Essenz
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Interview

ESSENZ veröffentlichen nach ihrem äußerst gelungenen Debüt-Demo nun ihr erstes vollständiges Album. Und wie man dem Review entnehmen kann, hat sich die junge Band damit bereits ein kleines Denkmal gesetzt. Grund genug also die Herren um G.ST. einmal näher zu beleuchten und sie nun, ohne große Vorrede, zu Wort kommen zu lassen.

EssenzOk, es ist zwar wenig beliebt, aber da Ihr als Band noch recht jung seid, würde ich Dich bitten, ein wenig was zu Eurer Geschichte, den bisherigen Veröffentlichungen und dem Line Up zu erzählen.

Ich lasse ungern den Individuen hinter dem Projekt den Vortritt vor selbigem, aber einen kurzen Abriss über die Geschichte möchte ich geben: Das Projekt ESSENZ wurde von mir konzeptionell im Dezember 2007 aus der Taufe gehoben und Freunde, C.DBS (Schlagzeug) und D.KGLR (Gitarre), gründeten mit mir die Band. Wir wurden nach einer Einspielphase relativ produktiv und so kam es, dass für mich schon nach wenigen Monaten unsere erste Veröffentlichung „metaphysis“ komponiert war (mit künstlerischen Freiheiten für das jeweilige Instrument). Aufgrund von Zeitmangel ließ es sich jedoch nicht so schnell umsetzen, wie es entstanden war und aus gleichen Gründen verließ D.KGLR die Band. Schon vorher stieß jedoch D.RK hinzu, ersetzte den fehlenden Posten und ließ das Line Up festigen. Mitte des Jahres 2009 nahmen wir in Dreierbesetzung „metaphysis“ im Englsound Studio in Berlin auf und gaben auch unser erstes Konzert auf dem letzten Endzeit-Metalevent. Im Herbst ist die CD dann auch komplett in Eigenregie erschienen und wir gaben bis heute noch einige weitere Konzerte. Wir haben probiert es so stimmig wie möglich zu halten und sind nicht auf jedes Angebot eingegangen. Hervorheben kann ich zum Beispiel das Konzert zur Buchveröffentlichung „Schneezauber“ bei dem wir mit dem Autor, Organisator und der Illustratorin ein gemeinsames Event erschaffen haben, welches Lesung und Konzert verband. Zwischendurch haben wir in Amor Fati und Iron Bonehead Productions Unterstützung gefunden, was nach etwas Verzögerung Ende Juni diesen Jahres zur Veröffentlichung der Vinylversion der „metaphysis“ führte. Des Weiteren haben wir seit letztem Herbst auch kontinuierlich an unserem ersten Album „KVIITIIVZ – Beschwörung des Unaussprechlichen“ gearbeitet, welches wieder im Englsound Studio aufgenommen und über Sound From Below gemastert wurde und jetzt über Amor Fati erschienen ist. Es zeichnen sich weitere Entwicklungen ab, aber soweit sind wir erstmal sehr zufrieden mit dem jetzigen Stand und gespannt, wie unsere Veröffentlichungen Gehör finden werden.

Da das Demo ja, wie Du schon sagtest,  auf Vinyl wiederveröffentlicht wurde, gehe ich davon aus, dass Ihr mit selbigem zufrieden seid? Wie bewertest Du es rückblickend und wie waren die Reaktionen darauf?

Ich bin sehr zufrieden damit. Es gibt zwar nach jeder Veröffentlichung Dinge, die man zukünftig anders gestalten würde, aber das liegt in der Natur der permanenten Entwicklung und Utopie der Perfektion. Insofern wird jede Veröffentlichung immer nur eine Momentaufnahme sein. Wenn man sich mit dem Moment anfreunden konnte, wird dieser, wie „metaphysis“, als Unikat die Zeiten überdauern. Vinylpressungen sind mein bevorzugtes Medium und ich bin daher sehr froh gewesen auch dieses Angebot nutzen zu können. Die Reaktionen waren für mich vorher nur schwer einschätzbar, da ich mit absoluter Subjektivität und Emotion in das Konzept verwoben bin. Es war vor allem erstmal befreiend für mich es überhaupt rauslassen zu können, sei es auf direktem medialem Wege oder über Konservierung, ungeachtet der Rezeption. Es zeigten sich jedoch nach den ersten Konzerten und CD-Verkäufen auch ernsthafte Reaktionen auf das Konzept und das hat mich sehr beeindruckt und bewegt. Zum Beispiel waren ausführliche handschriftliche Bekundungen darunter. Wann gibt es das heutzutage schon noch? Die Quantität zählt für mich dabei nicht und diese kann ich auch nicht überblicken, aber qualitativ waren Rückmeldungen darunter, die mir zeigten, dass es nicht nur für ESSENZ eine sehr tiefgehende Sache ist. Da wir auch aus verschiedenen Altersklassen und von sehr unterschiedlich dispositionierten Menschen Feedback erhalten haben, hat sich ein sehr umfassender Wirkkreis abgezeichnet.

