Destruction
Keine Nachahmer
Interview
„Born To Perish“ markiert wohl den größten Einschnitt in die Karriere von DESTRUCTION seit der Reunion. Nicht nur hat die Band wieder einen neuen Schlagzeuger in Form von Randy Black. Mit Damir Eskić bekommt Gitarrist Mike Sifringer zum ersten Mal seit über 20 Jahren einen zweiten Gitarristen zur Seite gestellt. Mehr als genügend Gründe also für ein ausführliches Gespräch. Frontmann Schmier meldete sich mit kurzer Verspätung gewohnt entspannt, um über den aktuellen Stand seiner Band zu sprechen.
Schmier: Sorry, hab mich ein bisschen verquatscht im letzten Interview. Der hatte irgendwie doppelt so viele Fragen wie erwartet. Außerdem quatsch ich ja auch gerne rum, haha.
So etwas habe ich mir schon gedacht. Aber dann lass uns doch direkt loslegen. Ich muss sagen, dass mir „Born To Perish“ von all euren Alben seit der Reunion auch nach mehreren Durchläufen mit Abstand am besten gefällt. Wie seid ihr an die Platte herangegangen?
Schmier: Danke für die gute Einschätzung. Wir haben diesmal tatsächlich ein etwas anderes Verfahren gewählt. Nach jeder Platte reflektieren wir unseren Prozess und schauen, was hat gut funktioniert und was kann man besser machen?
Die Aufnahmephase war diesmal zum Beispiel recht kompakt, aber in mehreren Etappen. Wir waren immer ein paar Tage im Studio, haben dann ein paar Tage zu Hause gearbeitet und sind wieder ins Studio. Damit vermeidet man in eine Art Studioblindheit zu kommen. Außerdem haben wir während des Aufnahmeprozesses keine Shows gespielt. Damit hatten wir es während den Arbeiten an „Under Attack“ und „Spiritual Genocide“ etwas übertrieben.
Außerdem haben wir die Songs diesmal kompakter gestaltet. Wir haben in der Vergangenheit oft festgestellt, dass manche Stücke so vertrackt sind, dass sie live nicht gut funktionieren, weil sie keinen guten Flow haben. Das sollte diesmal anders werden.
Dabei spielen natürlich auch die neuen Leute eine Rolle. Wir haben mit Randy Black einen tollen Schlagzeuger, der auch beim Komponieren der Scheibe geholfen hat. Wir haben die Platte im Teamwork erstellt und wollten die neuen Leute auch gut featuren. Dass wir jetzt zwei Gitarren haben, gibt uns viele neue Möglichkeiten. Als Trio ist man immer etwas limitiert, aber jetzt können wir aus allen Rohren feuern.
Zurück zu den Wurzeln
Meiner Meinung nach versprüht „Born To Perish“ eine Menge Old-School-Spirit. Ein Stück wie „Tyrants Of The Netherworld“ zum Beispiel erinnert mich sehr an eure Anfangstage. Hatte die Arbeit am zwischenzeitlichen erschienenen „Thrash Anthems II“ eventuell Einfluss auf die neuen Songs?
Schmier: Ich denke so etwas ist normal. Ohne „Under Attack“ und ohne „Thrash Anthems II“ wären wir nicht hier gelandet. Das ist immer ein Prozess, der die nächste Platte beeinflusst. Bei „Under Attack“ haben wir vieles anders gemacht und es ist am Ende eine gute Platte geworden. Bei „Thrash Anthems II“ haben wir ein bisschen in der Vergangenheit gekramt. Da kamen natürlich jede Menge Emotionen und all die Erinnerungen hoch.
Dadurch hatte „Thrash Anthems II“ natürlich viel Input, weil wir uns mit den alten Songs nochmal so viel beschäftigt hatten. Viele Leute denken, so ein Best Of mit Neuaufnahmen wären nur ein Cash In. Aber wir mussten uns viel damit befassen und manche Songs auch nochmal neu lernen.
