Der Weg Einer Freiheit
"Das Wichtige ist, dass es nie ein Ego-Ding wird."

Interview

In Kürze werden DER WEG EINER FREIHEIT ihr fünftes Studioalbum „Noktvrn“ veröffentlichen. Im Rahmen der Listening Session in Berlin konnten wir vorab in die Platte reinhören sowie uns mit der Band zusammensetzen, um mehr über das Album zu erfahren. Vor allem der Aufnahmemodus war dieses Mal ein ganz anderer als bisher, wie DER WEG EINER FREIHEIT uns im Interview berichten.

Nikita, mit dem Schreiben für „Noktvrn“, das neue Album von DER WEG EINER FREIHEIT, hast du Ende 2019 angefangen. „Finisterre“ kam im August 2017 raus. Wie entscheidet sich für dich, wann es Zeit ist, ein neues Album zu schreiben? Sammelt sich die Musik langsam an und muss dann raus?

Nikita: Das ist echt eine sehr gute Frage. Ich muss ehrlich sagen, es gibt meistens keinen Punkt oder kein Event, das mit dazu bringt, plötzlich ein neues Album zu schreiben. Ich verspüre aber diesen konstanten innerlichen Druck von mir selbst aus, Musik machen zu wollen. Der ist bisher automatisch nach etwa zwei Jahren nach einem Album entstanden. Den verspüre ich jetzt zum Beispiel nicht. Das ist aber, glaube ich, eine natürliche Sache, weil so viel drumherum los ist mit dem Album, das jetzt rauskommt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass, wenn alles wieder abebbt und wir nächstes Jahr hoffentlich Festivals oder Release-Shows gespielt haben, es dann wieder anfängt und wieder kribbelt. Es trifft halt zufällig diesen Zwei-Drei-Jahres-Rhythmus, und damit fühle ich mich gut.

Du schreibst also nicht kontinuierlich immer dann, wenn dir etwas einfällt, sondern hast Phasen, in denen du intensiv und am Stück für DER WEG EINER FREIHEIT schreibst?

Nikita: Genau. Vor allem bei diesem Album war es so. Es war früher eher so, dass ich auch kontinuierlich geschrieben habe und immer mal die Gitarre in die Hand genommen und Ideen gesammelt habe. Aber ich bin natürlich älter geworden und mein Job lässt es gar nicht so recht zu, jeden Tag 2 oder 3 Stunden kreativ zu sein. Dort ist es auch sehr blockweise strukturiert. Ich habe immer Projekte, an denen ich arbeite. Dann gibt es immer mal wieder ein oder zwei Monate, die eher ‚off‘ sind, wo ich eben diese Zeit habe, an eigenen Sachen zu arbeiten. Ich habe mir speziell für dieses Album das Ziel gesetzt, mir wirklich Zeiträume für das Songwriting zu blocken und es da dann auch anzugehen. Komischerweise – das hat mich sehr überrascht – hat das dann auch sehr gut funktioniert.

Andere würden vielleicht denken, wenn man sich diesen Druck macht und sich diese Blöcke in den Kalender schreibt, in denen man jetzt Songs schreiben muss, das funktioniert doch nie. Aber da hatte ich den Kopf frei. Da musste ich nichts anderes tun und ich konnte mich darauf fokussieren. Und dann hat es auch funktioniert. Und so ist das Album in einer relativ kurzen Zeit entstanden. Wobei zum Beispiel der erste Part von „Am Rande der Dunkelheit“ ein Riff ist, das ich schon vor sieben oder acht Jahren geschrieben habe und das seitdem auf dem Computer rumlag. Ich wollte es irgendwie verwenden, und dann hat es plötzlich gepasst. Das passiert auch immer wieder, dass ich etwas Altes rauskrame, an eine neue Stelle setze, und das dann funktioniert.

Der Weg einer Freiheit sind (v.l.): Nicolas Rausch (Gitarre), Tobias Schuler (Schlagzeug), Nikita Kamprad (Gesang, Gitarre), Nico Ziska (Bass). Foto: Mario Schmitt

Der Aufnahmeprozess war für DER WEG EINER FREIHEIT diesmal ganz anders als sonst. Nachdem Nikita die Songs geschrieben hatte, habt ihr alle sie zusammen eine Woche lang gespielt und jedes Detail diskutiert. Dann habt ihr sie live aufgenommen. Der Prozess war also viel interaktiver als bisher. Wie war das für euch andere, aktiver beteiligt zu sein?

