Endseeker
"Ich feuer' raus und du machst daraus Sätze, mit denen man mich nicht allzu dumm findet."
Interview
ENDSEEKER, die schwedischste Death-Metal-Band aus Hamburg, kommen dieser Tage mit ihrem neuen Album „Mount Carcass“ an den Start. Wir haben mit einem sichtlich gut aufgelegten Lenny über den Entstehungsprozess des Albums, die Hintergründe und noch viel mehr gesprochen, sodass aus ein paar vorbereiteten Fragen eine ganze Stunde lockeres Gespräch wurde. Die Zusammenfassung, welche Lenny mir ganz vertrauensvoll mit den Worten „Du machst schon Sätze, die mich nicht zu dumm darstellen“ überließ, von ebendiesem lest ihr nun hier.
Warum habt ihr euch für den Titel „Mount Carcass“ entschieden?
Wir haben unsere Alben in der Vergangenheit eigentlich immer nach Songs benannt, die auch auf dem Album drauf waren. „Mount Carcass“ hat zuallererst einfach einen geilen Sound, das klingt brutal. Der Text ist auch stark. Na gut, wir haben ihn geschrieben, natürlich finden wir ihn dann auch stark (lacht). Der handelt vom Mount Everest, da gibt es ja diese Gipfelstürmerei. Das war ja mal ein richtiges Abenteuer, die ersten, die da rauf gegangen sind, haben ihr Leben riskiert, um zum Gipfel zu kommen und mittlerweile ist daraus ein richtiger Tourismus geworden. Die stehen Schlange, um da rauf zu kommen und jeder mit dem nötigen Kleingeld kann da heutzutage hin. Was die vergessen ist, dass es trotz allem immer noch lebensgefährlich ist. Da liegen links und rechts die Leichen von den Leuten, die da vor Jahrzehnten gestorben sind, die auch nicht vermodern, die werden ja ganz gut konserviert da oben.
Und das finde ich so skurril, das ist irgendwo auch ein Abbild unserer Gesellschaft, es muss immer weiter, immer höher gehen und dabei wird notfalls über Leichen gegangen. Die Ellenbogengesellschaft unserer schönen, neuen Welt. Das ist so ein bisschen die Metakritik an dem Ganzen.
Also wolltet ihr quasi eine möglichst kritisch-politische Message in einen möglichst death-metalligen Albumtitel verpacken?
Kann man so sehen. Wir haben die Songs ja auch immer so geschrieben, dass die Leute sich da ihren eigenen Teil bei denken können, aber natürlich haben wir uns auch unsere eigenen Gedanken dazu. Dieses Mal haben wir doch teilweise etwas deutlicher geschrieben. Da war es dann schon wichtig, den Finger mal in die Wunde zu drücken und auf Dinge hinzuweisen, die einfach ganz objektiv nicht gut laufen – politisch gesehen.
Das Cover passt sehr gut zum Titel des Albums und wirkt mehr old school als das von „The Harvest“. Schlägt sich das auch auf dem Album nieder?
Zum Sound des Albums muss ich etwas weiter ausholen. Eigentlich wollten wir das Album noch gar nicht veröffentlichen. Unser Plan war, 2022 die nächste Scheibe mit ENDSEEKER rauszubringen, vorher mit „The Harvest“ zu touren und während einer Tour Songs schreiben, geht eh nicht so gut und wir haben auch noch Familie, Jobs und so.
Durch die Lage in der Welt hat sich das etwas verschoben, also haben wir uns gedacht „schreiben wir halt eine neue Scheibe“. Das haben vermutlich auch schon 1000 Bands bei euch geantwortet (lacht). Wir haben vorher gesagt, dass wir den Schreibprozess nicht weiter verkopfen wollen. „The Harvest“ war ja unser Metal-Blade-Debüt und da haben wir uns wahnsinnig unter Druck gesetzt. Wir wollten alle Facetten einbauen, die man einbauen kann. Es sollte dieses Mal weniger verkopft und rauer klingen. Wir haben dieses Mal auch keine Samples, der Drumsound ist ohne Tricks und die Vocals sind weniger überproduziert.
Das mit dem Coverartwork war eher Zufall. Es musste mit dem Titel „Mount Carcass“ halt der Berg sein, düster und mit Tod und da haben wir uns einige Vorschläge eingeholt, von denen uns nichts abgeholt hat. Dann kam ein Kumpel von uns um die Ecke mit dem Artwork und wir fragten uns: „Ist das wirklich ENDSEEKER?“ und die Antwort war „Ja, natürlich!“. Auf dem Cover sind auch so viele Details zu den Lyrics der Songs versteckt, da kann man wirklich viel erkennen und finden. Wir finden die Platte dadurch einfach optisch perfekt abgedeckt.
Dann muss ich noch mal die Lyrics lesen, wenn ich die physische Version der Scheibe habe. Auch wenn meine Freundin sagt „den Lenny versteht man immer so gut, wenn der singt“. Apropos, ist das eigentlich gewollt?
Ja, das ist schon gewollt. Ich finde, wenn man was zu sagen hat, sollte man auch verstanden werden. Das ist mein eigener Ansatz. Klar, gibt es auch Bands wie CATTLE DECAPITATION, da verstehst du gar nichts, aber das hat auch seine Daseinsberechtigung, das finde ich auch geil. Das würde mit einer klaren Stimme nicht so gut ankommen, diese Art von Brutal Death Metal.
