Equilibrium
Interview mit René Berthiaume (Guitar, Keys) zu "Sagas"
Interview
Nachdem „Sagas“, das zweite und im Genrekreis relativ zwiespältig aufgenommene Album der Band, mittlerweile schon ein paar Tage auf dem Buckel hat, und wir bereits seit Mai diesen Jahres auf eine Gelegenheit zu einem Interview gewartet haben, stand uns ziemlich unerwartet, kurz vor einer ersten Europa-Tour, nun doch noch René Berthiaume (Guitar, Keys) zur Verfügung.
Moin, René! Wie habt ihr euch eigentlich kurz nach den Aufnahmen zu „Sagas“ gefühlt? Wart ihr nervös, ob das Album auch gut angenommen wird?
Moin Moin! Darf ich das eigendlich als gebürtiger Bayer sagen? Haha, naja, nachdem meine Wurzeln im Norden liegen, wohl schon. 😉 Ja, als wir das Master von „Sagas“ an Nuclear Blast abschickten, war das erstmal ein ungeheures Gefühl der Erleichterung. Eine sehr aufwendige Produktion wurde abgeschlossen und wir konnten wieder ruhigen Gewissens ins Bett gehen. Die Spannung auf die Reaktionen war natürlich nicht gering, schließlich haben wir auf „Sagas“ ’ne Menge neuer Sachen gewagt. Doch die Reaktionen waren insgesamt großartig, und gerade unsere Neuerungen schienen den Leuten auch richtig gut zu gefallen. Mir haben viele Leute auch tatsächlich dazu gratuliert, wie mutig wir wären, so einen Song wie „Unbesiegt“ aufzunehmen, und dass sie soetwas weder je gehört noch erwartet hätten, haha. Naja, und als wir dann erfuhren, dass wir drei Wochen lang in den Charts waren, eingestiegen auf Platz 30, ja…was soll man da noch sagen?! Ein unglaublich befriedigendes als auch motivierendes und extrem dankbares Gefühl!
Die Aufnahmen haben letztendlich ja doch einige Zeit in Anspruch genommen. Was hat euch denn so lange aufgehalten?
Wir haben ja alle neben der Band auch noch andere Dinge zu erledigen, wie Studium, Job, Zivi, usw. Und da ist es manchmal gar nicht so einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. Mit den Aufnahmen selbst haben wir auch erst im Sommer 2008 anfangen können. Für die Intensiv-Phase der Produktion hab ich mich dann Anfang 2008 in den Helion Studios abgeschottet, bis dann alles fertig war. Unser hoher Anspruch an uns selbst ist sicherlich nicht sehr dienlich, wenn es darum geht, Termine einzuhalten. Doch ich denke, dass sich all die Verschiebungen durchaus gelohnt haben, wenn ich mir nun das Ergebnis anhöre.
Seid ihr denn mit dem Ergebnis rundum zufrieden? Ich meine, natürlich seid ihr das, aber als Konsument könnte man nun voreilig schlussfolgern, dass das Album vielleicht nicht mehr so spontan klingt, wie noch die Songs auf „Turis Fratyr“…
Wie schon auf „Turis Fratyr“ haben auch die Songs auf „Sagas“ ihre unterschiedlichsten Entstehungsweisen. Manche Songs entstanden durchaus sehr spontan, wohingegen man an anderen wieder viel länger gefeilt hat. Wobei sich natürlich die Frage stellt, woran man denn einen spontan entstandenen Song erkennt. Nur weil ein Song komplex und aufwendig ist, heißt das ja noch lange nicht, dass man wochenlang daran gearbeitet hat. Nachdem ich nun doch etwas Abstand zur heißen Produktionsphase im Frühjahr bekommen habe, kann ich mir das Album jedenfalls mit Genuss anhören und bin auch sehr stolz darauf.
Wenn man sich mal die Tracklist so anschaut, fallen einem sofort ein paar ganz seltsame Songnamen ins Auge. Was hat es denn mit „Wurzelbert“ und vor allem „Snüffel“ auf sich?
