Der Weg Einer Freiheit
Interview mit Nikita Kamprad zu Unstille
Interview
DER WEG EINER FREIHEIT zählen sicher zu den umstrittensten Bands der deutschen Metal-Szene, daran kann auch das mit viel Lob bedachte zweite Album „Unstille“ nichts ändern. Die Metalcore-Vergangenheit wird dem Trio um Bandkopf N.K. vermutlich dauerhfat Diskussionen bescherren. Dass der Würzburger daran eher wenig Interesse hat, lässt sich schnell erkennen und so plauderte der Gitarrist lieber über sein aktuelles Album. Aber lest selbst.
Lass uns mal das leidige Thema gleich zu Beginn abkanzeln. Euch ist ja quasi vom ersten Riff an ziemlicher Gegenwind von Teilen der Szene entgegengebracht worden und zwar hauptsächlich wegen eures Aussehens und der Tatsache, dass ihr vorher in einer Metalcore-Band aktiv wart. War das nicht erstmal ein ziemlicher Schlag in die Magengrube? Und wie geht ihr inzwischen damit um? Lässt euch das völlig kalt?
Ich habe das am Anfang gar nicht wirklich als Schlag aufgefasst. Das kam auch erst so nach und nach, als man sich mehr mit uns befasst hat und es die ersten Fotos gab etc… Irgendwann hat das natürlich schon angefangen, extremer zu werden aber das Meiste spielt sich doch immer noch im Internet ab. Bisher kam noch keine einzige Hassmail hier an, noch stand plötzlich jemand vor der Tür, der mir eine reinhauen wollte. Ignorieren kann man das ganze Getue ja fast nicht mehr, vor allem, da es manchmal schon ein netter Zeitvertreib ist, dem zuzuschauen. Es gibt aber natürlich auch Kritik, die wir definitiv ernst nehmen.
Um da gleich noch mal nachzuhaken: Im Grunde kommt man ja wirklich nicht mehr drumherum, denn auch euch wohlgesonnene Leute greifen das Thema gerne auf und DER WEG EINER FREIHEIT kann scheinbar nirgends ohne dieses Drumherum besprochen werden. Nervt es nicht manchmal, dass, selbst wenn es wohlgemeint ist, das Thema immer hoch gekocht wird und sich quasi niemand „nur“ der Musik widmet?
Klar geht das allmählich auf die Nerven. Aber was soll ich sagen… jeder Mensch nimmt Musik anders wahr, für die einen zählt das Image eben mehr für die anderen weniger. Aber ich kann da auf jeden Fall drüber wegsehen.
Klingt, als wärst du das Thema auch leid. Dann lass uns mal endlich auf „Unstille“ kommen
Yes (lacht)
Die Kritiken sind ja soweit ich das überblicke mal wieder sehr positiv ausgefallen. Aber wie fühlt man sich denn, wenn eine quasi lebende Legende wie Mille (KREATOR) solch ein Loblied auf euer Album singt?
Mille hatte sich Anfang diesen Jahres schon einmal in einem Magazin positiv über uns geäußert, das hat uns natürlich schon mal ziemlich aus den Socken gehauen! Von dem Spiegel-Artikel haben wir eher durch Zufall erfahren, als das uns jemand auf unsere Facebook-Seite gepostet hat. KREATOR war eine der Bands, mit denen unsere beiden Tobiasse das Gitarrespielen angefangen bzw. überhaupt den Metal kennengelernt haben. Von daher haben wir auf jeden Fall sehr großen Respekt vor Mille und Co. und freuen uns, dass so ein Metal-Urgestein so gute Worte an für uns übrig hat.
Kann ich mir vorstellen, dass die Vorfreude auf „Unstille“ bei euren Fans riesig sein muss. Würdet ihr das Album eigentlich als konsequente Fortführung des Debütalbums und der EP ansehen, oder muss sich jemand auf ein ganz neues Gesicht von DWEF gefasst machen?
Nein, das würde ich auf keinen Fall sagen. Ich denke, dass man unsere Trademarks noch sehr gut erkennen kann, aber vor allem bestimmte Stilmittel wie Dynamik oder Kontrast zwischen ruhig und aggressiv ausgebaut wurden. Für mich wirkt das Album dadurch sehr viel intensiver und macht mir mehr Spaß beim Hören.
Ist das nicht immer so bei eigenen neuen Alben? Hast du die Songs eigentlich wieder allein geschrieben oder hat sich der Rest der Band beteiligt?
Klar, man sollte sich seine eigene Musik schon auch selber anhören können. Wär ja auch schlimm wenn nicht, hehe. Ich finde, man muss sich vor allem als junge Band erstmal einen Charakter zulegen und den findet man nicht, wenn man auf jedem Album anders klingt. Die eigentlichen Songs habe ich wieder alleine geschrieben. Regelmäßig proben können wir auf Grund unserer Wohnsitution nach wie vor nicht, weshalb wir sozusagen nur „Arbeitsproben“ direkt vor unseren Auftritten haben. Bei der eigentlichen Produktion des Albums waren jedoch alle von uns anwesend und beteiligt.
