Emil Bulls
Im Alter reifer

Interview

Am 12. Januar 2024 war es soweit. Das lang herbei gesehnte Album “Love Will Fix It” der EMIL BULLS feierte Release Day. Ein hervorragender Anlass, um sich Moik (Stephan Karl) und Christoph von Freydorf zum Interview zu wünschen und der Wunsch wurde erhört.

Nachdem der Tourbus schon in aller Frühe mit der Hilfe von Christoph an seinen Platz rangiert wurde, saßen mir am späten Nachmittag zwei nicht minder müde Typen gegenüber, die aber sehr redselig waren! Wir hatten uns ziemlich viel zu erzählen, das ganze Interview könnt ihr hier (Teil 1 und Teil 2)nachhören.

Foto: Janis Hinz

“Love Will Fix It”: eine absolute Erlösung

Diana: Gestern war großer Release Day von eurem neuen Album „Love Will Fix It“. Endlich ist die neue Platte draußen! Wie fühlt sich das an?

Christoph: Wie eine absolute Erlösung, weil wir das Album wirklich lange mit uns rumtragen haben. Die letzte Veröffentlichung war 2019 mit unserem Coveralbum. Also hat es fast fünf Jahre gedauert, bis wieder was Neues kam. Das Album war eine lange und schwere Geburt. Wir haben da sehr viel Zeit, Nerven und Herzblut reingesteckt. Und so ein Release-Day ist dann natürlich immer der Tag der Tage, wo du dir  denkst, geil, jetzt ist das Kind aus dem Haus. Jetzt kannst du auf Tour gehen und die Ernte für die ganze Arbeit einfahren. Und das werden wir auch tun.

Moik: Absolut. Es ist wirklich ein sehr befreiendes Gefühl. Wie Christoph gesagt hat, es war eine stressige Phase vor dem Album. Wir mussten an so viele Sachen denken und gefühlt werden die verrückten Zeiten immer mehr, was man als Band da auf dem Schirm haben muss, dass so ein Release dann auch tatsächlich funktioniert. Wir können sagen, wir haben alles getan, was in unserer Macht steht, um dieses Album gut dastehen zu lassen und jetzt liegt es an den Leuten und an der Plattenfirma, das Beste draus zu machen, wir können nur Shows spielen.

Diana: Du hast es gerade schon gesagt, Christoph. 2019 ist euer Coveralbum “Mixtape” rausgekommen und davor 2017 “Kill Your Demons”. Wir könnten jetzt also sagen, Pi mal Daumen, sechs Jahre seit der Veröffentlichung eigens komponierter Songs. Wann habt ihr denn angefangen, an den Songs für diese Platte zu arbeiten?

Christoph: Wow, auch schon im Sommer 2019, gell? Und die sollte eigentlich schon 2020 rauskommen, zum 25 -jährigen Bandjubiläum. Aber ja, dann kam Corona und wir haben dann ganz schnell gemerkt, dass es für uns keinen Sinn macht, ein Album auf dem Markt zu schmeißen, wenn wir nicht auf Tour gehen können, denn das Album ist auch immer das Ticket zur Tour. Deswegen haben wir dann alles ganz schnell auf Eis gelegt und gewartet und gewartet. Und dass es dann doch so lang dauert, hätte damals halt noch keiner wissen können. Gerade unter dem Punkt, dass die Tour zum Album wichtig ist, denn auf Tour verdient eine Band in unserer Größenordnung das Geld und nicht durch Albumverkäufe. Das heißt nicht, dass es nicht wichtig ist, ein Album zu kaufen, ganz im Gegenteil. Und jetzt mussten alle länger warten, als gedacht. Was auch ganz gut war, weil die ganzen Songs nochmal reifen konnten, wir konnten noch ein paar andere umdrehen, noch andere schreiben und an den Songs, die schon da waren, noch ein bisschen rumfeilen. Und das haben wir auch ziemlich ausgiebig gemacht.

Moik: Wir haben das Augenmerk während Corona auf andere Dinge gelegt. Wir haben unser eigenes Studio gebaut, wo das Album bis auf das Schlagzeug zu 90% aufgenommen wurde. Wir haben die Zeit und Arbeit in dieses Studio gesteckt. So dass wir in Zukunft immer da Platten aufnehmen können und nicht mehr abhängig sind von irgendwelchen Studioterminen, die teuer sind etc.
Alben entstehen nicht im Proberaum: Da muss man einfach mal raus und 24/7 nur auf EMIL BULLS eingestellt sein

Diana: Ja eben, das ist ein Vorteil, ein eigenes Studio als Band zu haben. Gerade wenn es um Songwriting und die ganzen Produktionsprozesse geht. Wie entstehen denn bei euch die Demos? Wie geht so ein Song bei euch los?