Natürlich hat uns das auch daran erinnert, wo wir herkommen. Wir haben uns dann gefragt, was wir besser machen können als auf „Under Attack“ und versucht, das zu verwirklichen. Am Ende des Tages trifft man sich auf der Bühne und da müssen die Songs funktionieren.
Ich denke, dass die Songs diesmal kompatibler für die Live-Situation geschrieben wurden. Das macht als Band dann auch richtig Spaß. Wir haben bereits einige Songs geprobt und gemerkt, dass das Material extrem gut zündet. Den Titeltrack werden wir auf den Festivals auch schon live spielen.
Ihr wart ja schon immer eine sehr sozialkritische Band. Der Titel der neuen Platte „Born To Perish“ klingt auch nicht nach einem optimistischen Weltbild. Was ist die Idee dahinter?
Schmier: Haha, ja, über Regenbögen und Einhörner sollen andere singen. Ich denke, als Thrash-Metal-Band hast du die Verantwortung über das Leben zu schreiben. „Born To Perish“ ist eine extremere Variante von „Born to die“. Wir leben alle, um zu sterben. Was dazwischen passiert, ist das, was wir erleben und was wir daraus machen.
So sind die Texte auch gehalten. Sie handeln vom Leben. Am Ende des Tages sind wir alle dazu verdammt oder vielleicht auch auserkoren, zu sterben. So genau weiß das ja keiner. Deswegen ist die Platte ist auch etwas düsterer ausgefallen, genau wie das Cover und die Texte. Aber die Texte sind auch immer wieder lebensbejahend oder motivierend.
„Inspired By Death“ zum Beispiel habe ich geschrieben, nachdem in einer Woche drei Musiker gestorben waren. Alle drei waren alte Kumpels von mir. Meine Emotionen habe ich im Text niedergeschrieben. Was mit emotionalen Worten sehr traurig beginnt, wird später sehr positiv, so nach dem Motto „Genieße den Moment“.
Meine Texte sind also ganz sicher keine Anleitung zum Suizid, sondern suchen eher nach Lösungen für Probleme. Das ist auch der rote Faden des Albums. Es gibt sehr viel Sozialkritik und damit fühl ich mich auch am wohlsten.
Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass ich den Titel „Born To Perish“ hatte. Einige meiner Musikerkollegen meinten: „Mach das nicht, das klingt viel zu negativ.“ Aber ich denke, dass DESTRUCTION-Fans wissen, worum es bei uns geht, und das richtig verstehen.
Weniger Druck
„Inspired By Death“ ist aufgrund seines melodischen Riffings einer meiner Lieblingssongs auf dem Album. Die Gitarrenarbeit war bei euch schon immer sehr gut. Dass „Born To Perish“ da noch einen draufsetzt, liegt sicherlich an der Tatsache, dass es jetzt zwei Gitarristen gibt. DESTRUCTION hatten in den 90ern schon mal zwei Gitarristen, nur warst du zu dieser Zeit nicht dabei. Wieso habt ihr jetzt doch wieder einen zweiten Gitarristen in die Band geholt?
Schmier: Ja, ich hab da schon ein kleines Zwei-Gitarren-Trauma. Als der zweite kam, ging es für mich bergab und ich wurde dann aus der Band geworfen. Einige meinten auch „Oh nein, jetzt haben sie wieder zwei Gitarren, die Band bricht wieder auseinander.“ Das haben wir natürlich alles bedacht.
Wir haben jetzt über viele Jahre darüber nachgedacht, weil man als Trio einfach limitiert ist. Diesmal hatten wir keine Limitierung. Wir konnten mehr Harmonien einbringen, mehr Soli spielen und Overdubs einbringen, die wir live auch umsetzen können. Es gibt immer zwei Möglichkeiten. Entweder man macht es total puristisch und punkig oder so wie wir jetzt mit mehr Dampf und Finesse.
