Der Weg Einer Freiheit
Interview mit Nikita Kamprad zu "Agonie"
Interview
NWOGBMC? Schlägertrupps vor dem Proberaum? Intellektuelle Gespräche auf Konzerten? Aufnahmen in den Semesterferien? Nett aussehen, aber brutal klingen? Das gibt’s in der Kombination in Deutschland vornehmlich von DER WEG EINER FREIHEIT, die vor einigen Wochen ihre neue EP „Agonie“ veröffentlicht haben und mit deren Gitarrist Nikita Kamprad ich ein paar Worte gewechselt habe. Von Verräter zu Verräter, sozusagen.
Hallo Nikita. Ich hoffe, Dir geht es gut, Du kannst die Rückmeldungen zu Eurer neuen EP genießen und Du bist nicht zwischenzeitlich von irgendeinem Kanwulf-Gedächtnis-Schlägertrupp aufgesucht und für Deine Vergehen am deutschen Black Metal zur Rechenschaft gezogen worden?
Hi Florian! Mir geht es gut, danke. Ich komme gerade von einem ausgedehnten Probe-Wochenende zurück und dabei sind mir glücklicherweise keine Schlägertrupps über den Weg gelaufen, alles in Butter also!
Die EP habt Ihr, im Gegensatz zu Eurem ersten Album, als vollständige Band produziert. Inwiefern hat sich damit auch die Herangehensweise an die Komposition, die Proben und den Produktionsprozess geändert? Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zum Album?
Wir hatten eigentlich vor, nach der Veröffentlichung des Debüts viel mehr zusammen zu proben und dabei auch neue Ideen auszuarbeiten. Da jedoch jeder von uns durch private Angelegenheiten sehr eingebunden ist und wir alle in verschiedenen Städten über ganz Deutschland verteilt wohnen, erwies sich das als sehr schwierig und es hat am Ende sogar noch nicht einmal für eine gemeinsamen Probe vor den Aufnahmen gereicht. Daher sind wir auch nicht gerade mit dem besten Gewissen ins Studio gegangen, wobei es dort glücklicherweise keinen Grund zur Besorgnis gab und am Ende doch größtenteils alles wie geplant verlief. Meiner Meinung nach wartet „Agonie“ im Vergleich mit dem Debüt mit keinen großartigen Neuerungen auf und ist eher eine logische Fortführung des alten Materials mit ein paar neuen Ideen und einer insgesamt etwas düsteren Atmosphäre. Ich denke, dass jeder, der das erste Album mochte, auch Gefallen an der EP finden wird und jeder, der erst mit dem neuen Material auf uns aufmerksam wurde, wird auch unsere älteren Songs mögen.
Ich habe gelesen, dass Du eine längere Phase der Kreativpause vor der Entstehung der EP hattest. Auch wenn das eine sehr persönliche Frage ist: Was war der Grund dafür, und wie hast Du es geschafft, aus dieser Phase wieder herauszufinden?
Es war eine Phase von fast einem Jahr, in der kein einziger Song entstanden ist. Wie ich da hinein und wieder hinaus geraten bin, kann ich gar nicht erklären. Aber es ging musikalisch einfach nicht vorwärts und es war eine ziemlich anstrengende Zeit.
Aus meiner eigenen Erfahrung kenne ich das Gefühl, einen Perfektionsdruck zu spüren, den man sich selbst beim Schreiben neuer Musik auferlegt. Auch Erwartungen von außen, vor allem von enthusiastischen Fans, spielen bei diesem Gefühl eine Rolle. Hast Du damit ebenfalls Erfahrungen?
Ja, das Ganze empfinde ich recht ähnlich wie du. Trotzdem versuche ich immer nicht für den Fan oder gar die Presse, sondern nur für mich zu schreiben und mir selbst gegenüber ehrlich zu sein. Das mag vielleicht egoistisch klingen, ist für mich aber einfach die Quintessenz des Musikmachens und da höre ich nicht auf anderen Stimmen. Wenn ich das schaffe und das Material auch noch gut vom Publikum aufgenommen wird, habe ich mein Ziel erreicht.
Verarbeiten die Texte der EP auch Erfahrungen aus dieser Zeit?
Diese Phase hat sicherlich zu der Grundstimmung und teils auch zu den Texten der EP beigetragen. Auch den Titel kann man stellvertretend dafür sehen. Ich habe allerdings nicht direkt versucht, bestimmte Ereignisse aus diesem knappen Jahr damit zu verarbeiten, zumindest nicht bewusst. Eher spiegeln Musik und Texte auf der EP das grundlegende Empfinden und meine Wahrnehmung gegenüber dieser Zeit wider.
