Dust Bolt
"Wir zünden die Granate"

Interview

Mit der Single „Dead Inside“ haben DUST BOLT ihren Fans ganz schön vor den Kopf gestoßen. Der Rest der neuen Platte „Trapped In Chaos“ offenbart ebenfalls neue musikalische Schlenker im Thrash-Sound der Band. Wie es dazu kam erklärte uns Frontmann Lenny Breuss.

Moin Lenny, „Trapped In Chaos“ kommt in einem Monat raus, die ersten beiden Singles sind schon erschienen. Wie sind die Reaktionen auf die neuen Songs bislang?

Lenny: Die Reaktionen sind gut. Natürlich sind viele Leute ein bisschen überrascht, viele Leute sind gespannt. Es ist alles dabei, aber was wir bekommen ist Großteils positiv.

Du sagtest jetzt schon, dass viele Leute überrascht sind. Liegt wahrscheinlich daran, dass vor allem „Dead Inside“ an sehr schleppender Song ist, wofür ihr sonst nicht so bekannt seid.

Lenny: Exakt, ja. Es ist jetzt die vierte Platte. Wir haben drei Alben durchgeknüppelt und haben uns einfach weiterentwickelt. Wir waren viel unterwegs und viel auf Tour, unter anderem mit Bands wie OBITUARY oder POWER TRIP, die auch gerne mal son‘ bisschen das Gas rausnehmen und grooven. Das hat auf uns natürlich ein bisschen abgefärbt. Wir haben das schon immer gerne gemacht, aber eben nicht für DUST BOLT. Diesmal haben wir uns gesagt: „Lass mal alle Erwartungen und Genregrenzen außen vor. Wir machen einfach das, worauf wir gerade Bock haben.“ Deshalb war dann auch die Entscheidung „Dead Inside“ als ersten Song raus zu hauen, um den Erwartungen der Leute entgegen zu kommen und ein bisschen was anderes zu machen.

Gab’s da denn längere Diskussionen, ob das so eine gute Idee ist?

Lenny: Oh ja, die Diskussion was für Songs man als erstes raus bringt, ist vielleicht die unangenehmste, anstrengendste und ätzendste Diskussion, die es gibt. Du bist als Musiker total gefangen, weil du deine Songs anders bewertest und einen anderen Zugang hast. Für mich sind die musikalisch spannendsten interessant oder die, die einen bestimmten Hintergrund haben, von dem der Hörer oft nichts weiß. Jeder fasst das total anders auf. Das Label hat natürlich Interessen, du als Künstler hast Interessen, aber wir sind ja auch wieder vier Leute. Und am Ende hast du dann 15 Leute, die alle eine eigene Meinung haben. Letztendlich war die Entscheidung, es wäre langweilig den einfach Weg zu gehen, um jedem zu gefallen.

Jetzt hast du selber schon angesprochen, dass das Label natürlich auch eine Meinung hat. Gab es da von Seiten Napalms jemals Bedenken, ob so ein Song ein guter Einstieg in die Promo-Kampagne zum Album ist?

Lenny: Gar nicht eigentlich. Wir haben da ein cooles Team an Mädels und die kennen das Album schon recht lange. Die haben die Idee dahinter mitbekommen und haben das ziemlich cool mitgetragen. Von ihnen kam auch eigentlich der Wunsch nicht die klassischen Thrash-Songs, sondern die ungewöhnlichen Songs vorab zu veröffentlichen, um neue Türen zu öffnen und einfach mal eine andere Seite zu zeigen.

Die zweite Single „Bloody Rain“ ist auch eher im Midtempo angesiedelt. Werdet ihr denn noch einen schnellen Thrasher veröffentlichen, um die Gemüter etwas zu besänftigen?

Lenny: Ja, das wird noch kommen. Die Strategie ist jetzt ein bisschen mit den Nerven der Leute zu spielen und sie auf die Folter zu spannen. Die denken sich jetzt vielleicht „Um Gottes Willen, wo soll das noch hin führen?“ und dann werden wir die Granate zünden.

