Der Weg Einer Freiheit
Interview mit Nikita Kamprad zu "Stellar"
Interview
Über DER WEG EINER FREIHEIT zu streiten gehört mittlerweile zum guten Ton in der Metalszene. Stichwort: Hipster. Doch darüber wurde seit ihrem Debütalbum 2009 wahrlich genug diskutiert. Denn eines vergisst man dabei sehr schnell: Es geht um Musik, und da sind DER WEG EINER FREIHEIT mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau angelangt. Darüber hinaus gibts genügend andere Themen, über die Bandgründer Nikita Kamprad sprechen kann, als nur den Fakt, dass sie die Klischees mit Füßen treten. Eines davon ist das neue Album „Stellar“, aber auch sonst, ein Gespräch ganz ohne Hipsterbezug.
Lass uns gleich mal mit dem Offensichtlichen beginnen. Ihr seid jetzt von Viva Hate zum deutlich größeren Label Season Of Mist gewechselt. Was hat sich dadurch für euch geändert?
Ich denke mit dem Labelwechsel hat die Band eine deutlich internationalere Ausrichtung bekommen. Season of Mist war schon immer eines unserer Favoritenlabels und wir sind sehr froh, dass es geklappt hat. Auch läuft nun einiges viel schneller und professioneller ab, da das Label eine viel größere Belegschaft hat und schon auf eine über 20-jährige Geschichte zurückblicken kann. Die Zusammenarbeit mit Viva Hate Records war zwar immer sehr gut, aber in Anbetracht dessen, dass es nur ein Ein-Mann-Label ist, waren die Kapazitäten bald ausgereizt, und so haben wir uns im Einvernehmen darauf geeinigt, uns nach einem neuen Partner umzusehen. Wir sind aber nach wie vor in engem Kontakt und arbeiten in vielen Bereichen rund um die Band mit dem Mann hinter Viva Hate zusammen, da wir ihm vieles zu verdanken haben.
Das klingt alles sehr harmonisch. Auch sonst hat sich seit „Unstille“ einiges getan. Du hast nach dem Ausstieg von Tobias den Gesang übernommen und Giuliano und Sascha sind fest zur Band dazugestoßen. Wie würdest du die Zeit zwischen der Veröffentlichung von „Unstille“ bis jetzt zu „Stellar“ beschreiben? In den drei jahren ist ja doch einiges passiert.
Ja, auf jeden Fall würde ich sagen, dass man uns sehr viel eher als vollwertige Band sehen kann und auch sollte, als noch zu „Unstille“-Zeiten. Das hat einmal den Grund, dass sich sowohl Sascha als auch Giuliano genauso wie Tobias und ich den Arsch aufreißen, viel Zeit und Geld investieren und es damit verdient haben, nicht nur Sessionmusiker, sondern vollwertige Mitglieder zu sein. Außerdem sind wir seit dem Ausstieg von Tobias sehr viel enger zusammengewachsen, waren zusammen in fremden Ländern, in die wir ohne die Band wohl nie einen Fuß gesetzt hätten, und haben sehr viel erlebt. Das alles schweißt natürlich zusammen und die Erfahrungen sind teilweise auch in das neue Album miteingeflossen.
Du sprichst von vollwertigen Musikern. Haben deine Mitstreiter direkten Einfluss auf das Songwriting gehabt und wie sieht die Arbeit als Band bei DER WEG EINER FREIHEIT eigentlich aus, da ihr ja doch recht weit auseinander wohnt?
Auch wenn das die vorhergehende Antwort vielleicht vermuten lässt, direkten Einfluss auf das Songwriting und die Lyrics hatten meine Kollegen trotzdem nicht. Aber wie gesagt, das eine oder andere Erlebte kann man in der Musik wiederfinden und da wir trotz unserer nicht ganz optimalen Wohnsituation (Würzburg, Köln, Schwarzwald) in täglichem Kontakt sind, kann man schon von einem gewissen Einfluss sprechen. Wie auch schon bei den Vorgängern habe ich mich erstmal komplett alleine um das Songwriting gekümmert, Demos mit Drumcomputer aufgenommen, rumgeschickt und dann unter Berücksichtigung des Feedbacks der anderen die Songs verfeinert.
