Eluveitie
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Interview

Die Schweizer Ausnahme-Band ELUVEITIE greift ein Jahr nach ihrem letzten Album "Slania" direkt wieder in die Vollen und tischt uns mit "Evocation I – The Arcane Dominion" ein reines Folk-/Folk-Rock-Album auf, das sich gewaschen hat. Grund genug, um Bandgründer Chrigel ein paar Fragen zu stellen.

EluveitieHallo Chrigel! Einen wunderschönen, sonnigen Vorfrühling wünsche ich dir.
Herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Album! Ich finde, es ist wirklich gut gelungen. Wie kamt ihr denn auf die Idee, euch eher ’seichteren‘ Folk-, bzw. Folk-Rock-Klängen zuzuwenden?

Vielen Dank! Schon seit Jahren geisterte die Idee, einmal ein rein akustisches Album zu machen, in unseren Köpfen herum. Das war einfach, was uns stets reizte. Anfang letztes Jahr wurde es dann mal konkret und wir begannen, das Material auszuarbeiten. Im Prinzip haben wir uns einfach einen kleinen Traum erfüllt, den wir schon eine ganze Weile hatten.

Meinst du, es könnten sich vielleicht ein paar eurer Fans vor den Kopf gestoßen fühlen, die bei ELUVEITIE eher harte, metallische Celtic-Folk-Klänge erwarten, mit einer satten Gitarrenwand im Rücken? Wieso habt ihr „Evocation I – The Arcane Dominion“ unter eurem Bandnamen ELUVEITIE veröffentlicht und es nicht über ein Nebenprojekt laufen lassen?

Warum hätten wir so etwas auch tun sollen? Ich meine, „Evocation“ ist absolut ein ELUVEITIE-Album – es ist unsere Musik, es spiegelt wider was wir sind und lieben. Wenn auch in einer ganz anderen Facette. Aber wir sind immer noch wir selbst. Deshalb sehe ich auch keinen Grund, warum wir „Evocation“ unter einem anderen Namen hätten veröffentlichen sollen.
Klar, uns war und ist selbstverständlich bewusst, dass es in gewisser Hinsicht sogar ein Wagnis war, gerade jetzt ein rein akustisches Album zu veröffentlichen. Wir wissen nicht, wie die Szene das Album aufnehmen wird. Aber letztlich muss man seinen eigenen Intentionen folgen. Ein Akustik-Album wünschten wir uns nun schon so lange, wir mussten das nun einfach mal machen. Und wir erfreuen uns daran.

Und damit seid ihr bestimmt nicht allein.
Das Album befasst sich ja durchgehend mit keltischer Mythologie. Welche Themen habt ihr dabei denn aufgegriffen? Ich meine im Internet gelesen zu haben, dass „The Arcane Dominion“ sich sogar mit der Geschichte des keltischen Helden, bzw. der Sagengestalt Cu Chullainns befasst. Stimmt das?

Cu Chullainn? Nein, Cu Chullainn kommt nicht vor. Wir beschäftigen uns seit jeher mit der keltischen Kultur und Geschichte der Keltenstämme des Festlands, der Gallier… Vielleicht war Cernunnos gemeint? Das würde passen – das Cover des Albums zeigt eine moderne Darstellung dieser mythologischen Figur der Kelten. Das ist auch das Thema von „The Arcane Dominion“, richtig. Stimmt, das ganze Album ist eigentlich der keltischen Mythologie verschrieben.
Grundsätzlich ist es nicht ganz einfach, die Gegenstände der alten keltischen, gallischen Mythologie zu deuten, da sehr wenig aufgeschrieben wurde. Anders, als es später im Mittelalter auf den britischen Inseln passierte, wo eben die ganzen Sagenzyklen – wie die Geschichte um Cu Chullainn und viele andere – aufgeschrieben wurden. Aber aufgrund der verwendeten Symbolik bei der Figur Cernunnos kann man davon ausgehen, dass er symbolhaft für das Leben der Natur an sich steht – seine Torcs (grob gesagt keltische Schmuckstücke; Anm. d. Verf.) zeichnen ihn des Weiteren mit großer Macht und Reichtum aus. Der Titel „The Arcane Dominion“ beschreibt genau das: Die unantastbare Souveränität der Natur. Jedes Lebewesen, jeder Mensch ist (als Teil der Natur) ihren Gesetzen und ihrem Rhythmus unterworfen – die Natur übt eine absolute Herrschaft über uns aus. Aber ebenso ist diese Herrschaft ganz anders als das, was wir Menschen unter ‚Herrschaft‘ verstehen. Sie ist keine Diktatur, sondern sie ist einfach nur da. Still, manchmal verborgen und unaufdringlich, manchmal zart, aber ebenso auch unantastbar, vehement und unnachgiebig.
Grundsätzlich dreht sich das Album um Themen der gallischen Mythologie. Die Texte sind teils mythologischer und oft auch magischer Natur. Es finden sich einige magische Verse und sogar (ziemlich düstere) Verfluchungen unter den Texten.