Für alle Nicht-Hamburger: Wer ist der Cameo am Ende von „Unholy Rites“ und was hat der zu bedeuten?
Das ist der Barbetreiber unseres Vertrauens, das ist der Alban, der das Hausverbot – unsere Stammkneipe – hier in Hamburg führt. Der ist ja sehr charmant, du gehst da rein und denkst, du bist ein guter Typ und gehst daraus und denkst, du bist ein Stück Scheiße (lacht). Nee, also ohne Witz, man fühlt sich da richtig wohl, familiär, das ist wirklich ein richtig feiner Typ. Und wir wollen natürlich, dass das Hausverbot auch nach der Pandemie noch existiert, weswegen wir es damit etwas supporten wollten.
Mit „Escape from New York“ habt ihr einen Filmsoundtrack gecovert. Wie kam es dazu und wie findet ihr den Film?
Also eigentlich wollten wir dieses Mal kein Cover mit drauf nehmen. Wir dachten, die Scheibe ist rund so wie sie ist. Aber dann kam Ben (Gitarre) und fragte, wie wir eigentlich den Film finden und auch den Soundtrack dazu. Er hatte dann das Cover ein bisschen zu Hause vorproduziert und uns geschickt. Klar, das war erstmal seltsam und ich hab in dem Song als Sänger natürlich auch überhaupt nichts zu tun, aber wir waren uns einig: das Ding passt auf die Scheibe. Außerdem ist dieses Jahr noch das vierzigjährige Jubiläum des Films, aber das ist uns erst hinterher aufgefallen.
Ich beschreibe ENDSEEKER immer als „Schwedische Death-Metal-Band aus Hamburg“. Passt das oder würdest du das anders sehen?
Ich glaube, aus dem Gewand des Schwedentods kommen wir nicht mehr heraus, auch wenn alle wahren, schwedischen Bands natürlich sagen, dass wir keinen Schwedentod spielen können, weil wir nicht aus dem Land kommen. Wir tragen das Genre auf jeden Fall im Herzen.
Also mir wäre es nicht aufgefallen, wenn du auf der Bühne nicht auf einmal Deutsch geredet hättest.
(lacht) Das ist das schönste Kompliment für uns überhaupt!
Bleiben wir mal in Schweden: Hast du All-Time-Favourites im „wahren Schwedentod“?
Puh, das ist eine toughe Frage, weil ich erst um 2000 rum zum Metal gekommen bin. Unser Hauptenergieträger ist natürlich ENTOMBED. Das ist die Band, die maßgeblich daran beteiligt ist, dass ENDSEEKER existieren und so ist, wie wir sind. Ich finde von ENTOMBED „Clandestine“ super, die „Wolverine Blues“, eigentlich alles, wo mit dem Death Metal auch experimentiert wurde. Die „Slaughter Of The Soul“ von AT THE GATES finde ich auch super, höre ich immer gerne.
Meine erste Berührung mit Schwedentod war ja BLOODBATH…
Alter, wie konnte ich BLOODBATH vergessen? Klar, die „Nightmares Made Flesh“ muss ich auch noch nennen. Auch neuere Bands wie LIK bringen immer Spaß zu hören, bei denen könnte ich alle Alben nennen, die sind alle gut.
Übst du deine Mimik und Gestik, die du auf Konzerten verwendest, oder ist das Improvisation?
Tatsächlich mache ich mir keine großen Gedanken vorher. Dazu fällt mir eine Geschichte ein. Ich war mal, als ich acht oder neun war, mit meinem Vater in der Türkei im Urlaub und da haben wir an einer Art Tombola teilgenommen. Da musste man, wenn seine Nummer gezogen wurde, irgendeine Tanzperformance machen. Tja, dann wurde meine Nummer gezogen und ich habe das natürlich überhaupt nicht hinbekommen. Dann wurde ich gefragt, was ich denn kann und ich habe „Grimassen schneiden“ geantwortet. Ich bin dann herumgesprungen und habe Grimassen geschnitten. Das liegt mir irgendwie im Blut, ich mache das halt schon ewig. Ich finde auch, dass Mimik mehr bewirkt als Worte.
Was für Pläne habt ihr für die Zukunft von ENDSEEKER?
Wir haben schon viel mehr erreicht, als wir uns für ENDSEEKER gedacht haben. Alleine, dass wir schon vor unserem ersten Output einen Plattenvertrag hatten. Dann, dass wir bei Metal Blade unterzeichneten. Das war ein Traum, der wahr geworden ist. Die Leute da sind auch alle so cool und nett. Wo wollen wir also hin? Ich denke, da wo wir sind, sind wir gut aufgehoben. Wir wollen letztlich einfach hörbarer sein, mehr Leute in der Masse erreichen.
Ich habe auch so ein paar Songs, die mir in schwierigen Phasen geholfen haben. Wenn wir so etwas mit unserer Musik auch schaffen, dann wäre das natürlich der Hammer. Ich weiß nicht, ob das gerade passiert, aber das würden wir uns natürlich wünschen.
Nun wäre Zeit für die berühmten letzten Worte. Was möchtest du noch loswerden?
Wir wollten eigentlich nie eine Streaming-Show spielen, aber irgendwas muss man ja für die Albumpromo machen, wenn sonst schon nichts möglich ist. Von daher: Am 18. April spielen wir eine Streaming-Show im Hamburger Knust, also besorgt euch alle ein Ticket und seid dabei!