Doro
Interview mit Doro Pesch zu "Raise Your Fist"
Interview
Mit ihrem neuen Album „Raise Your Fist“ gelingt DORO der schwierige Spagat zwischen einem traditionsbewussten Heavy-Metal-Sound und der richtigen Prise an modernen Schnörkeln, die ein Abgleiten in das bedeutungslose Aufwärmen altbekannter Standardkost verhindern. Wir nutzten die Gelegenheit, uns mit Frau Pesch über die Entstehung des Albums, französische Vorbilder und ihr sturmgeschädigtes Haus in Long Island zu unterhalten.
Hey Doro, gratuliere zu deinem starken neuen Album! Ich war ehrlich gesagt ein wenig überrascht, wie modern die Scheibe klingt. Du hängst dich also nicht an den aktuellen Retro-Trend dran und nimmst alles analog auf?
Nee, heute läuft da alles nur noch mit ProTools. Aber das ist natürlich auch toll, man kann da die ganzen Files weltweit überall rumschicken, das ist ein Traum. Auf der einen Seite ist das schön, auf der anderen Seite bin ich auch immernoch Vinyl-Fan.
Da schließt das eine ja auch das andere nicht aus. Es will doch heute keiner mehr ernsthaft im Studio hocken und Tape-Bänder aneinanderkleben.
Das habe ich wirklich schon lange nicht mehr gemacht. Aber es waren auch tolle Zeiten in den Achtzigern und Neunzigern. Vor allen Dingen musstest du eine Entscheidung fällen und wenn der Cutter gesagt hat „Soll ich jetzt schneiden?“, dann war das unwiderruflich geschnitten und weg. Heute, kannst du einfach rumprobieren: „Soll ich das jetzt so machen oder so oder so?“ Man geht halt mit der Zeit, muss man ja auch.
Ich finde das ist auch ein gutes Motto für das Album. Für mich warst du schon immer so etwas wie die „Alte Dame“ des deutschen Metal und sehr stark in den Achtzigern verwurzelt. Dabei hast du auf dem neuen Album wieder extrem viele moderne Elemente zugelassen.
Das war aber auf allen Platten so. Es gab sogar ganz hochmoderne Platten, wie beispielsweise „Love Me In Black“, die ich immer noch total liebe. Die war vielen Fans dann zu fortschrittlich, aber da sind auch wunderschöne Songs drauf. Der Titelsong, den wir auch immernoch sehr gerne live spielen, ist eine echte Perle. Aber ich bin eigentlich ein ganz aufgeschlossenes Kerlchen.
Das machen dir die Fans aber nicht immer leicht, denn wenn du zu modern wirst, dann wollen die es nicht mehr hören.
Ja, aber manchmal spricht auch die Zeit für einen oder gegen einen. Manchmal ist dann etwas vielleicht timing-mäßig zu früh und Jahre später sagt man dann: „Boah ey, DAS Album, das ist mein Lieblingsalbum geworden.“ Ich mache immer das, was im Herzen drin ist, was in der Seele drin ist. Ich kann gar nicht anders, ich bin ein totaler Instinkt-Mensch, Bauch-Mensch. Ich mache das, was halt raus kommt – und ich mache viele Facetten. Ich mach’s von ultra-krass und hart und brutal zu ultra-ultra-ultra-sensibel und feinfühlig. Ich finde, das eine schließt das andere auch nicht aus. Ich mag Hymnen gerne, Doublebass-Songs und auch Balladen.
Ich finde die Mischung auf dem Album wirklich klasse. Man hört immernoch die Achtziger raus, aber es wirkt nicht angestaubt. Du vermeidest dadurch Stagnation und man merkt, dass du dich immernoch weiterentwickelst.
Da freue ich mich, sowas schönes zu hören. Für mich ist immer jeder Song ein eigenes Ding und muss dann das Treatment kriegen, was er verdient, und auch bei den Leuten gemacht werden, die den Song mögen und einen Zugang dazu haben. Es bringt halt nix, eine Ballade abzumischen bei jemandem, der nur auf Death-Metal steht, das funktioniert dann nicht so gut. Und so habe ich wieder überall in der ganzen Welt rumgebastelt, in vielen Studios und mit ganz vielen Leuten. Deswegen sind auch 13 Songs auf dem Album drauf und 15 Songs auf der Limited Edition, damit dann jeder seine Favoriten auswählen kann. Bei CDs ist das ja auch immer gut, dass man da so einfach durch die Songs skippen kann. Früher, bei Vinyl, musste man ja alles anhören, wenn man sich nicht total die Platte verkratzen wollte…
Weißt du, was mir vorhin bei „Victory“ in den Sinn gekommen ist? Ich musste da irgendwie an den Abspann eines Hollywood-Blockbusters denken, da wäre das Stück meiner Meinung nach verdammt gut aufgehoben.