Dann lass uns mal langsam auf Euer neues Werk zu sprechen kommen. Nach dem ersten Hören drängte sich mir der Eindruck auf, der Black-Metal-Anteil ist noch ein wenig mehr zurückgegangen, die Musik an sich wirkt vielschichtiger und verspielter. Wie bewertest Du eure Entwicklung vom Demo bis zum jetzigen Album?

Nun, ich merke wie sich unser Vorhaben gefestigt hat und dass eine starke kreative Energie vorherrscht. Die anderen Mitglieder teilen meine Vision von Musik und wir harmonisieren in dieser Hinsicht sehr gut. Was den Musikstil angeht, setzen wir uns keine Schranken. Warum auch? Das wäre eine Beschränkung künstlerischer Freiheit im Vorhinein. Sicher braucht man einen roten Faden, um nicht uferlos zu werden (wobei auch dies ein mögliches Unternehmen wäre), aber dieser ist völlig durch das Konzept gegeben, welches nicht in Genregrenzen denkt, sondern Intentionen vertritt. Dass unser Album so klingt wie es klingt, liegt also am Konzept der Beschwörung, die vollzogen wird und dem letztendlichen Ausbruch des Unaussprechlichen. Es wird durchaus so sein, dass zukünftige Werke wieder anders klingen, vielleicht mehr der Raserei verfallen, vielleicht minimalistischer werden… vielleicht aber auch nicht. Die essentielle Verbindung von Gegensätzen im Rahmen unseres musikalischen Ausdrucks wird immer gewahrt sein und den aus unserer Sicht bewegendsten Weg wählen.

Im Booklet dankt Ihr beispielsweise Decartes, BLACK SABBATH und Drogen für die Inspiration. In welcher Stimmung befindest/befandest Du Dich, als Du die Songs für das neue Album geschrieben hast? Ich nehme an, Du bist niemand, der zu jeder Zeit und in jedem Moment Songs schreiben kann? Hast Du eine spezielle Vorgehensweise, wenn es ums Komponieren geht? Was ist dir beim Schreiben eines Songs wichtig?

Meist beginnt alles mit einer spezifischen Inspiration, die vornehmlich in sehr konzentrierten, besonderen oder ungewöhnlichen Situationen auftritt und sich dann zu einem Ideenkomplex ausweitet. Dem Ganzen liegt ein längerer Prozess zu Grunde, der viel mit Selbstreflektion zu tun hat und Fremdreflektion mit einbezieht. Produktiv wird es meist, wenn die Reflektion vom Alltagsdenken gelöst wird und ich mich in andere Welten kalibriere. Dazu können viele Dinge hilfreich sein. Vor allem sind es aber Dinge, die Tiefgang ermöglichen und alles klarer sehen lassen, zumindest für den Moment. Viele kleine Bausteine passen dann plötzlich zusammen und füllen den Rahmen mit Sinn. Es ist so, als ob sich mir ein geistiges Bild zeichnet und plötzlich fliegen mir nach und nach auch noch alle Farben zu, die für die nötige Intensität sorgen. Wir als Band improvisieren viel bei den Proben, was auch sehr inspirierend sein kann. Ich bin aber natürlich nicht immer in der Stimmung dazu Songs zu schreiben. Oft begleiten mich gedanklich bestimmte Melodien oder Rhythmen, die ich dann nach spiele und versuche festzuhalten und die manchmal auch ins Konzept passen.
Im Fall von Descartes waren es zum Beispiel seine Meditationen mit denen ich mich zufällig während des Entstehungsprozesses des Albums auseinandergesetzt habe und die mich aufgrund der Art und Weise, wie Descartes sich der Erkenntnis nähert, sehr beeindruckt haben. Auch wenn ich inhaltlich nicht mit Descartes konform gehe, hat er mir rein technisch einen sehr wichtigen Dienst erwiesen und mich Tiefgründigkeit spüren lassen. Eine ähnliche Technik habe ich dann auf meine Beschwörung übertragen. BLACK SABBATH hat mich musikalisch viel begleitet und mir rein durch die Energie, die die Musik ausstrahlt, viel gegeben. Die Stimmung während des gesamten Entstehungsprozesses war durch viel Unruhe, Chaos und latente Aggressionen in meinem Umfeld geprägt. Dies bezieht sich auf mehrere Ebenen: Die logische und emotionale Ebene in Bezug auf meine eigene Verfassung, aber auch auf größere systemische Zusammenhänge. Diese Zusammenhänge haben mir ein System offenbart, welches ich abbilden und als aktivierenden Prozess nutzen wollte. Ich wollte es transzendieren und auf eine höhere Ebene heben. Dadurch schien wieder alles geordneter und weniger wichtig, was so an der Oberfläche passiert. Denn man selbst ist ja schon in den Kern vorgedrungen.