Nico Z.: Ich habe es so empfunden, dass sich über die Zeit herausgestellt hat, dass wir sehr gut miteinander funktionieren und dass es so ein Zusammenspiel ergibt, wo jeder seinen Part in der Band kennt. Daher weiß man, was man voneinander erwarten kann. Es war natürlich auch ein riesengroßer Vertrauensbeweis von Nikita, zum ersten Mal auch ein bisschen die Verantwortung abzugeben und uns die Chance zu geben, uns auch ein bisschen damit zu verwirklichen.

Das gibt zumindest mir – aber ich glaube, da spreche ich auch für die anderen – ein riesiges Zugehörigkeitsgefühl. Sagen zu können, das ist jetzt wirklich ein Album, an dem ich mitgearbeitet habe. Es ist mit mein Album. Vorher war es eher ein Sessionmusiker-Ding: Es gibt ein Album, ich feiere es mega ab – keine Frage – aber ich spiele halt, was mir gesagt wird. Da Nikita es geschrieben hat, spiele ich jetzt natürlich auch, was mir gesagt wird, ABER ich konnte trotzdem Vorschläge machen. Dadurch ist es vielmehr das eigene Album.

Nicolas R.: Es ist eine ganz andere emotionale Bindung, die man dadurch zur Band aufbaut, auf jeden Fall. Dieses Gefühl, Sessionmusiker zu sein, ist auch cool und macht auch Bock. Durch Nikita und auch Tobias hat es sich nie so angefühlt, als wäre man ein Sessionmusiker, der bei der nächsten Tour austauschbar wäre. Man hat immer das Gefühl bekommen, ein integraler Bestandteil der Band zu sein. Aber mitzuwirken, hinterlässt einen eigenen Fingerabdruck, der total viel wert ist. Ich hatte nicht nur das Gefühl, da eben mitzumachen, sondern konnte auch mal Kritik geben, was man anders machen könnte. Was sich für Nikita vielleicht auch ein bisschen befreiend angefühlt hat, hatte ich das Gefühl –

Nikita: Ja.

Nicolas R. [zu Nikita]: – wo du auch mal rechtfertigen musstest, warum du das so willst. Dann haben wir darüber geredet, und für mich haben die Songs dadurch viel mehr Geschichte als die Songs davor. Natürlich nur aus meiner subjektiven Wahrnehmung, aber ich finde das sehr schön.

Tobias: Bei mir sieht das ja ein wenig anders aus, denn ich war schon seit „Unstille“ mit dabei. Was für mich aber neu war – wie für uns alle – war der Aufnahmeprozess an sich und dass wir die Songs gleichzeitig und am Stück eingespielt haben. Früher haben wir das Schlagzeug final – wie es dann auf der Platte war – erst im Studio ausgeschrieben. Dieses Mal mussten wir uns ganz anders vorbereiten, weil wir die Songs fünf bis sechs Mal am Stück alle gleichzeitig einspielen wollten. Und das natürlich, so gut es geht, fehlerfrei. Es geht in der Musik zwar nicht darum, Fehler zu zählen, aber das ist auf einer Aufnahme natürlich schon wichtig.

Das war für mich als Schlagzeuger eine besondere Herausforderung, deshalb habe ich mich etwa ein Jahr sehr intensiv darauf vorbereitet. Ich spiele auch Gitarre und habe mir angeschaut, was die anderen da machen. Ich habe die Gitarren- und Bassparts gelernt, um zu wissen, wie die Songs überhaupt funktionieren. Ich habe mich mit den Texten beschäftigt und mir das Schlagzeug angeschaut, dass Nikita schon vorprogrammiert hatte.

Wir machen seit über zehn Jahren Musik zusammen und die Parts, die er schreibt, passen schon sehr gut auf mich. Vieles muss man schon gar nicht mehr anfassen, aber es ist eben doch ein Drumcomputer und meine Aufgabe besteht darin, die Ideen, die Nikita hat, zu realisieren. Eine Metapher wäre vielleicht; ein Architekt plant ein Gebäude, aber ein Architekt baut das Gebäude nicht. Das macht unter anderem ein Bauingenieur. Ich verstehe mich mehr als jemand, der schaut, wie man die Musik realisieren kann.

Galerie mit 11 Bildern: Der Weg Einer Freiheit - Tyrant Festival 2018

Ihr habt da sicher sehr intensiv zusammengearbeitet. Gab es dabei auch mal einen Lagerkoller? Wie hat es zwischenmenschlich geklappt, vor allem in Hinblick auf Kritik? Und wie viel ist denn auch mal schiefgelaufen?

