Der Eremit
Der Eremit
Interview
Ein gutes Jahr ist es inzwischen her, dass Gian von Der Eremit auf diesen Seiten bereits einmal Rede und Antwort stand. Nunmehr ist mit"Magma-Prana" das vierte Album der Schweizer erschienen, welches sich ebenso wie seine Vorgänger dem leichten Konsum, auf musikalischer und textlich Ebene, verschließt. Was es alles in der Welt des Eremiten zu entdecken gibt, davon vermittelt vielleicht folgendes Interview einen Eindruck.
Das Album ist in die Abschnitte Magma und Prana unterteilt. Warum diese Unterteilung und in wie weit spiegelt die Einteilung der Stücke den Charakter der Begriffe Magma und Prana – die primäre Energie, der Atem des Lebens ( Sanskrit ) – wieder?
Magma und Prana symbolisieren auf diesem Album eigentlich das Selbe: Liebe, Energie und Lebenskraft. Das Album ist eine einzige Hymne auf das Leben in all seinen Aspekten. Magma ist für mich ein Begriff von starker Symbolkraft, weil es Stein (Beständigkeit) und
Feuer (Wärme, Energie) in sich vereinigt, außerdem ist es flüssig (Anpassung, Veränderung) und hat keine Feinde (Liebe), auch ist es der Kern unseres Heimatplaneten und, wenn man so will, der Ursprung des Lebens (zumindest materiell). Das Album sollte ursprünglich Magma heißen und ich habe mir vorgenommen, die Anzahl der Stücke von Anfang an zu beschränken, an diesen Stücken jedoch solange herumzufeilen, bis ich vollständig damit zufrieden bin, was ich auch fast erreicht habe. Es gab also nie eine Auswahl von Stücken, nicht mal ansatzweise. Magma ist in sich geschlossen, auch textlich. Prana wiederum
bringt für mich eher einfach die Freude am Musikmachen (und am Leben) zum Ausdruck und ist auch leichter konsumierbar, mal abgesehen von „Nuklearwinter“ (meiner Meinung nach übrigens die bisher gelungenste Umsetzung eines Eremit-Titels, kein Scherz)
Der zweite Teil des Albums „Prana“ besteht überwiegend aus Remixen. Worin liegt für Dich der Reiz eines Remixes bzw. warum hast Du Dich entschlossen Remixe von alten und neuen Stücken anzufertigen?
Die Remixe von „Magma“ und „Wasser und Brot“ sind nicht von mir, sondern von befreundeten Musikern ( Julian Huggenberger von „Borg Drone“, mit dem ich zusammenwohne und Oliver Jaeggi von „System der Dinge“, dessen ehemaliges Zimmer ich bewohne;-)) Ich finde es einfach spannend, wie andere Leute die Songs anders interpretieren und finde sogar, Oliver hat den Text von „Wasser und Brot“ emotional besser eingefangen
als ich auf der Originalversion. Buttermilch hat sich aufgedrängt, um Muttermilch zu relativieren, ich finde, dieser Song wird oft missverstanden, da die Ironie nicht offensichtlich ist. Prana baut auf Magma auf und hat einen „Happy-end“-Charakter und ist eine reine Hymne an das Sein und an die Liebe. Bei „Du und Ich“ ist es übrigens so, dass der „Electro-Edit“ die Originalversion ist und ich denke, das merkt man, wenn man die Stücke miteinander vergleicht. Mir liegen aber beide am Herzen.
Im Booklet wird der Mediziner und Alchemist Paracelsus (ca. 1493 – 1541) zitiert. Seiner Überzeugung nach ist der Mensch geboren, die Welt zu verändern und in einen Zustand höhere Perfektion zu überführen. Wie beurteilst Du die Eingriffe der „modernen“ Gesellschaft in unsere Umwelt und wie stellt sich für Dich eine Überführung zu einer höheren Perfektion dar?