Würdest Du also im Sinne von S.L. (THE DEVIL’S BLOOD) soweit gehen zu behaupten, dass Dich die Songs aussuchen und nicht umgekehrt? Die Songs zwar ein Spiegel Deiner Inspiration sind, sie aber auch, wie eben durch Improvisation bspw., ein Eigenleben und sich somit selber entwickeln?

Ja. Sie kommen zwar aus mir, sind aber in ihrem Ursprung nicht bewusst erschaffen und auch nicht spezifisch auf mich bezogen. Es gibt zum Beispiel Texte, da weiß ich im ersten Moment selbst nicht, was mich da gerade eigentlich geritten hat. Ich weiß nur, genau so will ich es sagen und so ergibt es einen tieferen Sinn. Ähnlich ist es mit der gesamten Musik. Man könnte es Selbstinspiration nennen, die Musik erschafft, die eine eigene Entität führt. Es gibt keine persönliche Musik. Entweder sie ist nur eine Kopie von etwas, das schoneinmal da war, oder sie hat die natürlich gegebene Eigenständigkeit auf die sich kein einzelnes Individuum berufen kann. Musik ist ein Medium. Und wenn wir Musik produzieren, werden wir selbst zum Medium. Wir alle sind mehr oder weniger determiniert und können mit genügend Anspruch an uns selbst es sich so fügen lassen, dass wir nicht als Kopien durch die Welt laufen, sondern uns selbst reflektieren und das Verborgene nutzen.

Auf Eurem aktuellen Werk habt Ihr ein Tribute an den amerikanischen Künstler und Komponisten JOHN CAGE, welches nur Stille beinhaltet. Was hat es mit dieser verlängerten Schweigeminute auf sich und inwiefern hat Cage dich beeinflusst?

JOHN CAGE schuf das Stück „4’33’’“ in der Intention das musikalische Verständnis der Hörer zu erweitern und die Konsumenten nicht nur auf die bewusst erzeugte Musik und deren Durchführung zu lenken. Er hat sich die Länge der Stille durch Zufallsoperationen erwürfelt (4 Minuten 33 Sekunden Stille in 3 Akten) und sich somit als eigentlicher Komponist komplett entsagt und alles dem natürlichen Zufall überlassen. Zum Zeitpunkt der Stille der eigentlichen Künstler kehrt sich das mediale Gefüge schlagartig um und der Konsument und seine Umgebung werden zum Musikerzeuger. Alles was dann noch erklingt, wird zufällig oder geplant durch die Umgebung der Rezipienten erzeugt. Das heißt, es wird auch jedes Mal ein anderes Stück sein, welches erklingt. Aus meiner Sicht dürfte das in den 40er Jahren die Musikwelt revolutioniert haben, denn dahinter steckt eine sehr moderne Auffassung von Musik. Es hat zusätzlich etwas Meditatives und ist ein perfekter, abrupter Abschluss des Albums sowie eine gute Überleitung zum zweiten Bonussong. CAGEs Musikphilosophie ist mehr als ein Kapitel für sich. Ich kann nur soviel sagen, dass diese mich sehr beeindruckt und ich in vielen Punkten eine ähnliche Auffassung habe. Für mich stellt er einen wahren Künstler dar und aufgrund ähnlicher Auffassungen lassen sich auch bei ESSENZ viele Details finden, die dem offenen, von CAGE entscheidend geprägten Musikverständnis Tribut zollen. Nehmen wir nur mal die Aussagekraft von Störgeräuschen. Vor CAGE und Co wäre sicher kaum jemand auf die Idee gekommen das als Musik zu verkaufen, geschweige denn zu konsumieren. Krach oder Stille werden zu Klang. Und Musik wird dadurch erst authentisch und Genres wie Doom oder Noise konnten sich entwickeln.

