Drautran
Drautran
Interview
Acht Jahre hat DRAUTRANs Zweitling nun gedauert und präsentiert sich wie sein Vorgänger großartig. Da gibt es dann doch eine Menge zu erzählen, dachte ich mir und habe die Herren Winter und Blutaar mit ein paar Fragen gelöchert.
Moin!
Den üblichen Biographiekram erspare ich dir an dieser Stelle.
Was war der Grund für die lange Zeit, die seit „Unter dem Banner der Nordwinde“ vergangen ist? Seid ihr einfach Perfektionisten? Gab es Probleme in der Besetzung?
Winter: Moin! Der Grund war, dass wir in der Vergangenheit, bandintern, unterschiedliche Auffassungen darüber hatten, wie es mit der Band laufen sollte. Das hat uns über die Jahre einfach gebremst. Perfektionistisch sind wir ebenfalls, was unsere Musik und Texte angeht. Schnellschüsse gibt es dabei so gut wie gar nicht! Es gab auch kleinere Besetzungswechsel, die aber für die Musik und das Songwriting nicht von Belang waren!
„Unter dem Banner der Nordwinde“ wurde ja komplett in Eigenregie veröffentlicht und ihr habt euch, soweit ich das weiß, mehrfach gegen eine Zusammenarbeit mit Plattenfirmen ausgesprochen. Wie kam es, dass ihr nun auf Lupus Lounge gelandet seid?
Es ist ja auch eine Wiederveröffentlichung von „Unter dem Banner der Nordwinde“ geplant. Wird sich die von der Erstausgabe unterscheiden?
Blutaar: Richtig, eine Zusammenarbeit mit einer Plattenfirma haben wir grundsätzlich, allerdings niemals kategorisch abgelehnt. Wir haben immer gesagt, wir wollen uns ein gerne Höchstmaß an Eigenständigkeit wahren und sollten wir mal signen, dann nur unter der Ägide eines Labels, das bezüglich Arbeitsweise, Programm, Bandkatalog und ästhetischer Wirkungskraft ganz unseren Vorstellungen entspricht. Dann könnte man auch gerne ein paar Souveränitäten abgeben. Nun ja, keines der Angebote, die so über die Jahre kamen, entsprach diesen Vorstellungen ganz.
Mit Prophecy haben wir früher schon mal Kontakt gehabt, dann wurde er kürzlich, eher durch einen Zufall, plötzlich wieder aufgefrischt und den Rest kennt man ja.
Auf „Unter dem Banner der Nordwinde“ gab es ja damals fantastische Reaktionen. Seht ihr es auch heute noch als Demo an?
Winter: Auf jeden Fall. Die Umstände der Aufnahmen sowie das Resultat ließen und lassen es einfach nicht zu, mehr darin zu sehen! Zwar haben wir uns dabei sehr viel Mühe gegeben, dennoch nehmen wir davon Abstand, es als reguläres Album zu bezeichnen!
Wie schätzt du persönlich den Schritt von „Unter dem Banner der Nordwinde“ zu „Throne of the Depths“ ein, in eurer eigenen musikalischen Entwicklung und in der Verwirklichung?
Winter: Der Schritt ist, trotz des langen Zeitabstandes, nicht sehr groß. Wir haben uns technisch, songwriterisch und konzeptionell weiterentwickelt. Trotzdem kann man unseren Stil bei beiden Veröffentlichungen deutlich erkennen. In unserer musikalischen Entwicklung sehe ich uns noch nicht am Ende angelangt. Dennoch wird es hier keine größeren Sprünge geben, da es für uns doch ein klar gefasstes musikalisches Konzept gibt. Der Verwirklichung sind wir ein gutes Stück näher gekommen, trotzdem gibt es hier noch Luft nach oben.
Mal im Ernst: „Throne of the Depths“ ist ja nun nicht gerade der innovativste Titel. Was bewog euch, ihn zu wählen, was drückt er für dich aus?
Blutaar: Mmmh, reine Geschmacks- und Empfindungssache, möchte man meinen. Ein Titel angelehnt an nordische Mythologie oder Naturverbundenheit wäre wohl wesentlich einfallsloser, oder? Könnte man bei uns ja auch erwarten… den Sold haben wir allerdings bereits mit dem rauschhaft-martialischen Titel des Demos erfüllt, insofern sehe ich eine interne Verbesserung!
