Dødheimsgard
Interview mit Sänger Vicotnik zu "Supervillain Outcast"

Interview

Aus DØDHEIMSGARD wird DHG. Oder doch nicht? Doch! Aber auch wiederum nicht! Warum? Die Antwort auf diese und etliche andere Fragen, zur Auszeit, Stil-Modifizierung und natürlich dem neuen Album, erfahrt ihr von Bandkopf Vicotnik in den folgenden Zeilen.

Dødheimsgard

Hi Vicotnik. Nach einiger Zeit der Stille gibt es DØDHEIMSGARD wieder (oder immer noch?). Zudem heißt ihr nun DHG. Bevor wir unseren Mini-Marathon an Fragen starten, erzähl unseren Lesern doch bitte einmal genau, was in den letzten Jahren nach „666 International“ alles passiert ist. Es gab die besagte Namensänderung, Line-Up-Wechsel und sicherlich noch einiges mehr…

Diese lange Abwesenheit war nichts, was wir beabsichtigt hätten. Das Material auf „Supervillain Outcast“ hat deshalb schon einige Zeit auf dem Buckel.
Das erste, was ich nach „666 International“ in Angriff genommen habe, war ein viermonatiger Aufenthalt in Spanien. Ich wollte mich in einer fremden Umgebung niederlassen und neue Songs schreiben. Das war so Anfang 2000. Ich wollte auch dem sozialen Realismus an einem „unsicheren“ und ungewohnten Platz frönen, mich davon inspirieren lassen.
Nach vier Monaten Dekadenz und 4000 Litern Rotwein machte ich mich dann auf den Heimweg um dort anzuknüpfen, wo wir aufgehört hatten. Czral und ich fingen Anfang 2001 mit dem Proben an. Anfangs hatten wir vor, vier bis fünf Mal zu proben und dann ins Studio zu gehen. Wie du sicherlich weißt, ist das nie geschehen. Eine Band auf die Beine zu stellen, erwies sich als schwieriger als damals, wo man noch 17 Jahre alt war. 2002 war die Band dann komplett und 2003 fingen wir mit den Aufnahmen an. Während der Arbeiten im Studio war es plötzlich an der Zeit für einen Generationswechsel. Die Hälfte der Band verabschiedete sich aus unterschiedlichen Gründen. Die übrigen drei mußten den Rest der Arbeit erledigen und geeigneten Ersatz finden, was sich als äußerst fordernd und zeitaufwändig herausstellte.
Anfang 2006 waren wir wieder startklar, und das einzige, was noch zu tun uns übrig blieb, war der Mix. Ich schickte alles an ein Studio in Oslo, war jedoch mit ihrer Arbeit ganz und gar nicht zufrieden. Also machte ich mich selbst daran, und hatte zunächst keinerlei Ahnung von Produktion, weshalb ein weiteres Jahr draufging.
Das Album kam Anfang April 2007 raus, also mit fünf- bis sechsjähriger Verspätung. Trotzdem ist jetzt alles wieder in Ordnung. Das Material für das nächste Album ist bereits fertig, und wir genießen es momentan, merkwürdige Shows und Festivals zu spielen.

Erklär doch bitte noch einmal, warum aus DØDHEIMSGARD DHG wurde…

Unser Name ist nach wie vor DØDHEIMSGARD. DHG ist einfach eine Abkürzung wie FBI für Federal Bureau of Investigation. Ich dachte, das wäre passend angesichts der Zeit, die vergangen ist. Es markiert die Rückkehr und bezeichnet gleichzeitig auch die neue Ära der Band. Ich bin der einzige, der noch von „666 International“ übrig ist, deshalb hielt ich das für passend.

Was ist mit Aldrahn passiert? Was macht er heute?

Aldrahn hatte die Befürchtung, zuwenig Zeit für die Band zu finden, da er mittlerweile ein Kind hat. Wir haben uns oft darüber unterhalten, und entschlossen uns, dass er für dieses Album eine Auszeit nehmen würde. Das ist nichts dramatisches. Er ist immer noch der beste Freund, den ich habe.
Aldrahn wird beim nächsten THORNS-Album mitarbeiten, und ist auch als Sänger bei THE DEATHTRIP tätig. Beides großartige Bands.