Nicolas R.: Zwischenmenschlich wirklich wundervoll. Das haben wir über die letzten drei, vier Jahre Tour schon gemerkt, dass es zwischen uns allen einfach extrem gut funktioniert. Jeder respektiert den anderen. Ich könnte mit denen wahrscheinlich auch ein Jahr abhängen und es würde nie in einem Streit enden.

Nico Z.: Wenn man sich Kritik gibt, ist es immer sehr respektvoll und einfühlsam. Das sind ja auch ganz normale, logische Verhaltensregeln. Neben DER WEG EINER FREIHEIT sind wir ja auch Freunde. Mit meinen Freunden kann ich auch ein paar Wochen lang rumziehen und streite mich nicht mit ihnen. Klar, man hat mal eine Meinungsverschiedenheit –

Nicolas R.: – aber es ist nie eine persönliche Ebene oder Kritik am Charakter. Es geht immer um Thematik.

Tobias: Und wir kennen uns schon ewig. Nikita und ich kennen uns seit über zehn Jahren, Nico R. kenne ich seit etwa 15 Jahren, oder sogar noch länger. Bei Nico Z. etwas kürzer.

Nico Z.: Das sind jetzt aber auch schon fast fünf Jahre.

Tobias: Außerdem haben wir uns alle sehr gewissenhaft vorbereitet, sodass klar war, was jeder zu tun hatte. Deshalb gab es rein inhaltlich wenige Reibungspunkte, würde ich sagen.

Nico Z.: Man weiß, dass man eine hohe Verantwortung trägt, und somit bereitet man sich eben auch vor. Gerade weil es Freunde sind, will man die anderen eben auch nicht im Stich lassen. Wenn du zu so einer Aufnahme kommst und kannst halt nix – um es mal krass zu sagen – dann fühlst du dich ja selbst scheiße, und das willst du ja auch nicht. Du willst schließlich nicht den anderen im Weg stehen. Man fühlt sich ja geehrt, daran überhaupt teilhaben zu dürfen. Deshalb habe ich an mich auch den Anspruch, mein Bestes zu geben.

Nicolas R.: Ich glaube auch, das Wichtige ist, dass es nie ein Ego-Ding wird. Uns anderen drei ist es schon klar, dass das Ziel ist, Nikitas Gedanken und Ideen bestmöglich umzusetzen. Das ist das Ziel und das ist unsere Aufgabe, und da haben wir alle Bock drauf. Keiner will sein eigenes Ding daraus machen. Dadurch ziehen wir extrem gut am gleichen Strang.

Nico Z.: Das ist auch das Schöne an Nikita, um ihn mal zu loben –

Nikita: Endlich!

Alle lachen.

Nico Z.: – dass er, wenn man mal alle Alben und alle Songs und die ganze Arbeit, die dahintersteckt, betrachtet, von der mindestens 90% er gemacht hat, er sich das nicht auf die Fahne schreibt und sagt ‚hey, ich bin der Bandkopf!‘

Nikita: Zum Thema ‚was ist schiefgelaufen‘; ich glaube, das ist das Album, bei dem am allerwenigsten schiefgelaufen ist, ever. Ich kann mich wirklich an keinen einzigen Rückschlag erinnern. Deshalb bin ich auch so superglücklich über das Album und dass die ganze Band ein Teil davon ist.

Der Weg einer Freiheit – „Noktvrn“-Cover

Der Titel „Noktvrn“ ist von Chopin inspiriert und du hast ausschließlich nachts geschrieben. Im Infotext steht das Zitat „I’m a very passionate sleeper“.

Nikita: Ich bin ein großer Chopin-Fan und die Nachtstücke – also Nocturnen – die er geschrieben hat, sind Klavierstücke, von denen ich jedes in- und auswendig kenne. Ich wollte schon immer ein Album über die Nacht machen. Wie gesagt, ich schlafe sehr gerne und auch ausreichend, zumindest versuche ich das immer. Für mich persönlich sind Träume oft ein Ausdruck von Freiheit. Wenn ich träume, habe ich ein sehr starkes Freiheitsgefühl, was sich natürlich in dem ganzen Konzept von DER WEG EINER FREIHEIT widerspiegelt.

