich manchmal als ziemlich einfach und manchmal als ein wenig knifflig herausstellte.

Was hältst Du von SIX FEET UNDERs „Graveyard Classics 2“, auf dem sie das komplette „Back In Black“ neu eingespielt haben?

Das hab ich noch nie gehört, weil ich nie wirklich etwas mit SIX FEET UNDER anfangen konnte. Es klingt aber wie eine richtig schlechte Idee… ich meine, ich liebe „Back In Black“, aber… ach ich weiß nicht.

Ihr musstet gerade wieder einmal eine anstehende Europa-Tour absagen. Was lief denn diesmal schief? Wird es trotzdem bald einmal die Möglichkeit geben, EXHUMED hierzulande live zu sehen?

Ahhh… meine Lieblingsfrage! Wir hatten eigentlich eine vierwöchige Europa-Tour mit SEVERE TORTURE, PSYCROPTIC und PROSTITUTE DISFIGUREMENT geplant. Aber dank einiger Planungs- und Budgetprobleme, die nicht einmal etwas mit uns zu tun hatten, ging das ganze den Bach runter. Wir hatten grundsätzlich die Möglichkeit, einige der Shows zu retten oder das Unterfangen von vorn herein abzublasen. Wir dachten es sei besser, es darauf ankommen zu lassen, die Tour durchzuziehen und einfach da raus zu gehen, auch wenn wir weniger Kohle dafür sehen und ein paar Shows weniger spielen würden. Dann, eine Woche, bevor wir aufbrechen sollten, bekamen wir mit, dass ein Drittel der 15 Shows abgesagt worden war und es schlicht keinen Weg mehr gab, wie wir uns die Tour hätten leisten können. Wir hätten davon nicht einmal unsere Miete bezahlen können. Dadurch wurden wir in eine sehr uncoole Situation gedrängt und mussten absagen.

Es kotzt mich immer noch richtig an! Ich hoffe nur, dass das nicht einen faden Nachgeschmack bei den Leuten hinterlassen hat, die wirklich gerne mit uns die Shows gemacht hätten, oder noch schlimmer: bei den Fans, die mit uns abgehen und ein paar Drinks vernichten wollten. Das ist schon alles, was wir wollen! Rauszugehen und ein paar Shows zu spielen sollte doch wirklich nicht so verdammt schwer sein! Wir arbeiten schon wieder an einem neuen Ding für Europa und drücken die Daumen.

Wie sieht’s denn mit neuem, eigenem Material aus? Wann können wir denn mit einem neuen Album rechnen?

Wir sind momentan total am Schreiben und ehrlich gesagt haben wir schon genug Material, um von der Spielzeit her damit ein Album zu füllen. Wir schreiben aber noch weiter, um mit der bestmöglichen Scheibe an den Start zu gehen. Wir werden wohl ein Demo draus machen, das wir Ende des Jahres an einige Labels schicken werden. Herbst 2006 ist eigentlich angepeilt für die neue Scheibe, aber wir sind ja bekannt dafür, dass alles etwas länger dauert, und so wird man sehen müssen, was geschieht. Ich bin ziemlich geil auf das neue Zeug und kann es kaum erwarten, die neue Platte aufzunehmen.

Was hat Euch dazu bewogen, Relapse zu verlassen?

Wir haben unseren Vertrag erfüllt und wollten für diese Scheibe und unsere DVD unser eigenes Ding durchziehen, bevor wir uns wieder mit einem längerfristigen Vertrag an irgendjemanden binden. Obwohl wir bei beiden Projekten mit Listenable (Europa) und Ritual Records (Japan) zusammenarbeiten sind wir technisch gesehen zur Zeit frei.

Ich gehe mal davon aus, dass die angekündigte DVD noch immer in der Mache ist. Was habt Ihr Euch denn für den Inhalt einfallen lassen?

Die DVD wird episch! Sie wird eine komplette Live Show enthalten, die an zwei Abenden in LA mitgefilmt wurde. Dazu wird sie Clips aus den Jahren 1992 bis 2005 enthalten, sowie Interviews mit aktuellen und ehemaligen Mitgliedern, die die gesamte Bandgeschichte total auseinandernehmen werden.

Das bringt mich doch gleich zur Frage, warum alle Bandmitglieder ausgetauscht wurden, die noch auf „Anatomy Is Destiny“ zu Gange waren. Warum ist außerdem Col [Jones, Drums, Gründungsmitglied – Anm. d. Red.] ausgestiegen und wie kommt es, dass Leon [DelMuerte, Bass, spielte bereits 1996/97 bei der Band – Anm. d. Red.] wieder dabei ist?

Yeah, wir haben heute ein „all-new, all-different“ Line-Up. Ich kann Dir sagen, dass es sicher nicht absichtlich so laufen sollte. Col wollte sowieso schon vor „Anatomy Is Destiny“ aussteigen, weil er sich auf seine Karriere als Molekularbiologe konzentrieren wollte. Als es dann an die Tour zum Album ging, hat uns Bud [Burke, Bass – Anm. d. Red.] verlassen, weil er genug davon hatte, so lange nicht zu Hause zu sein. Außerdem gibt es sicher lukrativere Dinge, als bei EXHUMED zu spielen. Also haben wir Leon wieder gebeten, uns auszuhelfen. Er war dann ein Jahr lang immer wieder mit uns auf Tour, und als es an der Zeit war, die neue Scheibe aufzunehmen, erschien es nur logisch, ihn mit dabei zu haben. Er wird sich wahrscheinlich bald wieder anderen Projekten widmen und bei uns wieder ausscheiden, aber er ist sicher schon seit zehn Jahren ein Mitglied der Familie. Nach der „Anatomy Is Destiny“ Tour, bei der uns an den Drums meistens Danny Walker von UPHILL BATTLE und John Longstreth [ex-ORIGIN, SKINLESS – Anm. d. Red.] ausgeholfen haben, war Mike ziemlich verbraucht.