Tja, bei EQUILIBRIUM gibt es eben nicht nur musikalisch, sondern auch textlich immer wieder seltsame Erscheinungen, haha. „Wurzelbert“ handelt von einem verwurzelten, kleinen Gnom, der durch die Wälder zieht und mit seinem Geigenspiel alle Tiere um sich herum eingehen lässt. Auf einmal gelangt er dann an eine Lichtung mit ’nem Haufen Langhaariger, die um ein Feuer herum sitzen. Was dann passiert, verrate ich an dieser Stelle mal nicht… Der Arbeitstitel von „Snüffel“ war eigentlich „Alpenbriese“, haha, und um was es nun bei dem Song geht, ist ziemlich schnell erklärt: Schnupftabak!
Ist das Album vielleicht in gewisser Weise auch als Konzept zu sehen?
Jein. Alle Songs auf „Sagas“ sind in sich geschlossen und erzählen eine eigene Geschichte. Die Tatsache allerdings, dass es sich bei allen Texten um frei ausgedachte, aber durchaus inspirierte Geschichten handelt, vereint sie natürlich wieder. Sicherlich wäre es für EQUILIBRIUM auch mal interessant, eine Geschichte über ein ganzes Album hinweg zu erzählen, doch derlei ist allerdings momentan noch nicht geplant.
Beim Hören des neuen Albums sind mir vor allem diese eher leichtfüßigen Karibik-Rhythmen aufgefallen. Nicht nur bei „Unbesiegt“, sondern auch in weiteren Songs habt ihr dieses Thema aufgenommen, so dass man sich manchmal auch ein wenig an ALESTORM erinnert fühlt. Was hat euch denn dazu inspiriert?
Ja, das werden wir nun in letzter Zeit immer öfters gefragt, haha. Über diese Entwicklung habe ich mir dann auch tatsächlich erst später mal Gedanken gemacht. Vielleicht liegt es daran, dass ich aufgrund von haufenweise Arbeit die letzten Sommer nicht so ganz mitbekommen habe. Somit musste ich mir wohl meinen Sommer musikalisch selbst zusammenbasteln, haha. Das erfreuliche allerdings ist, dass ich nach Abschluss der Produktion von „Sagas“ im April diesen Sommer in relativ vollen Zügen genießen konnte. Jeder von uns hat verschiedene Vorlieben zu anderen Ländern und Kulturen, so ist es nicht verwunderlich, dass diese auch musikalisch auf die Band einwirken.
Wie habt ihr eigentlich das knapp achtzehn Minuten lange Epos „Mana“ komponiert? Erklär mal eure allgemeine Vorgehensweise.
Dieser Song entstand erst relativ spät. Es war so, dass ich mich nicht ganz entscheiden konnte, welchen von den bisherigen Songs wir für „Sagas“ nun ganz hinten auf der Tracklist anordnen sollten. Somit entschied ich mich dazu, einfach noch einen Song zu schreiben, der speziell für diese Position gedacht war. So mach ich das bei den Openern ja auch immer. Allerdings wollte ich bei „Mana“ nicht so wirklich zu einem Ende kommen; der Song wurde länger und länger. Eigendlich hätte er noch locker die 18-Minuten-Grenze gesprengt, doch da Presswerke aufgrund der hohen Fehlerquote keine Master annehmen, die länger als insgesamt 80 Minuten sind, mussten wir den Song noch ein wenig kürzen. Dieser Song entstand also richtig spontan und floss nur so heraus. Gerade deswegen bin ich auch sehr stolz darauf, dass er soviel Anklang gefunden hat. Er enthält soviele verschiedene Emotionen und Facetten und ist ein Paradebeispiel dafür, um was es bei EQUILIBRIUM wirklich geht. Und das selbst ohne Gesang. Grundsätzlich ist es so, dass die Texte von Helge kommen und die Musik von mir. Natürlich dürfen alle Bandmitglieder ihren Senf dazugeben, und wenn eine Idee gefällt, so wird diese dann auch mit eingebaut.