Zu „Dead Inside“ habt ihr auch ein sehr düsteres Video gedreht. Was ist die Idee dahinter?

Lenny: Also es ist schwer zu sagen, um was es explizit in dem Song geht. Ich denke, dass es keine explizite Interpretation geben muss. Ich hab natürlich meine eigenen Gedanken dazu und wie er entstanden ist. Die habe ich an Andreas Marschall weitergegeben, der das Video gemacht. Er hat daraufhin seine Interpretation des Songs als Video gedreht. Er hat es mit seiner Kunst und seiner Art als Video umgesetzt. Ich fand das cool und spannend, weil ich gar nichts vorgeben wollte. Ich wusste, dass er einen eigenen Stil hat und aus der Horror-Film-Ecke kommt. Ich war mir sicher, dass er mit seiner Bildsprache was cooles zustande bekommt.

Wie wichtig sind denn überhaupt die textlichen Inhalte bei DUST BOLT? Bei vielen Metal-Bands habe ich oft das Gefühl, dass Lyrics nur dazu da sind, dass der Sänger nicht bloß Ah- und Uh-Laute von sich geben muss.

Lenny: Ja, das ist immer Metal leider immer so eine schwierige Sache. Ich kann da nur für mich persönlich sprechen. Ich schreibe die meiste Musik und alle Texte. Ich selbst bin ein Fan von guten Textern. Für mich geht Musik immer zurück zu ihren Anfängen. Da musst du zum Blues zurückgehen, als Musik noch Story-Telling war. Da haben Menschen einfach nur eine Geschichte erzählt. Irgendwann ist daraus der Rock’n’Roll entstanden. Metal ist dann wohl die extremste Form dieser Entwicklung.

Für mich ist es so, dass nach wie vor jeder Song eine Geschichte erzählt und für mich persönlich sind die Texte da sehr wichtig. Wobei ich immer versuche, sie so zu lassen, dass da jeder seine eigene Geschichte drin wiederfindet. Ich möchte nichts explizites vorgeben. Die Musik ist für mich das A und O, aber zusammen mit dem Text kann da noch mal ein ganz anders Bild entstehen. Ich selber achte nicht bei jeder Musik auf den Text. Aber oft sind es einzelne Zeilen oder eigene Vorstellungen, die dir noch mal Gänsehaut geben. Das sind die guten Momente, die Texte erreichen können.

Welche Texter magst du den besonders?

Lenny: Da gibt’s ganz viele. Ich bin riesen Musik-Fan und hör nicht nur Metal. Ich bin Die-Hard-Fan in vielen anderen Richtungen. Wenn es um Texte geht, muss man natürlich BOB DYLAN erwähnen. Im Metal war auf jeden Fall Chuck Schuldiner von DEATH ein großer Einfluss, so ab dem „Human„-Album. Da gab es nicht mehr diese Zombie- und Splatter-Sachen und als Junge dachte ich da plötzlich: „Hm, was ist das denn?“ Das fand ich irgendwie spannend. Dann bin ich immer noch großer Fan von NEVERMORE. Warrel Dane hatte eine ganz eigene Stimme gehabt und komplett eigene Texte geschrieben. Da bekomme ich Gänsehaut. Das sind mal zwei Beispiele von Künstlern, die ihre Musik so mit den Texten verbinden, dass es mich total packt.

Was kommt denn bei DUST BOLT als erstes: Musik oder Text?

Lenny: Ganz unterschiedlich. Aber bei dem Album jetzt ist es fast schon in einer Symbiose entstanden. Es gibt Momente, wo eine Idee in den Kopf ploppt. Bei „Dead Inside“ zum Beispiel war schon die gesamte Idee für den Song auf einmal da, mit 30 Prozent der Textzeilien. Da habe ich nur noch aus meinem Kopf abgeschrieben, was da war.

