Dew-Scented
Interview mit Leif und Hendrik zu "Issue VI"
Interview
Das neue Album „Issue VI“ ist im Kasten und noch so frisch, dass es die Band an diesem Samstag Abend selber zum ersten Mal laut gehört hat! Nach dem ersten Durchlauf der offiziellen Listening Session doch sichtlich beeindruckt, ging es dann daran, den Jungs einmal auf den Zahn zu fühlen, was sie sich eigentlich dabei gedacht haben. Die sehr sympathischen Bandvertreter Leif (vox) und Hendrik (git) standen Kollege Kervorkian und mir dann zur Entstehung ihres sechsten Outputs, zum Erwartungsdruck und zur potenziellen Zukunft der Band auch offen Rede und Antwort.
Thomas: Hi Lief, na wie ist denn Dein Eindruck vom heutigen Tag? Bist Du zufrieden?
Leif: Soweit – so gut. Für mich sind die Sachen ja auch noch sehr neu. Ich hab die bis jetzt vielleicht eine handvoll Male gehört und in der Lautstärke wie heute noch gar nicht, sondern seither eigentlich immer über Kopfhörer, um Verbesserungen oder Veränderungen zu finden. Ich bin recht überrascht, das Feedback klingt sehr gut, sowieso, aber gleichzeitig auch in der Art, wie wir uns das erhofft hatten. Der Hörer, jetzt nicht der Macher, merkt, dass die Platte abwechslungsreicher ist und dass wir dieses Mal mit sehr viel Liebe zum Detail gearbeitet haben. Der Selbstfindungsprozess ist noch nicht abgeschlossen, haha! Die Platte kommt ja auch erst im Juni raus und bis dahin werden wir hoffentlich gemerkt haben, was die besseren und was die schlechteren Songs sind. Da konnten wir uns bisher noch gar nicht entscheiden, auch nicht, welcher Song von der Platte noch runter soll.
Thomas: Bitte nicht „Evil Dead“!
Leif: Nein, der soll schon drauf sein! ZEKE ist eine supergeile Band, es macht Spaß, den Song zu spielen und ich denke, er würde auch einen guten Abschluss für die Platte bilden. Es ist eben schwierig: Du zeugst vier Kinder und welches der Kinder hast Du weniger lieb?
Thomas: Stimmt, auch wenn es ein Kuckuckskind ist…
Leif: Stimmt, ist aber trotzdem ein Kind!
Thomas: Habt Ihr eigentlich einen besonderen Druck verspürt, als Ihr die neue Platte gemacht habt?
Leif: Nein, ich glaube der Druck war beim letzten Mal größer, wenn ich ehrlich bin. Wir hatten ja drei Platten veröffentlicht, bevor wir bei Nuclear Blast unterschrieben und „Inwards“ rausgebracht haben. Und da war der Druck sehr, sehr groß, „Inwards“ zu toppen. Wir haben auf Aggression und Geschwindigkeit gesetzt und mit „Impact“ das kompromissloseste Album gemacht, das wir konnten. Jetzt ging es eben darum, die besten Elemente der Band zu verschmelzen und so offen und gemütlich zu präsentieren wie möglich. Wir haben uns selber nicht sonderlich unter Druck gesetzt. Wir wussten zwar, dass die Platte gut werden muss, aber das muss ja jede Platte. Da war jetzt nichts Tragisches dabei, kein Sensenmann, der uns im Nacken sitzt. Oder klingt das Album, als hätten wir viel Druck gehabt?
Thomas: Nein, keineswegs. „Impact“ war ja schon in derselben Schiene wie „Inwards“, nur eben ein Schritt weiter. Ich hatte mich im Vorfeld schon gefragt, wie Ihr das jetzt noch toppen wollt. Denn weiter nach vorn geht es wohl kaum mehr. Ich bin sehr positiv überrascht, dass Ihr einen Schritt in eine andere Richtung gemacht habt, der aber trotzdem kein Rückschritt ist.
Uwe (zu Hendrik): Guten Tag, Herr Bache, ham’wer gut gemacht, haha!
Leif: Das war das Ziel oder die Idee dahinter, uns selber treu zu bleiben. Und ich denke, was anderes können wir auch gar nicht. Selbst wenn wir jetzt versuchen würden, einen Gothic Song zu schreiben, würde er wahrscheinlich genauso klingen wie das, was wir heute Abend gehört haben.
