Dust Bolt
"Wir zünden die Granate"

Interview

Jetzt habt ihr auf „Trapped In Chaos“ nicht nur musikalisch einiges anders gemacht. Auch das Cover geht mit seinem düsteren Ton in eine ganz andere Richtung als die knalligen Artworks der ersten drei DUST BOLT-Alben, die auch immer euer Bandmaskottchen geziert hatte. Warum habt ihr das nicht wieder aufgegriffen?

Lenny: Wir hatten von Anfang die Idee einer Trilogie, als wir die ersten drei Alben gemacht haben. Wir wollten eine Trilogie von diesen drei farbigen Vinyls. Das Ziel haben wir uns selbst erfüllt. Dann war die Frage, was als nächstes passiert. Und bei uns ist in den letzten zwei Jahren unglaublich viel im Kopf und im Leben passiert. Wir hätten uns nicht gut damit gefühlt, jetzt zum vierten Mal ein knalliges Cover mit einem Bomben-Monster zu machen. Die Songs haben sich auch nicht danach angefühlt.

Wir haben in der Vergangenheit sehr plakativ die Thrash-Keule geschwungen. Das ist ja nicht schlecht und ich mag das als Fan auch. Aber ich möchte als Musiker nicht acht Mal das gleiche machen. Ich möchte etwas neues ausprobieren und auch etwas riskieren. Die ganze Idee dahinter ist, dass wir es für uns selbst spannend halten wollten. Deshalb wollten wir nicht einfach nur den logischen Schritt weitermachen.

Ich hatte bereits bei „Mass Confusion“ das Gefühl, dass ihr sehr viel mehr Wert auf Hooks und eingängige Melodien gelegt habt. Auf der neuen Platte setzt sich das meiner Meinung nach auch fort. Habt ihr euch irgendwann bewusst für mehr Eingängigkeit entschieden?

Lenny: Puh, ne, so haben wir das nie gesagt. Das Ding ist einfach, dass wir schon lange Musik machen und stetig dazulernen. Irgendwann fallen einem da schon die Schuppen von den Augen und man erkennt Dinge an Alben, die man vorher nie wertschätzen konnte. Die eigenen musikalischen Vorlieben und das Gespür entwickelt sich immer weiter. Wir haben viele Touren gespielt und tolle Musiker kennengelernt, was wahnsinnig viel Input war.

Uns ist allen bewusst geworden, dass ein Song an sich wahnsinnig viel Wert hat und bei unserer Musik mehr Wert haben sollte. PANTERA sind zum Beispiel so eine Ein-Song-Ein-Riff-Band. Du sagst „I’m Broken“ und hast sofort den Riff im Kopf. Und wir sind irgendwann drauf gekommen, dass wir auch coole Riffs haben, aber eben 50 in einem Song und spielen jedes immer nur vier Tackte. Also warum nehmen wir nicht einen Riff und basieren den ganzen Song darauf? Den Song machen, der zu diesem Riff gehört. Das wollten wir versuchen.

Auf „Mass Confusion“ hattet ihr mit „Exit“ zum ersten Mal eine Ballade und jetzt mit „Another Day In Hell“ wieder eine. Letzterer funktioniert meiner Meinung nach wesentlich besser. Was habt ihr denn diesmal anders gemacht?

Lenny: Also nichts so wirklich bewusst. Ich mach nebenher viel Akustik-Musik, bei der ich dann auch singe und nicht schreie. Beide Songs sind unabhängig von DUST BOLT entstanden und haben dann ihren Weg auf das Album gefunden. Bei „Exit“ war es auf jeden Fall eine ganz andere Nummer, aber wir wollten es einfach probieren. Auch „Another Day In Hell“ hatte ich irgendwann auf Akustik-Gitarre und wir haben dann versucht, das als Metal-Band umzusetzen, heavy zu spielen und schauen, wie das wirkt. „Another Day In Hell“ haben wir nur drei Mal geprobt und gesagt „Wir nehmen den auf und gucken Mal, was passiert.“ Da ist wahnsinnig viel einfach nur gejammt. Es hatte ein Gefühl, als hätten wir es live im Studio eingespielt. Und es ist ziemlich cool geworden, finde ich.

