Esqarial
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Interview

Hand aufs Herz: Dass der beste Metal noch immer mit zwei Gitarren, Bass, Drums und einem satt röhrenden Löwen am Mikro veranstaltet wird, wusste doch jeder von uns – tief im Inneren – schon immer. Synthies, Samples, Keys – Schnick schnack, Ihr verzogenen Sonntags-Mosher! Wer wie ESQARIAL seine Zeit nicht mit sensationellen, revolutionären digitalen „Sound-Collagen“ verschwenden muss, hat mehr Zeit für das Wesentliche: Die Komposition. Und dass das ohne diesen neuzeitlichen Firlefanz nicht automatisch alles nach prähistorischem 80er-Käse klingen muss, sondern dass auch noch mit rein kompositorischen Mitteln Schwung in den hier und da doch leicht verkalkten Metal-Laden zu bringen ist, stellen die fünf Polen von ESQARIAL mit ihrem dritten Output eindrucksvoll unter Beweis. – Und dafür, dass ich das überragende „Inheritance“ dieser Band um ein Haar im ermüdenden Dschungel der Neuerscheinungen übersehen hätte, war ich der Band ja wohl mindestens ein Interview schuldig…

EsqarialErstmal Glückwunsch zu „Inheritance“ – die Scheibe hat mich wahrlich aus den Socken gesaugt (und tut es noch immer!). Seid Ihr selbst mit dem Ergebnis zufrieden?

Hallo, danke erstmal für all die warmen Worte über unser neues Release. Schon seit den allerersten Anfängen hatten wir eine Vision davon, wie sich das Album anhören und aussehen sollte etc., und ich meine, in dieser Hinsicht ist alles okay. Aber natürlich kann ich als Musiker sagen, dass ich in manchen Parts anders hätte singen oder spielen sollen, das ist normal. Wir haben uns daran gewöhnt, unsere Arbeit zu bemäkeln, nachdem die Arbeit vollendet ist, weil es der einzige Weg ist, das nächste Album besser zu machen.

Die komplex arrangierten Song-Strukturen bestechen in ihrer musikalischen Dichte und Lückenlosigkeit – Hören wir da typische Gitarristen-Kompositionen?

Ich weiß nicht, was eine typische Gitarristen-Komposition ist, da ich niemals versucht habe, eine Theorie des Musik-machens zu finden. Ich bin froh, dass Du bemerkt hast, dass das Arrangement der Elemente nicht zufällig geschehen ist. Wir komponieren unsere Songs nicht, indem wir einfach verschiedene Fragmente aneinander reihen, sondern indem wir Schritt für Schritt eine Spannung aufbauen. Vielleicht ist das Esqarial’s typische Art der Komposition.

Bei einem derartigen Stil-Crossover stellt sich mir oft die Frage: Was hören diese Verrückten eigentlich unter der Woche? Der Gitarrist Steve Vai, der Drummer Cryptopsy?

Hahaha, ich frage mich oft, wie zur Hölle wir eigentlich zusammen spielen können, ohne uns regelmäßig zu streiten… Pajak (V/G) hört Morbid Angel, Satriani, Gilbert und… Peter Gabirel; Ludendorf (B) ist verrückt nach englischem und deutschem Heavy Metal wie Coroner; Bartosz (D) schläft nicht ein ohne eine Portion Jazz-Maniacs wie Dave Weckl – und ich liebe Dream Theater, Metallica, Iron Maiden und den ganzen Mist.

Die Band ist mittlerweile stolze 12 Jahre alt und hat fünf Outputs (zwei Demos und drei Alben) erschaffen – das nächste ist bereits in Planung. Es scheint, als würdet Ihr nach fünf Jahren Schaffenspause vor Eurem Debüt vor Energie und Kreativität nur so überschäumen!