Andererseits gibt es natürlich auch Momente wie „Bloody Rain“. Den hat Flo [Dehn] geschrieben, unser anderer Gitarrist. Der hat mir den Song gezeigt und für mich ist es natürlich was anderes, wenn ich nur Text und Gesang drüberlegen muss. Ich hab mir den Song dann oft angehört. Irgendwann war der Moment da, wo ich mir ein Blatt Papier genommen und die Worte dazu aufgeschrieben hab. Ich schreib kein Tagebuch, aber ich hab immer irgendwo Zettel und Stift. Ich schreibe viel und vieles landet dann auch in den Songs von DUST BOLT.

Läuft euer Songwriting denn basisdemokratisch ab oder hat jemand die Zügel in der Hand?

Lenny: Das meiste geht schon von mir aus. Aber wir spielen jetzt zwölf Jahre zusammen. Inzwischen weiß jeder, wer wo seine Stärken hat. Wir haben für die Richtung oft das selbe Gespür. Ich setz das musikalisch um. Dann wird im Proberaum gejammt. Und dann wird gestritten, viel gestritten und sich angeschrien. Nach ein paar Wochen treffen wir uns dann wieder. Manchmal finden wir dann eine Lösung, manchmal geht es dann wieder von vorne los. Die Initiative geht also meistens von mir aus, aber alles was wir machen muss in der Band durch alle Instanzen gehen.

Jetzt habt ihr auf „Trapped In Chaos“ nicht nur musikalisch einiges anders gemacht. Auch das Cover geht mit seinem düsteren Ton in eine ganz andere Richtung als die knalligen Artworks der ersten drei DUST BOLT-Alben, die auch immer euer Bandmaskottchen geziert hatte. Warum habt ihr das nicht wieder aufgegriffen?

Lenny: Wir hatten von Anfang die Idee einer Trilogie, als wir die ersten drei Alben gemacht haben. Wir wollten eine Trilogie von diesen drei farbigen Vinyls. Das Ziel haben wir uns selbst erfüllt. Dann war die Frage, was als nächstes passiert. Und bei uns ist in den letzten zwei Jahren unglaublich viel im Kopf und im Leben passiert. Wir hätten uns nicht gut damit gefühlt, jetzt zum vierten Mal ein knalliges Cover mit einem Bomben-Monster zu machen. Die Songs haben sich auch nicht danach angefühlt.

Wir haben in der Vergangenheit sehr plakativ die Thrash-Keule geschwungen. Das ist ja nicht schlecht und ich mag das als Fan auch. Aber ich möchte als Musiker nicht acht Mal das gleiche machen. Ich möchte etwas neues ausprobieren und auch etwas riskieren. Die ganze Idee dahinter ist, dass wir es für uns selbst spannend halten wollten. Deshalb wollten wir nicht einfach nur den logischen Schritt weitermachen.

Ich hatte bereits bei „Mass Confusion“ das Gefühl, dass ihr sehr viel mehr Wert auf Hooks und eingängige Melodien gelegt habt. Auf der neuen Platte setzt sich das meiner Meinung nach auch fort. Habt ihr euch irgendwann bewusst für mehr Eingängigkeit entschieden?

Lenny: Puh, ne, so haben wir das nie gesagt. Das Ding ist einfach, dass wir schon lange Musik machen und stetig dazulernen. Irgendwann fallen einem da schon die Schuppen von den Augen und man erkennt Dinge an Alben, die man vorher nie wertschätzen konnte. Die eigenen musikalischen Vorlieben und das Gespür entwickelt sich immer weiter. Wir haben viele Touren gespielt und tolle Musiker kennengelernt, was wahnsinnig viel Input war.