In der Band sind eigentlich alle mit „Throne of the Depths“ sehr zufrieden, das ist ja das Wichtigste. Auch von Anhängern und Presse wurde er bezüglich Klang- und Bedeutungsraum bisher ganz gut angenommen, teils mit interessanten Deutungen. Mag sein, er bedient sich eines sehr klaren, verständlichen Schulenglischs, dessen Substantive man aus anderen Sinnzusammenhängen kennt und die man auch irgendwo im Alltag benutzen könnte.
Warum es nun dieser Titel sein sollte, tja, schwer zu sagen… es hat sich einfach so ergeben. Irgendwann stach dieser unter wenigen anderen Vorschlägen heraus. Intuitiv fasst er die Texte zusammen, ohne dass dem zuviel Aufmerksamkeit zugeteilt werden sollte.
Was er ausdrückt ist wohl Frage des Betrachters, ergo subjektiv und persönlich, und damit gehört er nicht mehr zu unserem Beurteilungsspektrum. Wir wollen hier Interpretationsfreiheit haben, aber man kann ihn im konventionellen räumlichen oder mythisch-kosmologischen Verständnis lesen, aber gleichzeitig rufen wir dazu auf, ihn auch gerne abstrakter und universeller zu interpretieren, deckt er doch ganz andere (Be-)Reiche und Niederungen des menschlichen Seins ab. Welche Sinneseindrücke entfalten sich er denn für dich persönlich, wenn die Scheibe hörst und betrachtet?
„Throne of the Depths“ ist wie sein Vorgänger sehr atmosphärisch, weitläufig und malerisch ausgefallen. Ist das Ausdruck einer Verbundenheit zu eurer Heimat Kiel oder zur Natur allgemein?
Blutaar: Es ist sicherlich Teil unserer künstlerischen Intention, dass man uns eine direkte Verbundenheit zur heimatlichen Gefilden attestieren soll – umso erfreulicher ist es, wenn dies geschieht. Genauer observiert,lässt sich unsere Naturverbundenheit auf eine Mikro- und Makroebene definieren: Kiel bzw. Schleswig-Holstein als das unmittelbare Nahe, abstrakter betrachtet jedoch besteht eine Verbundenheit zu jeglicher Natur. Im Übrigen muss ich wieder darauf hinweisen, dass ja wir ja nur einen klitzekleinen Ausschnitt der Natur behandeln, und das ist keinesfalls ein romantischer oder liebreizender.
In „Styrt ned i Malstraumen“ findet sich diese verschlungene Gitarrenverzierung, die natürlich den Titel des Stücks astrein umsetzt und sich durch das ganze Lied zieht. Wie wichtig ist euch die Einheit von Text und Musik? Strebt ihr nach dem vielzitierten „Gesamtkunstwerk“?
Blutaar: Von der Seite des Textschreibers aus kann ich nur sagen, dass mir eine ästhetische Einheit sehr, sehr wichtig ist. Ich gehe davon aus, dass Oluf und Thamuz, die ja auch Texte beigesteuert haben, dass ähnlich sahen. Die Musik, die immer als erstes da ist, ruft Gefühle und Gedanken hervor, sie sind inspirierend und wecken Affekte. Schon dies mag den Eindruck einer Einheit hervorrufen. Im Einklang mit der Verfeinerung und Intensivierung der Musik über die Zeit entwickeln sich auch das grobe Textgerüst und die Textidee zur eigentlichen abgeschlossenen Form. Ich kann mir andererseits die Kompositionen, die Winter schreibt, nicht mit den vielen konventionellen Topoi des Black Metals vorstellen. Das würde einfach nicht passen, oder…?
Da hast du Recht. Gibt es denn irgendetwas, nach dessen Verwirklichung oder Erreichen ihr denken werdet, dass ihr das für euch Höchste erreicht habt? Wie nah ist „Throne of the Depths“ eurer eigenen Vision gekommen?