Vor allem was die Drums angeht, hat Tobias da natürlich seine eigenen Vorstellungen, aber mittlerweile kennen wir uns so gut, dass wir da immer sehr schnell auf einen gemeinsamen Nenner kommen, was Tempi, Rhythmen, Fills und Breaks betrifft. Am Ende hat also schon jeder ein gewisses Mitspracherecht. Das Ganze läuft vorwiegend natürlich über das Internet ab, jeder bekommt die Tabs/Noten, die er daheim für sich übt, und wenn dann eine Tour oder wichtige Shows anstehen, treffen wir uns zum Proben im Schwarzwald. So hat das schon immer sehr gut funktioniert und wird auch erstmal weiterhin so ablaufen.
Das klingt trotzdem deutlich aufwendiger, als wenn man sich mal einen Nachmittag in Proberaum hockt, vereinfacht gesagt. Zieht sowas den Entstehungsprozess nicht deutlich in die Länge, oder gibt es im Gegenteil sogar Vorteile an dieser Form der Zusammenarbiet? Und direkt darin inbegriffen: Wie lange habt ihr eigentlich an „Stellar“ tatsächlich gearbeitet?
Klar gibt es Bands, die schließen sich für eine Woche im Proberaum ein, schreiben ein Album und nehmen das dann innerhalb von einer weiteren Woche auf und es wird auch gut. Das ist super, wenn das so funktioniert. Diese positive Erfahrung habe ich aber leider noch nie machen können und da ich mit dieser Band bzw. diesem Projekt einfach eine klare Vision habe, lasse ich mir das nur ungern nehmen. Was Experimente aber nicht zwangsweise ausschließt oder bedeutet, dass wir diese Arbeitsweise nicht doch mal umkrempeln. Dafür wohnen wir aber eben leider zu weit voneinander entfernt, um regelmäßig zusammen kreativ sein zu können. Und eine Internetverbindung ersetzt da leider auch nicht die persönliche Verbindung, die man mit seinen Bandkollegen im Proberaum hat.
Wie gesagt kommen wir mit dieser Arbeitsweise aber nach wie vor gut zurecht und sind auch mit dem neuen Album sehr zufrieden. Mir fällt es immer sehr schwer, zwischen Tür und Angel zu schreiben und da sind auch oftmals zwei Wochen zwischen zwei Auftritten zu wenig Zeit, um in die richtige Stimmung zu kommen und die Gitarre bleibt im Ständer. Ich brauche also irgendwie schon sehr viel freie Zeit, um Ideen und Erfahrungen verarbeiten zu können und neues Material zu schreiben. Da wir mit der „Unstille“ recht viel unterwegs waren, hatte ich dadurch eben weniger Zeit zu schreiben und der erste neue Song, „Letzte Sonne“ war das, war erst im Spätsommer 2013 fertiggeschrieben. Nach und nach kamen aber immer mehr Fragmente und Songs zusammen, ich habe sogar einen schon etwas älteren Song („Einkehr“) von 2011-2012 wieder rausgekramt und weitergeschrieben und im Sommer 2014, kurz bevor wir ins Studio gegangen sind, war dann auch der letzte Text für das Album fertiggeschrieben.
Wenn man sich das so anschaut, könnte man meinen, das Album wäre innerhalb eines Jahres geschrieben worden, das würde ich aber wiederum auch nicht sagen. Ich sammle nonstop neue Ideen, versuche alles, was mir in den Sinn kommt und gefällt, aufzuschreiben oder direkt in der Musik festzuhalten. Dadurch können sich auch durchaus Riffs aus den frühen Anfangstagen, für die bisher noch keine Verwendung gefunden wurde, in neuen Songs wiederfinden. Das ist ein stetiger Prozess und ein neues Album spiegelt mehr oder weniger einfach den neuesten Stand wider.
Die Interpretaionen zum Coverartwork sind ja relativ eindeutig, aber kannst du uns trotzdem was dazu und vielleicht auch zum lyrischen Inhalt des Albums verraten?
