Electric Callboy (zuvor Eskimo Callboy)
Eine der coolsten Zeiten überhaupt
Interview
ESKIMO CALLBOY haben Anfang November ihr mittlerweile fünftes Album „Rehab“ veröffentlicht. In den vergangenen zwei Jahren seit „The Scene“ stand aber nicht nur intensives Touren und wildes Songwriting auf dem Programm. Drummer David Friedrich wandelte auch auf Freiersfüßen, bezirzte die Bachelorette und zog schließlich ins Dschungelcamp ein. Wir trafen den jungen Schlagzeuger neulich bei der Album-Listening-Session auf ein, zwei, drei Wodka-Mischgetränke und plauderten mit ihm über seine Erlebnisse. metal.de investigativ. Aber ernsthaft jetzt.
metal.de: David, warum bist du bei bei der „Bachelorette“ (RTL) gelandet? War das eine Herzensangelegenheit?
David: Nein, das war eine Spaßangelegenheit. Vor Jahren sind wir ungefähr 200 Tage im Jahr getourt, und jetzt spielen wir 50 bis 100 Shows pro Jahr. Den Rest haben wir frei, wenn wir nicht nebenher arbeiten. Wenn du aber fünf Jahre lang auf Tour warst, fällt dir nach dem zweiten Tag zu Hause so krass die Decke auf den Kopf, dass du nichts mit dir anzufangen weißt. Und ich hasse es, wenn mir langweilig ist. Dann hieß es von den anderen nur: ‚Hey David, mach doch irgendwas im Fernsehen! Du laberst so viel und machst nur Scheiß‘ … Und dann kam über Verbindungen zu Warner, die die Sendung produzieren, das Thema „Bachelorette“ auf.
metal.de: Du hast dich beworben?
David: Ich habe mich selbst beworben und angefragt. Für mich galt: Ich habe da Bock drauf! Ich will mir das angucken, ich will da Spaß haben und will mal gucken, wie es so im TV abläuft. Ja, und dann hing ich da … long long story, ich wollte abbrechen, das war zu crazy und irgendwann hängt man in der Situation drin, da habe ich die Sendung gewonnen. Das war heftig. Das war eine crazy Erfahrung. Ich bereue es auf gar keinen Fall … die Zeit nach Sendeschluss bereue ich, ja …
metal.de: Ich habe keine Ahnung, was da passiert ist …
David: Sei froh, es ging da nur um Positionen. Ich hasse Rosenkriege und in der Öffentlichkeit Schlagzeilen auf Kosten anderer Personen zu machen, und – long long story – da bin ich raus. Und dann kam das Angebot für das Dschungelcamp [Ich bin ein Star, holt mich hier raus, RTL; Anm. d. Red.]. Ich hatte zu der Zeit noch gar nicht zugesagt, aber in der Presse wurde schon orakelt, dass ich da wohl mitmachen sollte. Und dann haben die Leute schon so krass gehatet, die haben gesagt, wie kannst du nur, das Image und hier und da, alles geht kaputt, du bist Musiker …
metal.de: Welches Image soll denn kaputt gehen?
David: Ja, weiß ich nicht. Das Image von einem Musiker wahrscheinlich. Das ist nämlich das, was ich mir gedacht hatte: Ich als Schlagzeuger, was habe ich denn für ein Image? Ich spiele bei ESKIMO CALLBOY, wir machen, was wir wollen, wir haben Bock auf jeden Scheiß… Aber dann habe ich mich trotzdem davon beeinflussen lassen, dass ich gesagt habe, dann gehe ich nicht in den Dschungel, weil alle Leute gesagt haben, das ist scheiße. Irgendwann habe ich aber gesagt: Egal, die ganzen Leute kennen mich doch gar nicht. Also ist es doch egal, ich kann schließlich machen, was ich möchte. Und dann bin ich ins Dschungelcamp reingegangen, und das war mit Abstand eine der coolsten Zeiten, die ich je hatte. Besser als die Bachelorette.
metal.de: Warum?
David: Die Sendung dauert ja 14 Tage, und ich bin einen Tag vor dem Finale rausgeflogen. Es ist einfach so, dass man zwei Wochen kein Handy hat. Man ist für sich selber verantwortlich, es besteht aber ein psychischer Druck – du bist ja gefangen mit den Leuten, mit denen du im Camp bist, und du hast keinen Kontakt nach außen …
metal.de: Mit wem warst du im Camp?
David: Natascha Ochsenknecht war da, mega! Gewonnen hat Jenny Frankhauser, dann Daniele Negroni …
metal.de: Aha!
David: Ja, ich musste sie auch erst alle kennenlernen. Aber das hat sich dann entwickelt. Ich habe nie viel von den Leuten aus dem TV gehalten, aber als ich alle kennengelernt habe, habe ich mir gedacht: Hey, es gibt viele, die sind hart scheiße, aber es gibt ein paar, die echt in Ordnung sind. Das muss man sagen. Letztendlich hat es so viel Spaß gemacht … klar, ich hatte nicht viel Sendezeit, weil ich mich nicht besonders verkauft habe, aber mir selber hat es so viel Spaß gemacht. Die Zeit ohne Handy und die ganzen Influencer-Sachen. Dann habe ich gelernt, dass man mit anderen Dingen da drin ist, und da muss man sich daran gewöhnen. Krasse Umstellung.
metal.de: Was ist die härteste Herausforderung? Sicherlich nicht, dass das Handy aus ist …
David: Das ist das Schönste! Dass das Handy weg ist, ist das schönste Gefühl überhaupt, weil wir als Band mit dem Handy leben, weil wir die ganze Zeit parat sein müssen für tausend Dinge.
metal.de: Du sagtest, dass ein psychologischer Druck aufgebaut wird. Inwiefern?