Dadurch mussten wir letztendlich das With Full Force und das Obscene Extreme canceln, was für uns eine sehr, sehr große Enttäuschung war. Aber die Band war einfach physisch und mental ausgeblutet und es gab keine Aussicht darauf, dass Mike noch eine weitere Show ausgehalten hätte, Punkt. Wir haben uns dann eine sechsmonatige Auszeit von allem genommen, was EXHUMED bedeutet, in der wir nicht einmal viel zusammen abgehangen sind o.ä., um ihm [Mike] eben Raum zu geben, damit er sich von allem erholen kann. Ich habe dann damit angefangen, das Coveralbum zu planen, und ein paar neue Jungs zu suchen, die das Line-Up vervollständigen konnten. Mike hat sich dabei eigentlich an nichts beteiligt. Aber wir haben weitergemacht und als wir schließlich Matt Connell, unseren neuen Drummer, gefunden haben, sah alles wieder besser aus. Mit Mike allerdings die DVD Shows zu drehen war ein riesen Scheißdreck – er hat sich überhaupt nicht mehr reingehängt und ist kaum mehr zu den Proben erschienen. Zu dem Zeitpunkt, als er zu dem Schluss kam, dass ihm das ganze einfach keinen Spaß mehr macht, waren wir mit „Garbage Daze…“ schon zu 70% fertig. Deshalb sind auch seine Vocals noch überall mit drauf. Wir wollten das Projekt aber dennoch zu Ende bringen. Ehrlich, wenn ich während der Aufnahmen zu „Anatomy…“ gewusst hätte, dass alle anderen die Band verlassen würden, hätte ich sie wahrscheinlich aufgelöst und hätte etwas anderes angefangen.

Da aber alles Schritt für Schritt kam, waren es ein paar komische Jahre für die Band. Als Mike ausgestiegen war, war Wes [Caley, Gitarre – Anm. d. Red.] die einzige Person, die ich für den Job anrief. Ich kannte ihn ziemlich gut von unserer Tour mit UPHILL BATTLE und wusste, dass er ein kriminell unterbeschäftigter Gitarrist war, und dass er und ich viel mehr auf einer Welle liegen als das bei Mike und mir der Fall war. Wir haben dann geschaut, wie die Sache läuft und haben letztendlich die Scheibe vollendet. Ehrlich, ich bin total scharf darauf, mit Matt und Wes eine neue Platte zu machen. Ich schätze sie, ihre Arbeitsmoral und die Sachen, die sie schreiben, sehr, und vor allem auch sie selbst als Menschen. Mit ihnen macht die Band wieder richtig Spaß!

Doc McGhee, der Manager von KISS, hat letztens in der New York Times gesagt, dass er darüber nachdenkt, das komplette KISS Line-Up gegen andere Musiker auszutauschen. Ihm zufolge ist KISS eine Marke wie Doritos oder Pepsi, bei der die eigentlichen Mitglieder eine untergeordnete Rolle spielen. Gene Simmons glaubt, dass es nur 5-10% der Fans um die eigentlichen Bandmitglieder geht. Wie denkst Du darüber?

Das klingt wirklich sehr nach Gene Simmons. Eine Band zu einem Franchise-Unternehmen zu machen ist etwas, das nur ihm einfallen kann. Ich liebe KISS, aber der Kerl ist so ein Arschwisch, das ist unglaublich! Es mag vielleicht in der Welt des Stadionrock so sein, dass sich die Leute nicht um die Bandmitglieder kümmern. Aber im Underground, wo die Leute richtigerweise mehr Kontakt zu den Bands haben, ist das ein wenig anders. Ich sehe unsere Band als eine Art große Familie. Mit fast allen meiner engen Freunde habe ich schon bei EXHUMED gejammt. Col und ich spielen jede Woche mit unserer Thrash Band DEKAPITATOR, in der auch unser ehemaliger Gitarrist Derrel Houdashelt spielt. Wir kommen zusammen und hängen zusammen ab. Bud und Mike waren beide auf dem letzten Album, und das wurde von unserem alten Bassisten Matt Widener produziert, der jetzt mit Col in CRETIN spielt. Es spielt sich alles mehr oder weniger in der Familie ab. Mike, Col, Bud und sogar Ross kamen alle zu unserer letzten Show in San Francisco. Es ist einfach ein großer Kreis an Leuten, die diese Musik lieben, aber es können ihr nicht alle gleichzeitig ihr Leben widmen. Deshalb kommen und gehen die Leute. Es ist praktisch unmöglich, ein stabiles Line-Up auf einem Budget von Null aufrecht zu erhalten. Das im Hinterkopf glaube ich trotzdem, dass Matt Connell und Wes einige Zeit in der Band sein werden. Ich glaube, dass man uns als das perfekte Line-Up ansehen wird, wenn das neue Album rauskommt.

Was steht in den kommenden Monaten so an bei Euch?

In ein paar Wochen haben wir eine große USA/Kanada Tour am Laufen. Im Frühjahr nächsten Jahres folgt dann hoffentlich Europa, dann die DVD im Frühling, und hoffentlich können wir im April oder Mai ins Studio gehen

Dann wünsch ich Euch für die kommenden Vorhaben alles Gute! Das wär’s schon! Ich danke Dir für Deine Zeit, Matt! Die letzten Worte an unsere Leser gehören Dir!

Cheers, man! Danke für den Support! We’ll see all you sick fucks on the road soon. Wir sind dann die widerlichen Amis an der Bar.

12.10.2005

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