Blutaar: Eine schwierige Frage. Als Künstler sind wir sicher noch nicht am Ende unseres Weges angekommen, denn wir sind alle sehr strebsame Menschen (zumindest bei der Musik, hehe). Wir haben Ziele und Ideale, denen wir mit „Throne of the Depths“ sehr nahe gekommen sind, aber es wäre dreist und töricht zu behaupten, das Album wäre in irgendeiner Hinsicht perfekt. Es gibt immer und überall Potential für Steigerung…
Beachtenswert finde ich, dass ihr euch auch auf dem neuen Album dem einen oder anderen Death-Metal-Einfluss nicht verwehrt, welche häufig als „zu wenig atmosphärisch“ oder so ähnlich abgetan werden. Auf „Throne of the Depths“ beispielsweise aber entfalten sie durchaus eine malerische und eindrückliche Wirkung, was meines Erachtens vor allem an der richtigen Dosierung liegt. Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, dass extreme Dinge in einer extremen Umgebung gar nicht mehr so extrem wirken? Leiden wir heutzutage an Reizüberflutung, was „harte Musik“ angeht, können wir uns heutzutage nicht mehr auf die wesentlichen Dinge konzentrieren?
Winter: Ich gebe dir Recht! Ich achte beim Songwriting sehr darauf, dass in den Songs selber keine Langeweile aufkommt. Das geschieht meistens sehr schnell, wenn man nicht ausreichend mit Rhytmuswechseln, wechselnden Melodien oder Riffs arbeitet. Natürlich kann man auch Songs schreiben, bei denen die ganze Zeit nur durchgeblastet wird, nur kann das nach dem dritten Song sehr schnell langweilig werden, wenn man keine Kontraste schafft! Ob nun Death-Metal-, Black-Metal- oder Doom-Metal-Riffs, dass ist nicht wichtig! Hauptsache es erschafft ein Gesamtbild und ist songdienlich!
Eure Musik ist ja sehr heidnisch orientiert. Würdet ihr euch als Teil irgendeiner Pagan-Metal-Szene bezeichnen und was hältst du von der zeitweilig grassierenden Mode?
Blutaar: Nein, definitiv nicht, ich erachte DRAUTRAN auch als zu viel zu vielschichtig und unergründlich, um in eine Szene-Schublade gepresst zu werden. Das wäre auch alles viel zu dogmatisch und festgefahren, gerade wie auch das ewige Kategorisieren und Einteilen in irgendwelche Szenen. Wir verfolgen unseren eigenen Weg…
Ich persönlich habe sehr konkrete Vorstellungen, was als aufrechter Pagan Metal bezeichnet werden kann und welche Bands die eigentliche Speerspitze dieses diffusen Genres konstituieren. Da spielen neben der Musik aber Text und Konzept eine ebenbürtige Rolle. Was das Stichwort „Pagan Metal als Trenderscheinung“ betrifft, so kann ich vielleicht eine indirekte Antwort geben: Nicht mal eine Handvoll deutscher Bands gehört für mich zum richtigen Pagan Metal dazu.
Was konkret verstehst du unter „Heidentum“? Umweltschutz und Einkauf im Bioladen? Trinkgelage nach altgermanischer Vorlage? Wie vertragen sich überhaupt Werte von vor mehreren Jahrhunderten mit der heutigen Welt?
Blutaar: Das heutige Heidentum ist eine in vielerlei Hinsicht eine Farce: Natur sei, was schön, idyllisch und anti-urban ist. Heidnisch sei, was altertümlich klingt und in antiquierten, altehrwürdigen Wälzern oder schlechten, verfälschten Wiederveröffentlichungen über Vorfahren, Kulturgeschichte und vorchristliche Religionen zu lesen ist. Schlecht sei Technik, Wissenschaft und Zukunftsoptimismus, ferner das böse Christentum, der Kapitalismus, die Gesellschaft, Hip-Hop, bla bla bla…ich kann’s nicht mehr hören. Die die so laut ankreiden und die heutige hochtechnisierte (und in unseren Breitengraden erstaunlich friedliche) Flüchtigkeits- und Überflussgesellschaft so lauthals verfluchen, sind meistens die, die ihr am meisten verhaftet sind.