Daneben befindet sich auch noch das Cover von MAYHEMs „Freezing Moon“ auf dem Album. Warum gerade dieser Song? Mir gefällt Eure Interpretation sehr gut, ich könnte mir aber vorstellen, dass es auch viele Hörer geben wird, die sich die Frage nach dem „Warum“ stellen, immerhin ist es ein Song, der schon von einigen Bands verbraten wurde

Richtig, dessen sind wir uns auch bewusst und das war ein Punkt über den wir nachgedacht haben. Es ist auch nicht die einzige Coverversion, die wir im Repertoire gehabt hätten, aber sie war mit Abstand die energetischste. Ich bin der Meinung, entweder man covert etwas und fügt dem Eigenes hinzu, transferiert es in den eigenen Stil, oder lässt es (zumindest für die Öffentlichkeit) bleiben und überlässt den Rest der Originalversion. Da wir der Meinung sind, dass „Freezing Moon“ sich optimal in unseren Stil einfügt, kamen wir nicht umhin es als Referenz neben JOHN CAGE ebenfalls anzubieten, zumal unsere Wurzeln unüberhörbar unter anderem im extremen Metal liegen.

Ok, dann lass uns auf die lyrische Seite zu sprechen kommen. Erstmal generell: Was entsteht zuerst, die Texte oder die Musik? Was ist Dir wichtiger oder kannst Du beide Seiten gar nicht trennen?

Zu Musik gehört für mich untrennbar auch die lyrische Seite, es sei denn es handelt sich um Instrumentalmusik. Die Texte sind ein wichtiger Teil des Ganzen und die instrumentale sowie lyrische Seite verstärken sich optimalerweise gegenseitig. Insofern gibt es dabei für mich auch keine Gewichtung. Beides ist wichtig und im Kontext zu sehen.
Wie die Texte entstehen ist unterschiedlich. Manchmal fügen sie sich in ein schon vorhandenes Konzept ein und manchmal bricht einfach irgendetwas aus mir heraus, wozu dann auch die Instrumentalmusik entsteht. So oder so ist aber auch das Texteschreiben mit einem Prozess verbunden, in dem das Geschriebene immer wieder reflektiert und weiterentwickelt wird bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Stückes. Also gibt es auch im Entstehungsprozess die angesprochene Wechselwirkung zwischen Instrumentalmusik und Lyrik.

Die Texte an sich machen einen sehr persönlichen, aber auch sperrigen Eindruck. Ist es Dir wichtig, dass die Hörer von ESSENZ auch etwas von der lyrischen Aussage für sich „mitnehmen“ oder dienen sie Dir eher als Dein eigenes Ventil?

Die Texte sind bewusst nicht spezifisch auf eine bestimmte Person bezogen, da unser Ziel eine Initiation ist und kein Geschichtenerzählen. Ich versuche mit Worten und deren Intonation Bilder zu malen, die sich mit den Harmoniken und Melodien zu einem Gesamtäther verbinden. Wenn dies funktioniert durchlebt im Idealfall jeder, der in irgendeiner Form Teil hat, sein eigenes Ritual und kann aufgrund dessen auch schnell an seine Grenzen geraten. Dadurch, dass ich dabei jedes Mal selbst involviert bin, ist es für mich sehr aufwühlend, aber auch befreiend. Es ist eine Katharsis.

Stehen die Texte untereinander in einem Zusammenhang? Beim Lesen wirkt es auf mich, dass Selbstreflektion, vielleicht auch ein Art innerer Kampf und das Streben nach Höherem desöfteren thematisiert wird.