Bild: Dust Bolt - Trapped In Chaos (Artwork)

Hast du denn zwischenzeitlich Gesangsunterricht genommen? Meiner Meinung nach hast du dich dahingehend nämlich sehr gesteigert.

Lenny: Ne, ich hab nie Gesangsunterricht genommen. Ich hab immer gesungen. Ich bin in einer Musiker-Familie groß geworden. Bei uns im Haus gab es immer Musik. Aus dem Keller gab’s Schlager, von oben kam Pop und ich saß in der Mitte und hab Metal gehört. Ich hab auch immer schon gesungen, nur eben nicht für DUST BOLT. Ich hatte früher nie das Selbstvertrauen, das in die Öffentlichkeit zu tragen oder mit DUST BOLT zu versuchen. Heute bin ich älter und hab da mehr Selbstvertrauen. Deshalb hab ich das einfach gemacht und ob die Leute das mögen oder nicht ist mir egal, solange ich es selber gut finde.

Der Gesang auf der neuen Platte ist deutlich melodischer, weil Nico [Remann] – unser Schlagzeuger – irgendwann mal die erste Demo von uns rein gehauen hat. Da waren wir noch 16 und ich hab alles melodisch gesungen. Zuerst hatte ich da keinen Bock drauf, aber plötzlich dachte ich: „Alter, das ist ja gar nicht so schlecht.“ Wir waren damals total naiv und haben einfach gemacht. Das waren wirklich wir. Die erste Demo hieß „Chaos Possession“ und die neue Platte „Trapped In Chaos“ geht wieder ein bisschen zurück dahin.

Also die neue Platte quasi als Brückenschlag zu den Wurzeln von DUST BOLT.

Lenny: Ja genau, so hat es sich für uns angefühlt. Wir hatten diese Trilogie aus den drei Thrash-Granaten fertig und uns gefragt: „Was machen wir denn jetzt? Wo wollen wir eigentlich hin?“ Nico hat diese Demo rein gehauen und das war spannend. Das sind ja auch wir und wir sind dann einfach ein bisschen dahin zurückgegangen. Es war so eine Art Identitätssuche.

Als ich „Rhythm To My Madness“ das erste Mal gehört habe, war ich sehr erstaunt über das Zitat von JIMI HENDRIX‘ „Voodoo Child“ im Gitarrensolo. Wie ist das entstanden?

Lenny: Ich improvisiere die Soli immer, auch im Studio. Ich schreib keine Soli, weil mir persönlich das keine Freude bereitet. Ich improvisiere wahnsinnig gerne und lass vieles offen. Das ist beim Jammen rausgekommen. Da war diese Lücke, wo Niko ein Break macht und irgendwie hat es gepasst. Wir fanden das alle witzig und darum ist es drin geblieben.

Aber kann man sich das als Band denn heute noch erlauben im Studio zu improvisieren? Studiozeit ist schließlich teuer und die Vorschüsse für eine Produktion auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Lenny: Frag mal unsere Bank, haha! Nein, Spaß, das ist natürlich wie du sagst und immer eine ganz große Frage. Für mich ist das eine Frage der Philosophie und wofür ich das überhaupt mache. Im Studio zu sein, ist für mich das schönste, was es gibt. Sich dort austoben zu können, für drei Wochen an nichts anderem zu arbeiten als diesem Ding: Nur so will ich das Album machen und nicht anders. Koste es, was es wolle.

Wir haben natürlich trotzdem einen Zeitdruck, weil das Budget wahnsinnig begrenzt ist. Aber ich finde diesen Zeitdruck gut, denn der zwingt einen über den eigenen Schatten zu springen. Wenn du keine Zeit hast und jetzt zehn Soli aufnehmen musst, bringt der Druck einen zu Höchstleistungen. Ich liebe Druck in der Hinsicht.

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17.01.2019

"Irgendeiner wartet immer."

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