Im Prinzip zieht sich durch das gesamte Albumartwork das Sternenthema, das auch in den Texten omnipräsent ist. Das Cover ist mehr oder weniger nur einer der Teile, die das komplette Artwork bilden. Zu jedem Song gibt es ein individuell gestaltetes Bild, das den Sinn oder das Kernthema des jeweiligen Stückes darstellt. Das Coverbild wurde anfangs zu „Letzte Sonne“ entworfen. Da es auf mich aber sofort gewirkt hat und meiner Meinung nach eine besondere Ausstrahlung besitzt, haben wir es als Cover genommen. Auch wenn im Prinzip nicht mehr als eine Sonnenfinsternis zu sehen ist und das auch nicht gerade die originellste Idee ist – sieht man es im Verbund mit dem Rest des Artworks, nimmt es eine klare Rolle ein. Die Sonne bzw. der wichtigste Stern in unser aller Leben, vor dem sich etwas schwarzes, undurchdringliches schiebt und das Licht blockiert. Die Sonne beziehungsweise den Sternenhimmel sehe ich als ultimative, unendliche Freiheit an, zu der der Mensch schon immer gestrebt hat. Ein „Greifen nach den Sternen“ quasi, mit dem traurigen Wissen, dass man sie nie erreichen wird und dass es immer etwas gibt, was einen hier auf der Erde daran hindert.
Kann man also fast von einem Konzeptalbum sprechen?
Ein Konzept, was es vorher nicht gab und was sich erst nach und nach herauskristallisiert hat, sozusagen. So könnte man das durchaus nennen.
Ich finde die Entwicklung ist unüberhörbar, gleichzeitig habt ihr aber durchaus eure Trademarks bewahrt. Wie siehst du die Entwicklung von DER WEG EINER FREIHEIT über die Jahre in musikalischer Hinsicht? Oder vereinfacht, was ist an „Stellar“ anders als zum Beispiel auf eurem Debüt?
Ich denke verglichen mit dem ersten Album ist „Stellar“ sehr viel komplexer, was Strukturen, Songaufbau und die instrumentalen Arrangements angeht. Das erfordert zwar mehr Zeit beim Reinhören, bleibt dafür aber vielleicht länger hängen. Das alte Material war meiner Meinung nach sehr viel eingängiger, straighter, aber stellenweise auch sehr abwechslungsarm. Das fällt mir selbst oft auf, wenn live bspw. ein brandneuer Song auf einen alten Song trifft. Das macht die Songs natürlich nicht schlechter, aber der Schreibstil, den ich früher hatte, unterscheidet sich schon stark von dem heutigen würde ich sagen. Während ich früher einfach aus dem Bauch herausgeschrieben habe und Songs innerhalb von nur wenigen Stunden entstanden sind, mache ich mir heute sehr viel mehr Gedanken im Moment des Schreibens selbst, achte z.B. auf einzelne Töne, richtige Harmonien und andere Details. Natürlich entspringen die Ideen nach wie vor spontan aus dem Bauch heraus, aber sobald ich etwas handfestes habe, versuche ich das gleich zu verfeinern und auszuarbeiten. Dadurch dauert das Songwriting an sich sehr viel länger, ich würde es aber ausgeklügelter nennen und wie schon gesagt sehr viel komplexer. Das hängt wohl auch mit dem eigenen Anspruch zusammen, der über die Jahre gestiegen ist. Je älter man wird, desto älter wird eben auch die Musik, die man schreibt, und es würde mich zu Tode langweilen, immer nur dasselbe zu machen.
Ihr habt über die Jahre einen enormen Sprung gemacht, die größten Festivals in Deutschland abgegrast, eine Menge Touren gespielt und viel, viel Lob eingeheimst. Im Sommer greift ihr auch international auf einigen großen Festivals an. Gibt es denn noch Träume und Ziele, die du mit DER WEG EINER FREHEIT erreichen möchtest?
Der größte Traum und das höchste Ziel ist es, immer das machen zu können, worauf ich gerade Bock habe. Das tägliche Leben und die heutige Welt verschaffen zum Glück genügend Inspiration, dass wohl nie die Ideen ausgehen. Große Festivals zu spielen macht natürlich eine Menge Laune und wir freuen uns auch auf die kommende Tour und den Sommer. Aber wichtiger ist, dass wir uns immer unsere Freiheiten behalten können, was uns beispielsweise auch bei dem neuen Plattenvertrag und anderen Angelegenheiten sehr wichtig war bzw. ist. Die nächste Etappe wird wohl erstmal sein, mit dem Album so viel wie möglich zu spielen und Orte und Menschen zu erreichen, zu denen man vielleicht normal keinen Zugang hätte.
