Ektomorf
Ektomorf
Interview
EKTOMORF polarisieren. Eifrige Festival-Besucher rümpfen die Nase, weil ihnen die Band an jeder Ecke zu begegnen scheint, neutrale Hörer sind genervt, ob einer gewissen Vorhersehbarkeit und böse Zungen sehen in dem ungarischen Quartett immer noch lediglich einen Abklatsch von SEPULTURA und SOULFLY. Doch die Konzerte sind trotzdem gut besucht und auf „Outcast“ haben die Herren ihren Stil weiter perfektioniert. Kurz vor dem Konzert in Berlin nahm sich Zoltán Farkas Zeit, um neben der aktuellen Situation auch einen generellen Einblick in sein Verständnis von EKTOMORF und Musik zu geben.
Ich weiß, dass du es nicht wirklich magst, mit den „S-Bands“ verglichen zu werden. Deswegen musste ich ein bisschen lachen, als ich gesehen habe, dass ihr am 17. März zusammen mit SEPULTURA spielen werdet.
Es sieht so aus – in Böblingen oder so (inzwischen verlegt nach Sindelfingen). Das ist in der Nähe von Stuttgart. Ich freue mich darauf und wir machen das auch nicht für Geld, sondern nur um die Show zu spielen. Ich meine, Max ist nicht da und Igor ist nicht dabei, aber es ist immer noch ein großer Name.
„Outcast“ ist ein sehr geradliniges und auch clever komponiertes Album, mit einer sehr harten, wütenden Ausstrahlung. Besonders deine Stimme klingt – einmal mehr – noch aggressiver. Wie hast du das erreicht und was war diesmal anders im Studio?
Nichts. Auf Tour ist das anders, meine Stimme ist seit zwei Tagen im Arsch. Du wirst es hören, auch wenn sie immer noch stark ist. Aber die Songs habe ich wieder zu Hause geschrieben und danach haben wir wieder vier Wochen im Studio alles aufgenommen. Wie immer. (EKTOMORF spielten anschließend nur 45 Minuten und selbst bei ’Red I’ verzichtete Zoltán auf lang gezogene Schreie. Andere Auftritte während der Headliner-Tour sollen ähnlich kurz gewesen sein.)
Und wo kommt dieser ganze Ärger her?
Der kommt von mir. Es gibt Dinge, die mich anpissen. Ich bin keine gewalttätige Person, aber es ist gut, den Zorn für die Musik zu nutzen, denn ich denke, viele Leute können die Texte mitfühlen.
Es ist trotzdem erstaunlich, denn ihr habt einen Punkt erreicht, an dem ihr von der Musik leben könnt. Ihr seid sehr oft unterwegs. Du könntest dich also ein wenig entspannen.
Ich glaube wirklich, dass die ganze Band, mich eingeschlossen, entspannt ist. Aber wenn es Zeit ist, Songs zu schreiben, dann kommen halt diese Songs. Weißt du, es wird vermutlich immer so sein, EKTOMORF sind diese Art von Musik. Ich habe Zorn in mir, wie du auch Zorn in dir hast – manchmal mehr, manchmal weniger. In meiner Musik kann ich nur Ärger und noch einige andere Emotionen ausdrücken. Ich kann auf meine Art manchmal auch über Liebe oder sogar Hass schreiben. Das sind einfach meine Gefühle.
Wie funktioniert dieses Umschalten auf Tour? Heute sind ja zum Beispiel eure Freundinnen hier…
Das ist die Musik. Ich kann es nicht wirklich erklären. Wenn ich meine Gitarre höre, kommt alles raus. Und es macht wirklich Spaß auf der Bühne! Gestern waren wir alle verdammt müde, es war die vierte Show. Wie du sagtest, sind heute unsere Freundinnen hier und wir sind normale Leute, aber wenn wir auf die Bühne gehen, kommt all diese Energie zusammen und explodiert. Danach werden wir wieder ruhiger.
Was denkst du über die Reaktionen bezüglich „Outcast“? Viele Leute sind sehr zufrieden. Für sie ist es das beste Album. Einige andere sind etwas enttäuscht.