Natürlich hat Damir einen großen Teil dazu beigetragen, weil er ein fantastsicher Gitarrist ist. Er ist seit vielen Jahren ein Freund der Band und ein großer DESTRUCTION-Fan. Er meinte zu uns: „Ich will keine Songs schreiben, denn ihr seid DESTRUCTION. Aber ich trage gerne meinen Teil dazu bei.“ Und so haben wir es gemacht. Er hatte völlig freie Hand und bei seinen Soli einfach drauflos gespielt.
Mike ist sehr zufrieden, weil er jetzt einen an der Seite hat, der Löcher stopft. Außerdem nimmt das eine Menge Druck von der Sache, denn als einziger Gitarrist hat man auch eine Menge Verantwortung. Wir haben jetzt knapp 30, 40 Shows zu viert gespielt und uns schon manchmal gefragt, warum wir das nicht schon eher gemacht haben. Aber das war eben eine Frage des richtigen Timings.
Mille Petrozza von KREATOR hat mich da auch ein bisschen hingestoßen. Bei einer Show im vergangenen Jahr fragte er, wie es denn jetzt mit einem zweiten Gitarristen aussähe. Und er meinte: „Warum nehmt ihr nicht den Damir? Der ist doch ein guter Kumpel von euch.“ Manchmal ist das Naheliegende eben zu naheliegend. Ich hab eine Nach drüber geschlafen und dachte: „Mille hat Recht. Es ist Quatsch nach jemandem zu suchen, wenn der passende so nah ist und quasi um die Ecke wohnt.“
Zudem ist Damir Gitarrenlehrer und immer beschäftigt. Ich dachte, er hätte eh keine Zeit. Als ich ihn gefragt habe, ist er aus allen Wolken gefallen und meinte „Das ist doch nicht dein Ernst?“ In der Beziehung haben wir alles richtig gemacht. Es ist wieder viel excitement in der Band und wir verstehen uns alle sehr gut, weil wir uns schon so lange kennen. Es herrscht ein frischer Wind in der Band, was ich es seit Jahren nicht erlebt habe. Es ist toll, dass sowas auch noch nach 36 Jahren im Business passieren kann.
Als ihr bekanntgeben habt, dass ihr mit zwei Gitarristen weitermacht, habe ich im Internet ein wenig die Reaktionen beobachtet. Da haben euch einige Internethelden unterstellt, ihr würdet jetzt SODOM nachahmen, die vergangenes Jahr den gleichen Schritt gemacht hatten. Was würdest du jemanden Antworten, der dir das ins Gesicht sagt?
Schmier: Also DESTRUCTION waren damals in den 80ern die erste deutsche Trash-Band, die mit zwei Gitarren experimentiert hat. Wir haben damit angefangen. Und dann muss ich sagen: Wen interessiert es? SODOM haben immer ihr Ding gemacht. Wir haben immer unser Ding gemacht. Auch darüber hab ich mit Mille geredet. Er sagte auch nur: „Wen interessiert es?“
Letztendlich hat jede Band ihre eigene Identität. Bei uns ist es so, dass wir nur eine Gitarre ergänzt haben, die wir im Studio schon immer hatten. Wir hatten ja auch oft Gastgitarristen. Ol Drake [EVILE-Gitarrist – Amn. d. Verf.] zum Beispiel, der übrigens auch lange Zeit als zweiter Gitarrist für DESTRUCTION in Frage kam.
Es ist auf jeden Fall Quatsch, dass wir SODOM irgendwas nachmachen. Das weiß auch Tom Angelripper. Der hat es sofort total begrüßt, dass wir jetzt zwei Gitarren haben. Der kennt uns ja auch schon seit Ende der 80er. Wir tauschen uns als Musiker immer aus, aber es ist nicht so, dass wir uns gegenseitig die Butter vom Brot nehmen. Dafür sind wir alle viel zu eigen und dafür ist auch viel zu viel Respekt voreinander da.
