Einherjer
Interview mit Frode Glesnes zu "Norrøn"
Interview
Kurz gesagt: EINHERJER ist mit „Norrøn“ das Viking-Album des Jahres gelungen, da gibt’s nichts zu diskutieren. Deshalb war es mir eine Freude, Frode Glesnes danach auszufragen, wie einer Band sowas nach acht Jahren gelingen kann.
Hi Jungs. In unserem Interview vor zweieinhalb Jahren habt Ihr damit angegeben, dass Ihr mit Eurem Comeback-Album den Vorgänger “Blot“ schlagen wollt. Ist Euch das gelungen?
Ja, das ist uns gelungen! Meiner Meinung nach zumindest. Ich finde, “Norrøn“ ist ein viel reiferes, kompletteres Album. Wir haben die Platte unter anderen Voraussetzungen geschrieben als vorher – diesmal haben wir’s mit Demokratie probiert. Alben wie “Norwegian Native Art“ oder “Blot“ haben wir mehr oder weniger von Anfang bis Ende geschrieben, wenn wir ins Studio gingen. Diesmal war alles entspannter. Wir wollten ein Album machen, auf das wir alle drei stolz sein können. Verschiedene Songs haben wir mehrmals neu arrangiert, bevor wir alle damit zufrieden waren. Ich denke, das hat am Ende zu einem besseren Produkt geführt und auch den Aufnahmeprozess anders gestaltet, auch wenns manchmal sehr schwierig war.
Abgesehen von unserem Review habt Ihr auch noch wenigstens eine weitere 100%-Wertung bekommen. Wie geht Ihr mit so einem Feedback um?
Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ich das schreibe, haben wir alleine fünf 100%-Wertungen aus Deutschland bekommen. Das Feedback zu diesem Album ist unfassbar, nicht nur aus Deutschland, sondern aus allen Ländern der Welt. Es ist eine Weile her, dass wir ein Album gemacht haben, und ich versuche das jetzt einfach zu genießen. Es ist ja so… auch wenn man als Musiker ein Album gemacht hat, mit dem man sehr glücklich ist, heißt das ja nicht zwingend, dass Rezensenten das genauso sehen. Diesmal spielen sie aber offenbar in unserem Team. Wir schätzen das wirklich sehr.
Seit Ihr 2008 zurückgekommen seid, habt Ihr eine Reihe von großen Festivalshows gespielt, die letzte auf dem diesjährigen Summer Breeze. Was habt Ihr Euch davon an Reaktionen erwartet und was letztlich bekommen?
Wir waren uns nicht so sicher, was wir erwarten können. Es ist eine Weile her, dass wir auf Tour waren, und die Szene hat sich offenkundig seitdem sehr verändert. Die erste Show haben wir auf dem Ragnarök Festival gespielt, und das Publikum war fantastisch. Viel besser, als wir uns das nur erhoffen konnten, nach so vielen Jahren des Winterschlafs. Das hat definitiv dafür gesorgt, dass wir mehr davon wollten.
Wir haben damals auch über den Pagan Metal-Boom gesprochen und den traurigen Umstand, dass Ihr eigentlich aufgehört habt, als es richtig losging. Gibt es Hoffnung, dass Ihr doch noch ein Stück vom großen Kuchen abbekommt?
Ganz ehrlich, wir kümmern uns nicht um irgendwelche Trends. Ich glaube nicht, dass wir viel mit diesen Felle und Hörnerhelme tragenden Folkbands gemeinsam haben. Wir sind Old School-Viking Metal. Schüler von Quorthon, sozusagen. Die meisten Fans dieser heutigen Szene waren noch gar nicht dabei, als wir unsere letzte Platte veröffentlicht haben. Sie sind natürlich alle herzlich eingeladen, unsere Platten mal anzutesten und zu unseren Shows zu kommen, aber wir haben nicht das Gefühl, dass uns irgendjemand irgendetwas schuldet. Deshalb sind wir nicht hier.
Wie hat sich Dein persönlicher Zugang zur nordischen Mythologie (oder heidnischem Glauben) im Vergleich zur Anfangszeit der Band vor 18 Jahren verändert? Was bedeutet das heute noch für Dein Leben?
Ich denke, die Art und Weise, wie ich zu dieser alten Weisheit und dieser Ethik stehe, ist sehr viel reifer geworden – zusammen mit mir als Person. Es ist ein Teil von mir und wie ich denke. Dieses Gefühl ist in uns und es ist immer bei uns.
Wie seid Ihr das Songwriting für das neue Album “Norrøn“ angegangen, und wer ist wesentlich für das Material verantwortlich?