Diese Arbeitsweise funktioniert bei uns am besten, auch wenn ich gemeinsames Jammen manchmal vermisse. Aber vielleicht ändert sich das in Zukunft ja auch einmal.
Neben dir und Fronter Tobias ist euer Drummer Tobias vor einer Weile fest in die Band gekommen, oder? Warum war das eigentlich nicht früher schon der Fall?
Als wir letztes Jahr die EP aufgenommen haben, hat sich gewissermaßen schon abgezeichnet, dass es mit unserem ehemaligen Drummer Christian immer schwieriger wird, vor allem auf Grund privater Umstände, anderen musikalischen Aktivitäten und nicht zuletzt der Tatsache, dass zwischen Würzburg und seinem Wohnsitz Hamburg einfach eine Menge Kilometer, Zeit und Kosten liegen. Tobias hatte Ende 2010 schon bei ein paar Konzerten ausgeholfen und nachdem Christian dann endgültig seinen Platz verlassen musste, war Tobias natürlich die erste Wahl. Seit Mitte 2011 ist er fester Bestandteil der Band und hatte eben erst jetzt auf „Unstille“ sein Debüt auf Platte.
Okay, wieder zurück zu „Unstille“. Ich finde das Album im Vergleich zu den Vorgängern deutlich tiefer, teilweise auch brachialer und härter. Würdest du dem zustimmen? Wir haben ja schon über die üblichen Trademarks gesprochen, aber Entwicklungen lassen sich ja auch finden, was hat sich da deiner Meinung nach bei euch getan?
Ich würde sagen, dass es definitiv mehr Leads und eigenständige Melodien gibt. Auf dem Debüt gab es vorwiegend auf zwei Gitarren gesplittete Akkorde, den Grundton im Bass und über das ganze Album verteilt vielleicht 3-4 extra Leads. Alles andere war eher im instrumentalen Arrangement „eingebaut“, während auf Agonie und jetzt auf Unstille viel mehr „heraussticht“. Ich würde sagen, auf dem Album haben wir die Extreme mehr ausgelotet und bieten einfach eine größere musikalische Bandbreite als auf den Vorgängern. Mir ist es wie gesagt wichtig, Kontraste zu schaffen, denn erst dann hört man genauer hin und kann sich besser mit der Musik identifizieren.
Eine ganz kurze Zwischenfrage: Wie viel Zeit haben die Arbeiten an „Unstille“ eigentlich in Anspruch genommen?
Wenn ich mich recht erinnere, habe ich ziemlich bald nach den Aufnahmen zu Agonie wieder das Schreiben angefangen, das war ca. im April 2011. Im Spätsommer hat sich schon so langsam eine Struktur abgezeichnet und im November/Dezember wurde schlussendlich der letzte Song geschrieben. Das Album sollte eigentlich aus 7 Songs bestehen, wobei einer davon noch aus Debüt-Zeiten, sprich von 2008/2009, stammt. Mir kam der Song immer etwas unpassend vor, weshalb wir ihn wieder vom Album gestrichen haben, jedoch mit einem noch etwas älteren instrumentalen Stück als Bonussongs aufgenommen haben, die zusammen mit dem Album als limited Edition angeboten werden. Nachdem das Songwriting also abgeschlossen war, haben wir uns im Winter an die Texte gemacht und die Aufnahmen für Februar geplant. Diese liefen mit Mix und Master bis Mitte April.
Bleiben wir mal kurz beim Entstehungsprozess. Wie arbeitest du eigentlich an einem Album und von was lässt du dich dabei beeinflussen? Ich glaube, man muss da ja sehr viel ausblenden oder? Ich meine damit, du schließt dich ja sicher nicht ein und hörst auf, Musik zu hören oder ganz einfach zu leben…
Ich weiß gar nicht, ob da bei mir was rauskommen würde, wenn ich mich einschließen und abschotten würde. Es gibt Leute, bei denen funktioniert das. Aber ich brauche eher einen freien Kopf, ohne viele Gedanken und dann kommt die Inspiration wie von selbst aus mir heraus. So nehme ich das zumindest wahr. Ich mache mir während der Zeit, in der de ich schreibe, nicht viele Gedanken über das, was ich gerade tue. Natürlich befinde ich mich immer in einer bestimmten Tagesstimmung, ausgelöst von bestimmten Ereignissen oder Gefühlen. Das schlägt sich schon irgendwie auch in der Musik nieder. Aber es ist eher der Moment, der die Musik schreibt, das was man nicht vorhersehen kann. Ich finde es langweilig, mit der Einstellung heranzugehen „heute schreibe ich einen schnellen/langsamen/brutalen/emo Song“. Musik entwickelt sich während des Schreibens, dann bekommt sie ihren Charakter. Und wenn es mal nicht funktioniert, dann lasse ich es eben bleiben. Der Drang zu Schreiben ist auf jeden Fall immer da.