Ich denke, jedes Wesen, das die Evolution hervorbringt ist Ausdruck höherer Perfektion, oder zumindest der Versuch dazu. Perfektion ist „Atman“, oder die Einheit. Jedes Wesen, jedes Molekül und jedes Atom ist bewusst oder unbewusst auf der Suche danach oder leistet seinen Beitrag dazu. Das Gegenteil ist Zerfall und Abstieg. Die Gesellschaft hat moralisch den Zug des Fortschritts verpasst. „Ratio“, oder die Vernunft ist erstrebenswert, ist aber weder der Endpunkt jeder Entwicklung, noch negiert er vorherige Entwicklungsphasen der Menschheit. Auch sie muss zu gegebener Zeit überwunden werden, sie ist nur ein weiteres Glied in der Kette. Das Fehlen dieser Einsicht führt früher oder später zum Stillstand und in die Psychose, das Resultat jedes nicht erkennen Wollens oder Könnens. Die Evolution dieses Planeten steht mit dem Menschen auf Messers Schneide, wir haben die Möglichkeit, alles zu gewinnen oder zu verlieren. Kurz gesagt: „Gott existiert, wenn auch nicht in der Form, in welcher man im Mittelalter an ihn glaubte. Die Vernunft kann dieser Tatsache nichts anhaben. Das Klammern an die Vernunft, kann jedoch uns in den Untergang führen. Die Psychologie leistet ihren Beitrag, solange sie spirituelle Einsicht mit Schizophrenie gleichsetzt. Sollte es die Menschheit in tausend Jahren noch geben, so werden dann die Menschen der Vernunft einen ähnlichen Stellenwert geben, wie unsere Rationalisten der Mystik, außer dass sie nicht darüber lachen und sie als Kinderkram abtun werden. Jede Phase hat ihre Berechtigung als Wegbereiter zur nächsten. (Wer sich übrigens eingehender für diese Themen interessiert, dem möchte ich wärmstens die Bücher von Ken Wilber ans Herz legen, zur Zeit mein Lieblings-Autor)
Ist das Schicksal, das Befinden des Menschen Deiner Meinung nach von „kosmischen“ Kräften beeinflusst oder ist jeder Mensch seines eigenen Schicksals Schmied. In welcher Weise kann der Mensch Einfluss auf diese Kräfte nehmen?
Alles wird beeinflusst, ebenso, wie alles einen Einfluss auf das Geschehen nimmt. Der Mensch ist eine Einheit, welche sich aus kleineren Einheiten zusammensetzt (Organe, Zellen). Ebenfalls jedoch auch Teil von größeren Einheiten (Familie, Staat, Gaia). Alles ist endlos verschachtelt und, wie schon gesagt, auf dem Weg zur absoluten Einheit (Atman, Gott). Der Mensch sollte sich seiner Position bewusst werden und die Ammenmärchen von wegen „Krone der Schöpfung“ langsam ablegen. Er sollte sich allem gegenüber um Respekt und Achtsamkeit bemühen. Außerdem sollten wir daran arbeiten, illusionäre Identifikationen (Körper, Ego, Geist, usw.) zu überwinden und Schritt für Schritt über uns selbst hinauszuwachsen, denn dies ist unser Daseinszweck. Damit lösen sich alle weiteren Probleme, denn es gibt sie nicht, Probleme existieren nur aus der Perspektive des Egos.
Ist die Musik bzw. ihre Entstehung für Dich mit dem Wesen der Alchemie, deren Hauptziel die Herstellung des Steins der Weisen ist, vergleichbar?
Irgendwie schon, denn genauso, wie ich die Musik beeinflusse, beeinflusst sie auch mich und wir entwickeln uns gemeinsam. Deshalb ist es mir auch wichtig, ihr mit gebührender Sorgfalt zu begegnen, (letztendlich mir selbst gegenüber). Sie ist mein Spiegelbild, und ich habe lieber ein Spiegelbild, welches mich ermutigt, als eines, welches mich zur Schnecke macht. Sie ist ein eigenes Wesen, vielleicht werde ich ihr nicht immer gerecht, aber sie ist grundehrlich.
