DevilDriver & 36 Crazyfists
DevilDriver & 36 Crazyfists
Interview
„Hi, ich bin Dez. Wer bist Du?“ „Ich heiße Brock.“ Auch wenn Bands zusammen auf Tour gehen, scheint es nicht garantiert, dass sie wissen, mit wem sie auf Tour gehen. Am metal.de-Biergartentisch in München trafen sich zum ersten Mal die Frontmänner von DEVILDRIVER und 36 CRAZYFISTS, die sich sowohl musikalisch als auch persönlich nicht hätten extremer unterscheiden können. Der schüchterne, große Mann auf der einen Seite, der bis zum Kinn hoch tätowierte, kleine auf der anderen Seite – beide freuten sich darauf, das Münchner Backstage in Schutt und Asche zu legen.
Dez: Nein, leider nicht. Ich war in Spanien gestern. Ich habe nur gehört, dass es unentschieden ausgegangen ist.
Brock: Ich habe es gesehen. Es war definitiv ein Unentschieden! (beide lachen)
David: In den USA gibt es regelrechte Fußballhasser in den Medien. Sehen die ihre ach so nationalen, amerikanischen Sportarten in Gefahr?
Brock: Ich denke nicht, dass die auch nur irgendwie in Gefahr sind.
Dez: Ich habe für 11 Jahre Fußball gespielt. Es wird keine Gefahr für Football oder Baseball geben.
Brock: Es ist einfach nicht schnell genug für die amerikanische Medienlandschaft. Ich finde es aber ein wenig merkwürdig, da es die populärste Sportart auf der übrigen Welt ist. Aber ich schaue mir definitiv die Spiele an, wenn Zeit dazu ist.
Dez: Yeah!
David: Eine kurze Kritik des jeweils anderen neusten Albums, bitte:
Brock: Unser Album ist ja erst seit ein paar Tage draußen. Daher bin ich mir sicher, dass er es noch nicht gehört hat – wie jedes andere auch nicht – haha. Die DEVILDRIVER Scheiben, die ich habe, sind richtig heavy. Ich mag diese Musik lieber als die von COAL CHAMBER, da sie mehr in die Metal-Richtung geht.
Dez: Ich habe mir die Musik von 36 CRAZYFISTS leider nie wirklich anhören können, deshalb werde ich heute Abend statt dem Fussballspiel die Jungs auf der Bühne angucken. Viele Leute loben die Band in den Himmel. Ich habe sogar gehört, dass ihr hier noch nicht einmal TRIVIUM und uns braucht, um richtig erfolgreich zu spielen.
Brock: Es wird besser. Ich habe gehört, dass dies hier eigentlich eine Co-Headliner Tour…
Dez: …wir auch. Wir sollten eigentlich jeden Abend wechseln…aber das klären wir nachher…(lacht). Also, hoffentlich sehe ich euch später und freue mich auf eine neue CD in meinem Player. Und wenn ihr eine neue Scheibe habt…
Brock: …bekommst du sie natürlich…haha.
David: Der Trend allgemein geht in immer härtere Musik. Euer 2. Album, Dez, ist härter geworden, euer neues Album, Brock, „Rest Inside the Flames“, ist ebenfalls härter und düsterer geworden. Ein Spiegel der heutigen Gesellschaft?
Dez: Puh, ich weiß es nicht. Die Gesellschaft beeinflusst mich und darüber schreibe ich dann meine Alben. Ich weiß nicht, ob wir so genau auf die Gesellschaft schauen und dann anfangen, zu schreiben. Aber das musst Du für dich beantworten, Brock.
Brock: Wenn ich ehrlich bin, ist unsere Musik nicht so düster. Wir versuchen das Ganze auf ein positives Level zu hieven. Wir sind natürlich von der Gesellschaft beeinflusst, aber wir versuchen immer, das Licht am Ende des Tunnels in einer sonst recht dunklen Welt zu sehen. Jede Band entscheidet eben, wie sie ihre Musik als Ventil einsetzt. Und wenn DEVILDRIVER das so möchten, dunkel und heavy, dann sollen sie es so machen.
Dez: Sehr gut. Bei mir geht es mehrheitlich um Entschlossenheit und Beharrlichkeit. Und natürlich über düstere Dinge, die in meiner Vergangenheit passiert sind.