DWEF sind von einem Duo mittlerweile zu einer Band gewachsen, die allerdings kein 100%ig stabiles Line-Up vorweisen kann. So ist Schlagzeuger Christian Bass nach den EP-Aufnahmen ausgestiegen. Wer gehört heute noch zur Livebesetzung der Band, und wie siehst Du die Zukunft dieses Line-Ups? Bist Du ein Bandkopf, der eine feste Besetzung schätzt, die sich in die Band einbringt, oder reichen Dir Söldner aus, die Deine Musik so gut wie möglich spielen?
Christians Ausstieg war natürlich erst mal ein großer Verlust für uns. Mit Tobias haben wir jedoch einen würdigen Ersatz gefunden und ich hoffe, dass sich damit unser Line-Up in Zukunft etwas festigt. Die beiden live- bzw. Session-Mitglieder an Gitarre und Bass sind zwei sehr gute Freunde, die ich schon lange kenne und auf die ich mich verlassen kann. Das ist mir sehr wichtig, denn ich könnte mir im Moment nicht vorstellen ein komplett neues Mitglied, das wir nicht persönlich kennen, in die Band zu holen. Aber glücklicherweise besteht dafür auch gar kein Grund.
“Agonie“ habt Ihr zusammen mit Eike Freese in Hamburg produziert. Du hast mir erzählt, dass auch andere Studios zur Verfügung standen, Ihr aber terminlich keine Einigung erzielen konntet. Was waren Alternativen zu Eike Freese, und wo siehst Du letztlich die Vorteile seines Studios? Was waren Eure klanglichen Ziele für diese Produktion?
Da wir durch Studium und andere Pflichten zeitlich sehr eingeengt sind, hatten wir keine andere Wahl als die Aufnahmen während der Semesterferien im März über die Bühne zu bringen – was eine sehr kurzfristige Entscheidung war, wenn man bedenkt, dass erst um die Jahreswende 2010/11 klar wurde, dass wir diese EP überhaupt machen werden. Wir haben kurzerhand mehrere Studios, die in Frage kommen, angeschrieben und letztendlich ermöglichte ein glücklicher Zufall die Aufnahmen bei Eike Freese in Hamburg. Wir sind sehr froh darüber, dass die Zusammenarbeit mit ihm geklappt hat, was wir auch schon sofort am ersten Tag im Studio gemerkt haben. Allgemein war die Atmosphäre während der Aufnahmen sehr entspannt, alles verlief nach Plan und Eike konnte sich gut in unsere Songs einfinden, was ich persönlich sehr wichtig finde. Wir wollten vor allem eine reine und authentische Produktion ohne viel Geschiebe und Getrigger. Daher haben wir das Ganze auf verhältnismäßig wenige aber dafür saubere, tighte und charakterstarke Gitarren-, Bass- und Gesangsspuren reduziert und auch das Schlagzeug so natürlich wie möglich belassen. Ich bin der Meinung, dass der eigentliche Klang und der Druck einer guten Produktion hauptsächlich von den Arrangements und dem Zusammenspiel der Instrumente kommt und nicht durch irgendwelche Kompressoren und Effekte erschaffen werden kann.
Ich habe mich gefragt, warum Ihr nicht noch zwei weitere lange Stücke aufgenommen und aus der EP eine LP gemacht habt. Welche Überlegung steckt dahinter?
Ja, das ist eigentlich eine gute Frage. Ich hatte aber einfach das Gefühl, dass diese Songs eine Einheit bilden und für diesen vorher angesprochenen Zeitraum stehen, der mit dieser EP abgeschlossen ist. Seitdem läuft es mit dem Songwriting auch stetig besser, was ein kommendes Album immer greifbarer macht.
Das Cover der Veröffentlichung finde ich sehr stimmungsvoll, auch wenn es eher Atmosphäre als Motiv ist. Was kann man darauf genau sehen, und inwiefern illustriert es den Titel der EP?
Ich finde es gut, dass du die Atmosphäre siehst, die das Cover vermitteln soll. Denn genau wie unsere Musik soll auch das Artwork stimmungsvolle Gefühle und Assoziationen erwecken und weniger ein bestimmtes Thema behandeln oder eine Botschaft vermitteln. Wie das Design überhaupt entstanden ist und was genau darauf zu sehen ist, kann ich gar nicht sagen, da wir nicht viel vom eigentlichen Entstehungsprozess mitbekommen haben. Wir fanden es aber schon beim ersten Entwurf sehr gelungen und der musikalischen Gesamtstimmung der EP entsprechend.