Diesmal haben wir’s ganz old-school gemacht. Wir wollten es riffbasierter und weniger technisch als auf “Blot“. Ich habe nach Inspiration auf Alben gesucht, die für mich durch die Jahre hindurch wirklich herausragend waren, Platten von BATHORY, MAIDEN, KISS, RAINBOW, BLACK SABBATH, ACCEPT usw. Wenn Du genauer hinhörst, findest Du kurze, tributähnliche Parts hier und da. Wie ich schon vorhin sagte, haben wir diesmal die Demokratie eingeführt und alle drei Riffs und Ideen beigetragen, die wir dann gemeinsam arrangiert und neu arrangiert haben. Deshalb sind wir auch alle drei sehr eng mit diesem Album verbunden.
Mit Bezug auf die Promotexte für dieses Album: Euer Ziel ist es gewesen, etwas Schönes zu erschaffen, etwas, das den Hörer mit auf eine Reise nimmt. Würdest Du uns bitte den Platz beschreiben, der am Ende dieser Reise steht, oder was man auf dieser Reise sehen kann?
Nicht nur schön, hoffe ich – wenn das so wäre, wären wir elendig gescheitert. Ich glaube, Gerhard sagte etwas von schön, originell und episch – und gleichzeitig soll es einem dieses rohe, angriffslustige Feeling des wahren Viking Metal-Spirits geben. Das ist es, was wir liefern wollen, und so eine Reise hört niemals auf. Wir zeigen Dir nur den Pfad. Was Du findest und was Du darauf siehst, hängt von Dir ab.
Ich habe diesmal eine große Bandbreite von Einflüssen und Atmosphären (wie epische Chöre, Ohrwurmriffs, hauptsächlich akustische Balladen) entdecken können, die ziemlich klar voneinander getrennt sind. Das Resultat sind Songs, die allesamt ihren eigenen Charakter haben. War es Euch wichtiger, für sich selbst stehende Songs zu schreiben oder ein Album mit ausgeglichenen Einflüssen?
Zuallererst schreiben wir Songs, aber es ist sehr wichtig, sie im großen Zusammenhang zu sehen, wenn man die Reihenfolge festlegt oder überhaupt, welche Songs auf ein Album kommen. Wir hatten schon das Album im Kopf, als wir ausgewählt haben, welche Stücke wir aufnehmen wollen. Einige Songs sind sogar sehr drastisch umarrangiert worden, um das Album zu verbessern. Manche Einflüsse sind schwer zu kontrollieren, da muss man sich dann einfach auch ein Stück weit auf den natürlichen Fluss der Dinge einlassen. Wir planen nicht, welche Sorte Songs wir schreiben sollten, dass wir ein episches 13-Minuten-Lied brauchen, eine Ballade, zwei schnellere Songs usw. Wir schreiben einfach nur Lieder.
Ihr habt eine Menge Orchestrationen auf dem Album verwendet, die auch gut für sich stehen, was für Metalbands durchaus untypisch ist. Habt Ihr eine musiktheoretische Ausbildung, oder ist das Autodidaktik? Wie werdet Ihr das live umsetzen?
Hm, ich glaube nicht, dass die Orchestrierungen in “Norrøn Kraft“ sich so maßgeblich davon unterscheiden, was wir vorher gemacht haben, besonders auf “Blot“. Ich denke, der wesentliche Unterschied ist, dass wir ihnen diesmal mehr Raum gegeben haben. Der Fakt, dass es davon diesmal sogar weniger gibt, mag dazu führen, dass man es stärker wahrnimmt. Niemand von uns hat dafür eine Ausbildung, aber Gerhard ist ein sehr talentierter Komponist. Ich finde das fantastisch! Live benutzen wir dieser Tage einen Sampler. Auf diese Art und Weise sind wir nicht limitiert, wenn wir die Songs für das Set auswählen, und das Publikum kriegt das volle Programm geboten.
Wo würdest Du “Norrøn“ in Eurer Diskographie einordnen, besonders qualitativ?
Ach komm…! Es ist das neue Album! Natürlich würde ich es ganz nach oben einsortieren. Da kannst Du jede Band und jeden Künstler fragen. Spaß beiseite, ich denke ganz ehrlich, dass es unser stärkstes Album bis jetzt ist. Ich bin diesmal wirklich sehr glücklich mit dem gesamten Paket, den Songs, der Produktion und dem Artwork. Stilistisch sehe ich das Album als Mischung aller vorherigen Platten, vielleicht mit ein wenig mehr Tendenz zur “Dragons Of The North“- und “Far Far North“-Ära.
Einige Fans werden kritisieren, dass Ihr nur sechs Songs mit rund 40 Minuten Spielzeit auf der Platte habt.
“Blot“ war 60 Minuten lang, das war viel zu lang. 40 sind perfekt. Man hört sich das ganze Album an, und am Ende will man’s nochmal hören. Das ist ein gutes Zeichen!