„Das Paradies ist kein Ort, sondern ein Zustand und ist überall dort, wo wir zu finden bereit sind“ („Du und ich“ – Der Eremit). Kann der Mensch denn überhaupt mittels Reflektion das Paradies wieder finden oder ist er gerade aufgrund seines Reflektionsvermögens auf immer dazu verdammt zu suchen?
Wir können das Paradies, oder die Erleuchtung zwar zeitweilig und andeutungsweise erfahren (Orgasmus, Psychoaktive Substanzen, Meditation ) doch es ist ein Irrtum, zu glauben, sie als Mensch vollständig zu erreichen zu können. Reflektion bedingt Polarität (Subjekt und Objekt, Raum und Zeit), Einheit jedoch schließt Polarität aus. Erst, wenn man sein Ich und seine Individualität ablegt, ist man bereit für die Einheit. Die Einheit ist zwar immer vorhanden ( Sie ist das einzige, was ist) aber wir können sie nicht sehen. Wir sind nicht im Paradies, wir sind das Paradies, jeder und alles ist vollkommen. Klar gibt es erleuchtete Menschen, doch diese erscheinen wohl nur noch als Menschen, in ihrem Inneren sind sie es nicht mehr, sie sind das Sein ans sich, haben sich im kosmischen Bewusstsein aufgelöst.
Auch diese Album ist wieder in Eigenregie veröffentlich worden. Gibt es kein Label, dem ihr Euch anvertrauen wollt?
Schön, dass du es so betrachtest. Im Gegenteil war es bisher so, dass uns niemand wollte, jedenfalls niemand, bei dem die Vorteile für uns überwiegen. Unsere bisherigen Alben „Blend-Werk“ und „Fiebertraum“ werden in Zukunft von V2001 (www.v2001.de) vertrieben, ob uns dies weiterbringt, wird sich noch zeigen. Wie mit den bisherigen Alben, sind wir auch jetzt wieder auf Labelsuche. Es gibt Angebote, aber bisher hat mich noch nichts vom Stuhl geworfen. Wir sind auch vorsichtig geworden und müssen nicht das erstbeste Angebot annehmen.
Ein geschwungenes Symbol ziert auch das Cover der neuen Veröffentlichung. Welche Bedeutung hat es?
Dirk, welcher auch zeichnet, hat mal eine Stange solcher Symbole entworfen. Ich dachte, das könnte noch gut sein, so von wegen Corporate Identity. Als er sie mir dann gezeigt hat, habe ich mich gleich in dieses verliebt. Es ist für mich die Silhouette eines Engelwesens, bringt aber auch etwas Kämpferisches zum Ausdruck. Ich finde, es passt sehr gut zu unserer Musik.
„Buttermilch“ – „Muttermilch“: welche Milch nährt Dich?
Wohl schon eher Buttermilch. In Indien sind ja die Kühe heilige Tiere und Milch steht für
Erleuchtung (Shivas Milchozean). Der Gesang hat auch etwas bittendes und der Song ist relaxt. Vielleicht nährt sie mich nicht, aber zumindest lockt sie, sie ist das einzige erstrebenswerte, Weisheit und Mitgefühl. Der Song Buttermilch jedoch hat die Themen
Abhängigkeit, Egoismus, Besitzergreifen und Konsum zum Inhalt ( Dinge, welche man gerne mit Liebe verwechselt ) Das Baby, welches nach Muttermilch schreit ist der Inbegriff des Egoismus, auch des Konsums. Der Gesang ist aggressiv, fordernd und drohend. Ich hatte zur Zeit, als ich den Song schrieb, eine recht besitzergreifende Freundin und der Song handelt eigentlich von ihr, nicht von mir. Ich habe darin nur ihre Rolle angenommen. Der Song Fleischberg handelt vom gleichen Thema, nur ist das Baby erwachsen geworden. Es überdeckt die eigene Resignation vor dem Ego mit der Glorifizierung desselben und macht die Not zur Tugend. Ein Spiegel der Gesellschaft.