Jeder ansatzweise heidnisch denkende Mensch weiß, akzeptiert und zieht seinen Nutzen aus der Tatsache, dass man im 21. Jahrhundert lebt: Mit einer tiefgründigen und aufgeweckten Vergangenheitswahrnehmung sowie einem vielschichtigen und offenherzigen Blick auf die häufig dunklen und schwer zu entziffernden literarischen und archäologischen Quellen, die uns nur auszugsweise, meist schwer unzugänglich und geheimnisvoll erhalten geblieben sind, lässt sich ein neuheidnisches Leben im Einklang mit Natur und Gesellschaft auf persönlicher Ebene sehr gut ergänzen – aber keinesfalls konstituieren. Nicht allein nicht mit einem Blick in die Vergangenheit, erst recht nicht wenn dieser durch Pathos, Romantik, Einseitigkeit und Verklärtheit verblendet ist.
Aber ich denke, es wird an dieser Stelle zu müheselig und vor allem subjektiv, eigene Ideen von Heidentum und den derzeit grassierenden populären Ansichten dazu ausführlich zu äußern. Erst recht wäre es unnötig, wenn noch jemand seinen Unwillen über die spirituelle Heuchelei in der heutigen Pagan Metal zum Besten geben müsste. Werde ich persönlich, will ich nicht allzu viel preisgeben, sondern stattdessen konstruktive Kritik äußern, und entferne mich auf beiden Pfaden zudem vom Thema dieser Unterhaltung, nämlich DRAUTRAN. Und ich muss wie schon häufiger beschrieben auf eine wichtige Tatsache hinweisen: Drautran schildert nur eine emotionale Perspektive, einen Affekt, keine unumstößliche Faktizität. Zudem sogar noch eine relativ eingeengte, nämlich eine, die auf dunkle und ungestüme Aspekte fokussiert. Natürlich ist eine heidnische Perspektive viel, viel mehr als Naturgewalten und Verderben.
Uns allen gemein in der Band ist, dass primär das Hier und Jetzt zählt. Klar, der Blick in die Vergangenheit, auf der häufig verloren gegangene Archaisch-Mythische kann sehr inspirierend und lehrreich sein, aber das sehen wir alle unterschiedlich. In der Band hat auf jeden Fall jeder eigene Vorstellungen vom Leben, und meine ganz eigenen wären gewiss schwer zu vermitteln.
Im Prinzip kann man beim Neuheidentum auch von einer Art Religiösität sprechen. Für wie religiös in diesem Sinne hältst du dich? Stört es dich nicht, wenn sich andere Menschen DRAUTRAN anhören und eigentlich gar nichts mit Heidentum am Hut haben? Hofft ihr, mit eurer Musik bestimmte Menschen zu erreichen?
Blutaar: Niemand in der Band ist Mitglied einer religiösen Gemeinschaft oder einer größer organisierten Gruppierung. Ich bin als einziger lose mit einigen neuheidnischen, kulturgeschichtlichen Gruppierungen affiliiert, arbeite zudem selbst aktiv an ein paar schriftstellerischen Projekten mit, die diesem Themenkreis nahe stehen. Meine persönlichen Glaubensvorstellungen sollten hier aber nicht zur Debatte stehen…
Wie man DRAUTRAN auffasst, rezipiert und konsumiert, sei jedem frei gestellt. Mich stört es nicht, wenn Leute „nur“ die Musik hören, überhaupt nicht. Die Musik ist nun mal das Belangreichste, und wir sind kein Solo-Projekt bei dem es irgendeinen blöden Alleinanspruch oder ein Ansichtsmonopol geben würde, wie und warum man Drautran als heidnisch auffassen müsste. Wir wollen auch keine Zielgruppe erreichen, sondern vielmehr Gleichgesinnte und Interessierte ansprechen.
Es ist aber eine Freude, immer wieder feststellen zu können, dass sich einige Menschen auch wissbegierig und neugierig die Texte durchlesen, die Illustrationen zu schätzen wissen und sich gedankenvoll, sprich auf anderen, reflektierten Ebenen als nur auf der musikalischen – und damit der eher unbewussten, emotionalen – mit uns auseinandersetzen. Das hat die Resonanz immer wieder gezeigt.
Ist schon weiteres geplant? Ein Album, Konzerte?
Blutaar: Nichts dergleichen. Nächste Etappe ist die Wiederveröffentlichung des Demos.
So, das war’s meinerseits. Dir gehört das letzte Wort.
Blutaar: Wir danken für das Interesse und dieses Interview!
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