„Supervillain Outcast“ in den Läden und den Hörer erwartet ein zum Teil experimentelles Album, zum Teil aber auch einfach nur schräger, abgedrehter Stoff. Was zum Geier hat euch geritten, solch ein perverses Stück Musik zu schreiben? Was ist die Idee hinter „Supervillain Outcast“?

Ich weiß es nicht… Musik wie diese zu schreiben passiert bei mir ganz natürlich. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass ich nicht Musik schreibe, um wie Band X oder Y zu klingen. Die persönliche Note ist für mich sehr wichtig, es ist eine Art Trademark für DHG geworden. Ein anderer Grund ist wohl, dass ich äußerst unterschiedliche Arten von Musik höre, weshalb ich nicht nur von Metal inspiriert werde. Einige Inspirationen können auch völlig nicht-musikalischer Natur sein, z.b. sozialer Realismus, meiner wahrscheinlich größten Muse.
Das Konzept des Albums ist in aller Kürze das Erkennen der mechanischen Strukturen unserer Gesellschaft und den Tabus, die diese Strukturen bestätigen wie auch bekämpfen. Die Ich-Perspektive des Albums blickt auf diese verdorbene Welt, emanzipiert sich von ihr, erreicht dadurch einen einsamen Platz in sich selbst und definiert alles neu. Auf diese Weise findet man zu seinen wahren Fähigkeiten und Funktionen. Es geht darum, das Bestmögliche für sich selbst zu erreichen. Sich selbst durch einen großen Kampf zu definieren und in etwas Großes zu transformieren. Es ist ein sehr mentales Album, vor dem Hintergrund unserer schäbigen Realität. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung endloser Möglichkeiten.

Hast du bereits genug Abstand um das Album aus deiner Sicht objektiv zu reflektieren? Was gefällt dir persönlich am Besten?

Ich mag das Album so wie es ist. Das war auch der Sinn dahinter: das alles zueinander paßt. Musik, Texte, Cover, Bilder, etc. Ich bin sehr glücklich damit und denke, dass ich nun am richtigen Punkt meiner Karriere bin. Es ist einfach das Gefühl, dass ich mit diesem Album das bis dato beste Werk abgeliefert habe, aber auch die Gewißheit, dass ich in Zukunft zu noch viel Besserem fähig bin.

DHG haben einen enormen Stilwandel hinter sich, wenn man die komplette Discography betrachtet. War euch damals schon klar wohin ihr mit der Band wolltet oder passierte diese Veränderung schlichtweg durch die vielen Line-Up-Wechsel und die dadurch entstandenen neuen Impulse?

Die Besetzungswechsel hatten in der Tat ihren Einfluß, wenn auch nicht sehr großen. Seit der „Satanic Art“ EP lag das Songwriting in meinen Händen, deshalb gibt es schon Unterschiede, aber nur unterschwellig. Wir haben uns natürlich weiterentwickelt. Anfangs hat mich das sehr fasziniert, ein Projekt zu haben, welches sich einerseits inhaltlich entwickelt aber auch eine persönliche Weiterentwicklung mit sich bringt. Ich erweise damit auch all meinen Werken den nötigen Respekt, und belasse sie in ihrer Einzigartigkeit. Würde ich drei „Kronet Til Konge“ oder ein paar „666 International“ machen, wäre das nichts besonderes mehr. Mich selbst zu wiederholen liegt mir nicht im Sinn. Ich unterlasse es auch, die Alben miteinander zu vergleichen – sie sind, was sie sind.

Die schnellen Anteile verschwinden zunehmend. „Supervillain Outcast“ bietet stellenweise sogar ein paar eingängige Parts. Werden DHG (neben aller Schrägheit) auf dem nächsten Album nun Massenkompatibel?

