Erik Cohen
Interview mit Jack Letten zu "Nostalgie Für die Zukunft"
Interview
Ein halbes Jahr nachdem SMOKE BLOW-Fronter Jack Letten mit seiner ersten Solo-EP „Kapitän“ ein erstes Ausrufezeichen setzen konnte, schiebt er nun das vollständige Album mit dem Titel „Nostalgie Für Die Zukunft“ hinterher. Darauf stellt der Mann eindrucksvoll unter Beweis, dass er neben derbstem Hardcore Kieler Schule auch noch einiges mehr auf dem Kasten hat. Im Interview mit Metal.de spricht er über seine musikalischen Einflüsse, Texten auf dem Nord-Ostsee-Kanal und wieso ernsthafte deutsche Texte eine Herausforderung sind.
Aus Jack Letten wird Erik Cohen. Wie bist du auf den Namen für dein Soloprojekt gekommen und welche Bedeutung hat er?
In erster Linie habe ich nach einem Namen gesucht, der für mich passend und gut klingen sollte. Erik Cohen fand ich letztlich ziemlich griffig, das fühlte sich rund an. Dazu kann man natürlich noch sagen, dass ich versuche, möglichst „international“ und eigen klingende Rockmusik in deutscher Sprache zu machen. Auch in dieser Hinsicht dachte ich im Nachhinein, dass sich der Name ganz gut einfügt.
Das Songmaterial auf „Nostalgie für die Zukunft“ unterscheidet sich stark von dem, was man bisher so von dir zu hören bekam. Statt am Hardcore Punk orientierst du dich vielmehr am Blues Rock, Hard Rock und stellenweise auch Pop. Welche Bands hatten einen wichtigen Einfluss auf dich und den Sound des Albums?
Das stimmt, ich hatte einfach Lust auf für mich fast gänzlich neue und spannende Ansätze, die ich zu einem schlüssigen Ganzen zusammenfügen wollte. Der Gedanke, völlig frei von Erwartungen und Genre-Grenzen von Null loslegen zu können, war sehr motivierend. Ich habe einfach alles zugelassen, was mir effektiv, cool und Song-dienlich erschien. Den Sound der Platte an einzelnen Bands festzumachen ist schwierig, dafür steckt einfach zu viel drin. Grundsätzlich kann man auf jeden Fall sagen, dass ich als Musiker immer auch Fan geblieben bin und dass viele Songs und Alben, die mich musikalisch geprägt haben, sicherlich immer Einfluss auf das haben, was ich als Songwriter zu Tage fördere. Aber das reicht wirklich von Bands wie Black Sabbath über Danzig und die alten Misfits über Punk/HC-Heroen der Kategorie Black Flag über dunkel-melancholischen Pop von z.B. Depeche Mode bis hin zu klassischem Southern Rock. In erster Linie wollte ich versuchen, über den angesprochenen offenen Ansatz einen weitgehend eigenständigen Sound zu entwickeln. Aber trotzdem soll man beim Hören gerne über ein paar stilistische Querverweise stolpern, wie z.B. eine Verneigung vor dem Love-Ära-Gitarrensound von The Cult, übrigens eine meiner absoluten Lieblingsplatten. Ich mag es, hier und dort mal – beispielsweise über ein Kurzzitat – den Hut zu ziehen. Aber alles in allem hoffe ich, dass man beim Hören meines Debüts nicht unbedingt denkt „Der Typ klingt ja genau wie…“. Wenn man sich eher fragt, ob es eine vergleichbare Platte gibt, fände ich das cool.
Was hat der Albumtitel zu bedeuten?
Auch über den Albumtitel „Nostalgie Für Die Zukunft“ versuche ich meine Absicht zu transportieren, ein musikalisches Grundgefühl und einen Soundansatz vergangener Tage einigermaßen frisch und eigen in die Jetztzeit zu transportieren. Ich habe versucht, zwar durchaus „klassisch“, aber möglichst nicht „von gestern“ zu klingen.
Eine weitere Neuerung sind die deutschen Texte. Hast du zu Smoke Blow-Zeiten auch schon auf Deutsch geschrieben, oder war das tatsächlich eine Umstellung für dich?
Das war durchaus eine größere Umstellung und ich fand und finde es auch sehr schwierig, in deutscher Sprache zu texten. Man dreht beim Hören wie beim Schreiben vieles gleich mehrfach um und es geht deutlich transparenter zu. Dazu kommt die Schwierigkeit, unsere Sprache in einem musikalischen Fluss zu halten. Ich finde, man läuft immer schnell Gefahr, angestrengt und hölzern-stumpf zu wirken. Im Rahmen von SMOKE BLOW hatte ich zwar mit „Zombie Auf’m Klapprad“ im Punk-Rahmen schon etwas experimentiert, aber Erik Cohen ist ja noch mal etwas gänzlich anderes.
Wie sieht es mit der Gesangstechnik aus? Auf „Nostalgie für die Zukunft“ singst du durchgängig melodisch, Shouts und den typischen Hardcore-Gesang sucht man vergebens. Hat das anfangs ein Problem für dich dargestellt? Musstest du üben, vielleicht sogar die ein oder andere Gesangsstunde nehmen?
