Erik Cohen
Interview zum neuen Album "Weisses Rauschen"

Interview

Erik Cohen

Nach dem Ende von SMOKE BLOW (zumindest was Studioalben anbelangt) überraschte die musikalische Neuausrichtung des ehemaligen Sängers Jack Letten schon ein wenig: Wavig angehauchter Rock mit deutlicher Pop-Schlagseite. Legte man jedoch jegliche Scheuklappen ab, stellte sich das Debüt „Nostalgie Für Die Zukunft“ als sagenhaft gutes Album heraus. Zudem beeindruckte die Konsequenz, mit der ERIK COHEN seinen neuen Weg einschlug. Davon zeugt auch „Weisses Rauschen“, das neue Album des kernigen Kielers. Wir unterhielten uns mit ihm über das Zweitwerk, Vinyl-Zuneigungen, Live-Auftritte sowie eine Performance in der Halbzeitpause eines 3. Liga-Spiels und bekamen im Rahmen einer exklusiven Autotunes-Folge sogar zehn Tipps für die heimische Anlage. Viel Spaß beim Lesen!

Erik Cohen

Moin Erik, vor Kurzem wurde mit „Hier Ist Nicht Hollywood“ der erste Song vom kommenden Album veröffentlicht. Wie waren bzw. sind die ersten Reaktionen dazu?

EC: Die Reaktionen waren eigentlich durchgehend positiv, ich habe sehr viel erfreuliches Feedback in Bezug auf das Video und den Song erhalten. Das war sehr aufbauend, hat mich richtig glücklich gemacht, denn es steckt sehr viel Arbeit und Leidenschaft drin.

Die Single erschien passend zur Plattenladenwoche. Wie ist diese Kollaboration zustande gekommen?

EC: Das ist zunächst auf dem Mist meines Partners gewachsen, der mir den gesamten Überbau präsentierte und fragte, ob wir da nicht einsteigen sollten. Royalanker bzw. mein Label RYL NKR Recordings ist ja ein Zwei-Mann-Team, ich selbst kann natürlich nicht alles alleine machen. Die „Plattenladenwoche“ habe ich persönlich zuvor nicht so wahrgenommen bzw. gar nicht richtig auf dem Schirm gehabt. Ich fand den Gedanken dann aber sofort gut, die ersten neuen Töne ganz klassisch im Plattenladen um die Ecke zu präsentieren und somit einen – wenn auch kleinen – Beitrag zu leisten, dass der eine oder die andere mal wieder in den Regalen stöbert. Nicht im weltweiten Netz zu starten, sondern hier erst zeitversetzt nachzulegen, hatte auch was angenehmes, gemütliches.

Auch dein erstes Album „Nostalgie Für Die Zukunft“ ist auf diversen Farben als LP erschienen. Vinyl liegt dir am Herzen?

EC: Ja, das stimmt schon. Ich stehe ganz grundsätzlich auf klassische Formate. Daher gibt es „Weisses Rauschen“ auch nur in den sogenannten „Standard“-Versionen, die aber natürlich trotzdem stilvoll und „wertig“ kommen sollen. Nach „Deluxe“-Schnick-Schnack bzw. irgendwelchen Bonus-Beilagen oder unhandlichen Boxen, die oft nur als künstliche Geschmacksverstärker und Umsatzpusher dienen, stand mir nicht der Sinn. Ich wollte auf die individuellen Vorlieben der Leute (also Vinyl, CD, digital) eher unaufgeregter eingehen und halte es hier daher mit nur einer Version, die das Wesentliche – also den musikalischen Inhalt – schön und dezent unterstreicht, aber nicht von ihm ablenkt. Vinyl ist im Hinblick auf das Klangerlebnis vielleicht das dankbarste aller Formate für einen Musiker.

Wo siehst du Unterschiede zwischen dem Debüt und dem Zweitwerk „Weisses Rauschen“?