Tja, sag Du’s mir. Ich schreibe einfach das, was mir als richtig erscheint. Ich hatte keinerlei Ahnung, wie die Leute auf das neue Album reagieren würden. Von diesen Erwartungen, von denen es nach „666 International“ reichlich gab, habe ich mich schon frühzeitig verabschiedet. Es lag einfach an mir, es für mich selbst herauszufinden, und „Supervillain Outcast“ ist das Resultat.
Ich denke nicht, dass es weniger schnelle Parts gibt, als auf „666 International“, weil es auf diesem auch nicht sonderlich viele davon zu hören sind. Abgesehen von „Ion Storm“ gibt es hier und da mal ein paar Blasts.

Darf man DHG überhaupt noch mit dem Begriff Black Metal in Verbindung bringen? Wo siehst du die Band? Irgendwo im Großraum Metal oder gibt es eine klare Vision davon, wo DHG hineingehören? Ich meine. Niemand, bzw. nur wenige lassen sich gerne kategorisieren, aber der Mensch sucht ja trotzdem immer nach Schubladen, in denen er etwas einordnen kann…

Ich finde es amüsant, wie die Leute sich den Kopf darüber zerbrechen, uns einordnen zu wollen. Für mich sind DHG nach wie vor Black Metal. Wenn man zum Anfang der Neunziger zurückblickt, war ein persönlicher Sound sehr wichtig, um zum Black Metal zu gehören. Keine der damaligen Bands klang irgendwie ähnlich. Dazu kommt, dass ich es dem Black Metal zu verdanken habe, derjenige zu sein, der ich bin, und stehe ihm loyal gegenüber. Für mich ist Black Metal nicht unterproduzierter, extrem vorhersehbarer Nonsens, es ist mehr eine mentale Sache.

DHG müssen natürlich bei einem Album wie „Supervillain Outcast“ damit rechnen, dass es nicht überall mit offenen Armen (bzw. Ohren) aufgenommen wird. Wollt ihr euch abgrenzen, ist es euch egal, wie die Reaktionen ausfallen oder geht ihr ganz einfach mit dem Kopf durch die Wand ohne Rücksicht auf Verluste?

Wenn es die Leute nicht mögen, ändert das nichts an meiner Sichtweise. Ich war dieses Mal ziemlich sicher, dass es viele geben wird, die das Album nicht mögen, weil Aldrahn nicht daran beteiligt war, und ich unseren Sound abermals neu definierte. Wie man sich täuschen kann. Ich hab nie zuvor solch überschwengliche Reviews gelesen.
Ich dachte, „666 International“ wäre das größte, was ich in dieser Hinsicht in meiner Karriere vollbracht hätte, aber „Supervillain Outcast“ hat diesen Thron innerhalb weniger Wochen erobert. Sogar die kommerziellen Medien haben diesmal Wind davon bekommen. Es gibt nur ein Wort für die Reaktionen: Überragend! Wie schon gesagt, es würde mich nicht kümmern, wenn es anders gelaufen wäre, aber so ist das Ganze natürlich ein fetter Bonus.

Mir persönlich gefällt „Horrorizon“ am Besten. Der Track hat Kraft, gute Rhythmen und einen sehr geilen, schnellen Part, der mit richtig schaurigen Tönen unterlegt ist. Kommt dieses „Heulen“ von einer Gitarre oder doch aus der Konserve?

Es ist ein Sample, mit dem ich herumexperimentiert habe. Schön, dass dir der Song gefällt, ist auch einer meiner Lieblinge, auch wenn er es fast nicht auf das Album geschafft hätte. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt wußte ich nicht, was ich damit machen sollte, es klang einfach nicht richtig.
Es ist ziemlich cool, dass die persönlichen Favoriten der Leute so stark variieren. Irgendwie ist jeder Song ein Favorit der Leute, was eine tolle Bestätigung ist.

Die Blastbeats in dem Track sind verdammt schnell und extrem. Diese Kombination zwischen Midtempo und Gehämmer funktioniert wunderbar. Zudem steht euch dieses leicht horrorartige ganz gut zu Gesicht. Steckt eine bestimmte Idee hinter dem Lied? Wovon handelt es und was um Himmels Willen ist ein „Horrorizon“?