Es sieht so aus, aber Du solltest bedenken, dass wir eigentlich nicht dieselbe Band geblieben sind. Während all dieser Jahre gab es zahllose personelle Wechsel in der Band, und das erste Album kam 1997 heraus. Erst seit dieser Zeit begreifen wir uns als “richtige Band”. Die Schaffenspause war ferner durch Probleme mit unserem früheren Label bedingt, erst jetzt, seit wir bei Empire Records sind, können wir uns voll auf die Musik konzentrieren. Unsere Köpfe hatten wir schon immer voller Ideen, aber, Du weißt, life’s a bitch! 🙂

Wenn Ihr Euer erstes Demo („Refuse“, 1991) anhört, was sind die wesentlichen Merkmale Eurer Entwicklung seit damals?

Shit, ich hab es mir nie angehört. Ich kann aber die Entwicklung beobachten, wenn ich unsere drei Alben vergleiche, und das lässt mich zu der Annahme kommen, das zwischen unserem ersten Demo und “Inheritance” tiefe Abgründe klaffen. Interessant ist übrigens, dass wir immer versucht haben, Death Metal mit melodischen Parts zu vermischen, aber nun haben sich die Proportionen verändert.

Was bedeutet eigentlich Euer Bandname?

Ich muss Dich enttäuschen, der bedeutet gar nichts. Pajak war völlig angenervt von der Bandnamensuche. Jede junge Band weiß, wovon ich rede – “ Hey, Jungs, ich hab ‘nen Namen! Lass uns “X” nennen!” – “No fuckin way, da gibt’s schon eine in Vietnam…”. Jetzt aber sind wir 100% sicher, dass unser Name einmalig ist. 🙂

Würdet Ihr Eurem Label zustimmen, das Euch in der Promo als Frucht einer Mischung aus Morbid Angel und Joe Satriani beschrieb? Wo seht ihr Eure Verbindungen zu diesen Größen?

Diese Frage stelle ich mir nicht, da ich mir das nicht ausgedacht habe. Es ist nunmal eine Regel des Marketings, dass Du ein “Schlagwort” brauchst, das zum Produkt passt, wenn Du die richtigen Käufer ansprechen willst. Die Meinung, ob dieses “Schlagwort” hier zutrifft, überlasse ich Dir und den Fans.

Ich kenne Eure früheren Alben nicht (Asche über mein Haupt…!) – aber Gerüchten zufolge ist „Inheritance“ das erste Album, auf dem Ihr dieses wunderschöne Gleichgewicht zwischen brutalem Vorschub und melancholischer Ruhe gefunden habt?

Wie ich oben schon erwähnt habe, haben wir schon immer verschiedene Musik-Genres miteinander vermischt, aber auf “Inheritance” haben wir uns entschieden, die Proportionen zwischen Brutalität und Ruhe ein wenig zu verlagern. Das steht in Verbindung mit dem Konzept des Albums. Meine Vocal-Parts waren… hm… experimentell. Mein Job war es, eine Brücke zu schlagen zwischen heftigem Krawall und, wie Du es ausdrücktest, melacholischer Ruhe.

Liegt „Inheritance“ eigentlich ein Konzept zugrunde? Angesichts der passend eingefügten Intermezzi ist zumindest musikalisch ein erstklassiger Spannungsbogen in dem Album spürbar.

Ich würde eigentlich sagen, dass die Musik die Basis für die Lyrics ist, da die Musik immer zuerst da ist. Die Idee zu “Inheritance” kam von Ludendorf. Er interessiert sich für Geschichte, also war sein Vorschlag, ein Konzeptalbum zu machen, in dass wir Fragmente der Vergangenheit einfügen könnten. Die eigentliche Konzeption war, die Aufmerksamkeit unserer Zuhörer auf materielles Erbe aus dem Mittelalter zu lenken, allem voran auf Architektur. Wir leben in einer Welt aus Glas und Stahl und wir haben den Sinn für die Schönheit nahezu verloren. Wenn Du aber beispielsweise vor einer Kathedrale stehst, kannst Du die Leidenschaft ihrer Erbauung erblicken – und mit unserer Musik ist es dasselbe. Ich meine, der Prozess von der Idee bis zum letztendlichen Produkt ist derselbe. Wir haben Rohmaterial, und das müssen wir glätten und mit Verzierungen anreichern. Ich habe versucht, unser Album ganzheitlicher zu gestalten, also habe ich außerdem noch zeitgenössische Elemente eingebaut um nicht nur das Erbe der Vergangenheit zu zeigen, sondern auch das Erbe unserer Zeiten.