Jetzt wart ihr Anfang des Jahres mit OVERKILL auf Tour und habt auf einer Platte gesessen, die schon fertig war, aber noch keiner kannte. Deshalb konntet ihr auch noch keine Songs davon präsentieren. Wie war das für euch?
Schmier: Ja, das ist immer schwierig. Viele Fans wissen das nicht, aber heute muss man die Platte schon vier Monate fertig haben, bevor sie rauskommt. Die Marketing-Kampagne muss eben groß geplant werden. Aber da wir immer sehr weitläufig im Voraus planen, klappt das bei uns sehr gut.
Doch natürlich ist das etwas unbefriedigt. Wir hatten neue Songs, aber durften sie noch nicht live spielen. Aber dafür haben wir jetzt fleißig geprobt. Bei den Festivals und dem zweiten Teil der OVERKILL-Tour neue Songs zu spielen, wird dann umso aufregender.
DESTRUCTION nehmen keinen Blatt vor den Mund
Ich habe gerade im neuen Deaf Forever die Kolumne von Tom Warrior gelesen. Er schreibt darüber, dass er es nicht verstehen kann, warum Musiker, die in ihrem Leben fragwürdige Dinge getan haben, von manchen Fans trotzdem abgefeiert werden. Wie stehst du als jemand, der sehr viel von sich persönlich in die Musik und vor allem die Texte einfließen lässt, zu dem Thema Trennung von Kunst und Künstler?
Schmier: Ich denke, es kommt drauf an, wie weit man geht. Natürlich sollte die Kunst immer frei sein. Aber wenn die Kunst anfängt, Sachen zu verherrlichen, die unmenschlich sind, wie zum Beispiel Rassismus oder Mord, dann hört der Spaß auch bei der Kunst auf. Ich weiß, es gibt Künstler, die das anders sehen. Und ich bin auch jemand, der das offen sieht und sagt „Kunst darf alles.“ Kunst ist eine der letzten Freiheiten der Menschheit. Aber es gibt eben auch so etwas wie Menschenrechte und die muss man beachten.
Bei dem, was Tom da geschrieben hat, geht es natürlich auch um die Rebellion. Das Gesetz brechen, ein Outlaw sein. Natürlich werden dann Leute verherrlicht, die fragwürdige Dinge getan haben, weil viele Menschen sich im Leben vieles nicht trauen und Entscheidungen vor sich herschieben. Deswegen verherrlichen sie dann solche „Bad Boys“.
Ist es dir denn wichtig als Musiker im Gegenzug eine positive Vorbildfunktion für andere zu erfüllen?
Schmier: Das ist immer so eine Frage. Es gibt viele Bands, die sagen, sie wollen mit Politik nichts zu tun haben. Und ich möchte auch niemandem meine Meinung aufdrängen. Aber natürlich schreibe ich meine persönlichen Sachen nieder. Aber wo du das gerade erwähnst: Ich hatte gestern erst ein Interview mit den Veranstaltern vom Rage Against Racism Festival. Da kamen direkt ein paar Nazi-Kommentare.
Ich fand es sehr verstörend, dass in der Metal-Szene mittlerweile so viele Nazis unterwegs sind, dass da auf der DESTRUCTION-Homepage direkt solche Kommentare kommen. Einer hat etwas nach dem Motto geschrieben „Verrat du dein Land und deine Ideologie. Ich verbrenn jetzt alle meine DESTRUCTION-Platten und lösche alle DESTRUCTION-Dateien auf meinem Computer.“ Da habe ich mich schon gefragt, wo wir mittlerweile gelandet sind. Da bin ich dann froh, dass ich bin wie ich bin. Ich sage offen meine Meinung und stehe dafür ein. Dass die Metal-Szene ganz nach rechts abdriftet, passiert hoffentlich nicht mehr in meinem Leben.