Hendrik: Wir haben krampfhaft versucht, einen Midtempo Song zu schreiben, und der ist gerade so gelungen.
Kervorkian: Aber dafür habt Ihr ja noch einen Cowboy Song geschrieben.
Hendrik: Ja Cowboy Song, Bonanza, ne? Hier dingens… Hahaha!
– Besagter Song läuft gerade im Hintergrund und Hendrik und Kervorkian trommeln spontan den Rhythmus auf dem Tisch mit. –
Leif: Wir haben beim Schreiben einfach versucht, auf die Breite zu schielen. Es ist immer rifforientiert, weil unsere Musik eben aus Riffs entsteht und die Gitarren den ersten Ursprung geben. Und die versucht man eben so nett wie möglich zu verpacken. Diesmal haben wir gesagt ‚es geht nicht darum, dass wir die Schnellsten sind‘ sondern ‚es geht darum, dass die Songs gut sind‘.
Thomas: Ihr hattet also keine bestimmte Richtung, in die Ihr gehen wolltet?
Leif: Nein, nicht wirklich. Wir waren jedes Mal aufs Neue erstaunt, was dabei rauskam, wenn ein neuer Song dazu gekommen ist. Wie gut er sich integriert oder wie sehr er aus dem Rahmen fällt…
Hendrik: Wir hatten auch nie den Druck oder das Gefühl, auf diesen oder jenen Part einen Uffta spielen zu müssen, weil wir sonst dachten, wir wären zu langsam, sondern wir sind herangegangen und haben gesagt ‚wir spielen dieses Ding langsam und schauen, ob es gut klingt‘ und dann haben wir es meistens auch so gelassen, weil es auch wirklich gut klang!
Leif: Es ging um Abwechslung und darum, dass die Songs so gut wie möglich klingen.
Hendrik: Wir haben es nicht unter diesem Druck und diesem Zwang gemacht, den wir bei „Impact“ hatten, wo wir sagten ‚wir müssen jetzt unbedingt einen schnelleren Part auf dem Schlagzeug spielen, weil wir sonst „Inwards“ nicht toppen‘. Sondern wir sind da ganz locker herangegangen und haben gesagt ‚hier machen wir jetzt einen langsamen Groove Part auf dem Schlagzeug‘ und das macht die Sache komplett anders.
Leif: Es ist alles sehr mathematisch, denn die Grenzen, in denen wir uns mit unserer Musik bewegen, sind sehr eng. Ob Du die Gitarre jetzt extrem easy spielst oder extrem hart, das klingt für das ungeübte Ohr eh alles gleich.
Hendrik: Nö, also…
Leif: Klar, für unser Ohr nicht, aber für das ungeübte Ohr! Wenn jetzt jemand den ganzen Tag Mariah Carey hört, dann klingt das für den wie Krach.
Hendrik: Aber das sind ja nicht unsere Hörer!
Leif: Was wir für uns eben versucht haben war, eine Platte zu machen, in der mehr drin steckt, die mehr Bandbreite hat und wo hauptsächlich der Song im Vordergrund steht und nicht die Geschwindigkeit oder der bestimmte kreischende Solopart oder so was. Darum ging es gar nicht. Es ging darum, songdienlich zu arbeiten. Zum Glück hatten wir im Endergebnis genug Material im Studio, bzw. sogar viel zu viel Material, was die Platte halt spannend macht.
Thomas: Das soll „Impact“ jetzt aber nicht abwerten, oder?
Leif: Nein, nein, nein! Wir waren super glücklich mit „Impact“ und sind es immer noch. Es ging halt nur darum: Was macht man nach „Impact“? Die Gedanken haben sich andere Leute mehr gemacht als wir. Für uns ging es darum, eine Platte zu machen, die schlüssig ist, die schöne Songs hat, die sich hoffentlich nicht zu sehr von dem unterscheidet, was wir machen wollen und die trotzdem noch DEW-SCENTED ist. Und ich hoffe, das ist uns gelungen. Ich glaube, wenn die Trackliste erst einmal steht und die Platte rauskommt, wird das ganze sehr livetauglich sein, obwohl wir viel Frickelei drin haben.
Hendrik: Das ist auch das erste Mal bei einem Album, dass so viele Songs livetauglich sind. Bei „Impact“ war das eben ‚OK, der und der Song sind livetauglich und jetzt fällt uns die Auswahl einfach schon zu schwer‘. Wir müssen halt immer überlegen, was wir live spielen können und worauf die Leute stehen, weil wir eben alles geil finden und irgendwo denken, dass alles livetauglich ist.