Ihr habt auch wieder ein langes „Instrumental“ auf „Unstille“. Sowas funktioniert ja eigentlich nur dann, wenn die Musik selbst quasi die Worte ersetzt. Das ist euch sicherlich gelungen, dennoch würde mich interessieren, magst du Instrumentals selber eigentlich gerne und könntest du dir auch ein ganzes Album ohne Vocals aus deiner Feder vorstellen?
Danke erstmal! So eine Aussage freut mich, da genau das eigentlich mein Ziel ist. Musik auch ohne Text „verständlich“ und „berührend“ zu machen. Ich habe mir in der Tat in letzter Zeit Gedanken um ein rein instumentales Album gemacht. Sowas würde mich ungemein reizen. Für mich ist die Musik dem Text übergeordnet, was natürlich nicht heißen soll, dass es egal ist, was bei uns oder bei anderen Bands gesungen wird. Das ist schon auch wichtig, wobei ich den Gesang eher als zusätzliches Instrument sehe, das der Musik mehr Intensität verleiht. Ein Schrei hat einfach etwas unglaublich Emotionales in sich und auch wenn man nichts vom Text versteht, kann man die Musik damit sehr gut unterstreichen.
Das ist doch mal eine gute Überleitung zu den Texten. Wovon handelt denn „Unstille“? Gibt es etwas wie ein Konzept?
Ein konkretes Konzept eher nicht. „Unstille“ beschreibt hauptsächlich den Wandel, die Veränderung – nicht nur was die heutige Welt angeht, sondern vor allem im Bezug auf den Menschen, der in ihr lebt. Das zentrale Thema von „Unstille“, wie auch bei einigen unserer älteren Songs, ist der Mensch an sich. Das Älterwerden, Entwicklungen, menschliche Beziehungen, Vergangenheit, Zukunft usw. Alles Dinge, die mich immer wieder zum Nachdenken anregen und beschäftigen. Eher persönlich also, weshalb ich da auch jedem seinen eigenen Interpretationsspielraum lassen will, um sich vielleicht in dem ein oder anderen Text selbst zu erkennen.
Alles klar, dann lass uns mal langsam zu den letzten Fragen gekommen. Im Grunde habt ihr doch hierzulande zumindest eine große Fanbase, wann dürfen die euch Live sehen? Und eigentlich sollte für euch doch langsam mal eine Tour drin sein…
Jo, da würden wir uns natürlich auch sehr freuen, hehe. Leider hat uns bisher das schwierige Zeitmanagement immer einen Strich durch die Tour-Rechnung gemacht, da wir ja auch private Verpflichtungen haben, die alle unter einen Hut gebracht werden müssen. Am 30. Juni gibt es hier bei uns in Würzburg eine Album-Releaseshow auf dem TNT Open Air zusammen mit NOCTE OBUDCTA, ARAFEL und einigen anderen Bands. Zudem kann man uns im Juli noch auf den Extremfests Österreich und Deutschland, sowie in Darmstadt, Essen, auf dem Eisenwahn Open Air und auf dem Baden in Blut sehen. Auch für den Herbst sind schon ein paar Konzerte gebucht und vielleicht klappt das da sogar noch mit einer kleineren Tour.
Das ist doch schon mal was. Sag mal, wie steht es eigentlich um FUCK YOUR SHADOW FROM BEHIND, kommt da eventuell doch noch mal irgendwas? Und seid ihr ansonsten noch anderweitig unterwegs?
Oh, auf FYSFB wurden wir schon ziemlich lange nicht mehr angesprochen Das wird wohl auch für immer ruhen, da passiert nichts mehr. Wir haben zwar alle noch recht guten Kontakt miteinander, aber wohnen mittlerweile jeder in einer anderen Stadt deutschlandweit verteilt. Da es doch eher eine probeintensive Band war, wäre das zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich, an was Neuem zu arbeiten. Ansonsten haben unser Drummer zusammen mit unserem Live-Gitarristen und -Bassist Sascha und Giuliano eine technische Death Metal Band namens FUCK YOU AND DIE am Laufen, von der es demnächst auch wieder mehr zu hören geben soll.
So dann kommen wir nun wirklich zum Ende. Bleibt noch die Frage, ob du schon wieder an neuem Material schreibst, denn allzu lange lasst ihr ja nie auf neues warten.
Es gibt zwar noch einige unverbrauchte Riffs und Songideen aber seit den Aufnahmen zum Album hatte ich keine Gitarre mehr in der Hand, zumindest nicht zum Schreiben. Ich denke, wenn das ganze wieder etwas ruhiger wird, bleibt mehr Zeit und Muße. In Kürze steht außerdem ein Umzug an, der viel Zeit frisst – da glaube ich nicht, dass wir dem Tempo diesmal Schritt halten können. Aber es wird sich zeigen, was passiert!
Dann sind wir mal gespannt. So Nikita, ich danke dir für deine Zeit und das Gespräch. Die letzten Worte überlasse ich selbstredend dir.
Das sind wir ebenso! Danke dir auch, das erste Facebook-Interview der Bandgeschichte, hehe. Ich hoffe wir sehen uns im Sommer auf ein Bier, bis dann!
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Stile | Black Metal, Post-Metal |
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