David: Brock, ihr verlasst das Motto „Frost“ und taucht ein in die Flammen. Was steckt dahinter und warum sollte man „in Flammen ruhen“?
Brock: (lacht)
Dez: Das klickt aber düster wie Sau. Euer Album heisst „Rest Inside the Flames“?!
Brock: Haha, die Sache ist, dass die Flammen das Chaos in der Welt symbolisieren sollen, aber auch, dass ich froh bin, am Leben zu sein. Der Grund, warum wir das Herz beibehalten haben, ist, dass viele Leute sich damit identifizieren können – und genau das wollten wir. Das hatten wir früher nicht. Und als dann einige mit entsprechenden Tattoos kamen, stand für uns fest, dieses Symbol beizubehalten. Aber diesmal nicht mit dem Eis verziert, sondern mit Flammen. Da steckt also nicht zu viel Tiefsinn drin.
Dez: Die Leute identifizieren sich immer mit etwas. Manchmal sind es Texte, manchmal Symbole. Das ist wichtig.
David: Dass Deine Stimme etwas sehr besonderes, ungewöhnliches ist, Brock, ist nicht zu bestreiten. Die Instrumentenarbeit in der Band kann sich im Vergleich dazu nicht so stark hervortun. Die Folge ist ein zwar ordentliches Album, das aber zu keiner Zeit in den Musikolymp aufsteigt. Wie könnte man das ändern?
Brock: Ich weiß nicht. Wir versuchen nach einem Album nicht eines zu schreiben, das in die total andere Richtung geht. Wir wollen nicht unsere alten Fans vergraulen. Wir werden keine ausgeflippte, MESHUGGAH-ähnliche Band werden. Wir sind hauptsächlich eine Rockband, die Metal liebt und haben beides drin. Wir versuchen, auf jedem Album bessere Musiker und Songschreiber zu werden. Aber wir setzen uns nicht hin und denken uns: So Jungs, jetzt drehen wir total am Rad.
David: Ok…
Brock: Oh, der Gesichtsausruck sah aber sehr enttäuscht aus…(lacht)
David: Ach Quatsch. Dez, obwohl ihr relativ harten Metal mit all möglichen Einflüssen spielt – über Thrash, Black, Death – habt ihr auffällig junge Fans. Könnte das am Roadrunner Stempel auf euren Alben liegen?
Dez: Ich kann mir das echt nicht erklären. Überall, wo wir hingehen, kommen diese ganzen Kidds hin, was aber nur ein gutes Zeichen sein kann. Liegt das an Roadrunner? Nein, es liegt an DEVILDRIVER. Was die Einflüsse angeht: Ich wurde auch beeinflusst durch THE CURE. Vielleicht sind es so viele Einflüsse, die in DEVILDRIVER hervorscheinen, dass es bei den Kidds, die AFI mögen, sogar irgendwie ankommt. Aber wer weiß wie es wirklich ist. Es ist eine gute Sache, wenn du die Kidds siehst, genauso wie es eine gute Sache ist, wenn du den 35jährigen siehst, der mit DEVILDRIVER aufwächst und seine Kinder mitbringt. Genauso wie Frauen im Publikum, die jede Band freuen. Man möchte nicht einfach nur den Death Metal Typen, der seinen Kopf bangt. Ich möchte nicht die Musik mischen, sondern die Fans!
David: Du hast Dich nach der Auflösung von COAL CHAMBER recht negativ über Deine ehemalige Musik geäußert. Wieso bist du nicht früher darauf gekommen, Musik zu machen, die Dir gefällt?
Dez: Nein, das stimmt nicht ganz. Am Ende wollten sie nicht mehr in die Richtung, in die ich wollte. Wir haben als Band die ganze Entwicklung gemacht – von geliebt bis gehasst. Es wurde Zeit, weiterzuschreiten. Ich wollte woanders hin im nächsten Abschnitt meines Lebens. Ich wünsche ihnen alles Gute für das, was sie in Zukunft machen werden. Wir hatten schöne Momente zusammen…und schlechte.
David: Funktioniert eine Band besser, wenn nicht alle darin gleichberechtigt sind?