Leif: Deshalb waren wir auch auf die Listening Session und die Reaktionen, was so im Ohr hängen bleibt und was nicht, sehr gespannt. Wir haben einfach noch sehr wenig Abstand zu den Sachen.
Hendrik: Wir sind gerade auch noch ziemlich überfordert. Wir sind, wie gesagt, vor zwei Wochen erst aus dem Studio gekommen und sind die Sachen momentan einfach noch über. Wir können noch gar nicht beurteilen, ob jetzt der Song wirklich runter muss oder nicht.
Thomas: Würdet Ihr sagen, dass „Inwards“ und „Impact“ im Vergleich eher „Bauchalben“ waren?
Leif: Eher andersrum. Für mich persönlich war diese Platte mehr Bauch als vorher. Ich weiß ja nicht, wie Hendrik das sieht.
Hendrik: Also so gesehen sehen wir das total anders!
Leif: Das kann gut sein, vielleicht macht das auch die Platte aus.
Hendrik: Ich denke, dass dieses Album vom Musikalischen her viel überlegter ist als alle anderen. Wir sind sehr bewusst herangegangen und haben gesagt, wir spielen keinen Uffta auf diesen Part. Wir spielen einfach Gitarrenriffs, auf die IMMER ein Uffta passt. Und das war auf „Impact“ durchgehend so. Diesmal sind wir herangegangen und haben gesagt, wir machen jetzt nicht Uffta, sondern einen anderen Rhythmus. Das hat funktioniert und wir haben so das ganze Album durch weitergemacht. Gleichzeitig haben wir halt darauf geachtet, dass es nicht zu langsam wird und auch die schnellen Elemente nicht zu oft vorkommen. Das Ding sollte abwechslungsreich werden und die Leute schön mit Midtempo Parts und Abgeh-Parts befriedigt werden. Und das ist jetzt eben draus geworden.
Leif: Mehr Spannung eben. Das steuert das ganze Ding. „Impact“ ist für mich immer noch ein Hammer Album. Wenn Du in die Fresse haben willst, ist „Impact“ genau das Richtige. Und jetzt ist es eben so: Du kriegst in die Fresse, liegst am Boden, stehst wieder auf und kriegst noch mal in die Fresse. Bei „Impact“ stehst Du halt gar nicht wieder auf.
Kervorkian: Und dadurch wirkt das In-die-Fresse-kriegen noch viel krasser, wenn man vorher eine Weile am Boden liegt. Die Blastbeats zwischendurch knallen dadurch einfach viel härter!
Leif: Es tut gut zu hören, dass es so wirkt, denn so war es auch gedacht.
Hendrik: Wir haben vielleicht drei oder vier Blastbeat Parts auf der Platte, und da knallt es dann eben wirklich! Eben bewusst dezent eingesetzt.
Leif: Wenn die Doublebass durchgeht, dann geht die Doublebass eben durch. Wenn der Gesang extrem rhythmisch und extrem hookline-betont ist, dann ist er eben auch so. Nichts Halbes und nicht Ganzes eben. Und das sollte bei dieser Platte eben nicht der Fall sein.
Thomas: Das ist ja bei allem so: wenn man etwas zu exzessiv betreibt, nutzt es sich eben ab. Auf dieser Platte ist aber alles sehr ausgewogen.
Leif: Exakt, so ist es. „Impact“ war die Geschwindigkeitsmesslatte, auch für uns selber. Und das hier ist die Verschmelzung von allen Elementen, hoffentlich so gut wie möglich songdienlich.
Hendrik: Das ist auch, was wir erreichen wollten: diese Ausgeglichenheit beider Fronten, ein Kompromiss sozusagen.
Leif: Es sollte nicht nach SLAYER klingen und nach TESTAMENT klingen, sondern nach SLAYER und TESTAMENT zusammen, haha!
Hendrik: Nee, es sollte nach DEW-SCENTED klingen, aber trotzdem eben die eigene Schiene fahren.
Leif: Ich wollte nur den Journalisten erzählen, was sie eh schreiben wollten, haha!
Thomas: Der Name SLAYER wäre hier kein einziges Mal gefallen, wenn Du ihn jetzt nicht erwähnt hättest!