Christoph: Sagen wir mal so es ist natürlich so dass jeder von uns erst mal zu Hause so ein bisschen sammelt, Ideen als Demo aufnimmt und dann machen wir es seit einigen Alben schon so dass wir gar nicht in den Proberaum gehen, weil Proberaum ist irgendwie immer so ein bisschen auch Arbeitsplatz, sondern wir mieten uns immer irgendwo ein Haus wo wir dann zwei drei Wochen einfach mal in Klausur fahren. Wir waren im Entstehungsprozess des letzten Albums sogar zweimal unterwegs einmal in Dahme oben an der Ostsee und dann im Herbst 2019 noch in der Toskana völlig am Arsch der Welt. Auf dem Hügel haben wir so einen kleinen Gutshof gemietet und konnten da eben Tag und Nacht einfach in Ruhe an der Mucke arbeiten. Wir haben für uns einfach gemerkt, dass wir so am diszipliniertesten arbeiten. Du bist einfach 24/7 nur auf Band eingestellt und da entstehen dann die besten Sachen. Und gerade in der Toskana war wirklich so ein geiler Vibe, dass man das in manchen Songs hört, die wären nicht so, wenn wir nicht dort gewesen wären. Und das finde ich sehr interessant, wie so ein Ort und so eine Zeit dann eine Platte widerspiegelt.


Diana: An so einem Demo wird dann noch intensiv weiter gearbeitet. Im Podcast habt ihr das Thema Songwriting auch schonmal kurz angeschnitten, das klingt so, als würde jeder in seinem Zimmerchen sitzen und dort vor sich hin tüfteln. Wie läuft das bei euch ab? Und wie geht es dann weiter?

Christoph: Das ist tatsächlich ein bisschen so, dass da jeder sich erst mal zurückzieht, auch in unseren Songwritingcamps. Jeder bastelt erstmal so für sich rum und dann wird das alles zusammengetragen. Und dadurch, dass ich eben der Sänger bin, der danach irgendwie seinen Gesang darauf machen muss, filtere ich ein bisschen aus. Und ich habe dann erst mal immer so einen Riesenberg an Demos, teilweise halbfertigen Songs, teilweise Songs, die irgendwie 25 verschiedene Riffs drin haben. Oder auch nur eins. Und dann schaue ich immer, hey, okay, geil, da habe ich irgendwie sofort eine Idee, das springt mich sofort an. Und das mache ich dann zu Hause, da setze ich mich hin bastele aus diesen ganzen Ideen erst einmal Arrangements.

Fast 30 Jahre im Geschäft: Alles verändert sich

Diana: Das ist spannend. Wie hat sich der Entstehungsprozess eure Songs über die Zeit geändert?

Moik: Also der hat sich natürlich komplett verändert, das liegt auch an den technischen Möglichkeiten. Als wir angefangen haben Musik zu machen, da musstest du deinen Verstärker in irgendwelchen Proberäumen oder eben in Songwritingcamps mitnehmen. Also ich kann mich erinnern, zu “Phoenix” hatten wir in Kleinwalzertal ein Haus gemietet und da hat auch noch jemand drin gewohnt. Und wir sind dann mit dem kompletten Besteck angerauscht und auch mit Schlagzeug, alle Amps und es war richtig laut. Und irgendwann, es war eine Dame, hat sie dann immer ultra laut Schlager gehört, um zurückzuschießen quasi. wir waren völlig überrascht, dass in diesem Haus noch jemand gewohnt hat. Aber durch die technischen Möglichkeiten muss man jetzt keine großen Amps mehr mitschleppen. Jeder hat einen Laptop, jeder hat ein Interface, da kann man mit Kopfhörern leise quasi musizieren. Aber es wird dann auch schon manchmal laut gemacht, weil man es ja auch fühlen will.

Die Anforderungen an Bands heutzutage sind immens: Musikproduktion im Wandel der Zeit

Diana: Was hat euch bei dieser Platte am meisten herausgefordert?

Christoph: Das hatte jetzt eigentlich gar nichts so mit Songwriting zu tun, was ich als besonders herausfordernd empfunden habe. Sondern es war das ganze Drumherum, als die Platte schon fertig war. Früher, wir kommen ja dann noch ein bisschen aus der alten Schule, hast du vor dem Album Release eine Single rausgebracht mit einem Video und dann kam die Platte. Seit unserer letzten Platte ist so viel passiert, was auch die ganzen Streaming-Plattformen angeht. Du musst die vorher schon so krass füttern, damit die Algorithmen anspringen, dass dann zum Release des Albums die Zahnräder gut ineinandergreifen. Und deswegen musst du heutzutage mindestens drei oder vier Singles inklusive Videos vorher rausbringen. Und das ist natürlich dann auch drei oder viermal so viel Arbeit, wie es früher war. Das fand ich schon krass, weil das mussten wir neu lernen, da müssen auch wir uns anpassen. Auch das ganze Social Media-Ding drum herum, das bekommt immer mehr Stellenwert. Aber ich weiß, es ist notwendig und man muss da irgendwie am Start sein.