Das kann ich mir gut vorstellen, aber ich kann mir das auch gut als Sporthymne vorstellen. Ich weiß, die Klitschkos haben zum Beispiel immer denselben Song, weil sie daran glauben, dass er ihnen Glück bringt, aber für die wäre das super geeignet. Da habe ich ja Erfahrung mit, ich habe ja früher oft die Hymnen für die Regina Halmich geschrieben, was immer super war, man hat da dann auch immer zusammen mitgefiebert. Aber Regina boxt ja nicht mehr aktiv und seitdem vermisse ich das. Ich mag gerne solche Sporthymnen und ich liebe Musik über alles, aber Sport-affin bin ich auch immer gewesen. Boxen find ich immer ganz super, wir hatten auch schon ein paar Hymnen für Fußball- oder für American-Football-Vereine, „Burn It Up“ war zum Beispiel für den „Rhein Fire“-Verein (2007 aufgelöstes Football-Team aus Düsseldort – Anm. d. Red.). Aber mal gucken, was sich da so draus entwickelt.
Bei „Lève Ton Poing Vers Le Ciel“, der französischen Version von „Raise Your Fist“, finde ich es sehr spannend, wie deine Stimme da plötzlich einen ganz anderen Touch bekommt.
Ja, schön, dass du das bemerkt hast. Ich war damals totaler TRUST-Fan, kannst du dich da noch dran erinnern?
Nicht wirklich, ich fürchte, da bin ich einfach zu jung, um dabei gewesen zu sein.
Stimmt, aber ich sag’s dir, diese Band, die war sowas von schweinegeil! Die haben ihre Sachen sowohl in englisch als auch in französisch aufgenommen. Und von dieser französischen Version war ich so fasziniert, ich fand, das war die ultimative Metal-Language. Und dann hatte ich schon ein paar Songs in französisch gemacht und hatte immer ein gutes Gefühl dabei. Ich hab ja auch schon viel in spanisch gemacht und auf der letzten Platte auch in portugiesisch. Auf unserer letzten Tour, im vergangenen Winter, wollte ich „Raise Your Fist“ schon spielen und in jedem Land, wo wir gespielt haben, habe ich gesagt: „Ey, sagt mir doch mal, wie das in eurer Landessprache heißt!“ In Frankreich bekam ich dann als Antwort „Lève ton poing vers le ciel!“ und das fand ich total geil und musste es mir gleich aufschreiben.
Die Übersetzung hat mir ein Radio-DJ gemacht, der hat auch einen Metal-Sender, der Martin von „HeavyMetal.lu“ in Luxemburg. Zu dem habe ich dann gemeint: „Hey, meinst du, du hast Lust, dir den Song mal anzuhören und zu übersetzen?“ Da meinte er: „Geil! TRUST war das erste Metal-Konzert, was ich besucht habe, da bin ich von zuhause abgehauen, als ich 14 war!“ Da dachte ich mir, das passt! Und er hat den dann übersetzt und es hat wahnsinnig Spaß gemacht, den zu singen. Ich glaube auch live könnte das gut funktionieren, also vielleicht in Belgien, in Kanada, wo auch viele Leute französisch sprechen, und natürlich in Frankreich. Aber als alte Metallerin muss ich echt sagen: TRUST sollte man mal gehört haben, vor allem die französischen Versionen. Die hatten damals auch einen Wahnsinnsgitarristen.
Vorhin, beim Hören der Platte, ist mir auch beim Wechsel von englischen auf deutschsprachige Stücke aufgefallen, dass es mir besser gefällt, wenn du deutsch singst. Vielleicht liegt das daran, dass die deutschen Songs einfach seltener sind, aber das kriegt dann immer einen ganz besonderen Touch, den ich sehr cool finde.
Das kommt auch immer auf den Song an. Bei einer Platte haben wir auch mal versucht, neben der englischen Version eine komplette deutsche zu machen, das war aber dann nix. Ich hab die Erfahrung gemacht, wenn ein Song in deutsch rauskommt, dann hat das auch eine tiefere Bedeutung. Man kann nicht jeden Song einfach ins Deutsche übersetzen, das klingt manchmal einfach nicht so gut. Und deutsch so zu singen, dass es sich irgendwie cool anhört, ist gar nicht so einfach. In englisch hört sich alles irgendwie ein bisschen cool an, egal was du singst. Und in deutsch kann das ganz schnell albern oder uncool sein. Wenn so ein bisschen Melodie reinkommt, dann muss man total aufpassen, auch von den Worten her. Es war die „Angels Never Die“-Platte, die wir komplett ins Deutsche übersetzt hatten. Ey, das konnte man gar nicht übersetzen, weil im Deutschen brauchte man tausendmal mehr Worte, die Texte waren so irre lang und das haben wir dann auch nicht fertig gemacht.
