Devin Townsend
"Die Metalszene ist seit jeher verwirrt von mir"
Interview
Gitarrist. Sänger. International renommierter Musikproduzent. Rampensau. Genie. Witzbold. Was kann DEVIN TOWNSEND nicht?
Seine Großtaten mit STRAPPING YOUNG LAD haben dafür gesorgt, dass ihn Fans und Plattenfirmen in eine Schublade gepackt haben, in die er niemals hineingehören wollte. Sein musikalisches Vokabular ist so weit gefächert, dass das Metal-Genre nur eine weitere Farbe darstellt, mit der er malt. In seiner mehrere Dekaden langen Karierre zeigte er sich offen für die verschiedensten Genres und Klangexperimente. Mit CASUALTIES OF COOL releaste der ausgeflippte Kanadier sogar ein Country-Album, während er an anderer Stelle der Liebe für das Ambient-Genre frönt. Den Löwenanteil seiner Aufmerksamkeit verschlingt aber sein überaus erfolgreiches Soloprojekt, mit welchem er die Weirdos und Musiknerds dieser Welt verzückt.
Anlässlich des kommenden Releases von „PowerNerd“, kam es zum spontanen Talk mit dem Tausendsassa.
Wir wünschen euch viel Spaß mit einem Gespräch über Kaffee, Katzen, Krach und Katastrophen!
Hey Devin! Gratulation zum neuen Album. Ich habe es erst vor einigen Stunden gehört. Beim ersten Mal hören klingt es viel gestraffter und „wunderlicher“ als „Lightwork“. War das eine bewusste Entscheidung deinerseits?
Devin: Meine Arbeit ist eigentlich ziemlich selten das Produkt bewusster Entscheidungen. Sie basiert meist auf Intuition. Ich habe nicht gedacht, dass ich ein Album wie „Lightwork“ machen würde.
Warum denn nicht?
Devin: Nun, die Pandemie war für viele von uns einfach etwas komplett Unerwartetes. Als ich „Empath“ fertiggestellt hatte, habe ich eigentlich geglaubt, dass meine Arbeit einen gewissen Weg einschlagen würde. Doch die Erfahrungen, die wir als Menschheit gemacht haben, schufen diverse Szenarien und Inspirationen. „PowerNerd“ wurde zwar wirklich direkt als ein gestraffteres und „wunderlicheres“ Album konzipiert, doch es ist auch viel Kummer mit eingeflossen, da meine Familie eine schwere Zeit durchgemacht hat. Es ist ein widersprüchliches Album, doch ich habe tatsächlich versucht, es ein bisschen kompakter zu gestalten.
Ah okay… Nun, der Titeltrack klingt so, als hättest du einen MOTÖRHEAD-Song in deinem Stil aufgenommen. Gibt es dafür ein spezifisches Vorbild?
Devin: Zu 100 Prozent. MOTÖRHEAD war meine Lieblingsband als Kind. Es ist witzig, weil ich seit den letzten 15 Jahren in der Prog-Szene unterwegs bin. Als Kind habe ich mir aber keinen Prog angehört. Es war stattdessen MOTÖRHEAD, AC/DC und METALLICA. Für mich war es eine gute Inspiration, an der ich mich bedienen konnte.
Ah. Andere Frage: Englisch ist für viele deiner Fans eine Zweitsprache. Könntest du uns erklären, was ein „Knuckledragger“ ist?
Devin: „Knuckledragger“ ist ein Begriff den ich dafür benutze… (Er überlegt kurz) Du weißt doch was ein Cro-Magnon ist oder? So ähnlich wie ein Neanderthaler?
Ja, klar. Die mit der komischen Wulst an der Stirn, ha ha!
Devin: Genau. Diese primitiven Menschen. Man nennt sie „Knuckledragger“, weil ihre Arme zu lang sind.
Ah, sie laufen auf ihren Knöcheln, deswegen „Knuckledragger“.
Devin: Exakt! Ich habe den Song auf einer äußert dummen und primitiven Idee aufgebaut. Ich fand, dass „Knuckledragger“ ein passender Titel dazu wäre. Es ist so stumpf (Er fängt an, das Main-Riff zu singen)
Ha ha, ich bin natürlich ganz und gar für mehr Primitivität.
Devin: Vieles, was ich auf „PowerNerd“ tue, ist auf erhöhte „Primitivität“ ausgerichtet. Das meiste, was ich mache, ist nämlich sehr kompliziert. „The Moth“ „Deconstruction“ und „Empath“…
Es ist die „Wall Of Sound“, die die Leute mit dir assoziieren.
Devin: Genau. Auf der neuen Platte bringe ich hingegen Einflüsse wie MOTÖRHEAD oder sogar BON JOVI mit. Viele eingängige Refrains…
…Was mich zu meiner nächsten Frage bringt. Hast du schon darüber nachgedacht, „Gratitude“ als Single hinauszubringen? Es ist wirklich radiotauglich.
Devin: Sie werden es als den dritten Song herausbringen. Aber ich bin ein glatzköpfiger kanadischer Musiker in meinen Fünfzigern. Der Zug für den großen Erfolg ist wohl bereits abgefahren. Doch man sollte niemals nie sagen. Solange die Leute es mögen, bin ich zufrieden. Illusionen darüber, dass etwas, was ich herausbringe, ein Mainstream-Hit werden könnte, habe ich allerdings nicht.
Nun, solche Songs werden ja durch die schiere Masse deiner Veröffentlichungen begraben.
Devin: Nun für mich ist es so, dass ich niemals superberühmt werden wollte. Es interessiert mich nicht wirklich. Ich will lieber die Tonnen von Musik machen, unter der ein potenzieller Radiohit begraben wird, als einen solchen ausschlachten. Der kreative Prozess ist mir viel wichtiger als diese Dinge.
Du hast mal gesagt, dass Metal genau so ist, wie Pornos machen. Die Leute können nicht akzeptieren, wenn man danach etwas anderes als das tun will. Haben dich die Plattenbosse schon mal zwingen wollen, in eine metalligere Richtung zu gehen?
Devin: Ach, die ganze Zeit! Wenn etwas für mich spricht, ist es das, dass ich tue, was mir gefällt. Es ist nicht so, dass ich kindisch und bockig wie ein Teenager bin. Doch Musik bedeutet mir so viel und mein Leben verändert sich so schnell, dass ich darüber singen muss. Ich muss darüber singen, was ich weiß. Egal was auch passiert. Wenn mich jemand in eine gewisse Richtung vorschlägt, prüfe ich erst, ob diese Richtung in meinem persönlichen Pfad liegt. Wenn das nicht so ist, werde ich diese Richtung eben NICHT einschlagen. Es gibt da keine Diskussion. Das ist sogar die Definition von einem „PowerNerd“: „Was du machst, ist soooo nerdy!“ „Yep, ich mache es trotzdem.“
Galerie mit 28 Bildern: Devin Townsend - Lightwork European Tour 2023 in StuttgartMehr zu Devin Townsend
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Stile | Progressive Metal, Progressive Rock |
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