Hendrik: Ich glaube auch nicht, dass er damit von alleine angefangen hätte. Auf dieser Scheibe ist das, glaube ich, auch gar nicht mehr so heftig, dass den Leuten das so auffallen würde. Vielleicht ein paar Solosachen…
Thomas: Bei „In Defeat“ musste ich denken, dass ein ganz klares SLAYER Riff drinsteckt.
Hendrik: Das hat mir vorher auch schon ein anderer Kollege gesagt. Kann ich aber überhaupt nicht verstehen, aber ich denke mal, Ihr meint das Anfangsriff.
Leif: Das ist aber auch Empfindungssache, wie immer. Das ist auch das, was uns momentan an der Platte auch aufmuntert. Wir haben versucht, uns innerhalb der Band hinzusetzen, und zu beschließen, welche Songs besonders gut sind und nach vorne kommen und welche besonders schlecht sind und nach hinten kommen. Wir können uns überhaupt nicht einig werden, was ein gutes Zeichen ist. Denn normalerweise ist es so, dass den richtig guten Song auf der Platte jede Sau erkennt. Vielleicht haben wir das Glück und haben mehr als einen Knallersong dabei.
Thomas: Die kann ich Dir nennen! Meine Favoriten sind nach dem ersten Mal anhören spontan „Processing Life“, „Rituals Of Time“ und „In Defeat“.
Kervorkian: Was mir noch verdammt gut gefallen hat, war der Bonus Song „Full-Blown Revenge“. Den fand ich auch ziemlich, ziemlich fett.
Hendrik: Aah, „Full-Blown Revenge“!
Leif: Wir haben den jetzt als Bonus Song auserkoren, weil er nicht richtig zum Fluss der Platte passte. Egal, wo wir ihn hingesetzt hätten, er hätte nicht richtig gepasst.
Kervorkian: Ja, nach diesem Punkt kann ich es nachvollziehen. Qualitativ ist er aber auf jeden Fall spitze!
Leif: Qualitativ keine Frage. Ich bin auch mit dem Gesang auf dem Song zufriedener als bei manch anderem, jetzt einmal nur für mich gesprochen. Es muss eben albumdienlich sein. Es geht darum, dass das Ding von vorn bis hinten kompakt ist. Er hat einfach nicht so gut hineingepasst.
Hendrik: Und das ist eben ein Punkt, wo die Auswahl so schwer fällt. Denn jeder sagt ‚ey, der Song ist qualitativ gut und den kann man nicht einfach runterschmeißen‘, aber er hat einfach nicht den richtigen Drive.
Kervorkian: Ja, wir hatten es ja vorher schon mit den Kindern…
Hendrik: Aber es ist besser, das Problem so herum zu haben und sich nicht entscheiden zu können, welchen man herauslässt.
Kervorkian: Ein Luxusproblem!
Leif: Genau, ein Luxusproblem. Besser, als wenn man drei Scheißsongs hat und sagen muss ‚OK, einen davon brauchen wir jetzt‘.
Thomas: Mir kommt die ganze Scheibe insgesamt auch etwas technischer vor. Gerade bei „Rituals Of Time“…
Hendrik: Ja, du meinst den Effekt mit den Wechseln? Der lebt eben davon, dass die Gitarren abwechselnd aus den Boxen kommen und wirkt dadurch eben ganz anders…
Leif: Im Kern der Sache ist das richtig. Es ist rhythmischer als vorher. Uwe tobt sich auf der Platte richtig aus, was auch gut ist. Das ist sehr songdienlich, bringt mehr Spannung und mehr Abwechslung.
Thomas: Beim ersten Mal anhören dachte ich, dass das schon fast progressiv zu nennen ist!
Kervorkian: Da kommt Ihr letztlich ja auch her…
Leif: „Ill-Natured“ war damals ein sehr technisches Album, vielleicht sogar zu technisch. Das wird auch ein Grund dafür sein, dass die Sachen auf „Inwards“ so geradeaus sind. Aber ansonsten liegt das daran, dass wir einen sehr technischen Trommler und sehr technische Gitarristen haben. Ich bin dagegen überhaupt kein Techniker und mag es eher auch geradeaus. Aber das macht die Sache vielleicht auch aus. Wenn sich die Gitarristen zusammen mit dem Schlagzeuger austoben, und es trotzdem noch songdienlich ist, macht das vielleicht den Charme aus. Nimm KREATOR als Beispiel: eine supergeile Band und auch ein großer Einfluss für uns, aber die sind halt sehr gerade. Das KREATOR Schema ist halt ganz klar. Wir haben eigentlich kein Schema, weil wir als DEW-SCENTED im Prinzip nichts zu gewinnen und nichts zu verlieren haben. Bei uns steht ja nichts auf dem Spiel. Wenn sich die Musiker in den Songs deshalb austoben und es trotzdem noch gut klingt: warum nicht? Ich habe viele Songs ja erst kennen gelernt, als sie fertig waren und für meine Ohren klang das frisch!