OK, wenn „Turis Fratyr“ und „Sagas“ jeweils ein Urlaubserlebnis wären, was kannst du über „Turis Fratyr“ berichten und was hast du über „Sagas“ zu erzählen?
Interessant, dass du diese Frage stellst, denn gerade mit Himmelsrichtungen oder auch Jahreszeiten beschreibe ich diese Alben recht gerne, und somit passen Urlaubserlebnisse ja ausgezeichnet dazu, haha. Ich denke mit beiden Alben erfährt man eher eine kleine Rundreise, wobei „Turis Fratyr“ meiner Meinung nach eher die nördlichen Gebiete abklappert, während man mit „Sagas“ ganz klar auch gen Süden fährt. Was auf beiden Reisen auf jeden Fall stattfinden würde: Wanderungen durch wunderschöne, bestenfalls noch unberührte Natur sowie auch exzessive Partys, haha. Allerdings würde ich genauere Gedanken dazu gar nicht unbedingt beschreiben; jeder sollte sich am besten selbst dazu seine Reisen oder Urlaubserlebnisse ausdenken.
Welche Pagan/Viking-Metal-Bands bzw. -Alben gefallen dir momentan persönlich am besten? Hast du vielleicht einen ganz besonders heißen Tipp für unsere Leser?
Man muss ja schon sagen, dass die Anzahl an Bands dieses Genres in den letzten Jahren krass gewachsen ist. Insofern fällt es da schon etwas schwer, da noch den Überblick zu behalten bzw. alle Veröffentlichungen zu verfolgen. Die Band, die ich selbst momentan warscheinlich am häufigsten einlege ist WINDIR. Sie erzeugen wirklich eine ganz eigene Atmosphäre, und ich liebe einfach die Harmonien, die sie in vielen Songs verwenden. Wirklich sehr schade, dass es diese Band nicht mehr gibt, ich hätte sie zugern mal live erlebt.
Lass und jetzt zeitlich nochmal ein wenig zurück gehen. Das „Berliner Institut für Faschismus-Forschung und Antifaschistische Aktion e. V.“ geißelte die Paganfest-Tour als Brutstätte rechten Gedankenguts. Da ihr auch mit auf dieser Tour wart, wie habt ihr das als Band denn mitbekommen und aufgenommen und welche Reaktionen gab‘ es dazu in eurem unmittelbaren Umfeld und von den anderen Bands?
Also auf der letzten Paganfest-Tour haben wir ja nur zwei Konzerte mitgespielt, und diesbezüglich konnten wir da eigendlich keine grösseren Probleme feststellen. Wir haben lediglich mitbekommen, dass TYR und MOONSORROW einen Clip aufgenommen haben, in dem sie nochmal Stellung bezogen. Solange sich anprangernde Leute nicht etwas sorgfältiger mit der Thematik bzw. entsprechenden Bands auseinandersetzen, wird es wohl immer wieder solche Vorwürfe geben. Bei dem Helion Festival in München, auf dem wir unsere Release-Show spielten und ich auch Mitveranstalter war, hatten wir allerdings auch eine Menge Probleme, einige Bands aus dem Genre für das Billing durchzusetzen, da es immer wieder schon vorab Beschwerden hagelte von Leuten, die da einfach wirklich keine Ahnung haben.
Ein neues Album sollte natürlich auch immer live nochmal gebührend supportet werden. Geht ihr denn in Kürze nochmal auf Tour oder spielt ihr in diesem Jahr nur noch auf ein paar weiteren Festivals?
Yeah, im November findet unsere erste Europa-Tour statt! Im Rahmen der Heidenfest-Tour werden wir gut zwei Wochen mit richtig geilen Bands unterwegs sein, und kommen auch endlich mal in Städte, in denen wir noch nie zuvor gespielt haben. Die Stimmung in der Band ist diesbezüglich am Brodeln. Wir können es kaum erwarten, den Leuten unsere neuen Songs von „Sagas“ reinzudonnern!
Danke für das Interview, die letzten Worte gehören dir:
Ja, dann sag ich mal vielen Dank fürs Interview und ’nen Gruss an die Leser! Wir sehen uns dann auf Tour!