Enslaved
Interview mit Ivar und Grutle zu "Riitiir"
Interview
Auf dem „Frost“-Album von 1994 verkündetet ihr stolz, dass ENSLAVED „Viking Metal“ spielen – ich denke, das geschah, um euch damals von all den aufkommenden Black Metal-Formationen abzugrenzen. Wie wichtig ist es heutzutage für euch, eure Musik zu benennen? Wie würdet ihr sie bezeichnen, wenn ihr es müsstet?
Grutle: Du hast Recht, wir benutzten den Terminus „Viking Metal“ damals, um uns vom Black Metal zu distanzieren. Nicht, dass irgendetwas falsch war am Black Metal, aber hier in Norwegen hatten wir eine klare Definition davon, was Black Metal war: Jede Art von Metal mit satanischen Texten, von MAYHEM bis MERCYFUL FATE. Wir hatten entsprechende Texte nicht, deswegen war es kein Black Metal, ziemlich einfach. Wir hielten „Viking Metal“ für eine passende Bezeichnung, aber wir hörten bald auf, sie zu benutzen, als Akkordeon-spielende Bands in Fellen und mit Hörnerhelmen auftauchten und das auch taten. [lacht]
Heutzutage interessieren mich Kategorisierungen überhaupt nicht mehr. Wir spielen Metal und er ist extrem, deshalb denke ich, dass wir eine Extreme-Metal-Band sind. Menschen ohne echtes Hobby dürfen das gerne in irgendwelchen Internet-foren diskutieren. [lacht]
„Riitiir“ ist bereits euer zwölftes Album in gerade einmal 20 Jahren – es scheint, als wärt ihr wahre Arbeitstiere.`
Ivar: Ich würde tatsächlich sagen, dass wir sehr hart und fokussiert arbeiten. Ich glaube, Grutle und ich haben den anderen Mitgliedern der Band nie eine andere Wahl gelassen. ENSLAVED wurde aus dem Nichts geschaffen, wir haben alles selbst erledigt, die Band vom ersten Tag an selbst promotet, Kassetten kopiert, Briefe geschrieben, unser Geld verloren – und es zurückbekommen [lacht] –, auf Fluren geschlafen und unsere Rücken beim Tragen unserer Ausrüstung ruiniert. Der Arbeits-Ethos ist so sehr mit der Seele der Band verwachsen, dass wir immer Wege finden, uns selbst beschäftigt zu halten – egal, wie viel Hilfe wir von Profis bekommen. Es gibt immer etwas, das getan, geplant, entworfen oder geprobt werden muss. Es gibt immer ein Nahezu-unmöglich-Projekt, mit dem wir uns selbst fordern. Manchmal macht diese Einstellung die Leute um uns herum wahnsinnig, etwa wenn sie – das schließt auch die anderen Bandmitglieder mit ein – einfach mal entspannen oder ein Fußballspiel sehen wollen. Wir investieren viel in diese Band, aber wir bekommen auch viel zurück.
Eure Diskographie kann man denke ich in zwei große Abschnitte einteilen, die „traditionelle“ Viking-Metal-Phase der 1990er-Jahre und die progressivere im 21. Jahrhundert, wobei „Mardraum“ und „Monumensium“ eine Art Übergangsstellung einnehmen. Stimmt ihr zu?
Ivar: Ja, da denkst du ziemlich genau wie ich über die Unterteilung in frühe, mittlere und spätere ENSLAVED. Natürlich gibt es Überschneidungen: Du findest einerseits progressive und melodische Elemente auf den frühen Alben und du findest andererseits raue, schwarze Elemente auf den späteren Alben. Aber alles in allem, ja. „Mardraum“ war das Album, mit dem wir uns merklich zu verändern begannen, auch und besonders auf „Monumensium“ experimentierten wir und mit „Below The Lights“ fanden wir zu einem neuen Stil.
ENSLAVED waren quasi seit den Anfängen Teil der norwegischen Black-Metal-Szene. Was denkt ihr über die Entwicklung anderer alter norwegischer Bands, die heutzutage auch ähnlich populär sind, wie ihr es seid – etwa IMMORTAL, SATYRICON oder DARKTHRONE. Hört ihr deren neue Sachen? Und denkt ihr, dass ENSLAVED heutzutage einen höheren, künstlerisch wertvolleren Anspruch haben?
Grutle: Wir alle hatten und haben sehr gute Karrieren und das ist erfreulich, wenn man bedenkt, aus was für einen kleinen Szene das alles in den frühen 90ern entstand. Wir sollten alle stolz darauf sein. Norwegen hatte vorher nichts international Bekanntes, wenn es um harte Musik ging – abgesehen von der Heavy-Metal-Band TNT in den 80ern. Aber was wir erreicht haben, ist immens. Norwegischer Metal ist der derzeit vielleicht größte kulturelle Export unseres Landes. Alle alten norwegischen Bands klangen damals sehr unterschiedlich und wir haben uns alle in unterschiedliche Richtungen entwickelt, uns niemals gegenseitig kopiert. Ich denke das zeigt, wie stark unsere Szene ist: Es sind viele einzigartige Bands, die alle aus einem kleinen Land stammen. Ich mag die neuen Scheiben von IMMORTAL und ich liebe die Attitüde DARKTHRONEs – sie sind ein bisschen wie wir, scheren sich nicht darum, was andere über ihre Musik denken. Wir sind enge Freunde.
Ihr lebt immer noch in Bergen, einer hübschen alten Stadt. Da ihr viel in der Welt herumkommt: Was sind eure Lieblingsorte oder -städte in Europa oder weltweit?
Ivar: Oh ja, Bergen ist eine wunderschöne Stadt, ohne Übertreibung. Ich bin jemand, der Kultur mag, sowohl kulinarische als auch eher traditionelle, die sich in Museen findet oder in der Architektur widerspiegelt. Deshalb erkunde ich gerne große, geschichtsträchtige Städte. Während andere das Ländliche suchen, zu Burgen hinaufsteigen oder Strandurlaub machen, mag ich Orte wie Berlin, Prag und Amsterdam – Essen, lokale Biere und leckere Weine, Kunst und Geschichte. Außerhalb Europas ist New York definitiv mein Lieblingsort – aus den oben genannten Gründen.
Ich danke euch für die ausführlichen Antworten, euch gehören die letzten Worte.
Ivar: Danke für deine Zeit und die Unterstützung. Ich hoffe, eure Leser machen es wie du und geben „Riitiir“ eine Chance. Und haltet die Augen auf nach unserer Europa-Tour Anfang kommenden Jahres, die Daten werden bald bekanntgegeben und Deutschland wird definitiv dabei sein.
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