Moik: Wir sind glaube ich einfach schon ein bisschen rausgewachsen. Also Passy ist bei uns der Instagram -Typ. Er will immer, dass wir tanzen für TikTok und das machen wir nicht. Aber wegen der Frage, die du gestellt hast, was am meisten herausfordernd war, also für mich war das der Fakt, dass wir das Studio gebaut haben, da alles selber aufgenommen haben und dann hieß es, naja, wer macht denn das Editing? Und früher bist du halt in ein Studio gefahren, hast deine Gitarren aufgenommen und irgendein anderer Fritze hat da dann noch ein bisschen dran gearbeitet. Und das war diesmal nicht so und auch das mussten wir das quasi lernen. Was wahrscheinlich für junge Bands oder jüngere Bands, ganz selbstverständlich ist, war es für uns bisher nicht.

EMIL BULLS: Die musikalischen Notwendigkeiten und die Herausforderungen

Diana: Ich finde die Platte auf einem musikalisch sehr hohen Niveau, gerade auch gesanglich. Wenn ihr Songs schreibt, denkt ihr da auch an die Live -Spielbarkeit oder geht ihr erst mal von einem guten Gesamtkunstwerk aus?

Christoph: Sagen wir mal so, wir als Band denken komplett immer an die Live-Spielbarkeit, unser Produzent aber gar nicht. Dem ist das völlig wurscht. Der rastet da immer komplett aus und Moik und Bocko sitzen dann auch manchmal da und sagen, hey, das ist einfach zu krass, das ist zu schnell und das ist nicht spielbar. Und Benni sagt dann, komm, ihr kriegt es schon hin. Und ich war tatsächlich auch gespannt im Vorfeld, weil das Album wirklich vor allem an den Gitarren sehr, sehr anspruchsvoll ist. Und da war ich mir teilweise nicht so sicher, wie das dann in den Proben ausfallen wird bei diesen zwei Kollegen da (zeigt auf Moik, Bocko ebenfalls Gitarrist war nicht anwesend). Aber hey, sie haben sich wohl vorher hingesetzt und geübt und das funktioniert alles. Wir haben jetzt schon ein paar Shows gespielt, wo auch neue Songs im Set sind. Und das hat ganz gut funktioniert.

Moik: Ich hoffe, es geht so weiter. Es sind nämlich schon noch ein paar Songs, die wir vorhaben live zu spielen, die dann auch wirklich anspruchsvoll sind. Aber bis jetzt bekommen wir es ganz gut umgesetzt.

Ein Christoph von Freydorf ist wie ein guter Wein: Er reift mit den Jahren

Diana: Ich finde, dass deine Stimme auf dem Album noch besser ist als auf den Alben zuvor, und auch live wird deine Stimmer immer besser. Was machst du mit oder für deine Stimme?

Christoph: Das ist eine sehr gute Frage. Ich sehe das ähnlich wie du. Ich habe auf dem Album tatsächlich die kompletten Vocals ganz alleine aufgenommen. Da war niemand dabei. Das ist wahrscheinlich ein wichtiger Faktor, dass ich mich einfach auch mehr traue. Ich habe während Corona auch andere Screaming-Techniken ausprobiert, da so vor mich hingeübt und habe das dann auf dem Album auch eingebaut. Das hat total viel Spaß gemacht und ich hatte alleine im Studio eine sehr lockerere Atmosphäre, weil ich arbeiten konnte, wie ich wollte. Ansonsten merke ich es live auch, dass ich mich immer leichter tue. Das schiebe ich aber darauf, dass wir mittlerweile ein eigenes Monitor-Pult dabeihaben, eigene Leute dort sitzen haben und ich auf dem Ohr endlich einen Sound habe, mit dem ich viel leichter arbeiten kann, als das jemals zuvor war. Definitiv ist die Stimme ein Werkzeug, ich singe mich auf Tour auch ein und mache mich warm. Das können Atemübungen sein, ein bisschen warm singen. Da habe ich tatsächlich eine Prozedur, die dauert vor der Show schon mal fast zwei Stunden. Da bin ich sehr gewissenhaft.

Schreib-Reise nach Prag: Die Texte für “Love Will Fix It” entstehen

Diana: Du hast dich Anfang 2023 zurückgezogen, um Lyrics zu schreiben, auch mit dem Ziel bestimmte Worte nicht zu benutzen. Sprechen wir in diesem Sinne von einem Konzeptalbum?