EC: Auf meinem Debüt befinde ich mich wohl noch ein Stück weit auf der Suche nach einem neuen musikalischen Selbstverständnis und habe mich zudem sehr auf die einzelnen Songs fokussiert und entsprechend gearbeitet. Die Stücke wurden am Ende unter dem konzeptionellen Dach „Nostalgie Für Die Zukunft“ so zusammengereiht, dass sie in meinen Ohren trotz ihrer grundsätzlichen Verschiedenheit im Gesamtfluss recht gut harmonieren. Das Album ist in dieser Hinsicht jedoch eher „verzahnt“, wenn man so will. Daher klingt es vielleicht etwas rauer, hier oder dort noch etwas ungestüm, was aber auch seinen Charme hat. Auf „Weisses Rauschen“ habe ich mich viel schneller gefunden, alles kommt noch ein Stück natürlicher, vielleicht auch selbstbewusster. Hier konzentrierte ich mich zudem mehr auf einen möglichst angenehmen Grundsound. Das Hören soll einfach Laune machen und ich wollte insgesamt ein homogeneres Klangbild schaffen, zumal die einzelnen Songansätze wohl noch etwas weiter gefasst sind als auf dem Vorgänger. Alles sollte hier etwas eleganter ineinander fließen und ich hoffe, dass das recht gut geglückt ist. Wenn ich mir exemplarisch „Schattenland“, „Regen“, „Totenspinnengeist“ und „Neues Blut“ in ihrer Reihe anhöre, empfinde ich persönlich die Lieder trotz ihrer stilistischen Vielfalt als feiner miteinander verwoben. Irgendwie zusammengehöriger, als das noch auf der „Nostalgie“ der Fall war, die ich heute aber ebenfalls noch sehr gerne höre.

Auch wenn bereits „Nostalgie Für die Zukunft“ bereits so einige nette Bassläufe hatte (z.B. mein Favorit in „Kosmonaut“), scheint dem Bass auf „Weisses Rauschen“ generell eine größere Rolle teil zu werden. Würdest du zustimmen?

EC: Definitiv, die Basslast kann man schwer ignorieren, wir haben größeren Wert darauf gelegt und wollten uns in die Nähe von eher wave-rockigen Produktionen begeben, die ja oftmals mehr über den Bass als über die Gitarren kommen.

Es macht auf mich aber auch den Eindruck, als ob du dich auf „Weisses Rauschen“ auch an mehr Experimente heranwagst. „Nur Ein Herzschlag“ besitzt einen massiven Country-Einschlag, „Der heilige Gral“ schiebt bluesig an und in „Totenspinnengeist“ wie auch in den danach folgenden Stücken wird die Orgel hervorgeholt. Mehr Mut zu Lücke oder wie?

EC: Wie oben bereits angedeutet entstand dies auch aus dem Gefühl heraus, als Künstler jetzt richtig angekommen zu sein. Über ein frisches Selbstverständnis und das stärkere Fokussieren auf einen angenehm-homogenen Grundsound wollte ich mich noch weiter heraus wagen und noch mehr anbieten. Ich spürte, dass ich das zulassen kann, ohne dabei großartig Gefahr zu laufen, dass am Ende ein Gesamtergebnis zu Tage gefördert wird, das total „fransig“ bzw. nach Flickschusterei klingt. Ich wollte für mich und die Leute weiter spannend bleiben, ohne dabei am Ende überambitioniert am Gesamtbild zu scheitern. Ich hoffe, dass mir das gelungen ist.

Kommen wir dann vom instrumentalen zum lyrischen Inhalt. Was hat der Albumtitel zu bedeuten?

EC: Der Albumtitel ist Ausdruck einer inneren künstlerischen Ruhe und Zufriedenheit, die sich für mich persönlich beim Hören der Stücke einstellt. Die Platte hat auf mich eine enorm beruhigende Wirkung, sie steht zudem für das Ankommen in einer neuen musikalischen Welt.

Worum dreht es sich inhaltlich auf „Weisses Rauschen“?