Ihr geht auf Co-Headliner-Tour mit DOWNFALL OF GAIA. Was darf man sich von der Tour erhoffen und da die Tour ja vor dem offiziellen Veröffentlichungsdatum startet, wird es die Scheibe dort schon zu kaufen geben?
Ja, das neue Album wird es dort natürlich schon zu kaufen geben. Wir müssen zwar für die insgesamt 24 Termine einiges an Vorrat mitnehmen und unser Platz im Bus ist leider begrenzt, aber wir hoffen doch, dass wir für jeden was dabei haben. Wir haben bisher zwar noch nie mit DOWNFALL OF GAIA gespielt, sind aber schon seit längerem in Kontakt und die Idee zur gemeinsamen Tour stand schon länger im Raum. Daher freuen wir uns sehr auf das Ding, was gleichzeitig die ausgedehnteste und längste Tour für uns bis dato darstellt.
Hast du denn deren aktuelle Scheibe „Aeon Unveils The Thrones Of Decay“ gehört? Und was hältst du von der Qualität der Jungs?
Ich habe mir die Scheibe jetzt schon ein paar Mal reingezogen und sie gefällt mir echt richtig gut. Wie vorhin schon angesprochen, gibt es eben Bands, die es schaffen, innerhalb kürzester Zeit ein Album zu schreiben und aufzunehmen und diversen Interviews kann man entnehmen, dass es bei den Jungs wohl so der Fall gewesen ist, was großen Respekt verdient. Ich bin sehr gespannt, wie das ganze live rüberkommt.
Was hast du denn in letzter Zeit an Alben gehört, die dich regelrecht begeistert haben? Irgendwelche spannenden Neuentdeckungen?
Vor kurzem habe ich erst eine Band namens CLOUDS entdeckt, mit der wir zusammen beim Dark Bombastic Evening in Rumänien diesen August spielen. Soweit ich weiß, sind da ein paar Leute von SHAPE OF DESPAIR dabei und normalerweise bin ich jetzt nicht so der Doom-Fan – aber das Album „Doliu“ hat mich regelrecht umgehauen, es hat eine unglaubliche Tiefe und Traurigkeit, die für mich in letzter Zeit kaum eine andere Band erreicht hat. Ansonsten habe ich vor ein paar Monaten das Album „A Dead Sinking Story“ von ENVY für mich entdeckt. Schon etwas älter, aber sehr emotional und mitreißend. Die Melodien und Harmonien haben einen starken Charakter finde ich, nur der Gesang ist teilweise etwas eintönig. Ansonsten fand ich die neue PRIMORDIAL auch sehr gut und ich bin auf ein kanadisches Folktrio namens TIMBER TIMBRE gestoßen. Har nichts mit Metal zu tun, aber die Songs faszinieren mich einfach.
Doch noch ein kurzer Sprung zurück. Deine Mitstreiter sind ja allesamt noch in anderen Bands aktiv, unter anderem FUCK YOU AND DIE und BRANNTHORDE. Wie kriegen die Jungs das mit so einer aktiven Liveband wie DER WEG EINER FREIHEIT unter einen Hut und hat das irgendwelche Einflüsse auf die Zusammenarbeit?
Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht so genau. Aber wenn man einer Sache verflossen ist, dann zieht man das auch durch. Wir sind alle Kumpels und verstehen uns sehr gut, wissen was im Moment wichtig ist und planen das Ganze zusammen einfach sehr gut durch. Klar ist DER WEG EINER FREHEIT wohl die Band, die am meisten Zeit in Anspruch nimmt, vor allem mit dem neuen Album, was meine Kollegen aber nicht daran hindert, ihren eigenen Projekten nachzugehen. Musikalisch hat das keinen Einfluss auf DER WEG EINER FREIHEIT, terminlich sind wir dadurch aber natürlich etwas eingeschränkter. Aber wie gesagt bekommen wir das alles ganz gut unter einen Hut ohne sonderlich große Abstriche ziehen zu müssen.
Vielen Dank für das ausführliche Gespräch. Die letzten Worte überlasse ich natürlich gerne dir.
Danke dir auch ein weiteres Mal für das Gespräch! Auf dass noch einige Male folgen, hehe. Respekt für die Arbeit, die du und deine Kollegen für metal.de auf euch nehmt! Danke auch an alle Leser und wir sehen uns hoffentlich bald auf Tour!
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