Christoph: Das kann man sagen, aber das war nicht geplant. Das hat sich irgendwie dann ergeben. Ich habe mich zum Texte schreiben nach Prag zurückgezogen, weil es für mich eine Stadt ist, die sehr, sehr inspirierend ist. Und da kam mir eben ziemlich schnell auch dieser, der Albumtitel “Love Will Fix It”. Dann haben sich so die ganzen Texte automatisch um dieses Thema Liebe gedreht. Und ich beleuchte in den Lyrics die verschiedensten Facetten der Liebe. Wenn jetzt jemand sich denkt bei dem Albumtitel, oh, das ist aber sehr, sehr kitschig und da sind wahrscheinlich nur irgendwie Pop-Nummern drauf, dann hat er sich da getäuscht, weil die Liebe kann ja auch genau das Gegenteil sein. Die kann grausam, böse, völlig psychopathisch und so weiter sein. Schmerz verursachen, Trauer verursachen. Und da ist nicht alles nur Friedefreude, Eierkuchen und so weiter.

Diana: Aber wie ist es dazu gekommen, dass die Platte eben „Love Will Fix It“ heißt?

Christoph: Wie gesagt, dieser Titel, der kam mir ziemlich schnell am Anfang beim Texteschreiben in Prag in den Kopf geschossen. Irgendwie aus dem Nichts mehr oder weniger. Ich weiß gar nicht, was da der Trigger war, der das ausgelöst hat. Da habe ich mir gedacht: finde ich irgendwie gut. Lass die Platte so nennen, weil das ist mal irgendwie in dieser ganzen dunklen Zeit, in der wir irgendwie gerade sind mit Kriegen, Krisen, Pandemie und so weiter, Da ist einfach mal ein bisschen was Positives wieder notwendig. Es klingt jetzt total kitschig, aber die Liebe ist wahrscheinlich die größte emotionale Macht, die der Mensch irgendwie in sich tragen kann und die kann definitiv auch ganz ganz viel reparieren. Nur gibt es meistens leider viel zu wenig davon. Also wir brauchen mehr Liebe auf diesem Planeten.

Was wir brauchen: Mehr Liebe

Diana: Pass auf, du hattest gerade gesagt, wir brauchen mehr Liebe auf diesem Planeten. Ich hatte letztens mit meinem Sohn eine Unterhaltung, ob die Welt eine bessere wäre, beziehungsweise ob es weniger Kummer, Elend und Leid gebe, wenn die Welt ein Lavendelfeld wäre. Wir haben da so ein bisschen drüber philosophiert und festgestellt, dass das nicht geht, dass Lavendel eben nicht auf der ganzen Welt wachsen kann, was echt schade ist. Aber überall auf der Welt gibt es Musik. Und was denkt ihr denn, was können wir mit Musik alles erreichen?

Christoph: Alles. Musik kann alle Emotionen, die der Mensch haben kann, in mir hervorrufen. Ich kann zu Musik lachen, weinen. Es kann mich völlig mental runterziehen. Es kann mir das größte hoch geben. Es wäre völlig grausam, sich vorzustellen, dass es keine Musik gibt. Völlig absurd. Und ich glaube, es gibt keinen Menschen auf der Welt, egal wie, auch die Menschen mit der dunkelsten Seele hören wahrscheinlich trotzdem Musik und empfinden da mal was Positives.

Und das wirklich lange Interview der beiden redseligen Herren Christoph und Moik von den EMIL BULLS könnt ihr auf Mixcloud nachhören. Da gibt es noch mehr spannende Einblicke in die technischen Tiefen des Songwritings und den Weg der EMIL BULLS bis hier hin! Vielen Dank, für die Zeit, das gute Gespräch und die interessanten Einblicke! Am Ende haben mir die beiden noch erzählt, dass sie gern auch Europa unsicher machen wollen und ihre Musik auf der ganzen Welt Live spielen möchten. Wir drücken euch die Daumen!
Die “Love Will Fix It”-Tour ist mittlerweile zu Ende, aber die EMIL BULLS spielen auch dieses Jahr das ein oder andere Festival, auf jeden Fall wird am 20.12. und am 21.12.2024 wieder der traditionelle X-Mas Bash gefeiert, natürlich in München im Backstage Werk, mit dabei sind SELF DECEPTION aus Schweden. Eine explosive Mischung die ihr euch nicht entgehen lassen solltet. Es wird gemunkelt, dass die Tickets schon knapp werden – also ran an die Karten!

Quelle: Christoph von Freydorf, Stephan "Moik" Karl (Emil Bulls)
14.06.2024
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