Hör genau hin. Ich möchte nichts spezielles darüber offenbaren, hier ist einfach der Hörer gefragt. Es ist eine mentale Sache, was in gewisser Weise ein Gefühl der Vertrautheit erzeugen soll. Etwas in dir, was mit der Musik zusammenhängt. Der Horror bei DHG hat nichts mit Halloween-Horror zu tun. Es ist organischer und handelt von der Verdorbenheit des Menschen, von all den geheimen Orten in uns allen. Die Dynamik zwischen dem, was verboten ist und was es überschreitet. Ordnung und Chaos auf allen Stufen.

Ich muss gestehen, dass es auch ein paar Tracks gibt, die mir persönlich nicht so zusagen, wie zum Beispiel „All Is Not Self“ oder „The Snuff Dreams Are Made Of“. Wie würdest du mir diese Tracks schmackhaft machen, so dass ich ihnen noch eine Chance gebe?

Vermutlich gar nicht. Wenn du sie nicht fühlst, ist es eben so, und damit kann ich leben. Wie ich schon sagte, es muß ein Teil von dir sein, sonst ist es sinnlos. Vielleicht werden die Tracks trotzdem noch stärker für dich, man weiß ja nie. Ich glaube kaum, dass jemand das Album gleich nach dem ersten Durchlauf gemocht hat. Damit will ich nicht sagen, dass du es nicht oft genug angehört hast, aber ich denke, dass Album wächst mit der Zeit, und man kann jedes Mal etwas Neues entdecken. Genieße einfach die Songs, die dir gefallen, lass sie auf dich einwirken, und dir etwas erschreckendes über dich selbst zeigen.

Das Album kursierte vor der Veröffentlichung als Rough Mix (?) im Internet. Die Tracks weisen stellenweise noch etliche Unterschiede zur finalen Version auf. Was hat es mit dieser Version auf sich und wie um alles in der Welt kam sie ins Netz? Gab es eine „Sicherheitslücke“ bei euch?

Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, sowie ich ohnehin wenig darüber weiß. Wenn es den Leuten gefällt, soll es mir recht sein. Das einzige, was etwas schädigend wirken kann, ist, wenn die Leute es für das richtige Album halten. Das sind nunmal die Zeiten, in denen wir leben, und Downloads gehören dazu. Wenn man sich nicht damit abfindet, wird man über kurz oder lang unglücklich darüber.

Ein Freund spielte mir diesen Mix vor und ich muss gestehen, dass ich den eigentlich ziemlich cool fand, wenn auch sehr roh. Auch wenn ich nun vermutlich deinen Unmut heraufbeschwöre, aber ich muss gestehen, dass mir manche Tracks in der Rohfassung sogar etwas besser gefallen als die endgültige Fassung. Die ganzen elektronischen Spielchen fehlen noch und der Sound ist auch noch nicht ganz so trocken wie auf dem Endresultat. Kannst du meinen Gedankengang nachvollziehen?

Nun, dass ist deine Meinung, und ich hab kein Problem damit, sie zu akzeptieren. Ich sagte ja, wenn es den Leuten gefällt, sollen sie es ruhig haben.

Stichwort Live-Aktivitäten. DHG auf deutschen Bühnen…?

Es gibt jede Menge Pläne. Es wird ein sehr erfüllendes Jahr, was die Liveszene betrifft. Ich find’s cool, ich genieße Live Shows wirklich sehr, diesen Moment, das Hier und Jetzt mit dem Publikum zu teilen – eine coole Dynamik.
Wir werden am 26. Mai auf dem Bitterfeld Festival in Deutschland spielen. Ich habe schon im Vorfeld nur Gutes darüber und über den Promoter gehört, deshalb freue ich mich sehr darauf. Wir haben auch ein paar Touren in Planung, aber mehr dazu später.

Ich danke dir für deine Geduld und dass du dich meinen teilweise kritischen Anliegen gestellt hast. DHG werden, wenn ihr so weiter macht, immer eine art Paradiesvogel im extremen Metalbusiness sein. Hut ab vor eurem Mut!
Die letzten Worte gebühren dir…

Danke für dein Interesse.

23.05.2007

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