„Suchende sollten davor gewarnt sein, zu finden, sofern sie nicht dazu bereit, zu empfangen, zu begreifen, zu verkraften“ ist der eröffnende Text Eurer Homepage. Welche Suche sprecht Ihr damit an und woran mangelt es dem Menschen, um das Ziel seiner Suche zu verarbeiten?
Jede Suche! Oft entspricht das Ziel einer Suche nicht dem, was man sich zu Beginn derselben darunter vorgestellt hat. Oft hat man falschen Vorstellungen, welche das finden verhindern können, wenn man sie nicht loslässt. Wir alle suchen doch wohl nach Wahrheit, aber sie sollte bitte schon erfreulich sein. Hat man ein Ziel erreicht, kann man dies nicht rückgängig machen, auch wenn sich das Ziel als ganz anders entpuppt als die Illusionen, die man davon hatte. Natürlich klingt der Spruch auch lustig als Intro einer Homepage, man könnte meinen, man sei weissnichtwohin geraten;-)
Seit bestehen von „Der Eremit“ gab es eine beständige Live Präsenz eurerseits. Welche Bedeutung haben Live-Konzerte für Dich und wie stellst Du Dir das ideale „Der Eremit“ Konzert vor?
Beim idealen Eremit-Konzert besteht das Publikum aus etwa 10 Millionen schöner Frauen, welche alle in der ersten Reihe stehen und feucht werden vom Geruch meines Schweißes. Hab ich jetzt etwa dein Bild von mir zerstört? Na bitte, geht doch. Nein, ich denke, ein ideales Konzert gibt es nicht, immer und überall kann man Dinge verbessern, worum ich mich auch bemühe. Was sicher cool wäre, wären Live-Geige und Live Cello, eine eigene Lichtanlage und natürlich Publikum, welches weniger Betonschuhe trägt als in der Schweiz üblich. Im Moment wäre für mich das ideale Konzert als Support eines namhaften Acts auf einer Deutschlandtournee.
Bestehen schon irgendwelche Pläne für die nahe Zukunft?
Nun ja, ich habe eigentlich die Texte für ein weiteres Album bereits zusammen. Musikalisch will ich mich noch nicht festlegen, aber es kann sein, dass wir viele Leute vor den Kopf stoßen. Übrigens stehen immer, schon bevor ich mit dem schreiben der Musik anfange der Titel und die Farben des Layouts fest. Ich finde auch, die Songs von Magma klingen ziemlich rot-schwarz, findest du nicht? Das nächste Album, sollte es entstehen, wird übrigens weiß sein, einen Titel verrat ich jedoch nicht. Ich will erst mal schauen, ob uns „Magma-Prana“ in punkto Bekanntheit, Vertrieb oder Konzertmöglichkeiten einen vernünftigen Schritt weiterbringt, ansonsten komme ich vielleicht bald mal zum Schluss, dass das Ganze nicht die investierte Zeit und mein ganzes Guthaben wert ist (immerhin gibts es Der Eremit nun schon sein 7 Jahren, diese Zeit war hauptsächlich Arbeit und wir sind gerade mal soweit, dass wir eben rauskommen). Vielleicht werde ich ja auch praktizierender Zen-Buddhist und hänge die Musik an den Nagel. Mein verdammtes Problem ist nur, ich glaube an diese Band und kann gar nicht aufhören 😉 Außerdem leide ich an kreativem Durchfall.
„Alterius non sit, qui suus esse potest“ – Paracelsus ( „Sei keinem anderen Knecht, wenn Du Dein eigener Herr sein kannst“ )
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