Aber ich liebe auch deutsche Songs und ich liebe es, deutsche Songs zu singen. Seit „Für Immer“ ist das auch ein kleines bisschen Tradition bei uns. Viele Fans hören oder sehen auch die Platte und fragen sofort: „Wo ist denn der deutsche Song?“ Und ich hatte mal ein paar Platten gemacht, wo kein deutscher Song drauf war, da war aber was los! „Wo ist der denn?“ – „Nee, der ist nicht da.“ – „Verarschst du uns jetzt? Der muss doch da sein!“ – „Nee, das hab ich jetzt grade nicht so gespürt oder da war mir nicht danach.“ Das wurde nicht richtig gut aufgenommen. Und dann dachte ich mir, ich muss mich bemühen, wenigstens einen deutschen Song auf jeder Platte zu haben. Aber wenn man sich dafür öffnet, dann geht das schon. Und ich habe die Fans sowieso immer im Hinterkopf. Und was ich auf der DVD in so einem kleinen Briefchen geschrieben habe, ist echt war: Ich schlafe mit den Fans gedanklich ein und wache auch mit ihnen auf. Deswegen weiß ich, dass ein deutscher Song auch ein kleines Muss ist. Aber wenn es wirklich nicht rauskommt, dann kann man es auch nicht erzwingen, das hört sich dann auch nicht schön an.
Den zweiten deutschsprachigen Song, „Freiheit (Human Rights)“, fand ich ganz besonders herausragend. Der bricht aus diesen klassischen Metal-Klischees, die wir im Grunde ja alle lieben, total aus. Du gibst da ein ziemlich deutliches politisches Statement ab, was ich echt beeindruckend fand.
Danke, da freue ich mich, weil der halt auch so anders ist. Den gibt’s übrigens auch noch in englisch und da heißt er „Sealed In Blood (Human Rights)“. Ich muss sagen, früher dachte ich mir immer, im Ausland ist es auch überall geil, aber da weiß ich Sachen in Deutschland echt zu schätzen. Dass man hier wirklich frei sein kann und alles machen kann, was man will, dass man Metal machen kann und alles sagen kann, was man will, das ist schon ziemlich gut. In manchen Ländern, in denen wir touren, ist das überhaupt nicht der Fall, da war ich manchmal geschockt, da musste man sich echt dann am Riemen reißen. Wir waren ja schon fast überall auf der Welt und in manchen Ländern, da musst du echt kucken. Wir waren jetzt zum Beispiel oft in China und da weht aber ein anderer Wind! Da kann man nicht einfach das machen, was man möchte, sondern da muss man sich schon ein bisschen schicken, sonst weiß ich nicht, was da sonst passieren könnte.
Mit der Musik habe ich immer die Freiheit gehabt, auch als Frau alles zu machen, was ich will. Das wäre jetzt im Iran und im Irak auch nicht möglich, Metal zu machen, und dann auch noch als Frau. Deswegen, aus der Erfahrung vieler Touren, wo man auch viel von den Fans hört, dachte ich, ich will diesen Song schreiben. Gerade heute, wo man das Gefühl hat, die Freiheit wird auch immer mehr beschnitten. Und mit Menschenrechten, da nehmen es viele Länder dann auch gar nicht so genau. Also der war mir wichtig. Manchmal gilt auch: „You have to take a stand!“ Auch bei einigen älteren Platten war das schon der Fall. Das „Bad Blood Video“ wurde damals als bestes Anti-Rassismus-Video ausgezeichnet. Und der Song war auch wichtig, weil das war zu einer Zeit, wo es ganz schön hart abging. Wir haben auch ganz viele Anti-Kriegs-Songs, aber das ist dann halt eher symbolisch verpackt, während „Freiheit“ ziemlich klar auf den Punkt kommt.
Haben da auch irgendwelche aktuellen politischen Entwicklungen eine Rolle gespielt? Ich hatte da insbesondere den arabischen Frühling im Hinterkopf.