Ja, auf jeden Fall. Nichts ist ohne Grund aneinander gereiht und jeder Ton ist durchdacht. Selbstentleibung ist ein zentrales Thema, das ich verfolge. Es geht um Anrufung, darum die Physis hinter sich zu lassen und neue Ebenen zu erreichen, zur Essenz vorzudringen. Da das nicht auf Anhieb funktioniert ist auch eine Art Kampf nötig. Es geht also um metaphysische Ebenen, die meiner Ansicht nach aus der Physis heraus nur durch ein gewisses Abstraktionspotential zu erreichen sind und dadurch teilweise auch eine surrealistische Aura erhalten.

Auch das Artwork des Albums ist wieder mehr als stimmig. Was war Euer Anspruch an die Gestaltung und wie seid Ihr mit der Umsetzung durch Tlmnn zufrieden?

Ich persönlich halte sehr viel von Tlmnn, er ist Profi seines Fachs und dazu noch Künstler. Insofern arbeite ich gern mit ihm zusammen, was jetzt auch auf musikalischer Ebene passiert. ESSENZ hat er von Anfang an unterstützt und auch beim neuen Album bin ich vollends zufrieden. Wir haben uns zusammen gesetzt und gemeinsam Ideen und Material gesammelt. Im Endeffekt sind dann gestalterisch von jedem gewisse Anteile dabei und Tlmnn fügt diese zu einem Ganzen. Bei „KVIITIIVZ“  haben wir eine eher implizite Linie verfolgt, im Gegensatz zu den expliziten okkulten Fotografien der „metaphysis“. Wichtig dabei ist für jedes Artwork auch wirklich bei der einen Linie zu bleiben, um nicht die Harmonie der Gesamtkomposition der Grafiken zu zerstören. Ein weiterer Anspruch ist möglichst eigenständig zu bleiben und klischeeträchtige Symbole außen vor zu lassen, das heißt das Artwork auch offen zu gestalten, um die Musik möglichst unvorbelastet wirken zu lassen und uns nicht schon auf den ersten Anblick diverse Schubladen zu öffnen. Nichtsdestotrotz sollte rein optisch schon sehr viel vom Konzept erkenntlich sein und, ähnlich wie bei der Wechselwirkung zwischen Lyrik und Instrumentalmusik, verstärkt das Visuelle das Gesamtwerk im Idealfall. Ich bin sehr froh das Coverbild der „KVIITIIVZ“ entdeckt zu haben. Es ist meiner Ansicht nach sehr bewegend und strahlt viel vom Akustischen des Albums aus. Als ich das Album dann erstmalig in den Händen hielt, war ich sehr begeistert. Ich finde die Optik erfüllt unsere genannten Ansprüche optimal und wirkt in gedruckter Form noch besser, als ich es erwartet hätte. Gerade auch die Fotografie von D.RK macht es zu etwas sehr Besonderem.

Gibt es denn ein übergreifendes Gesamtmotiv, das für das ganze Album steht? Gerade wenn man Deine Aussagen bedenkt, die die Gesamheit der Erscheinung von „KVIITIIVZ“ betreffen. Quasi ein Wort, ein Thema, ein Motiv, das für die Einheit aus Text, Musik und Gestaltung omnipräsent ist? Mir fiel beispielsweise auch das Spielen mit Buchstaben auf, sei es beim Titel, Eurem Bandnamen oder Euren Pseudonymen

Ja, teilweise ist es sogar veröffentlichungsübergreifend. Ich baue bewusst Neologismen, also Neuwortschöpfungen ein, um Worte auch schon visuell meiner Intention anzunähern. Außerdem finden sich bewusste Verwirrspiele und Fehler, die den Wahnsinn repräsentieren. Das neue Album enthält mehrere akustische Samples von akuten psychotischen Zuständen, Ritualen und okkulten Erscheinungen, die sich dann auch im Optischen wieder finden. Psychische Ausfallerscheinungen, Wahnsinn und mediale Offenbarung zeichnen unseren Weg und stehen für den Erkenntnisprozess der Diskrepanz zwischen Welt und Psyche, Welt und Selbst und für die Vereinigung mit dem Übergeordneten, den Einbruch des Unaussprechlichen in Welt.