Thomas: Das tut es, keine Frage! Anderes Thema: Albumtitel. Mal wieder ein „I“…
– Allgemeines Gelächter –
Kervorkian: Wie heißt die nächste?
Leif: Also wir hatten mit Nuclear Blast abgesprochen, wenn der nächste Vertrag scheiße wird und die anfangen, irgendwelche B-Seiten auszukoppeln, dann nennen wir die Platte wahrscheinlich „Insolvenz“ oder so. Aber schauen wir mal! Kommt darauf an, wie die Vertragsverhandlungen laufen, haha! Es kommt auf das Charisma der Platte an. Bei dieser Platte waren wir uns auch nicht mehr so sicher, ob wir das Konzept noch weiter verfolgen sollten, weil eben auch irgendwann ein Stempel draus wird, den man nicht abwaschen kann und der einfach nervt. Wir wollten nur damit weitermachen, wenn es auch passt. Wir hatten dann zum Glück das Konzept von Björn von Killustrations, der auch das Artwort zu „Impact“ gemacht hat. Wir fanden das aggressiv. Es hat etwas sehr Stylishes, aber zur selben Zeit auch etwas sehr Kühles und Böses. Als er dann fragte, was überhaupt der Titel der Platte sei, und wir uns darüber noch gar nicht so sicher waren, haben wir versucht, das irgendwie zu verbinden. Sechs dieser baumelnden toten Arme haben eben einen Barcode drauf, wir haben versucht das Ganze einfach rund zu machen. Die Platte hätte auch irgendwie anders heißen können, das wäre kein großes Problem gewesen…
Kervorkian: Das wäre ja dann aber auch wieder was mit „I“…
Leif: Haha! Wir hatten zwischendurch mal versucht, von dem I-Schema wegzukommen, aber solange es noch passt…
Kervorkian: Es wäre also kein Auflösungsgrund, wenn Euch keine I-Wörter mehr einfallen, oder?
Leif: Nein, aber ich glaube, wir würden eher den Bandnamen tauschen als auf andere Albumtitel auszuweichen, hahaha!
Kervorkian: I-SCENTED dann?
Leif: I-SCENTED wär geil, doch…
Hendrik: I-COMMERCE.
– Gelächter –
Kervorkian: Hahaha, das hätte dann sogar einen modernen Anstrich!
Leif: Ja, wenn wir gar keinen Plattenvertrag mehr bekommen und nur noch über’s Internet verticken, dann nennen wir uns I-COMMERCE, haha! Du kriegst auf jeden Fall 5%…
Kervorkian: Oh, danke schön! Ich bin dabei!
Thomas: Weiter im Text: Produzent zum dritten Mal: Andy Classen. Hat seine Arbeit gut gemacht.
Leif: Finden wir auch.
Thomas: Bis zur „Ill-Natured“ hattet Ihr ja wechselnde Produzenten. Ab „Inwards“, der ersten Produktion mit Andy, kann man ja durchaus von einem anderen Musikstil sprechen. Hat das etwas mit ihm zu tun?
