Dream Theater
Mike Portnoy über die Reunion und große Jubiliäumstour

Interview

Wie gut muss ein einzelner Musiker werden, um zum Synonym seines Instruments zu werden? Kein Name ist so sehr mit der Kunst des Drummings verbunden wie der von Mike Portnoy. In seinen fast 15 Jahren, die er ohne sein Baby DREAM THEATER verbracht hat, trommelte er auf Dutzenden Tonträgern, machte die Bühnen dieser Welt unsicher und wurde ein beliebtes Gesicht in den sozialen Medien. Doch all der Rummel kann nicht die große Liebe ersetzen:

Die Rückkehr zu seiner Band war zwar für viele absehbar, machte aber dennoch Schlagzeilen. Wir freuen uns deswegen umso mehr, dass sich der sympathische Amerikaner Zeit für ein kleines Gespräch genommen hat. Die Besucher der kommenden „An Evening With Dream Theater“ Tour erwartet nämlich über drei Stunden Prog Metal der Extraklasse und viele Überraschungen. Welchen besseren Grund gibt es also, sich mit dieser Drumlegende zusammenzusetzen?

Wir wünschen euch viel Spaß mit dem Interview!

 

Hey Mike, kannst du mich hören? Mein Name ist Philipp. Schön dich zu treffen! Weil wir nicht viel Zeit haben, fange ich mal mit der offensichtlichsten Frage an: Wie laufen die Proben?

Mike: Hey! Wir haben eigentlich nicht wirklich geprobt, weil wir direkt in Studio gegangen sind und mit Hochdruck am neuen Album arbeiten. Auf die Tour bereiten wir uns erst danach vor. Um die Setlist habe ich allerdings schon gekümmert.

Ah okay. Die Leute staunten damals nicht schlecht, als du die Drums auf John Petruccis Soloalbum „Terminal Velocity“ gespielt hast. Kam die Entscheidung zu DREAM THEATER zurückzukehren auf der dazugehörigen Tour zustande?

Mike: Nun, vielleicht nicht ausschließlich. Doch als wir das „Liquid Tension Experiment 3“ mit Jordan (Rudess, Keyboarder von DREAM THEATER) aufgenommen hatten, hat es sich natürlich abgezeichnet. Unsere Chemie ist etwas besonderes. Dir Uhr tickt sowieso. Wenn es einen richtigen Zeitpunkt für alles gibt, dann ist er jetzt. Wir werden alle nicht jünger. Wer weiß, wie lange wir noch auf der Welt sein dürfen? Auch deswegen wollten wir unbedingt wieder zusammensein. Es waren verschiedene Faktoren, die dazu geführt haben.

Das Älterwerden macht die Menschen dankbarer. Oder?

Mike: (Er klingt nostalgisch) Schau, als ich die Band verlassen habe, waren wir alle in unseren Vierzigern. Jetzt sind wir alle in unseren späten Fünfzigern und frühen Sechzigern. Wir sind heute deutlich älter und weiser.

Ach was, ihr schaut definitiv 10-15 Jahre jünger aus, haha!

Mike: (Grinst) Danke für das Kompliment. Aber auch gerade wegen des Alters hatten wir das Gefühl, dass das Timing richtig ist.

Wie du erwähnt hast, erstellst du die Setlist für die Jubiläumstour. Gab es in der Band eigentlich Diskussionen oder sogar Streit darüber?

Mike: Oh Gott, nein. In den ersten 25 Jahren der Band schrieb ich nämlich immer die Setlist. Es war immer etwas, was mir sehr viel Freude bereitet hat. Als ich zurückkehrte, war die Frage natürlich „Wie machen wir das jetzt? Wollt ihr es so, oder wollt ihr es mit der Setlist so handhaben, wie ihr es bisher ohne mich gemacht habt?“ Die Jungs waren echt großzügig und gaben mir diese Aufgabe zurück. Es ist etwas, was mir immer sehr wichtig gewesen ist. Nicht nur bei DREAM THEATER, sondern auch bei all meinen anderen Bands. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sie mir damit vertrauen. Sie haben es nie hinterfragt. Sogar in den damals, als ich mit verrückten Ideen wie „lasst uns das ganze Master Of Puppets Album covern“ um die Ecke kam, sagten sie einfach nur „Okay. Lass es uns machen.“ Selbst bei den kuriosesten Ideen für Coverversionen gab es keinerlei Veto von ihnen. Sie gaben mir immer ihr Vertrauen, wenn es um solche Dinge ging. Und es ist immer noch so! Als ich die Setlist für die jetzige Tour schrieb, sagte ich ihnen Folgendes: „Wenn es etwas gibt, was ihr unbedingt spielen wollt oder nicht, lasst es mich wissen.“ Doch es kam einfach nur ein „Nein. Es ist perfekt, wir lieben es“ als Antwort.

