Dödsrit
"Wenn du die Kontrolle über die Katharsis verlierst, verwandelt sie sich in Selbstzerstörung."

Interview

DÖDSRIT, das ehemalige Ein-Mann-Projekt des Schweden Christoffer Öster, geht nunmehr in seine dritte Runde. “Mortal Coil”, der aktuelle Output der Band, konnte erneut mit einer homogenen Mischung aus atmosphärischem Black Metal, Stockholmer Tod und Crust Punk überzeugen. Wie es sich für den Musiker anfühlt, im Studio nicht mehr die alleinige Verantwortung tragen zu müssen, aus welchen Quellen er Kraft und Inspiration schöpft und was er über seine Vergangenheit bei der Crustcore-Band TOTEM SKIN zu sagen hat, lest ihr hier auf metal.de …

Dödsrit – Mortal Coil

Hey Christoffer, Gratulation zum neuen Album. Es ist eine dieser wunderbaren Platten, die ziemlich nett am Anfang sind und immer besser werden, je öfter man sie abspielt. “Mortal Coil” hat mich jetzt schon für mehrere Tage gefangen genommen.

Hey Johannes, vielen vielen Dank. Es freut mich zu hören, dass dir das Album gefällt.

Ich habe die Vermutung, dass im Moment viele Leute das Album mögen werden, da es so gut in unsere Zeit und unsere Umstände passt. Viele Menschen haben seit über einem Jahr eine wirklich beschissene Zeit. Auf “Mortal Coil” gibt es definitiv absorbierende Dunkelheit – aber ebenso Licht und Hoffnung. Wie waren deine Gefühle während des Songwritings?

Mir ging es gut. Ich konnte viel Zeit mit meinem Hund, meiner Freundin und natürlich auch dem Songwriting verbringen, also alles gut. Leider war es für die anderen in der Band eher das Gegenteil der Fall. Sie hatten größtenteils eine schwere Zeit, was sich auch in der Musik niederschlägt.

Einer der Songs, “Apathetic Tongues”, behandelt das Thema Depressionen. Vor ein paar Tagen hast du bei der Vorstellung des Songs auf der Facebook-Seite von DÖDSRIT Menschen in ähnlichen Situationen eindringlich ermutigt, sich Hilfe zu suchen. Ich denke, es ist immer wichtiger, darauf hinzuweisen, da Depression gesellschaftlich immer noch tabuisiert wird und bei Teilen der Metalszene sogar idealisiert.

Christoffer: Diese Frage sollte Georgios (Maxouris, Gitarrist und zweiter Sänger der Band – Anm.) beantworten, da ich dafür nicht die Lyrics verfasst habe.

Georgios: Es ist in der Tat sehr wichtig, nach Hilfe zu suchen, auch wenn ich weiß, dass es sehr schwierig ist – vor allem, daran zu glauben, dass es irgendwie besser werden kann. Es dauerte Jahre, bis ich offen zugeben konnte, depressiv zu sein. Genauso lang dauerte es, bis ich verstand, dass ich selbstzerstörerisch war. Ich muss zugeben, auch für mich gibt es eine gewisse Schönheit in der Dunkelheit. Aber diese sollten wir stets mit Vorsicht genießen. Wenn du die Kontrolle über die Katharsis verlierst, verwandelt sie sich in Selbstzerstörung.

Während “Apathetic Tongues” scheinbar einen Subtext hat, der dazu auffordert, die inneren Dämonen zu überwinden, klingen die restlichen Lyrics des Albums allesamt nicht besonders positiv. Können wir uns das als Vorgeschichte zum letzten Song des Albums verstehen? Das Voranschreiten von der totalen Dunkelheit zu einem Lichtschimmer?

Georgios: Ironischerweise sind die Lyrics ziemlich hoffnungslos, obwohl “Apathetic Tongues” für mich Überwindung der Depressionen und das Beenden eines bestimmten Kapitels in meinem Leben bedeutet, hahaha. Insgesamt ist der Song eine rohe Übersetzung des Gefühls, sich ausgeschlossen von der Welt zu fühlen, unfähig, oder zu müde zu sein, mit dem Leiden klarzukommen und einen Schritt näher zum Grab zu kommen. Natürlich sprechen die Lyrics irgendwie alle eine ähnliche Sprache, aber es ist nicht wirklich als ein “Schritt ins Licht” zu betrachten. Wenn ich so darüber nachdenke, wie ich drauf war, als ich sie schrieb, waren sie wohl eher ein Klageruf als ein Schritt vorwärts, ins Licht.