Kurz etwas zur Produktion – die finde ich unglaublich gut gelungen und passend. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, habt Ihr diesmal selbst produziert, aber extern mischen und mastern lassen. Erzähl uns doch bitte mal etwas über den Aufnahmeprozess und ob Ihr vielleicht perspektivisch auch andere Bands aufnehmen werdet.
Ja, ich habe das Album selbst produziert. Wir haben im Studio Borealis aufgenommen, einem Studio, das mir gehört und das ich betreibe. Der Plan war von Anfang an, EINHERJER näher an einen Rock ’n Roll-Sound zu bringen, aber einen sehr mächtigen. Wir wollten ein Stück weg von dem typischen europäischen Sound und mehr in Richtung dieses LA-artigen Sounds, etwas lockerer und schmutziger.
Als die Songs langsam Gestalt annahmen war klar, dass wir einen Mischer brauchten, der aus der alten Schule kommt, um dem Album einen warmen, druckvollen Sound ähnlich dem zu geben, den schon unsere Lieblingsalben von vor 30 Jahren und früher hatten. Matt Hyde tauchte als Name auf, wir haben ein paar Emails getauscht, und als wir uns den ersten Testmix anhörten, wussten wir, dass wir den Nagel auf den Kopf getroffen hatten.
Ich habe ein paar andere Alben produziert, aber vor allem lokale Acts. Derzeit baue ich ein komplett neues Studio auf, und wenn ich das erledigt habe, kann ich auch andere Bands produzieren, ja.
Für mich hat das Album eine Menge visuelles Potenzial – ich meine damit, dass ich viele Bilder und bewegte Szenen im Kopf sehe, wenn ich es höre. Ich habe unlängst mit einer Band gesprochen, die gerne einmal ein Album als Film umsetzen würde. NIGHTWISH machen das sogar aktuell gerade. Wäre das auch etwas für Euch?
Ich mag die Idee, Bilder und Szenen in den Köpfen der Menschen zu erschaffen, aber ich denke, es ist Sache des Hörers, das zu tun. Wir liefern die Werkzeuge, um dafür in Stimmung zu kommen, sozusagen. Wir sind Musiker, keine Filmemacher. Wenn man dann noch bedenkt, wie schwer es die Plattenindustrie gerade hat und welche Aufnahmebudgets Bands noch bekommen, sind solche Projekte meiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt. Ich möchte das Potenzial eines Songs auch nicht limitieren, oder irgendeine Vision auf einen Low-Budget-Film beschränken. Wenn man etwas nicht 100%ig machen kann, lässt man es lieber ganz bleiben.
Wo wir gerade schon beim Visuellen sind: Welche Idee steckt hinter dem Coverartwork?
Das Artwork auf dem Cover wurde von Renathe H. Bryn gemalt, und das nicht ursprünglich für uns. Als wir das aber sahen, waren wir uns sicher, dass es den perfekten Ausdruck für uns hat. Man kann es sehr vielseitig interpretieren – das Offensichtliche ist, es mit Yggdrasil, dem Baum des Lebens, in Verbindung zu bringen. Dem Kreislauf von Leben und Tod. Andere Menschen mögen das ganz anders sehen.
Ihr habt die Arbeit an “Norrøn“ als einerseits sehr erfüllend, aber auch extrem fordernd bezeichnet. Was bedeutet das konkret?
Ja, es war sehr erfüllend, weil wir mehr als Band zusammengearbeitet haben, und weil wir gesehen haben, dass das zu einem besseren Ergebnis führt. Der fordernde Teil war, dass wir unmittelbar festgestellt haben, was die letzten acht Jahre aus uns gemacht haben. Wir waren wirklich als Musiker auseinander gewachsen, wir hatten ganz verschiedene Vorstellungen davon, wie EINHERJER im Jahr 2011 klingen sollten. Das hat zu einer Menge Blut, Schweiß und Tränen geführt, aber am Ende hat es uns gut getan.
War das derart fordernd, dass Ihr nicht mehr an neuem Material gearbeitet habt, oder existieren da schon erste Ideen?
Überhaupt nicht. Wir haben schon eine ganze Menge Ideen für neue Songs. Im Rückblick, wenn ich alle guten, schlechten und hässlichen Erlebnisse zusammennehme, war die “Norrøn“-Session sehr inspirierend. Wir können es eigentlich kaum erwarten zu schauen, was vor uns liegt. Wir marschieren weiter… wir sehen uns!
Dann marschiert mal los – vorher hätte ich gerne noch einen Tipp für ein Album, das man neben Eurem 2011 gehört haben sollte. Vielen Dank!
Ich bin nicht besonders gut darin, neue Musik kennenzulernen, also kann ich nichts von 2011 empfehlen. Stattdessen möchte ich die Aufmerksamkeit aber auf drei Klassiker lenken: RAINBOW “Rising“ (1976), NAZARETH “Hair Of The Dog“ (1975) und BLACK SABBATH
“Born Again“ (1983).