Dodecahedron
Auch mathematischer Black Metal ist Krieg!
Interview
Dass mathematische Musik durchaus heavy und brutal sein kann, ist kein Geheimnis, dennoch haben DODECAHEDRON die Geometrie für sich entdeckt und sich daran beim Komponieren der Songs für das zweite Album „kwintessens“ orientiert. Nicht nur das, hinter dem Album steckt ein tief gehendes Konzept. Mehr dazu erzählten uns Sänger Michael Eikenaar und Gitarrist Michel Nienhuis im Interview.
Michael Eikenaar und Michel Nienhuis sprachen mit uns…
… über die Gründung von DODECAHEDRON
Ich [Michel Nienhuis, Anm. d. Red.] gründete DODECAHEDRON, nachdem ich meine alte Band verlassen hatte. Ich hatte die Vision von atmosphärischen Black Metal und wollte diese mit einem anderen Ausgangspunkt angehen. Dabei wollte ich nicht irgendeine Band gründen, sondern verschiedene Dinge austesten. Ich experimentierte mit atmosphärischen und Orchestral-Plugins, aber das klang klischeehaft und überholt.
Zu der Zeit studierte ich Komposition in Amsterdam und tat mich da mit einem Kommilitonen zusammen, der Soundsynthese studierte und nun übrigens unser zweiter Gitarrist und Produzent ist. Wir kreierten seltsame Klänge, was den endgültigen Startschuss markierte. Es war die Antwort auf die atmosphärischen Layer. Die Zusammenarbeit inspirierte uns beide und sowie unsere Vision klar geworden ist, gründeten wir die Band schließlich beim Incubate Festival 2009. Und so hatten wir endlich die Möglichkeit, unser Debüt aufzunehmen. Dabei geht es uns nicht darum, in der Musikindustrie etwas zu reißen. Das lohnt sich für uns nicht. Wir haben eher diese Dunkelheit, die wir zum Ausdruck bringen wollen.
… über den Einfluss von MAYHEMs „Ordo Ad Chao„
Ja das stimmt. Auch wenn wir uns wenig um Referenzen kümmern, freuen wir uns, wenn der Name dieses Albums fällt. Blasphemer, ein wirklich kreativer Komponist, hat generell einige Alben geschaffen, die in beispielhafter Manier ihre Message und ihr Konzept herüber bringen. Es sind einfach Alben, die komplett anders klingen. Er hat eine sehr detaillierte Vision der Musik, eine Absicht. Ich meine, „Grand Declaration Of War“ war schon seltsam, aber was bitte geht auf „Ordo Ad Chao“ ab? Wieder ein komplett anderer Ansatz, dazu diese grottige Produktion, die so schlecht ist, dass sie einfach Absicht gewesen sein muss. Dann noch diese seltsamen Hooks, cleanen Gitarren, chromatische Riffs und allerhand ungewöhnliche Ideen, die sich im gesamten Album finden. Hier gibt es so viele verschiedene Motive, dass das auf keinen Fall ein Zufallsprodukt war.
Üblicherweise werden wir ja mit DEATHSPELL OMEGA verglichen, aber das langweilt uns nur noch. Es nervt und zeugt von engstirnigem Schubladendenken. Wir interessieren uns für moderne Musik, die intensiv und voller Energie ist. Dabei arbeiten wir unabhängig, mastern selbstständig, kreieren unser eigenes Artwork, unser eigenes „Gesamtkunstwerk“. Wir wollen einfach die absolute Kontrolle haben, denn wenn wir froh mit dem Ergebnis sind, dann sind wir auch erfolgreich. Ich meine, wir haben unsere Einflüsse, klar, aber eher ist es der innere Drive, der uns vorantreibt. Drei-Akkorde-Musik ist zwar schön von Zeit zu Zeit, wird aber schnell langweilig. Wir wollen da etwas richtig einzigartiges Schaffen, was auch die lange Wartezeit zwischen den Alben erklärt.
… über das Debüt und dessen Einfluss auf das neue Werk
Unser Debüt besteht im Grunde aus zwei Abschnitten. Die letzten drei Tracks ergeben ein Konzept und fließen ineinander. Wir mochten das sehr, so sehr, dass wir genau das mit der Gesamtheit von „kwintessens“ erreichen wollten. Es sollte geschlossen wirken, wie die Summe aller Teile, aber auch zugänglicher. „Easy Listening“ für unsere Verhältnisse eben. (lacht) Die alten Tracks haben da echt allen einiges abverlangt, aber am zweiten Album haben wir als Gruppe gearbeitet, haben zusammen den Sound ausgearbeitet, das Artwork, selbst die Lyrics, die hier erstmals im Bandkonsens entstanden sind. Durch Kommunikation entwickelten wir die Ideen weiter, es war ein deutlich systematischerer Prozess.
Dadurch fühlt sich dieses neue Album für uns viel kompletter an, sodass es wahrhaftig kathartisch war, ins Studio zu gehen und diese schwarze Magie zum Leben zu erwecken. Wir wissen, wo unsere Grenzen sind, also pushen wir uns gegenseitig darüber hinaus. Im Grunde macht die Band aus den Skeletten, die am Anfang eines Songs stehen, die Musik. Sie atmet für uns eine monumentale Energie, weil wir uns eben so sehr pushen. Dadurch ist es uns möglich, etwas zu kreieren, das es verdient, lebendig zu sein, um alles zu zerstören.