Uns ist allen bewusst geworden, dass ein Song an sich wahnsinnig viel Wert hat und bei unserer Musik mehr Wert haben sollte. PANTERA sind zum Beispiel so eine Ein-Song-Ein-Riff-Band. Du sagst „I’m Broken“ und hast sofort den Riff im Kopf. Und wir sind irgendwann drauf gekommen, dass wir auch coole Riffs haben, aber eben 50 in einem Song und spielen jedes immer nur vier Tackte. Also warum nehmen wir nicht einen Riff und basieren den ganzen Song darauf? Den Song machen, der zu diesem Riff gehört. Das wollten wir versuchen.

Auf „Mass Confusion“ hattet ihr mit „Exit“ zum ersten Mal eine Ballade und jetzt mit „Another Day In Hell“ wieder eine. Letzterer funktioniert meiner Meinung nach wesentlich besser. Was habt ihr denn diesmal anders gemacht?

Lenny: Also nichts so wirklich bewusst. Ich mach nebenher viel Akustik-Musik, bei der ich dann auch singe und nicht schreie. Beide Songs sind unabhängig von DUST BOLT entstanden und haben dann ihren Weg auf das Album gefunden. Bei „Exit“ war es auf jeden Fall eine ganz andere Nummer, aber wir wollten es einfach probieren. Auch „Another Day In Hell“ hatte ich irgendwann auf Akustik-Gitarre und wir haben dann versucht, das als Metal-Band umzusetzen, heavy zu spielen und schauen, wie das wirkt. „Another Day In Hell“ haben wir nur drei Mal geprobt und gesagt „Wir nehmen den auf und gucken Mal, was passiert.“ Da ist wahnsinnig viel einfach nur gejammt. Es hatte ein Gefühl, als hätten wir es live im Studio eingespielt. Und es ist ziemlich cool geworden, finde ich.

Hast du denn zwischenzeitlich Gesangsunterricht genommen? Meiner Meinung nach hast du dich dahingehend nämlich sehr gesteigert.

Lenny: Ne, ich hab nie Gesangsunterricht genommen. Ich hab immer gesungen. Ich bin in einer Musiker-Familie groß geworden. Bei uns im Haus gab es immer Musik. Aus dem Keller gab’s Schlager, von oben kam Pop und ich saß in der Mitte und hab Metal gehört. Ich hab auch immer schon gesungen, nur eben nicht für DUST BOLT. Ich hatte früher nie das Selbstvertrauen, das in die Öffentlichkeit zu tragen oder mit DUST BOLT zu versuchen. Heute bin ich älter und hab da mehr Selbstvertrauen. Deshalb hab ich das einfach gemacht und ob die Leute das mögen oder nicht ist mir egal, solange ich es selber gut finde.

Der Gesang auf der neuen Platte ist deutlich melodischer, weil Nico [Remann] – unser Schlagzeuger – irgendwann mal die erste Demo von uns rein gehauen hat. Da waren wir noch 16 und ich hab alles melodisch gesungen. Zuerst hatte ich da keinen Bock drauf, aber plötzlich dachte ich: „Alter, das ist ja gar nicht so schlecht.“ Wir waren damals total naiv und haben einfach gemacht. Das waren wirklich wir. Die erste Demo hieß „Chaos Possession“ und die neue Platte „Trapped In Chaos“ geht wieder ein bisschen zurück dahin.

Also die neue Platte quasi als Brückenschlag zu den Wurzeln von DUST BOLT.

Lenny: Ja genau, so hat es sich für uns angefühlt. Wir hatten diese Trilogie aus den drei Thrash-Granaten fertig und uns gefragt: „Was machen wir denn jetzt? Wo wollen wir eigentlich hin?“ Nico hat diese Demo rein gehauen und das war spannend. Das sind ja auch wir und wir sind dann einfach ein bisschen dahin zurückgegangen. Es war so eine Art Identitätssuche.

Als ich „Rhythm To My Madness“ das erste Mal gehört habe, war ich sehr erstaunt über das Zitat von JIMI HENDRIX‘ „Voodoo Child“ im Gitarrensolo. Wie ist das entstanden?