Das ist immer so, wobei diesmal gottlob die meisten Leute sagen, dass es das beste Album ist. Einige finden die alten Songs besser. Nun, auf den Shows bekommen sie die Mischung. Die Songs auf „Outcast“ sind wirklich verdammt brutal und blasen alles weg. Der Sound ist der beste, den wir jemals mit Tue Madsen hinbekommen haben. Aber man kann kein Album machen, das allen gefällt. Das ist unmöglich.
Wie sehen deine Pläne für das nächste Album aus? Denkst du, dass du den EKTOMORF-Stil früher oder später verändern musst, damit es für euch und die Fans interessant bleibt?
Wir werden nie den Stil ändern, das ist sicher. Es wird also immer so groovige, schwere und aggressive Musik bleiben. Aber das aktuelle Album ist erst ein paar Monate draußen, deshalb gibt es noch nichts Neues.
Hast du vielleicht eine sanfte Seite, die du mal in einem Nebenprojekt zeigen möchtest?
Nein. Ich mag es aber, für mich Musik zu spielen, die nach DEAD CAN DANCE klingt oder wie die Musik von „Gladiator“. Zu Hause spiele ich manchmal so akustischen Gitarren-Kram. Das ist wirklich ganz anderes Zeug – sehr gefühlvoll, intensiv und interessant, mit Sitar… Ein Freund meinte mal zu mir: „Irgendwann musst du so ein Album machen!“ Einmal im Leben wäre das sehr interessant für mich. Vielleicht mache ich das mal, weil ich schon viel Material habe. Aber im Augenblick denke ich nicht darüber nach.
Hörst du dir eigentlich privat überhaupt noch Metal an oder wäre das zu viel für dich?
STATIC-X haben mir neulich gut gefallen. Ansonsten höre ich sehr unterschiedliche Musik. Ich mag Smooth Jazz, JOHNNY CASH, DEAD CAN DANCE und selbst NORAH JONES. Natürlich sind auch METALLICA mit „Kill ‘Em All“ wichtig für mich. Das hängt sehr von meiner Stimmung ab. Manchmal höre ich einfach alle Sachen auf meinem iPod durcheinander. Unterschiedlicher Stoff ist ziemlich inspirierend.
Bei EKTOMORF bist du der Bandleader und du gibst die Interviews. Ist das nicht manchmal hart für die Egos der anderen Musiker? Was hält euch zusammen? Ihr habt ja eine sehr konstante Besetzung…
Ja, es ist so, dass ich die Band führe. Ich schreibe die Songs und die Texte. Aber Tamás, unser Gitarrist, gibt auch ziemlich oft Interviews. Natürlich wollen viele mit mir sprechen, aber ich sage immer zu den anderen: „Ihr könnt das auch machen!“ Es ist also nicht wahr, dass ich über den anderen stehe, aber sie respektieren, dass ich die Songs schreibe und wenn ich dann mit einem neuen Stück ankomme, heißt es: „Yeah, it’s fucking cool!“ Wenn es ein Problem gibt, reden wir miteinander. Wir sind viel zusammen und das ist cool – wie Familie.
Ich muss nicht alleine im Rampenlicht stehen. In Ungarn gibt es eine Fernsehsendung auf RTL Klub. Diese Sendung kommt jeden Tag um 8:00 Uhr und ist so eine Art News-Magazin. EKTOMORF waren dort mit einem siebenminütigen Interview vertreten, was unglaublich ist, denn seit ich es kenne, gab es dort nicht mal Rock-Musik!
Ich erinnere mich, dass du oft erzählt hast, dass euch die ungarische Presse lange Zeit ignoriert hat.
Ja, aber das ändert sich jetzt. Wir haben dort vor einem Monat eine Show gespielt, zu der 800 Leute kamen. 150 Leute mussten draußen bleiben, weil sie nicht mehr hineinpassten. Und wir singen Englisch! Also werden wir jetzt auch wieder in Ungarn spielen – nicht so oft, aber ein, zwei Konzerte im Jahr. 800 Leute, Mann! Bei EKTOMORF! In Ungarn! Ich dachte, das würde nie passieren.
Musstest du für dieses Leben mit EKTOMORF etwas aufgeben? Vermisst du was?
Nichts. Ich habe alles.