Wow, sogar nach fast 15 Jahren haben sie dir immer noch vertraut…

Mike: Ja. Ich möcht nicht für die anderen Jungs sprechen, aber ich habe von ihnen gehört, dass sie viel von den Elementen vermisst haben, die ich in die Band gebracht habe. Einige der Gründe, warum sie mich wieder dabeihaben wollten, waren eben Dinge wie das Kreieren der Setlist, Ideen für besondere Shows und Events… Sowie eine gewisse Spontanität auf der Bühne. Trotzdem bin ich sehr vorsichtig mit ihnen, weil sie ihren Modus Operandi in den letzten 13 Jahren umgestellt haben. Ich frage immer extra „Wollt ihr meine Meinung dazu hören? Oder nicht?“ Diese neue Situation zu meistern ist ein Lernprozess für uns alle. Doch bis jetzt läuft alles smooth und wir sind froh und zufrieden.

Ich mochte immer deine harschen Backing Vocals. Kommen sie auch zurück?

Mike: Das war sogar etwas, was ich gefragt habe. Als ich die Band verließ, habe ich auf jedem Song gesungen. Seien es Harmonien, ein paar Leads oder eben das Hin und Her (mit den Backing Vocals). „Wollt ihr, dass wir so weiter machen wie früher?“ „Klar, wir wollen das, wir haben es vermisst!“ Sie haben mich in der Hinsicht sehr ermutigt. Sie wollten, dass ich wie früher singe und auch Texte schreibe. Sie haben mich genau in dem unterstützt, was ich der Chemie der Band hinzufügen kann.

Hast du dir eigentlich noch mal aktiv eure alten Alben angehört, um dich vorzubereiten?

Mike: Nein. Die Alben, die ich gemacht haben, sind ein Teil von mir. Sie sind wie meine Kinder. Ich habe diese Alben für Jahre oder teilweise auch Jahrzehnte gelebt. Ich erinnere mich hervorragend an die Geschichte von DREAM THEATER. Es war also nicht nötig, sich da noch einmal hinzusetzen. Obwohl ich sagen muss, dass es gut ist, sich die Band wieder vorbehaltlos anhören zu können. Als ich nicht mehr dabei war, war es ziemlich schmerzhaft und schwierig für mich. Ich war niemals wirklich mit den 5 Alben vertraut, die sie ohne mich gemacht haben. Ich taste mich langsam an diese Ära heran.

Ich muss sagen, dass ich mir diese Alben noch nicht angehört habe. Ich bin sicher, dass Mike Mangini ein fantastischer Typ ist und er wirklich tolle Musik mit der Band gemacht hat. Ich werde es ganz sicher nachholen – doch für mich fühlte sich DREAM THEATER ohne dich ungefähr so an, als würden IRON MAIDEN ohne Steve Harris auftreten. Es ist ganz bestimmt toll, aber natürlich etwas anderes.

Mike: Ich schätze es, dass du es so siehst. Für mich war es im Großen und Ganzen auch so. Aber weil ich natürlich emotional sehr stark damit verwoben bin, war es natürlich noch extra schwer, MEINE Band mit jemanden anderen zu sehen. Aber ich mache meine Hausaufgaben und lerne auch Songs aus dieser Ära.

Wer brachte eigentlich die harten Elemente in die Musik von DREAM THEATER? Du oder John?

Mike: Ich denke, dass wir beide dafür verantwortlich sind. Aber ich war schon der, der den Jungs in Berkeley das krassere Zeug vorgestellt hat. Ich zeigte ihnen METALLICA, ANTHRAX, SLAYER und S.O.D. – also genau das, was ich mir damals gerne angehört habe.

Du hast tatsächlich S.O.D. gehört? Haha!

Mike: Klar. Als ich die Jungs in den 80ern getroffen habe, hörte ich auch gerne EXODUS, TESTAMENT, FLOTSAM & JETSAM und NUCLEAR ASSAULT. Das war meine Welt! Ich liebte natürlich auch Prog… Obwohl ich tatsächlich der war, der diese Einflüsse eingebracht hat: Als Musiker liebt John Petrucci natürlich auch harte Musik und harte Gitarren. Also wäre es ein bisschen falsch, wenn man sagen würde, dass ich alleine für das Metal-Element bei DREAM THEATER verantwortlich gewesen bin.

Es muss sehr schwer sein, die Welten von Metal und Prog in Einklang zu bringen…

Mike: Nun, genau deshalb konnten wie uns in den 90ern von anderen Bands abheben. Wir mischten die Technik von RUSH mit der Härte von z.B. METALLICA. Irgendwie haben wir die Band darauf aufgebaut. IRON MAIDEN trifft YES – das war die Formel. Über die Jahre haben wir es verinnerlicht und uns zu eigen gemacht.

Wie hat sich eigentlich nach so viel Jahren die erste Zusammenarbeit mit den anderen angefühlt? Warst du nervös, oder ist das Eis schnell gebrochen?