David: Unterbewusst bekommst du Druck und das Gefühl, dass du Sachen machen musst. Aber das ist von jedem Protagonisten, der da mitmacht, selbst abhängig. Wie affin bist du, eine Show abzuliefern. Wenn du aber 24 Stunden am Tag gefilmt wirst, kannst du keine Fake-Rolle annehmen. Irgendwann bricht das Gesicht. Als Zuschauer merkst du also, wer eine Show abzieht und wer nicht. Wer macht das nur, um präsent zu sein und viele Schlagzeilen zu haben. Ich hätte beispielsweise in diesem Format über die echte Story mit Jessi reden können – das war, glaube ich, auch ursprünglich der Plan von allen Beteiligten – aber ich hasse es, auf Kosten von anderen Menschen Schlagzeilen zu machen und einen Rosenkrieg anzufangen, so wie es typisch ist und jeder irgendwie macht.
Mir ist dann auch die Sendezeit egal, Hauptsache, ich kann viel für mich selbst mitnehmen und für mich viel dazulernen und kann sagen: Ich war im Dschungel. Ich feiere das. Es gibt viele Leute, die sagen: ‚Wie kannst du nur, das ist doch voll peinlich!‘ Aber ich habe mich nicht schlecht verkauft beziehungsweise ich habe mich nicht verkauft, ich war ich selber, ich habe mein Ding durchgezogen, ich hab’s für mich mitgenommen, alles ist super so. Natürlich ist so ein Format nicht ohne, man wird beeinflusst durch einen Druck, der dir gemacht wird, einfach um eine Quote zu erfüllen. Das ist so ein eigenes Gefühl, aber ohne dass dir gesagt wird, dass du Quote erfüllen musst.
metal.de: Mal eine andere Frage: Was braucht es, um euch und eure Musik gut zu finden?
David: Ich glaube, um uns zu mögen, braucht es ziemlich viel Humor. Das ist die einzige Sache, weil wir nichts Besseres und nichts Schlechteres sind als all die anderen Künstler, die am Start sind. Wir sind fit an unseren Instrumenten und geben uns Mühe, alles gut zu spielen. Wir haben Spaß an der Sache und nehmen uns selber nicht zu ernst. Das ist das, was ich gelernt habe im TV: Nimm dich selber nicht zu ernst, und dann gehst du schon deinen Weg. Und das hat die Band immer ausgemacht.
Im Vorfeld von „Rehab“ war es trotzdem anders …
Genau, wir haben angefangen, uns wirklich viele Gedanken zu machen, wie man etwas macht und was für eine Platte man schreibt. Und wo wir Druck von außen hatten, haben wir uns zu sehr von anderen Leuten beeinflussen lassen, anstatt wir selber zu sein. Sobald du dich von außen beeinflussen lässt, dann bist du am Arsch und das waren wir eine kurze Zeit. Deshalb hat die Platte auch so lange gedauert, weil wir uns zu sehr haben beeinflussen lassen.
Irgendwann haben wir gesagt: Wir scheißen jetzt auf alles und ziehen unser Ding durch. Deshalb heißt die Platte auch „Rehab“, weil wir intern unglaublich viel Ärger hatten und ohne Ende palavert haben, bis wir gesagt haben, dass wir jetzt unser Ding durchziehen und die Platte machen, wie wir sie machen wollen – scheißegal in welche Richtung sie geht. Das war für uns einfach eine Art Rehabilitation, sprich: „Rehab“ – und jetzt sitzen wir hier. Das war eine lange Reise. Ich glaube, wäre diese Reise noch ein, zwei Monate länger gegangen, wäre die Band nicht mehr hier. Dann wäre Ende gewesen.
metal.de: „Lange Reise“ ist natürlich relativ – manchmal brauchen Künstler ja einfach etwas länger und auch kreative Differenzen, um wirklich produktiv zu sein. Warum hat es bei euch dann so gekracht?
David: Wenn du 24/7 auf den Touren und beim Songwriting aufeinanderhängst, dann ist das wie eine Beziehung. Und wir führen eine Beziehung mit sechs Leuten – das ist schon mit einer Frau schwer, aber mach das mal mit sechs Männern. Das ist schon mal Mord und Totschlag. Deshalb hat die Platte auch so lange gedauert, und wir haben sie auch dreimal verschoben und waren kurz davor, die Band aufzulösen … Dann haben wir aber die Kurve gekriegt und einfach auf alles geschissen. Deshalb ist „Rehab“ auch unser Baby – selbst wenn es einigen Leuten nicht gefallen könnte.
metal.de: Inwiefern nicht gefallen?
David: Die erste Single „Supernova“ war ein Song, der angeeckt ist, weil er vielleicht zu harmonisch war, zu mainstreamig. Aber in der Kooperation mit Rage 2 war es einfach der passende Song. Wir hätten natürlich auch eine brettharte Nummer auswählen können, aber als Band muss man sich ja auch weiterentwickeln. Wir sind keine Popband und werden niemals eine sein, aber wir sind facettenreich. Und manchmal muss man Sachen wagen. Ob es dann klappt, sei einmal dahingestellt, aber wenn du selber dahinterstehst, dann ist es geil. Und das mit sechs Leuten zu schaffen, das ist eine Kunst.
metal.de: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Danke für das Interview!
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Stile | Metalcore, Modern Metal |
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