Du hast dich in der Vergangenheit kritisch über die Gesellschaft geäußert und auf „Outcast“ gibt es diesen Song mit dem viel sagenden Titel ’Who Can I Trust’ (Wem kann ich vertrauen). Andererseits scheinst du das Tour-Leben zu mögen. Ist es vielleicht ganz praktisch, weil du fremde Leute immer nur sehr kurz siehst und nicht wirklich an dich ranlassen musst?
Ich bin ziemlich offen dafür, wenn jemand zu mir kommt, um „Hallo“ zu sagen und ich liebe unsere Fans so sehr, denn ihnen haben wir alles zu verdanken. Aber auf der anderen Seite bin ich auch nur wie andere Leute. Weißt du, ich habe meine Familie, meine Band und meine Freundin. Das sind für mich die Menschen, zu denen ich wirklich die engste Beziehung habe.
Die Dinge, die in der Gesellschaft schief laufen, sind sehr verschieden. Ich kann nicht sagen, dass das nur eine Sache ist. Zu ’I Choke’ haben wir jetzt ein Video gedreht. Dort gibt es eine Szene, in der ich in der Dunkelheit stehe, Lichter kommen und schwarze Hände mit Wörtern wie Vorurteil, Hass, Geld, Wut und solchen Sachen. Das ist es, was ich mit Gesellschaft meine – und im Video sieht das ziemlich erschreckend aus. Ich werde gewürgt und als wir diese Szene dreimal gedreht hatten und der Kerl mit der Kamera noch eine Aufnahme machen wollte, habe ich mich geweigert, denn es war schon verdammt frustrierend, da mit geschlossenen Augen zu stehen, die Hände im Rücken…
Fühlst du eigentlich eine Verbindung zur Hard- oder Metalcore-Szene? Eine Band wie HATEBREED hat ja auch einen sehr eigenen, aggressiven Stil und auch die ganze Attitüde scheint nicht sehr anders zu sein.
Ich fühle mich jeder Musik verbunden, die wahr und pur ist, denn ich will nicht sagen, dass EKTOMORF eine Metal-Band ist oder wie eine Hardcore-Band. Ich kann dir nicht mal sagen, welche Art von Metal wir spielen – wenn wir Metal spielen. Wir machen einfach sehr kraftvolle Musik. Wir wollen nicht irgendwo dazugehören. Wir ziehen uns auch anders an als die typischen Metal-Kerle. Für mich ist Musik gut, wenn sie die Leute zusammen bringt, denn unsere Crowd ist sehr gemischt. Du kannst dort Punks sehen, Black-, Death-Metal-Fans, Typen, die zwar keine Hip-Hopper sind, aber sich sehr modern kleiden und auch viele Mädchen.
Mein Kumpel hat vorhin auch schon gestaunt, dass viele coole Mädels im Klub sind.
Die Musik gibt ihnen auch Kraft und sie sehen, dass wir nicht jeden töten wollen oder so. Durch unsere Texte fühlen sie sich stärker. Und das ist etwas, das jeder mag, wenn Musik berührt und Energie gibt.
Dazu kann ich eine nette Geschichte erzählen. „Outcast“ lief gerade auf einem CD-Player in der Küche, als mein Vater von der Arbeit kam und meinte, dass das genau die Musik ist, die er hören will, wenn er frustriert ist. Ich habe ihm dann auch ein paar ältere Alben vorgespielt, aber die hatten für ihn nicht den richtigen Groove. In dem Zusammenhang ist mir auch aufgefallen, dass dein Gesang auf „Outcast“ noch treibender ist.
Ich werde älter, haha! Aber ich bin froh, dass dein Vater es mochte. Das ist cool, Mann! Wie gesagt, auf RTL hatten sie vor uns nicht mal Rock und dann packen sie uns als fucking Headline in ihre Sendung – mit Interview, Live-Ausschnitten aus Wacken, Full Force und der Show in Ungarn. Die Leute von der Sendung mochten uns auch, weil wir keine typische Metal-Band sind, aber trotzdem so kraftvoll. PANTERA, BIOHAZARD oder SEPULTURA waren früher auch nicht nur einfach Metal-Bands. Sie waren mehr.
Siehst du die Gefahr, dass EKTOMORF jetzt in die Charts kommen?
Ich denke nicht. Wir waren nie in den Charts. Aber wenn uns mehr Leute kennen, bin ich darüber einfach glücklich, denn unsere Musik ist für jedermann!
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