Diese Träume sind auch oft Grundlage für Songtexte. Für mich war es eine nette Idee, sowohl Chopin Tribut zu zollen als auch das nächtliche Thema aufzugreifen und das Album „Noktvrn“ zu nennen. Mit ein paar anderen Buchstaben, damit es etwas anders klingt. Das ‚v‘ hat übrigens nichts mit ‚trve‘ und Black Metal zu tun, sondern es ist einfach unser fünftes Album, und auch das Artwork hat diese Kanten und Ecken, die vielerorts Vs ergeben. So hat sich alles zusammengefügt und Sinn ergeben.

Ihr habt zum ersten Mal englische Texte bei DER WEG EINER FREIHEIT dabei. Wie kam es dazu?

Nikita: „Haven“, der letzte Song auf dem Album, war der erste Song, den ich dafür geschrieben habe. Da war mir von vornherein klar, dass er einen englischen Text braucht. Nachdem ich den Schritt gegangen war, dachte ich mir, ich kann ihn auch weiterführen und einen weiteren Song auf Englisch schreiben. Das ist dann „Immortal“ geworden. Auch weil wir David von THE DEVIL’S TRADE als Gastsänger eingeladen haben.

Am Ende habe ich zwar erfahren, dass er gerne auf Deutsch gesungen hätte, weil er ein bisschen Deutsch spricht, aber ich wollte einen englischen Text schreiben, damit er ihn eben auch gut performen und gut singen kann. Das Resultat war für mich auch überraschend, weil ich lange Zeit gesagt habe, Deutsch ist meine Muttersprache und damit kann ich mich am besten ausdrücken, und das ist auch weiterhin so. Es war auch nie der Drang da, Englisch zu singen. Aber ich wollte es probieren und es hat sich für mich persönlich als sehr gut herausgestellt.

Habt ihr noch etwas loszuwerden? Gibt es Fragen, die ihr nie gefragt werdet, aber gerne gefragt werden würdet? Oder umgekehrt?

Nikita [lacht]: Vielleicht liest das ja irgendein Journalist. Ich weiß, das sind immer die Fragen oder Antworten, die jeder hören will, aber in Tourgeschichten bin ich superschlecht. Wenn jemand nach den lustigsten Tourgeschichten fragt, weiß ich nie eine Antwort. Man bringt mich damit sehr in Verlegenheit [alle lachen]. Außer, die anderen können das beantworten.

Tobias: Ich gehe immer früh ins Bett.

Alle lachen.

Nicolas R.: Also ich finde, es ist eindeutig die Ingwerknolle, die wir uns alle haben tätowieren lassen.

Die Ingwer-Tattoos von Der Weg einer Freiheit. V.l.: Nicolas Rausch, Nicolas Ziska, Nikita Kamprad, Tobias Schuler.

Die Jungs zeigen – soweit logistisch sinnvoll – ihre Ingwerknollen-Tattoos. Es handelt sich (angeblich) um dieselbe Ingwerknolle aus jeweils einer anderen Perspektive. Wir haben nachträglich den Fotobeweis für euch eingeholt.

Nico Z.: Das war so. Gabbo von IMPLORE ist spontan für ein paar Nächte mit in den Bus gestiegen, da er ein Freund von uns ist. Er ist auch Tätowierer. Wir hatten auf der Tour durch Zufall ganz viel Ingwer dabei, weil der gut für die Stimme, den Hals und generell für die Gesundheit ist. Wir hatten das auf den Rider, hatten welchen dabei, und der Sänger von REGARDE LES HOMMES TOMBER, die auch mit auf Tour waren, hatte auch welchen dabei. Wir hatten also echt einen Berg Ingwer im Tourbus liegen.

Das wurde dann zum Tour-Gag. Dann gab es einen Abend in Tschechien – ich will sie nicht herabwerten, aber das war eine der schlechteren Shows, wo weniger los war und wir nur in so einer Bar gespielt haben – da haben wir alle dementsprechend viel Alkohol getrunken und sind ein bisschen ausgerastet und haben spontan entschieden, uns im fahrenden Bus diese Knolle tätowieren zu lassen. Bei holpriger tschechischer Autobahn.

Nikita: Das war sehr, sehr lustig.

Das ist doch dann ein tolles Schlusswort. Vielen Dank für das Interview!

In wenigen Tagen startet die „Noktvrn“ Release-Tour mit DER WEG EINER FREIHEIT und THE DEVIL’S TRADE:

Quelle: Der Weg einer Freiheit
12.11.2021

headbanging herbivore with a camera

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