Mike: Obwohl wir ja noch nicht „geprobt“ und uns direkt ans Songwriting gemacht haben, hat sich der erste Tag im Studio sehr natürlich angefühlt. Wir 5 saßen wieder in einem Raum und es war so, als wäre nicht ein Tag vergangen. Es ist natürlich fast 15 Jahre her, als wir das „Black Clouds & Silver Linings“ Album gemacht hatten, doch es fühlte sich so an, als wäre es gestern gewesen. Die persönliche Chemie war direkt wieder da. Musikalisch gesehen, begannen wir sofort zu jammen und improvisieren. Wenn es zwischenmenschlich passt, dann kann man es nicht verlieren, es bleibt dann einfach so.

Du hattest damals erwähnt, dass du nie wieder Texte schreiben würdest, nachdem du die 12-Step Suite abgeschlossen hattest. Ist es etwas, was du dir noch mal überlegt hast?

Mike: (Lacht) Es ist wie dieses berühmte Al Pacino Zitat aus der Pate. „Gerade wo ich dachte, ich wäre draußen, ziehen sie mich wieder rein!“

Das ist doch aus den Sopranos!

Mike: Ich denke, es war der Pate…

Stimmt, das ist aus „Der Pate“, aber die Sopranos haben es zitiert.

Mike: Genau so war es. Nachdem ich die 12-Step Suite fertig hatte und einen Song über meinen damals verstorbenen Vater geschrieben hatte, füllte ich mich eigentlich lyrisch erfüllt. In den Jahren nach DREAM THEATER habe ich tatsächlich nur zwei Texte geschrieben. Einen für THE WINERY DOGS, einen für METAL ALLEGIANCE. Ansonsten war ich sehr froh, in „lyrischer Rente“ gewesen zu sein. Aber die Jungs fragten mich wieder danach, weil sie es vermissten und Teil von DREAM THEATER gewesen ist. Ich wurde ich an dieser Stelle ermuntert und habe erneut die Feder ergriffen.

Offensichtlich bist du ein Typ, der musikalisch viel erreicht und veröffentlicht hat. Was ist deiner Meinung nach der beste Weg für jemanden, der sich ernsthaft musikalisch ausdrücken möchte?

Mike: Sei es gut oder schlecht: Wir leben im Jahre 2024, wo jeder ein Album oder einen Song machen und veröffentlichen kann. Als ich anfing, gab es so was nicht: Du hast den Support eines Labels gebraucht. Schau dir Billie Eilish an, welche ein Album in ihrem Zimmer aufgenommen und einen Haufen Grammys gewonnen hat. Diese Art der Veröffentlichung ist also der Weg. Es hat die Plattenindustrie natürlich irgendwo gekillt, doch auf der anderen Seite ist es sehr gut für den einzelnen Künstler, welcher nun ein unabhängiges Outlet haben kann.

Zum Abschluss würde ich gerne ein kleines Spiel spielen. Es dauert nicht lange. Ich gebe dir zwei Optionen und du sagst, welche du besser findest, okay?

Mike: Okay.

David Lee Roth oder Sammy Hagar?

Mike: David Lee Roth. Sammy Hagar ist der bessere Sänger, aber die ersten 5 oder 6 Alben von VAN HALEN …

Woah, ich dachte, dass gerade du Sammy Hagar nehmen würdest.

Mike: Ich liebe Sammy natürlich auch. Aber die ersten Alben von VAN HALEN sind die Bibel für mich.

McDonalds oder Burger King?

Mike: (Wie aus der Pistole geschossen) McDonalds!

IRON MAIDEN oder METALLICA?

Mike: Oh, das ist schwer. Aber auch hier muss ich sagen, dass die ersten 5 Maiden-Alben ebenfalls die Bibel für mich sind. Doch METALLICA macht immer noch neue Musik, die mir persönlich gefällt. Neue Maiden habe ich mir schon ewig nicht mehr angehört. Aber ich muss mich doch hier nicht entscheiden, oder?

Natürlich nicht. Lady Gaga oder Billie Eilish?

Mike: (Lacht) Meine Güte, da bin ich in der Zwickmühle. Ich mag Billie Eilish, ich finde sie ziemlich cool.

Das war es schon. Danke für deine Zeit. Hast du eine Botschaft für die deutschen Fans?

Mike: Ich kann es kaum zu erwarten zurückzukommen und aufzutreten. Unsere Tour für das 40. Jubiläum wird sehr aufregend. Wir haben natürlich eine Handvoll deutsche Shows und ich erinnere mich an unsere erste europäische Tour im Jahre 1993. Es war die für „Images And Words“. Deutschland war eines der ersten Länder, welches uns willkommen geheißen hat, weswegen wir immer eine besondere Beziehung zu euch hatten.

Ich freue ich schon darauf, wieder mit den Jungs zu spielen!

 

An Evening With Dream Theater – 40 Anniversary Tour 2024-2025

22.10.2024 – Berlin, Uber Eats Music Hall.

23.10.2024 – Köln, Palladium.

28.10.2024 – München, Zenith.

20.11.2024 – Stuttgart, Beethovensaal.

21.11.2024 – Frankfurt, Jahrhunderthalle.

 

 

 

12.07.2024

Werbetexter und Metalhead aus NRW.

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