Da werde ich mich bezüglich Cu Chullainns dann wohl verlesen haben. Es klingt aber auf jeden Fall schonmal äußerst interessant.
Was mich auch noch stark interessiert, ist, woher ihr eigentlich die ganzen Anreize in Sachen keltischer Mythologie bekommt. Gibt es da vielleicht einschlägige Fachliteratur die ihr zu Rate zieht, oder wie geht ihr da vor?

Die Geschichte, Kultur und Mythologie der Gallier ist einfach eine persönliche Leidenschaft. Ich beschäftige mich schon seit Jahren intensiv damit. Und natürlich gehören dazu eine Menge Fachbücher. Was die Verwendung gallischer Sprache in unseren Texten angeht – hier arbeiten wir auch immer wieder mit Wissenschaftlern zusammen.

Wer war denn dieses Mal für die Musik- und Textergüsse verantwortlich?

Was die Texte angeht: Größtenteils irgendwelche Gallier(innen), die vor ungefähr 2000 Jahren lebten, hehe.
Die Idee von „Evocation I“ ist es, pure gallische Mythologie in Musik zu verpacken. Daher stand auch schnell die Idee, das Album komplett in gallischer Sprache zu halten – was wir nun bis auf einen in Englisch gesprochenen Intro-Text auch so realisierten. Und darin wollten wir die Sache so authentisch wie möglich gestalten und entschieden uns, größtenteils originale gallische Texte zu verwenden, wie sie bei archäologischen Ausgrabungen gefunden wurden. Eigentlich sind nur drei Songtexte auf dem Album nicht traditionell. Einen davon schrieben Anna und ich, für einen ist unsere ehemalige Drehleierspielerin Sarah Wauquiez verantwortlich und einer wurde von David Stifter verfasst, welcher am keltologischen Seminar der Uni Wien doziert. Er war auch schon für einen Songtext auf „Slania“ verantwortlich.

Also kann man getrost davon ausgehen, dass auch alles wissenschaftlich fundiert ist. Sehr schön!
Aber kommen wir zurück zur Musik. Wie geht ihr überhaupt beim Songwriting vor? Ist es bei dieser Platte eventuell anders gelaufen als bisher?

Eigentlich nicht. Was jedoch anders war, ist, dass sich das Songwriting viel mehr unter uns aufteilte. Bei unseren bisherigen Veröffentlichungen komponierte ich fast alles bis zum letzten Ton. Auf „Evocation I“ schrieb ich die Songs teils mit anderen Bandmitgliedern zusammen. Andere wurden komplett ohne mich geschrieben. Wie beispielsweise „Voveso In Mori“, welcher aus Annas und Merlins Feder stammt.

Es soll ja neben „Evocation I“ auch noch ein weiteres Album mit dem Namen „Evocation II: Visions“ veröffentlicht werden. Gibt es dazu schon irgendwelche Planungen oder Ideen, zu denen du uns etwas sagen kannst? Ist die Platte sogar schon bereit zur Veröffentlichung?

Genau, das ist korrekt. Wann allerdings „Evocation II“ veröffentlicht werden soll, das steht noch in den Sternen. Wir werden uns mit dem Album Zeit lassen. Und nach „Evocation I“ wollen wir auch erst mal wieder ein reguläres Metal-Album veröffentlichen, wie man es von ELUVEITIE gewohnt ist.