Ist die Musik und das Erscheinen des Albums dann in diesem Sinne für Dich eine Art Befreiung, Katharsis oder eher ein weiterer Schritt in Richtung Abgrund?

Generell hängt es vom Wertesystem und der Philosophie des jeweiligen Betrachters ab. Für mich steht der Abgrund für eine Erhöhung des Selbst, insofern ist das Album für mich beides: Abgrundtief kathartisch.

Ok, dann lass uns mal wieder in Richtung Musik zurückgehen. Ihr seid auf einer Minitour mit VERDUNKELN gewesen. Wie waren Deine Eindrücke von diesen Dates? Könntest Du Dir vorstellen ESSENZ im Rahmen einer „richtigen“ Tour, also ein, zwei Wochen lang, zu präsentieren?

Die Minitour wurde letztendlich leider auf nur zwei Termine beschränkt, aber diese waren intensiv. In Nürnberg hatten wir als erste Band mit Soundproblemen zu kämpfen, aber dafür schien es in Oberhausen besser zu laufen. Die Veranstalter, Amor Fati und Metalkommand, haben uns herzlichst versorgt und gerade mit VERDUNKELN könnte es zukünftig noch gemeinsame Aktionen geben. Wir haben eine Wellenlänge und stehen mit den Veranstaltern, VERDUNKELN und Herrn Meilenwald in Kontakt. Möglicherweise lässt sich in der Zukunft zusammen mit Iron Bonehead eine Tour organisieren, aber da ist noch nichts konkret. Vorstellen könnte ich es mir auf jeden Fall, zumal unsere Musik live noch mal eine andere Qualität erhält. Ich würde dabei aber auf ein stimmiges Line-Up und Konzept achten, denn sonst machen Liveauftritte keinen Sinn. Möglicherweise werden wir dann auch mit einem neuen Drummer aufwarten, aber das wird, wenn es soweit ist, rechtzeitig verkündet.

Du hast bereits von einem speziellen Gig von Euch berichtet, daher drängt sich die Frage auf: Wenn Du alle organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten hättest, wie würde der perfekte Gig für Dich aussehen?

Eine richtig gute Anlage und Backline wäre schon die halbe Miete. Ansonsten bräuchte man noch jemanden, der das Mischpult professionell bedient und auch eine Ahnung von dem Sound hat, den man erreichen will. Gute Lichttechnik ist ebenfalls wichtig. Ein leer stehendes, abgelegenes und verfallenes Anstaltsgebäude stelle ich mir sehr stimmungsvoll vor. Da ließen sich gewisse musikalische Inhalte gleich am Exempel beschwören. Vermutlich würden wir auch mit Illustrationen arbeiten, um möglichst viele Sinne gleichzeitig zu bedienen. Zum Konzert sollte es dann schon dunkel sein. Was die weiteren Umstände angeht, lässt sich das schwer sagen. Die Einmaligkeit würde im Moment liegen.

Dann lass uns noch ein wenig in die Zukunft blicken. Wie geht es nun, da das Album fertig ist, mit Euch weiter? Was für Pläne habt Ihr, was versprichst Du Dir von der Veröffentlichung und was für Zukunftswünsche hättest Du, die Band betreffend?

Wir planen gerade einen Videodreh mit einem befreundeten Videokünstler, was hoffentlich bald auch umsetzbar ist. Ansonsten wird es ab frühestens Ende des Jahres die Vinylveröffentlichung zu „KVIITIIVZ – Beschwörung des Unaussprechlichen“ in Form einer Doppel – LP geben. Ein Shirt ist ebenfalls angedacht. Möglicherweise werden wir in der Zukunft mit einer Illustratorin für Liveauftritte zusammen arbeiten. Zwischendurch fliegen auch schon wieder die ersten Ideen für neue Stücke durch die Gegend, die wir in einem neuen Proberaum in die Tat umsetzen werden. Erwartungen sind eigentlich keine vorhanden, außer dem Anspruch an mich selbst zufrieden stellende Kunst zu produzieren. Der Rest wird sich zeigen und ich bin selbst gespannt, wohin es uns trägt.

Ok, ich denke, dann sind wir durch! Danke für das Gespräch, die letzten Worte gehören Dir.

Danke für das Interesse! Im Dienst der Versenkung.

22.07.2010

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