EC: Es gibt hier kein wie auch immer geartetes Oberthema. Es sind sehr persönliche Songs, die aber auch für den Hörer oder die Hörerin eine individuelle Bedeutung entfalten können, wenn man sich darauf einlässt. Denn ich versuche, was die Lyrics angeht, viel mit so etwas wie filmischen Flächen zu arbeiten, die mit Bedacht übereinander gelegt werden. Hierüber möchte ich oftmals erreichen, dass mehrere Ebenen entstehen, über die man sich den Texten nähern kann. Es finden sich teilweise Geschichten in Geschichten, denen man hoffentlich unkompliziert folgen kann. Ich bin zumindest sehr darum bemüht, einigermaßen anspruchsvoll, aber nicht verkopft und knotig daher zu kommen. Man kann es so sehen: Ich mache die Tür auf, nur muss man da natürlich auch durchgehen wollen. Ich wünsche mir, dass meine Lieder eine Art Sogwirkung entfalten und die Leute auf individuelle Art mitgerissen werden und darin versinken können. Ob das gelingt, kann ich selbst natürlich nicht beantworten.

Erik Cohen

Ist es dir während der Arbeit zum neuen Album leichter gefallen, deutsche Texte zu schreiben? Bei „Nostalgie für die Zukunft“ war das deinen Aussagen zufolge ja schon eine deutliche Umstellung.

EC: Ja, in gewisser Hinsicht stimmt das. Es lief beim zweiten Album alles etwas selbstverständlicher, wenngleich die Arbeiten nicht weniger intensiv und herausfordernd waren. Aber ich hatte für mich z.B. die Türen hin zu bestimmten Trademarks auch in textlicher Hinsicht bereits aufgestoßen und habe auch hier recht schnell gemerkt, dass ich mit einem neuen Selbstvertrauen arbeite. Das war ein gutes Gefühl.

Laut des letzten Interviews bei uns, hast du dich zum Texten ab und zu auf den Nord-Ostsee-Kanal zurückgezogen. Waren Maßnahmen wie diese auch für die aktuellen Lyrics notwendig?

EC: Das habe ich gelegentlich noch so gehandhabt, wenn ich mal ein wenig Ruhe brauchte, um durchzuatmen und einige Zeilen zu reflektieren. Ich habe halt eine große Familie und bei mir zu Hause ist fast immer richtig Betrieb. Kein sonderlich kreativer Arbeitsboden, haha. Aber ich wohne nah am Wasser und bin dann später am Abend immer noch gelegentlich raus, ein wenig die Füße am Kanal baumeln lassen.

Nicht zuletzt durch die etwas dominantere Rolle der Bassgitarre und den verstärkten Einsatz von Hall-Effekten, weht eine deutlichere Wave-Note durch „Weisses Rauschen“, wobei eine rein einseitige Einordnung dem Werk sicherlich nicht gerecht werden bzw. auch den musikalischen Kern nicht wirklich treffen würde. Welche stilistischen Querverweise lassen sich deiner Meinung nach auf dem neuen Album finden?

EC: Damit hast definitiv recht und das ist wie schon erwähnt auch intendiert. Insgesamt wollte ich eine riesige Brücke schlagen zwischen altem Wave/Rock, urig-erdigen Metal-Ansätzen, dem großen Alternative Rock der 90er Jahre und anspruchsvoller, klassischer Popmusik melancholischer Färbung. Dazwischen schleichen sich seitwärts auch mal weitere Einflüsse ein, die ich den Songs zuliebe auch gerne zugelassen habe. Denn dem grundsätzlichen Ansatz, wie auch immer geartete Genre-Grenzen weitgehend zu ignorieren, solange es den Liedern dienlich sein kann, bin ich natürlich treu geblieben. Das macht meine Musik sicherlich auf Anhieb nicht ganz leicht greifbar, weil man das alles nicht unmittelbar ablegen kann. Aber ich finde gerade das reizvoll und bewege mich äußerst gerne zwischen den Stühlen. Zumindest solange am Ende trotzdem etwas griffiges, geradliniges steht.

Da ich dich schon einige Mal live erleben durfte (sowohl mit ERIK COHEN, als auch SMOKE BLOW) weiß ich, dass auch bei ERIK COHEN zumindest temporär SB-Mitglieder ausgeholfen haben. Wie ich letztens aber in einem Live-Video gesehen habe, hat es anscheinend Veränderungen gegeben. Musst du dich immer wieder auf neue Suche nach Live-Mitgliedern begeben oder besteht das Live-Ensemble aus einer recht festen Truppe?