… über das Konzept von „kwintessens“
Das neue Album atmet definitiv eine primitive Energie. Es geht um den Hunger nach Macht, der außer Kontrolle gerät, sobald das Individuum davon trunken ist, wenn sich Gier und Größenwahn durchsetzen und die Oberhand gewinnen. Und wenn die Dinge derart aus den Fugen geraten, kreiert man ein solches Monster, mit dem man diese Erkenntnis gewinnt, dass alles über kurz oder lang in sich zusammenfällt.
Die Natur des Menschen ist nun mal die ideale Vorlage für die griechische Tragödie, in der es ja auch um Entwicklungen geht, die außer Kontrolle geraten und in einer Katastrophe enden. Es ist eine Metapher, die sich auf andere Lebenslagen übertragen lässt. Und der Kurs, den die Welt derzeit nimmt, ist beileibe nicht gesund. Im Grunde durchleben wir derzeit diese unglaubliche Dekadenz des römischen Imperiums kurz vor dessen Zusammenbruch. Und diese Art Geschichte erzählt „kwintessens“, nicht als Gimmick, sondern eben als Mittel, um auszudrücken, was wir empfinden.
… über die Geometrie des DODECAHEDRON-Sounds
Es passt perfekt in unser Konzept. Der musikalische Aspekt spielt da natürlich die Hauptrolle. Wie können wir ein Album noch bündiger gestalten? Wir suchen nach Wegen, um dies zu erreichen, die Punkte sozusagen zu verbinden. Und so wandten wir uns an geometrische Formen, die man aus verschiedene Blickwinkeln betrachten und unterschiedlich interpretieren kann. Wir kamen schließlich auf den Dodekaeder, der Zwölfflächner. Uns ging es vor allem um die zwölf Flächen, die wir näher betrachteten. Eine dieser Flächen hat fünf Seiten, wobei sich immer drei Linien kreuzen.
Der Sinn hinter dieser Betrachtung war es, uns herauszufordern und unserer Musik quasi so etwas wie Naturgesetze aufzuerlegen. Wenn man diese Disziplin beim Schreiben von Musik aufwendet, kommt oft das beste dabei heraus. Wenn man sich eben an diesen Formen und Ziffern orientiert, entsteht etwas wahnsinnig kohärentes, das irgendwie nicht mit dem westlichen Verständnis von Harmonie, sondern vor allem mit sich selbst im Einklang steht. Und wenn wir diese Regeln dann doch mal brechen, fällt das umso mehr auf, wird also umso effektiver. Das mussten wir eben auf 40 Minuten hinkriegen. Bei einem einzelnen Track ist das nicht so schwer, aber bei einem ganzen Album ist das schon eine enorme Herausforderung.
… über „Tetrahedron – The Culling Of the Unwanted From Earth“
Das mit dem Lovecraft-Monster in deiner Rezension ist eine großartige Interpretation. Dieser technische Part sollte genau so etwas beim Hörer assoziieren. „Tetrahedron“ ist unserer Meinung nach tatsächlich die schlüssigste Komposition des Albums. Es hat diesen seltsamen Klang, bei dem sich ein Gedankenfilm über monumentale Themen abspielt. Dieses Auslösen von Vorstellungen war auch die Intention dahinter. Wir wollten so eine Entität in unserer Musik entwickeln, ein gewisses Thema darstellen.
… über „Dodecahedron – An Ill-Defined Air Of Otherness“ und dessen Nähe zu „Sunbather“
Ja, als wir den Song auf Facebook gepostet haben, sind die Fans ausgerastet und haben uns den Ausverkauf vorgeworfen. Zugegeben, er erinnert tatsächlich ein wenig an „Sunbather“, aber er hat seinen Platz im Album und den kann man eben nicht nachvollziehen, wenn man das gesamte Werk nicht kennt. Eigentlich sollten wir diesen Track als erstes veröffentlichen, wir hatten aber befürchtet, das so etwas passieren würde und entschieden uns daher zunächst für „Hexahedron – Tilling The Human Soil“.
… über die Live-Präsenz der Band
Schau dir die Bilder an. Licht kommt aus dem Hintergrund, sodass du von uns nur die Silhouetten siehst. Das dient nicht nur der Theatralik, sondern soll auch die Nutzlosigkeit des Individuums darstellen. Wir liefern präzise Klanggewalt auf der Bühne und nehmen uns da auch sehr ernst. Entweder du tust das auch, oder du kannst gleich gehen. (lacht)
Wir sehen uns da wie Strategen, die sich für einen akustischen Krieg vorbereiten. Natürlich sind auch unsere Auftritte bis ins kleinste Detail durchdacht. Es ist so läuternd, wenn man diese komplexen Kompositionen mit voller Inbrunst spielt. Demnächst haben wir unsere ersten Shows als Headliner. Die Musik verlangt dir einfach alles ab, sodass du immer 100% geben musst. Darunter geht nichts. Wir spielen selbst nahe der Bewusstlosigkeit.