Dez: Ich glaube, dass jedes Mitglied gleichberechtigt sein sollte. Was das Songwriting angeht, hat jeder gleichviel zu sagen. Eigentlich ist DEVILDRIVER die erste Band, in der mir gesagt wird, dass man mit meinen Texten nicht einverstanden ist. Das ist Killer. Es funktioniert hier wie ein gegenseitiges Wechselspiel. Ich spiele weder Gitarre noch Bass. Mein Job ist, zu sagen, dass wir mit 25 Songs ins Studio gehen und ich dann entscheide, welche zu DEVILDRIVER passen. Ein Song kann großartig sein. Aber wenn er nicht zu der Band passt so wie ich denke, dann kommt er nicht auf das Album. Aber das Zusammenspiel zwischen der Band und den Fans und zwischen den Mitgliedern der Band muss stimmen, sonst hast du einen Kerl, der auf einem Egotrip ist. Die Männer werden dir nur in den Sturm folgen, wenn sie wissen, dass du ein guter Kapitän bist. Du musst also zuerst den Gegenwind abbekommen…und das bin ich.
David: Eine ernste Frage: Stellt euch vor, ihr seid zusammen mit der Band im Tourbus unterwegs und jeder muss gleichzeitig richtig übel kacken. Wer dürfte zuerst auf die Bustoilette?
Brock: Man kann auf keinem Tourbus kacken gehen – eine Fangfrage, hahahaha!
Dez: Man kann im Tourbus nicht scheissen. Denn zwei Stunden später stinkt der Bus so erbärmlich, dass es nicht mehr auszuhalten ist.
Brock: Wenn jemand WIRKLICH kacken muss, dann ziehen wir eine Plastiktüte über die Toilette. Reinkacken, abwischen…
Dez: …oder nicht abwischen…oder doch (lacht) – und dann ab damit aus dem Bus.
David: Dann macht ihr bestimmt noch Aufnahmen davon…
Dez: Manche widerlichen Penner machen das, ja.
David: Anderes Thema: Konzerte werden immer teurer und gleichzeitig spielen die Headliner immer kürzer – manchmal sogar deutlich unter einer Stunde. Wie kann das sein?
Dez: Das ist eine sehr gute Frage.
Brock: Früher bist du zu METALLICA gegangen und die haben drei Stunden gespielt. Ich würde nie drei Stunden spielen. Wenn du headlines, dann solltest du schon eine Stunde spielen.
Dez: Wenn du eine Stunde und zehn Minuten spielst, dann ist das schon killer!
Brock: Genau. Aber niemand möchte für 90 Minuten dort sitzen. Sogar meine Lieblingsbands möchte ich nicht so lange sehen.
Dez: Manche Bands spielen acht oder neun Songs in einer dreiviertel Stunde. Wir spielen 14 Songs in 40 Minuten. Es hängt doch davon ab, wieviel Material man dafür bekommt.
David: Vielleicht differiert das von Land zu Land, aber hier in Deutschland würden viele gerne ein 90minuten-Set von ihrer Band sehen.
Brock: Vielleicht liegt es wirklich…
Dez: …jeder kriegt, was er verdient. So. Ich möchte nicht mehr in dieser Frage gefangen sein. Mach bitte weiter…(lacht)
David: Aus aktuellem Anlass: Wie würdet ihr reagieren, wenn jemand euch mit einem Becher aus dem Publikum bewerfen würde?
Brock: Das ist schon passiert. Und ich habe mich danach etwas daneben benommen.
Dez: DEVILDRIVER Fans würden dich töten. Wenn du das machen würdest und ich denen sage, dass sie loslegen sollen, dann solltest du lieber laufen. Ich habe es in Detroit gesehen. Die Sache ist: Wenn du auf ein Konzert gehst, um etwas zu werfen, dann ist das richtig arm.
David: Würdet ihr mir zustimmen, dass je exhibitionistischer man ist, desto besser ist auch der Künstler in einem?
Dez: Ja, wir waren letztens nackt in Spanien schwimmen…haha. Keine Ahnung. Man muss schon das gewisse Etwas als Frontmann haben, um die Leute zu animieren und den ganzen Menschen mit Überzeugung in die Augen schauen zu können, die du nicht kennst.
David: Vor dem ersten Album konntest Du noch auf den Überraschungseffekt setzen. Wohin wird die Reise in Zukunft gehen?