DÖDSRIT im Wandel: Vom Ein-Mann-Projekt zum Quartett

 

“Mortal Coil” ist das erste Album von DÖDSRIT, bei dem du, Christoffer, nicht jedes Instrument selbst im Studio eingespielt hast. Wie fühlte sich das für dich an?

Ziemlich erlösend. So hatte ich die Möglichkeit, die Dinge von einer anderen Perspektive aus wahrzunehmen.

Mein Eindruck ist, dass “Mortal Coil” euer bisher komplettestes Album ist. Wie siehst du das?

Da stimme ich zu. Wie gesagt, es war für mich ziemlich befreiend nun drei weitere Bandmitglieder, mit denen ich Ideen austauschen konnte, im Studio zu haben. Das schlägt sich natürlich auch in der Musik wieder, weswegen “Mortal Coil” sozusagen kompletter wirkt. Möglicherweise fügt diese Situation der Musik auch mehr Tiefe hinzu; zumindest fühlt es sich für mich so an.

Hast du demnach die ganze Musik immer noch allein geschrieben, oder haben die anderen Bandmitglieder dazu beigetragen.

Hauptsächlich Georgios und ich haben das Album geschrieben. Aber jeder hat natürlich ein paar persönliche Spuren und Ideen auf dem Album hinterlassen. Vom Aspekt des Songwritings her war der größte Unterschied diesmal, dass es zwei Jahre dauerte, bis die Platte fertig war. Ich habe noch nie so lang für ein Album benötigt.

Ich liebe die zurückhaltenden, aber geschmackvollen Gitarrensoli und -leads auf dem Album. Sie haben viel klassisches Metal-Flair und einen soliden DISMEMBER-Touch. Was beeinflusst dich bei solchen Parts?

Ich bin mir nicht sicher; ich höre sehr viel verschiedene Musik. Meist kommen mir solche Ideen, wenn ich so rumsitze und mit einem Loop-Pedal jamme. Geogios ist, soweit ich weiß, von VANUM, DISSECTION und WORSEN beeinflusst. Er ist zumindest von denen ein großer Fan und nutzte die Namen in den Arbeitstiteln unserer Songs, hahaha.

Was, egal ob musikalischer oder nicht-musikalischer Natur beeinflusst dich denn generell beim Schreiben von Musik?

Ich weiß es gar nicht, um ehrlich zu sein. Ich sitze einfach wirklich viel rum und spiele Gitarre. Sehr viele Ideen kommen mir auch beim Wandern im Wald mit meinem Hund. Die Ruhe in der Natur kann ziemlich inspirierend sein. Wirklich schwierig für mich, zu sagen, was mich insgesamt bei diesem Album beeinflusst hat. Aber GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR sind ein großer Einfluss. Ihre Songs sind wie eine lange Reise – das versuche ich ebenso zu erschaffen.

Wenn du die Wahl hättest, was wäre deine bevorzugten Touring-Partner?

INFERNÖH, DEAD IN THE DIRT und PUNCH.

Zuletzt muss ich die Gelegenheit nutzen, über deine alte Band TOTEM SKIN zu sprechen. Bekommst du mit, dass diese Musik immer noch von Menschen entdeckt und wertgeschätzt wird? Ihr scheint – zumindest hier in Leipzig – Eindruck hinterlassen zu haben: Ich sehe immer noch Leute mit euren Backpatches und werde sogar von Fremden angesprochen, wenn ich mein TOTEM-SKIN-Shirt trage.

Nee, wusste ich nicht, aber das ist cool. Ich erinnere mich, dass Leipzig eine coole Stadt war und hoffe, dass wir mit DÖDSRIT irgendwann wiederkommen können.

Der Rest der Band machte mit den etwas roheren VARDAGSHAT weiter. Seid ihr noch in Kontakt?

Nein, der Kontakt ist nach unserer letzten Show auf dem Fluff Fest 2016 abgerissen und wurde seitdem nicht erneuert.

Danke euch und viel Erfolg noch mit DÖDSRIT und dem neuen Album.

Quelle: Christoffer Öster, Georgios Maxouris
28.05.2021

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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