Na dann lassen wir uns doch mal überraschen.
Was für ein Gesamtkonzept liegt denn beiden Alben zugrunde? Was hat euch dazu inspiriert?

Wie bereits erwähnt sind die Alben gänzlich gallischer Mythologie gewidmet. Ein Thema was uns natürlich beschäftigt. „Evocation“ soll wie eine Reise durch die keltische Seele sein. Anders als bei unseren regulären Alben verarbeiten wir in unseren Texten nicht Gegenstände aus keltischer Geschichte, Kultur und Mythologie, sondern wir verwenden eben größtenteils eins zu eins originale Texte aus der Antike.

Was würdest du sagen, sind die größten Einflüsse bei euch in der Band? Gibt es da ein breites Sammelsurium oder habt ihr zumindest weitestgehend einen Nenner?

Ich denke, es ist etwas natürliches, dass die Musik, die man selbst schreibt und spielt, von dem beeinflusst ist, was man sich oft und gerne anhört. Jede/r von uns hat ihre/seine Lieblingsbands und das Instrumentenspiel von allen ist wohl auch von diversen anderen Musikern geprägt. Mein persönliches Vorbild für die Uilleann Pipe (irischer Dudelsack) ist beispielsweise Paddy Keenan, der damalige Piper der irischen Folkband THE BOTHY BAND. Natürlich bin ich noch Lichtjahre von ihm entfernt, aber man soll sich ja hohe Ziele stecken, haha. So haben alle von uns wohl ihre Einflüsse, aber diese gehen querbeet durch alle nur erdenklichen Musikstile. Irgendwelche Einflüsse oder Vorbilder als ganze Band haben wir aber nicht.

Da wir gerade dabei sind: Was sind im Moment eigentlich deine Lieblings-Bands?

Puh, da gäbe es einige. Derweil sind wir ja gerade auf Europa-Tour. Und was in den letzten sechs Wochen wohl am allermeisten im Tourbus aus den Lautsprechern dröhnte, war WOVEN HAND und 16 HORSEPOWER.

Und was mich persönlich brennend interessiert – eine Frage die du sicher schon des Öfteren gehört hast: Wie um Himmels Willen kommt ihr zu euren gälischen Texten? Orientiert ihr euch an dem Gälisch, das noch in ein paar wenigen Regionen Irlands gesprochen wird?

Haha, du hast Recht – die Frage habe ich schon tausend Mal gehört. Und ehrlich gesagt, kann ich mir bis heute nicht erklären, woher die Idee kommt, dass wir gälische Texte hätten! Auf unserer Website und in den Booklets unserer Veröffentlichungen steht jedenfalls nichts Derartiges.
Wir beschäftigen uns lyrisch und auch musikalisch mit der Geschichte der Keltenstämme auf dem Festland, also mit den gallischen Stämmen, zu welchen ja auch die Helvetier gehörten. Na ja, und somit liegt es auch auf der Hand, dass wir uns mit der gallischen Sprache befassen und immer mal wieder Songs in Gallisch schreiben, der Sprache, welche eben von den Galliern, den keltischen Stämmen des Kontinents gesprochen wurde.
Mit dem modernen Gälischen, wie es heute in Irland gesprochen wird, hat die Gallische Sprache nur bedingt zu tun. Als ‚Gallisch‘ werden jene keltischen Sprachen und Dialekte bezeichnet, die eben vor mehr als 2000 Jahren auf dem europäischen Festland gesprochen wurden. Im Laufe der Jahrhunderte teilten sich die keltischen Sprachen grob in zwei Zweige auf. Das Inselkeltische – welches eben auf den britischen Inseln gesprochen wurde und aus welchem auch das heutige Gälisch entstand – und das Festlandkeltische, im Volksmund eben schlicht als Gallisch zusammengefasst, welches leider im Mittelalter ausstarb. Daher ist die Frage natürlich berechtigt. Wir greifen einerseits auf originale gallische Texte zurück, wie sie bei archäologischen Ausgrabungen in der Schweiz, in Frankreich und in anderen ehemals gallisch besiedelten Ländern gefunden wurden, z.B. als Steinritzungen. Andererseits arbeiten wir auch immer wieder mit Wissenschaftern zusammen, die uns tatkräftig unterstützen. Gerade was beispielsweise die Aussprache angeht.