EC: Der Kern der Live-Besetzung steht eigentlich. Das sind Späthi an der Gitarre, Björn a/k/a Greif am Bass und Normen a/k/a Der Fabst an der Schießbude. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass es gelegentlich zu Besetzungsänderungen oder Ergänzungen kommen muss, u.a. weil wir alle berufstätig und zu Teilen auch Familienväter mit kleineren Kindern sind. Da ist es um Flexibilität nicht immer so gut bestellt, auch wenn sich alle total reinhängen. Aus diesem Grund gibt es noch ein paar befreundete Musiker, die durchaus zum Bandkreis zählen und netter Weise ab und zu einspringen und helfen. Zuletzt hatten wir zum Beispiel die Möglichkeit, in der Halbzeitpause des Spiels Holstein Kiel gegen den 1.FC Magdeburg aufzutreten und „Dirigent“ zu performen. Das hätte ohne einen zweiten Drummer im erweiterten Zirkel nicht geklappt, da Normen Dienst schieben musste und unter keinen Umständen zur Verfügung stand. Unser Akustik-Set-Up z.B. ergänzen wir derzeit oft um einen zweiten (sehr versierten) Jazz-Gitarristen, da dies im Sinne der akustischen Durchschlagskraft der Songs ist. Es kann sich auf dieser Ebene generell immer etwas tun.

In einigen Städten (wie z.B. Hannover konnte/kann man dich immer wieder live erleben). Hat dies einfach etwas mit den guten Auftrittsmöglichkeiten vor Ort zu tun oder bist du gerne in einigen Städten, zu denen du evtl. eine besondere Beziehung hegst?

EC: Das hängt natürlich mit den positiven Erfahrungen zusammen, die wir in Stadt X oder Y machen konnten, klar. Denn es ist es ja auch so, dass wir uns als Neustarter nochmals von Null kommend und dazu im Alleingang und aus dem Stand per Headliner-Shows aufbauen mussten bzw. noch müssen. Da steuert man automatisch nochmals Städte an, in denen wir einen geilen Live-Abend erleben durften und hofft, dass es sich wiederholt und noch ein paar Leute mehr kommen, weil sich rumgesprochen hat, dass wir nicht ganz scheiße sind. Das Publikum in einigen Städten erlebe ich seit jeher besonders herzlich. Hannover gehört sicher dazu, wie unter anderem auch Hamburg oder Berlin. In München haben wir im Frühjahr auch einen richtig schönen Abend gehabt. Das war eine sehr warme, total geile Atmosphäre im Backstage. Da freut man sich natürlich drauf, wenn man ein Jahr später wieder kommen darf.

Bald geht’s wieder los. Sind die sieben Sachen schon gepackt und die Backen voller Vorfreude?

EC: Ja klar, wir haben alle schon extreme Lust drauf, mit den neuen Songs und der neuen Platte im Gepäck wieder auf Rundreise zu gehen. Los geht es direkt am Wochenende der Albumveröffentlichung mit Konzerten in Berlin und Hamburg, das kann nicht früh genug soweit sein.

Zum Abschluss vielleicht eine exklusive Runde Autotunes für unsere Leser?

EC: Ok, ich lade eben den 10-Fach-Wechsler.

  • Cro-Mags – Age Of Quarrel
  • Dr. Dre – Chronic 2001
  • The Cure – Disintegration
  • The Doors – Waiting For The Sun
  • Romano – Jenseits von Köpenick
  • Joy Divison – Closer
  • Wanda – Amore
  • The Cult – Love
  • Judas Priest – British Steel
  • Down – Nola

Vielen Dank für deine Antworten, wir sehen uns auf der Tour. Die letzten Worte gehören dir.

EC: Vielen Dank für das Interview. Ich hoffe, ihr habt langfristig Freude an „Weisses Rauschen“. Die Platte ist in erster Linie für alle, die noch richtig Spaß dran haben, Alben zu hören!

Erik Cohen

Galerie mit 21 Bildern: Erik Cohen - On Tour 2018
07.01.2016

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