Lenny: Ich improvisiere die Soli immer, auch im Studio. Ich schreib keine Soli, weil mir persönlich das keine Freude bereitet. Ich improvisiere wahnsinnig gerne und lass vieles offen. Das ist beim Jammen rausgekommen. Da war diese Lücke, wo Niko ein Break macht und irgendwie hat es gepasst. Wir fanden das alle witzig und darum ist es drin geblieben.

Aber kann man sich das als Band denn heute noch erlauben im Studio zu improvisieren? Studiozeit ist schließlich teuer und die Vorschüsse für eine Produktion auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Lenny: Frag mal unsere Bank, haha! Nein, Spaß, das ist natürlich wie du sagst und immer eine ganz große Frage. Für mich ist das eine Frage der Philosophie und wofür ich das überhaupt mache. Im Studio zu sein, ist für mich das schönste, was es gibt. Sich dort austoben zu können, für drei Wochen an nichts anderem zu arbeiten als diesem Ding: Nur so will ich das Album machen und nicht anders. Koste es, was es wolle.

Wir haben natürlich trotzdem einen Zeitdruck, weil das Budget wahnsinnig begrenzt ist. Aber ich finde diesen Zeitdruck gut, denn der zwingt einen über den eigenen Schatten zu springen. Wenn du keine Zeit hast und jetzt zehn Soli aufnehmen musst, bringt der Druck einen zu Höchstleistungen. Ich liebe Druck in der Hinsicht.

Über die dritte Platte sagt man ja gerne, dass sie den Verlauf einer Band nach dem „Make It Or Break It“-Prinzip bestimmt. Ihr seid jetzt bei Album Nummer vier. Habt ihr denn das Gefühl, es geschafft zu haben?

Lenny: So denken wir nicht. Die Frage ist immer, in welcher Relation man das sieht. Also „geschafft haben“ in Relation zu was oder wem. Bei uns gibt es ein paar Baustellen. Der Knackpunkt sind wir vier. Wir haben vor zwölf Jahren mit 13 angefangen zusammen Musik zu machen und das immer aus Freude an der Musik. Das geilste ist für uns, dass wir vier das nach wie vor zusammen machen und machen können.

Dann ist für uns das wichtige, uns immer weiterzuentwickeln, geile Musik zu machen, coole Alben zu machen, Spaß zu haben und kreativ zu sein. Dann gibt’s natürlich Sachen wie die US- oder Asien-Tour. Das sind alles Orte und Momente, die wir nie gesehen oder erlebt hätten, wenn wir uns nicht zehn Jahre den Arsch für diese Band aufgerissen hätten. Wir sitzen in Taiwan in einem coolen Club und dürfen dort eine Show als Headliner spielen. Was will man mehr? Für uns geht’s mehr um die Dinge, die man für Geld nicht kaufen kann.

Wie war denn eure Asien-Tour überhaupt? Ihr seid ja seit ein paar Tagen erst zurück.

Lenny: Anstrengend, hehe! Ne, supercool. Wir sind positiv überrascht. Ich bin da völlig locker ohne Erwartungen ran gegangen. Wir wussten, dass das anstrengend wird, weil wir zehn Tage mit zehn Flügen hatten und vier Mal eine Nacht durchmachen und am nächsten Tag spielen mussten. Wir haben dann Häppchenweise versucht mal ein oder zwei Stunden zu schlafen. Aber wahnsinnig geile Leute. Es war total spannend. Wir haben super Leute kennengelernt und ein sehr enthusiastisches Publikum gehabt und sehr viel neues entdeckt. Es hat riesen Spaß gemacht.

Wie waren denn die Shows im Vergleich zu Auftritten hier in Deutschland zum Beispiel?