Na ja, vermutlich liegt das mit dem Gälisch einfach daran, dass Irish/Scottish oder besser gesagt Celtic Folk in eurer Musik vertreten ist, hehe. Ich werde es mir auf jeden Fall für die Zukunft merken!
Apropos Zukunft. Wie sieht es denn bei den kommenden Konzerten aus? Werdet ihr ein gemischtes Set aus alten und neuen Liedern spielen, oder wollt ihr weitestgehend die Songs vom neuen Album präsentieren?

Abgesehen von einigen ’speziellen Konzerten‘, wo wir ein ausschließlich akustisches Set spielen werden – wie beispielsweise auf dem Schlosshof Festival in Höchstadt Aisch, werden wir gemischte Sets spielen.

Schön zu hören.
Und wenn wir schon dabei sind: Wie sieht es bei euch denn Tour-mäßig aus? Ihr seid im letzten Jahr in der Hinsicht wirklich richtig aktiv gewesen mit vier internationalen Touren – zwei in Europa (Heiden- und Paganfest) und zwei in Amiland (Kataklysm und Paganfest). Wollt ihr es dieses Jahr nach der momentan noch laufenden Kreator-Tour vielleicht etwas ruhiger angehen lassen, passend zu eurem neuen Liedmaterial?

Wir wollen in diesem Jahr auf jeden Fall noch eine US-Tour fahren. Über eine kleine Evocation-Tour denken wir noch nach, aber möglicherweise werden wir es bei den anstehenden Sommer-Festivals belassen. Abgesehen von diesen Festivals möchten wir uns den Sommer hindurch gerne eine kleine Konzert/Tour-Pause nehmen, um uns auf das Songwriting für das nächste Album zu konzentrieren. Klingt vielleicht etwas verrückt. Mir wurde auch schon mehrmals vorgeworfen, ich sei ein Workaholic, haha. Aber na ja, die ersten Songs für das nächste Metal-Album stehen bereits und warum soll man sich zurückhalten, wenn die Muse da ist? Somit möchten wir unser nächstes Metal-Album in diesem Jahr realisieren und auch aufnehmen.

Wow, dann habt ihr ja noch eine Menge Arbeit vor euch.
Wie war eigentlich das ganze Touring für euch persönlich? War es nicht zu anstrengend auf die Dauer?

Grundsätzlich lieben wir es über alles, auf Tour zu sein. Wenn es nach uns ginge, könnten wir kaum oft genug spielen. Ob es zu anstrengend wurde? Nun ja, manchmal zerrt das Tourleben schon. Die eigenen vier Wände, etwas Privatsphäre und ähnliches können einem schon mal fehlen. Mit den genannten Tourneen und allen Einzelshows spielten wir in den vergangenen 12 Monaten ziemlich genau 150 Konzerte. Nach Adam Riese bedeutet das, im Durchschnitt jeden 2,5-ten Tag ein Konzert. Schon eine ganze Menge. Aber eben, eigentlich lieben wir kaum etwas mehr, als live zu spielen. Daher passt das auf alle Fälle! Und es kommt auch immer auf die Tour und wohl auch auf die Bandkonstellation an. Es gibt Tourneen, die einem schon fast pure Lebensenergie geben und andere, welche eher Kräfte zehrend sind. Die Heidenfest-Tour im vergangenen November war beispielsweise die geilste Tour, die wir je gefahren sind. Primär auch, weil FINNTROLL und PRIMORDIAL mit dabei waren, mit welchen wir uns prächtig verstehen und auch privat sehr gut befreundet sind. Die hätte von uns aus gerne noch Monate lang weitergehen können, hehe.

Kann ich mir gut vorstellen, hehe. Die letzten Worte gehören dir:

Nun, mir bleibt nur noch, mich herzlich zu bedanken: Bei Dir für das Interview und bei allen Lesern für Euer Interesse an ELUVEITIE! Cheers!

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03.04.2009

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