Wie kam es denn zu dem Hendrix-Cover „Fire“, das ja eher wie ein Bonus-Track hinten dranhängt?

“Fire” wurde aus Spaß aufgenommen. Es war der letzte Tag im Studio, wir haben ein paar Bierchen getrunken und uns entschlossen, noch was zu spielen. Hinterher kam unser Toningenieur (Marcin Bors) an und rief: “I got it!” und das war’s. Er hat übrigens auch das großartige Hendrix-Solo gespielt.

Täuscht mich mein Eindruck oder gewinnt die polnische (Death-) Metal-Szene zusehens an Einfluss, oder zumindest an einer eigenständigen Identität? Und woran könnte das liegen?

Ich denke, dass die Arbeit polnischer Musiker wesentlich härter ist als die der Kollegen anderer Länder, allein schon deshalb, weil sie in Polen, wenn sie genug Geld verdienen, um sich z.B. eine Gitarre kaufen, diese auch benutzen. Versteh’ mich nicht falsch, aber ich habe Freunde in Deutschland, die es sich in der Tat leisten können, sich Instrumente zu kaufen, nur um erstmal zu gucken, ob sie auf ihnen spielen können. – Der andere Grund ist, das solche fantastischen Bands wie Vader uns den Weg gezeigt haben und zudem den Fokus auf die polnische Szene gelenkt haben.

Habt Ihr Favoriten oder gar noch Geheimtipps im polnischen Band-Underground?

SCEPTIC sind klasse, und HUNTER, DISSENTER und viele andere…

Obwohl Ihr ja strenggenommen keine wirklich neuartigen Elemente verwendet, wirkt Eure Musik keineswegs angestaubt und altbacken – ein Phänomen, dass man in jüngerer Vergangenheit immer öfter beobachten kann. Vielleicht ist das etwas philosophisch, aber ist es vielleicht das Schicksal der modernen Musik an sich, Innovation nur noch durch Vermischung bereits bekannter Materialien zu erreichen? Oder könnte aus Metal eines Tages vielleicht etwas komplett neues entstehen, wie etwa einst aus der Popmusik der Techno mutierte oder afrikanische Buschmusik im Laufe etlicher Jahrzehnte irgendwann (u.a.) zu Heavy Metal wurde?

Das ist eine schwierige Frage. Ich nehme an, dass die Evolution des Metals noch immer fortläuft, jedoch viel langsamer. In den 80ern brachte jedes Jahr etwas Neues, und jetzt musst Du, wenn Du den Fortschritt erkennen willst, ein ganzes Jahrzehnt betrachten. Wir dürfen aber auch die Tatsache nicht vergessen, dass es niemals die Situation gab, dass jemand eine neue Musik ins Leben rief, ohne verschiedene Stile vermischt zu haben. Techno ist ebenso ein Kind der neuen Technologien, ich meine Sampler und dieser ganze Mist. Und Metal (bzw. Rockmusik überhaupt) sollte meiner Meinung nach immer diese Wärme einer Amp-Röhre besitzen, auch wenn er sie mit der Kälte des Computers teilen muss.

Wohin wird es Euch denn mit dem nächsten Album musikalisch verschlagen? Wollt Ihr den eingeschlagenen Weg noch weiter ausfeilen, oder plant Ihr vielleicht eine musikalische Zäsur, etwas komplett anderes zu machen?

Wir haben in der Tat ein Konzept für unser nächstes Album und es könnte etwas wie ein Side-Project werden, jedoch natürlich unter dem Namen Esqarial. Es wird ein Iron-Maiden-Meets-Paganini-Projekt, das ist alles, was ich dazu derzeit sagen kann.

Vielen Dank, damit gehören Euch nun die letzten Worte!

Danke für Eure Unterstützung! Ich hoffe dass wir uns bald auf unserer ersten Europa-Tour sehen. Außerdem senden wir unsere Grüße und ‘fucking yahooz’ an alle Metalmaniacs in Deutschland! Walk the path that’ll lead you to The Dark Site! 🙂

28.05.2003

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