Wir haben jetzt ganz oft in der Türkei Festivals gespielt und da kamen ganz viele Metal-Fans aus dem Iran und dem Irak rüber. Und die haben gesagt, dass sie teilweise echt ihr Leben aufs Spiel setzen mussten, um dahin zu kommen, und dass Metal da echt geächtet wird. Und dann haben viele Fans gesagt: „Komm doch mal zu uns spielen!“ Und dann meinte ich: „Ey, als Frau, das geht doch nicht, das ist ja unmöglich.“ Und dann alle: „Ja, stimmt, neinnein, neinnein!“ Und solche Sachen, die für uns total selbstverständlich sind, gibt es da nicht, das ist schon heftig.
Ich finde, man muss auch kucken, Amerika ist immernoch ein Land, das ich total liebe. Ich wohne ja teilweise in New York, teilweise in Düsseldorf und meistens auf Tour. Früher, ey, da war Amerika das Paradies, aber echt! Aber jetzt, in den letzten Jahren, auch seit den World-Trade-Center-Attacken, da ist jeder ganz empfindlich. wir haben ja das Video zu „Raise Your Fist“ da gedreht und man kriegt zum Beispiel gar keine Drehgenehmigung mehr in New York. Man darf da auch nicht mehr mit einem Stativ arbeiten und so weiter. Wir haben uns dann einen Truck gemietet und sind dann einfach rausgesprungen, haben schnell gefilmt und wenn dann irgendwie die Polizei kam, sind wir schnell wieder zurück in den Truck. Die Leute, die du da im Video vielleicht gesehen hast, das war so eine kleine Gang, das waren alles Kleinkriminelle und die waren bestimmt drogenmäßig, alkoholmäßig abgefüllt, da haben wir zuerst gedacht: „Oh Gott, die bringen uns jetzt um!“ Und dann hab ich gesagt: „Wir machen hier ein Video und so.“ Und die dann: „Oh, Musik?“ – „Ja genau. Habt ihr nicht Bock mitzumachen?“ – „Ahja, geil!“ Dann haben wir da halt zusammen gerockt, das war super! Und dann kam die Polizei um die Ecke und wir schnell wieder in den Truck und so. Und die Leute: „Ey, tschüß, lasst uns wissen, wann das Video rauskommt!“ Wir haben auch viele Bekanntschaften gemacht mit Obdachlosen, die total cool drauf waren. Denen geht es bestimmt total dreckig, aber die waren so cool da. Dieser eine ältere meinte: „Ich bin 78 und Jazzer.“ Da meine ich: „Ja, wir machen jetzt keinen Jazz, aber ist auch gut.“ – „Naja, ok,“ meint er und hat sofort mitgemacht, also das war super.
Aber auch die Freiheit in Amerika, das ist nicht mehr so, wie es mal war. Wenn du da ins Land reinkommst, das ist immer ein Theater. Man denkt echt, man geht nach Russland – also wie es damals in Russland war! Ich weiß noch, die ersten Male, wo wir in Russland waren, da wehte auch ein anderer Wind. Aber jetzt hat man manchmal das Gefühl, wenn man nach Amerika geht, dann ohje. Alle stehen auch total unter Beobachtung und alle haben so das Gefühl: „Hilfe, Terroristen!“ Man kann nicht mehr so frei leben und das ist sehr heftig. Als wir in den Achtzigern unsere ersten Metal-Gehversuche gemacht haben, da waren die Probleme nicht so heavy, wie es jetzt ist.
Musikalisch finde ich, auch wenn das viele Metaller wohl eher als Schimpfwort betrachten dürften, dass „Freiheit“ eine starke Rap-Attitüde hat. Das Stück ist sehr textlastig, die Musik spielt eine etwas untergeordnete Rolle und du brüllst da eine echte Message raus. Für mich ist das das Metal-Pendant zu einem guten Rap-Song.
Echt? That’s funny to hear! Ich bin da jetzt noch nicht so drauf gekommen, aber man könnte es wahrscheinlich so sehen. Ich hab auch, so wie du sagst, beim Text einfach draufgehalten. Eine Textvorlage gab es gar nicht, ich hab einfach drauflos gesungen. Und hinterher kam dann die Frage: „Wo ist denn der Text, machst du das nochmal?“ – „Ja, ich weiß doch den Text nicht, das hab ich doch einfach jetzt so gemacht!“ Das ist auch die ursprüngliche Version. Wir haben das dann mehrfach neu gemacht, verfeinert, verschönert, einen richtig neuen Text geschrieben – das war alles scheiße. Da habe ich mir gesagt: Nein, das Ursprüngliche, das ist echt, das ist ehrlich, so muss es bleiben. Und ich finde es auch interessant, dass man hier mal nicht die traditionelle Struktur „Intro / Vers / Chorus / Vers / Chorus / Solo / Vers / Chorus / Aus“ findet. Hier ist es halt einfach so, dass die Message da in einem Rutsch durchgeht.