Viva Hate ist ein verhältnismäßig kleines Label, das oft öffentlich als unzuverlässig gebrandmarkt wird, und DWEF sind eine mittlerweile verhältnismäßig erfolgreiche Band im deutschen Metal-Underground. An Angeboten größerer Labels wird es Euch nicht mangeln. Was schätzt Ihr an Viva Hate, und wie sieht Eure Labelzukunft aus?
Ehrlich gesagt haben wir seit dem Deal mit Viva Hate Records kein einziges Angebot eines anderen Label erhalten. Ich mache mir im Bezug darauf momentan auch keine großen Gedanken, da wir uns bei Viva Hate Records sehr wohl fühlen und mit ihm ein sehr persönliches Verhältnis pflegen. Die Kontroversen über unser Label, vor allem im vergangen Jahr, haben wir natürlich mitbekommen und können das auch nachvollziehen. Leider ist da sehr vieles schiefgelaufen, was letztendlich am Kunden hängen blieb. Auch wenn Viva Hate Records nur ein verhältnismäßig kleines Label ist, kümmert es sich sehr gut um seine (wenigen) Künstler. Als noch junge Band unseres Kalibers haben wir damit ein viel besseres Gefühl als eine unter 100 Bands auf einem großen Label zu sein.
DWEF sind eine der Bands, die in der größtenteils reaktionären deutschen Black Metal-Szene aufgrund ihrer Unangepasstheit und der Vergangenheit einiger Musiker im Metalcore und anderen musikalischen Stilen nicht akzeptiert werden – sozusagen das vertonte Off-Topic. Wie sind Eure Erfahrungen mit dieser Rolle auf Konzerten mit Black Metal-Schwerpunkt, aber auch im Kontakt mit Fans, in Foren usw.?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das, was man so im Internet zu lesen bekommt, auch weitestgehend dort bleibt. Die Leute, die nicht mit uns oder mit dem, was wir machen, klarkommen, schauen sich uns auf den Konzerten eben einfach nicht an. Wir haben bisher mit niemandem persönlich Bekanntschaft gemacht, der uns ähnlich konfrontiert hätte, wie es diese Handvoll Leute im Netz tun. Es gibt natürlich ein paar, die es etwas genauer wissen wollen, bei Konzerten auf uns zu kommen und fragen warum und weshalb usw. Das ist aber bisher immer friedlich und ohne Schlägerei abgelaufen – alles andere wäre irgendwie auch lächerlich. Wir entscheiden selbst, wie wir uns geben wollen, auch wenn darunter für den ein oder anderen die Atmosphäre und Authentzität unserer Musik leidet – wir spielen unseren Metal und daran wird sich nichts ändern. Wir nehmen das auch niemandem übel, denn ich glaube jeder hat gewisse Bands, die er aus irgendeinem Grund nicht leiden kann oder sogar hasst. Aber wenn man das Ganze als „Vergehen/Verrat“ am Deutschen Black Metal sehen will… dann gute Nacht Musikkultur!
Mir ist vor einiger Zeit eine Band namens ÄRA KRÂ über den Weg gelaufen, die erstaunliche Parallelen zu DWEF aufweist. Ich bin mir relativ sicher, dass Du deren Platte ziemlich genau kennst. Haben wir’s da etwa mit einer New Wave Of German Black Metalcore zu tun?
Richtig, das ist eine der meistgehörten Platten von mir in diesem Jahr, auch weil sie zum größten Teil ein sehr guter Freund von mir geschrieben hat. Ansonsten gibt es da eigentlich nicht viel zu sagen, außer dass NWOGBMC ganz schön beschissen klingt haha.
Vielleicht kannst Du noch einen kurzen Ausblick auf die nächsten DWEF-Pläne geben, bevor wir das Interview beenden. Danke für Deine Zeit und alles Gute!
Wie schon erwähnt stecken wir momentan schon wieder voll im Songwriting für das nächste Album, was vielleicht schon im nächsten Jahr das Licht der Welt erblicken wird. Außerdem soll es 2012 erstmals eine größer angelegte Tour geben, bei der wir hoffentlich auch außerhalb Deutschlands spielen werden. Ich bedanke mich auch recht herzlich für die Zeit und dein Interesse an uns und wünsche dir weiterhin das Beste!
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Stile | Melodic Black Metal |
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