Dez: Ich weiß es nicht. 10 Jahre lang habe ich erklärt, in welche Richtung meine Alben gehen werden. Jetzt sage ich: kompromisslos, absolut kompromisslos. Der beste Weg, zu deinen Fans zu gelangen, ist, du selber zu sein. Viele Menschen sind mir treu geblieben, da ich so bin, wie ich bin. Das Gesicht mag sich verändern, das Makeup mag sich verändern, all diese Scheiße mag sich ändern, im Inneren bin ich der selbe.
David: Wie froh warst Du denn, nicht mehr das Makeup auftragen zu müssen, wenn Du auf die Bühne gehst?
David: Dude, es war Killer. Früher habe ich es gemacht, weil der Rock in einer echt komischen Schieflage war – jeder hat sehr wirre Sachen gemacht, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich bin ja mit Gothbands aufgewachsen. Es ist auf jeden Fall großartig, dass ich das nicht mehr jeden Abend auftragen muss.
David: Brock, wie schaut’s bei Dir aus?
Brock: Ich werde in 40 und etwas Tagen heiraten. Unsere Platte kam raus, d.h. nur touren. Wir werden so eine komische Headliner Tour in den USA machen. Da ich im August heirate, werden wir dort frei machen. Und dann kommen wir wieder hierher für eine Co-Headliner Tour und anschließend geht es noch nach Australien und Japan, wo wird übrigens noch nie waren.
Dez: Ja, dahin gehen wir auch im September. Du warst nie da? Alle sagen mir, dass man – einmal dort – nie wieder zurückkommen will!
David: Du wirst also im August heiraten? Ihr habt doch einen Song, der sich „In the End of August“ nennt…
Brock: Eigentlich werden wir Anfang August heiraten.
David: Also werdet ihr den Song nicht bei Eurer Hochzeit spielen?
Brock: Haha, ich wünschte, ich hätte diesen Song nie so genannt. Die Leute nehmen mich damit immer hoch.
David: Momentan gibt es vermehrt in großen Fernsehsendern Berichte darüber, dass der Metal, besonders der Black Metal, durch Rechte und Skins infiltriert wird. Wie ist die Situation in den USA?
Brock: Ich habe seit Jahren keine Nazis/Skins gesehen. Die haben keine Unterstützung von Leuten oder Bands, die ich kenne. Allerdings weiß ich, dass es sie dort gibt.
Dez: Es gibt keinen Raum für Rassismus.
David: Wie kann man die Szene vor so etwas schützen?
Dez: Wenn ich die in der Show sehe, dann sage ich denen, dass sie sich verpissen sollen. Soll ich Dir mal ne verrückte Geschichte erzählen? Es war in Chicago: So eine Glatze in der ersten Reihe zeigte mir den Hitlergruß – und das drei Songs lang. Also bitte, ich habe einen Juden bei mir in der Band. Ich habe das Konzert abgebrochen und dem schwarzen Security-Kerl auf der Bühne, der fast zwei Meter groß war, bescheid gesagt, dass der ihn rausschmeißen soll. Er ging also herunter zu ihm und wollte in entfernen, da zog die Glatze plötzlich seine Marke. Er war ein Cop! Ich meine, ich bin italienischer und portugiesischer Abstammung…es passiert also.
Brock: Das ist ja erschreckend, dass der Typ ein Polizist war. Es gibt ja sicherlich genug von denen, aber dass es ein Polizist war…
Dez: Leute, passt auf!
David: Wird die Problematik unter Bands und Fans nicht, was die Einstellung und die Texte angeht, viel zu leicht abgetan, nach dem Motto: „Ach, die meinen das schon nicht ernst…“?
Dez: Wenn z.B. die Black Metal Kids oben in Norwegen auf ihre Herkunft stolz sind, ist das wunderbar – solange du keine anderen Leute deswegen diskriminierst. Denn das ist scheiße.
David: Brock, ich habe Dich bereits in Köln gefragt, was Metal für Dich bedeutet, also solltest Du besser das gleiche jetzt sagen…
Brock: Metal bedeutet alles für mich. Das ist der Grund, warum ich in eine Band wollte. Ich weiß zwar nicht mehr, was ich in Köln gesagt habe, aber so was muss es gewesen sein- haha.
Dez: …ein weiteres Bullshit-Etiket, das Leute an die Musik heften. Es gibt so viele Bands, die behaupten, sie seien das nächste große Metal-Ding und alles, was ich höre ist: La…lalalala. Dann denk ich mir: Fuck you! Das kann doch nicht Metal sein. Musik ist Musik. Ganz einfach.