Wo wir es gerade von Amerika hatten: Was ist eigentlich aus deinem Haus auf Long Island geworden? Das ist doch vor einigen Monaten einem Sturm zum Opfer gefallen…
Ich teile mir das mit unserem damaligen Drum-Roadie und das steht gerade noch, aber es ist alles überschwemmt, alles ist kaputt gegangen und alles ist noch voll mit Schlamm. Die Amis sind ja sowieso nie versichert oder nur ein ganz kleines bisschen. Und das ganz kleine bisschen, das hat diese Versicherung auch noch nicht bezahlt, obwohl das Ganze inzwischen ein Dreivierteljahr her ist. Ich habe da jetzt noch ein neues Bettchen drin, aber alles andere ist echt noch ziemlich katastrophal. Aber als Metaller ist einem das ja auch Latte, ich bin ja eh auf Tour und lebe aus dem Koffer, habe halt noch eine kleine Wohnung in Düsseldorf und bin eh im Tourbus zuhause, also ist es ok. Für einen ganz normalen Menschen, wäre das, glaube ich, eher nicht so cool. Aber ich bin ja eh keine Hausfrau, ich weiß gar nicht, wie das geht. Ich und der Lance, also mein Roommate, wir machen das beste draus, aber es war alles platt, richtig heftig. Und es ist noch nie da gewesen, deswegen denke ich auch, die ganzen Umweltkatastrophen und die Wetterumschwünge, das nimmt wirklich zu. Auch wenn man manchmal im Fernsehen sieht, dass das schon immer so war, habe ich wirklich das Gefühl, es wird echt heftiger. Wir können über jeden Tag echt dankbar sein, wo alles gut geht. Es ist echt krass.
Und auch die schönen Sachen, die ich von den Fans gekriegt habe, sind alle weg. Ich habe manchmal so schöne Gemälde gekriegt, ganz tolle Sachen, und halt so kleine, liebe Geschenke. Das ist jetzt alles im Meer irgendwo und hoffentlich findet jemand mal was und das bringt ihm Glück. Aber dann muss ich jetzt einfach noch ein paar mehr Touren machen, um vielleicht nochmal was schönes zu haben, um alles wieder schön zu dekorieren. Aber das macht mir nix aus, da habe ich auch gemerkt, ich bin kein materialistischer Mensch, überhaupt nicht. Es ist zwar traurig um die Andenken oder so Sachen wie Fotos und sowas oder Fan-Geschenke, aber im Grunde genommen, brauche ich echt nicht viel. Einen Tourbus vielleicht, ein Tourbus ist gut.
Zum Schluss muss ich noch einen kleinen Kritikpunkt loswerden: Warum lässt du dich auf deinen Plattencovern eigentlich immer so zeichnen, als wärst du noch Anfang Zwanzig? Du siehst doch auch jetzt noch gut aus und ich finde einfach den Eindruck etwas störend, dass du damit irgendwo auch dem übersteigerten Jugendwahn unserer Gesellschaft nachgibst.
Eigentlich ist das so von mir gar nicht beabsichtigt. Der Künstler, der das immer malt, der Geoffrey Gillespie, der malt das immer so, wie er das macht, meistens mit einem Foto als Vorlage. Ich habe da noch nicht einmal gesagt: „Mal mich jung!“, also gar nicht! So wie du hab ich das jetzt auch nie gesehen. Aber bei der EP zum Beispiel ist ja auch ein normales Foto vorne drauf, da ist dann das wahre Alter zu erkennen! Aber es ist Make-Up drauf, weil ein bisschen Frau ist man ja auch. Aber ich habe keinen Jugendwahn, ich bin eigentlich immernoch so wie ich damals mit siebzehn auch war. Und ich habe keine Probleme mit der Haut, weil ich immer im Studio rumsitze und weil ich eigentlich nie die Sonne abkriege, deswegen altert die Haut auch nicht so dramatisch. Aber das ist mir echt Latte, ich kümmer mich da jetzt auch nicht so sehr drum. Ich habe auch noch nicht an mir rumschnippeln lassen und hab das auch nicht vor. Wenn ich vielleicht mal 60 oder 65 bin… Aber das Coverbild liegt eben im Auge des Künstlers, so wie er es gemalt hat. Das war jetzt nicht meine Idee. Ich mache Sport, um auf der Bühne alles geben zu können und benutze ein bisschen Make-Up. Als Frau will man ja immer ein bisschen spielen. Aber sonst ist da nix.