Leif: Stimmt. Zum Teil kann man das so sagen. Wir hatten bei „Inwards“ mit Andy zum ersten Mal jemanden dabei, der unsere Musik versteht, ohne die anderen Produzenten heruntermachen zu wollen. „Innoscent“ haben wir 1998 ja in einem lokalen Studio aufgenommen und Dan Swanö hat es anschließend gemixt. Der konnte aber nicht mehr viel retten, weil das Ding einfach von jemandem aufgenommen worden war, der nicht aus der Szene kommt. Der macht ganz andere Pegelung, ganz andere Mikrofonierung usw. und uns hat einfach jemand gefehlt, der sagt ‚yo, Eure Songs sind geil, die müssen folgendermaßen klingen‘. Und das hat Andy das erste Mal gemacht und dementsprechend knallt die Produktion mit den Songs halt mehr als vorher. Das ist natürlich auch eine Sache des Budgets. Wir hatten damals nicht die riesigen Budgets. Damit arbeitet man als Demo-Band ganz gut, was wir auch gemacht haben, darüber hinaus wird es allerdings schwierig. Ich glaube, dass sich da zwei passende Varianten zusammengefunden haben. Andy kommt ja aus der Schule und hat das mit HOLY MOSES jahrelang gemacht. Wir sind eine der Bands, von denen ich hundertprozentig weiß, wenn wir ins Studio kommen, sagt er ‚yo, da hab ich Lust drauf‘. Er hat uns diesmal wirklich ein paar Wochen vorher angerufen, war auch bei uns im Proberaum, hat sich ein paar Gigs angekuckt und ist wirklich darum bemüht, selber auch eine Visitenkarte abzugeben und eine Steigerung im Sound hinzubekommen.
Hendrik: Das ist ein gutes Gefühl, ins Studio zu gehen, in dem Wissen, dass der Produzent wirklich das Beste für sich und die Band herausholen will.
Leif: Als er mich angerufen und gesagt hat, er kommt im Proberaum vorbei, um sich die Songs anzuhören, dachte ich der spinnt, denn er wohnt schon auch ein Stück von uns entfernt.
Hendrik: Er hat sich da wirklich auch mit dem Arsch reingehängt. Ihm liegt das genauso am Herzen wie uns. Er ist praktisch das sechste Bandmitglied sozusagen.
Leif: Oder das fünfte, je nachdem.
– Allgemeines Gelächter –
Hendrik: Wir lernen auch jedes Mal voneinander. Er lernt als Produzent bei jeder Produktion mit uns und wir als Musiker lernen auch jedes Mal etwas Neues dazu.
Leif: Er hat dieses Mal schon während den ersten Tagen gesagt ‚wir machen’s diesmal vielleicht anders‘, weil er eben mutig ist. Normalerweise hätte er auch sagen können ‚wir machen’s genauso wie letztes Mal auch, die Songs sind einfach andere, fertig‘. Aber er hat eben selber Lust auf Weiterentwicklung. Andys Anteil an der guten Produktion ist nicht gerade klein.
Kervorkian: Das heißt, Ihr werdet es wohl auch beibehalten, bei Andy zu produzieren?
Leif: Das kommt natürlich auch auf den Spirit beim nächsten Mal an. Wenn er kommt und sagt ‚lasst uns noch einen drauflegen und folgendermaßen geht das‘ oder ‚lasst uns das folgendermaßen angehen‘, dann logisch! Es ist immer eine Sache des Inputs. Manche Bands sagen aus Prinzip ‚wir sollten wechseln‘. Wenn ich persönlich jetzt sagen würde wir wollen wechseln, wüsste ich a) nicht zu wem und b) nicht warum.
Hendrik: Auf der anderen Seite weiß man bei der nächsten Produktion immer mehr. Da weiß Andy, was er besser machen kann und wir genauso. Im Grunde wird es nur ein noch eingespielteres Team.
Leif: Genau, wenn die Vorzeichen nicht so sind, dann sollte man wechseln. Wenn allerdings beide Seiten sagen ‚wir können uns verbessern und wir haben da Lust drauf‘, warum dann wechseln? Ich meine, er liegt malerisch geographisch im Niemandsland, haha, es ist entspannt zum Aufnehmen, es ist nicht weit weg von uns und nicht so eine Sache, wo wir auf einmal irgendwo in Norwegen sind und uns da nicht wohlfühlen oder was auch immer halt. Das wird sich zeigen. Wenn wir ihn morgen Abend anrufen und ihm sagen ’schneid mal ein Master‘ – denn ein Master ist ja noch nicht gemacht, deshalb mussten wir hier heute auch alles programmieren – wird er schon wieder mit ganz anderen Sachen beschäftigt sein. Mal sehen, was seine nächste Entwicklung ist und was unsere ist. Wenn wir uns dann treffen und sagen wir denken in dieselbe Richtung: warum nicht? Qualitativ hat er uns bisher nie enttäuscht.
Kervorkian: Wir bedanken uns für das Interview! Und das Übliche eben: viel Glück usw., haha!
Leif: Vielen Dank auch!