Nein, nein, ich habe mich für die Aufnahmen nicht zum Gesangsunterricht angemeldet. Aber es stimmt natürlich, dass es schon etwas komplett anderes ist und im Vergleich zu SB anstrengender war, die Vocals einzusingen. Dadurch, dass alles wesentlich durchsichtiger zugeht und man bei deutschsprachigen Songs auch beim Hören sicherlich um ein vielfaches kritischer ist, erfordert alles wesentlich mehr Konzentration. Im selben Atemzug muss man aus dem Bauch heraus kommen, sonst kann beim Hören wohl kein Funke überspringen und es klänge irgendwie aufgesetzt. Das war zunächst eine echte Herausforderung, aber je tiefer ich mich rein gefuchst habe, desto selbstverständlicher lief es am Ende.
Textlich geht es viel um Fernweh, Reise, das Meer und im Kontrast dazu die beengende, asphaltierte Stadt. Hast du dich da teilweise auch von deiner Heimatstadt Kiel inspirieren und beeinflussen lassen?
Es ist sicherlich so, dass mein natürliches Umfeld Einfluss auf diverse Textentwürfe hatte. Ab und zu habe ich Ideen entwickelt, während ich auf einer Fähre saß und ein wenig den Nord-Ostsee-Kanal rauf und runter schipperte. Dabei reflektiert man sicherlich auch seine Umgebung. Ich hab’s generell nicht so weit zum Wasser und empfinde das als ein Stück Lebensqualität. Das Album entwickelt sich insgesamt auch über ein urbanes, maritimes Grundgefühl, das kann man schon so sagen.
Du hast die Erik Cohen-Songs jetzt bereits bei einigen Gelegenheiten live präsentieren können. Ließen sich die Arrangements so umsetzen wie du es dir vorgestellt hast? Wie haben die Fans reagiert?
Die Songs kommen live ein Stück anders, roher und entschlackter als auf Platte, aber sie sind dennoch sehr dicht dran. Mit der Umsetzung bin ich auch voll zufrieden, fühle mich extrem wohl damit. Dabei hat mir sicherlich geholfen, dass sich im Rahmen der ersten Kurztour durch kleine Clubs im Herbst relativ schnell eine locker-herzliche Atmosphäre entwickelt hat und die Leute auch mit den für sie noch völlig unbekannten Songs gut warm wurden. Zumindest, wenn ich die Reaktionen und das Mitgehen des Publikums richtig deute. Man hatte immer das Gefühl, dass es allen Beteiligten sau viel Spaß machte. Wir zumindest haben uns nie gelangweilt und ich habe großen Bock auf weitere Konzerte in den nächsten Jahren.
Hast du keine Angst, dass so mancher Smoke Blow-Anhänger der ersten Stunde mit deiner neuen musikalischen Identität nun so gar nichts mehr anfangen kann?
Überhaupt nicht. Ich persönlich kann das sehr gut trennen. Und ich mache ja auch keine Musik, um damit jedem zu gefallen. Wenn ich SB-orientierte Fanpflege betreiben wollte, dann hätte ich es mir gleich einfacher machen und auf Rezepte setzen müssen, die sich für mich bereits einigermaßen bewährt haben. Vielleicht gerade auch mit Blick auf den Umstand, dass Erik Cohen sich zu 100% DIY aufbaut und somit was zu verlieren hat. Das war und ist aber nicht mein Ding, da gehe ich wesentlich lieber ins Risiko. Ich habe große Lust auf das, was ich tue und möchte auch für mich selbst spannend bleiben. Wenn jemand, der Smoke Blow hört, mit Erik Cohen nichts anfangen kann, dann ist das für mich kein Problem. Es sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Vermutlich braucht es auch einfach seine Zeit, bis einige Leute, die über SB kommen, Erik Cohen als eigenständigen Künstler wahrnehmen und losgelöst vom Vergangenen bewerten können oder wollen.
Letzte Smoke Blow-Frage: Gibt es Pläne, die Band nach Abschluss deiner Touraktivitäten zu „Nostalgie für die Zukunft“ auch wieder zu reaktivieren?
Nein, die gibt es nicht bzw. ändert sich nichts am gegenwärtigen Status. Wir haben uns nie aufgelöst, sondern nur beschlossen, keine neuen Platten mehr aufzunehmen und woll(t)en mit SB kürzer treten, eher das Spezielle und Einzelne genießen. Das hat einige Vorteile: Auf alle Konzerte, die für SMOKE BLOW noch kommen, können wir uns als Band ehrlich freuen, denn sie sind auch für uns etwas besonderes. Und das ist ein ziemlich gutes Gefühl nach über 15 Jahren Bandgeschichte.
Wo wir gerade bei Touraktivitäten sind: Wo kann man dich und Band im kommenden Jahr überall sehen? Sind auch Festivals geplant?
Bislang steht lediglich das Album-Release-Konzert im Hamburger Kunst am 24.01., aber ich hoffe natürlich, dass wir über das Jahr hinweg noch einiges nachlegen können. Ich möchte mir nach diesem Neustart gerade auch über Live-Konzerte ein Standing erarbeiten und zeigen, dass wir was anzubieten haben und auch, dass ich das langfristig ernst meine.
Danke für das Interview und viel Erfolg, Erik Cohen.
Danke Dir!
Fotos: Erik Weiss