Lenny: Du hast da natürlich einen Exotenstatus, sag ich mal. Wobei das von Land zu Land unterschiedlich ist. In China haben viele Leute Bock auf Thrash Metal oder auf Metal an sich. Die haben nicht die Möglichkeiten wie wir hier, sich jedes Album auf Youtube oder Spotify anzuhören. Das ist das ganze echt noch schwieriger. Deshalb merkst du, dass die total heiß drauf sind. Wenn die Show los geht, ist totale Freude da, dass die das Konzert erleben dürfen.

Da sind wir natürlich total verwöhnt, denn wir können hier jede Woche auf drei Konzerte gehen. Auch in Japan ist das eine andere Sache. Da bringen die Leute Geschenke für die Band mit auf das Konzert. Jeder will zehn Fotos und 50 Autogramme, weil die einfach total euphorisch sind. Du könntest drei Stunden spielen und die würden drei Stunden lang abgehen, weil die einfach richtig Bock haben.

In den letzten Jahren sind aus Bayern ja einige coole Thrash-Newcomer gekommen. DUST BOLT sind jetzt zwar keine mehr. Aber nach euch kamen beispielsweise noch ANTIPEEWEE, BATTLECREEK, TOXIC WALTZ und MYNDED. Wie nehmt ihr die lokale Szene bei euch in der Ecke wahr?

Lenny: Die TOXICs, BATTLECREEK, ANTIPEEWEE, MYNED – wir kennen uns alle und lieben uns alle. Wir sind super Freunde. An sich ist das eine voll geile Sache, dass aus der Ecke hier so viele coole Bands kommen. Aber heutzutage setzen sich nur die größeren Shows durch. Als wir angefangen haben, gab es noch mehr Underground Shows. Da war auch die Szene rund um die Jugendzentren noch größer und die Leute sind da regelmäßig zu Konzerten gegangen. Das stirbt ja gerade leider aus.

Aber das war cool. Da hatten wir mehr diese kleinen familiären Events. Und jetzt ist in München viel im Backstage. Aber das man selber was aufzieht wird seltener. Aber wir und alle diese Bands, die du gerade genannt hast, haben die gleichen Probleme. Wir werden leider alle älter und sind immer mehr mit Sachen außerhalb der Band eingespannt: Über die Runden kommen, klar kommen, Jobs und sonstiges. Da ist nicht mehr die Zeit da, dass man sich jedes Wochenende zum grillen und saufen trifft, wie es früher vielleicht war.

Obwohl man mit zunehmendem Alter immer mehr Verantwortung übernehmen muss, schafft ihr es regelmäßig mit DUST BOLT Platten zu veröffentlichen und auf Tour zu gehen. Wie bekommt ihr das denn noch unter einen Hut?

Lenny: Äh, gar nicht, haha! Es ist wirklich schwierig. Wir haben vor allem letztes Jahr gemerkt, dass das auch an unsere Grenzen ging. Wir waren vier Wochen im Studio, um das Album aufzunehmen. Danach sind wir direkt nach Holland gefahren, um ein Festival zu spielen. Am nächsten Tag sind wir zurückgefahren und nach Amerika geflogen, wo wir fünfeinhalb Wochen auf Tour waren. Zu Hause hatten wir einen Tag frei und dann zwei Shows mit EXODUS gespielt.

Nach diesen drei Monaten bist du auf einmal wieder zu Hause. Dann fällt dir auf: „Ich muss Miete zahlen und hab kein Geld, um die Miete zu zahlen.“ Zwei von uns hatten zu dem Zeitpunkt wirklich kein zu Hause mehr, keine eigene Wohnung oder WG. Dann waren wir schon erst mal ganz schön am Sack. Wir haben das dann alles irgendwie auf die Reihe gekriegt und durchgeboxt. Aber das war sehr anstrengend und hart. Es gibt quasi keine Pause. Man geht seinem normalen Job nach und in jeder freien Minute ist quasi Band angesagt.

17.01.2019

"Irgendeiner wartet immer."

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