Der Bote
Interview mit Produzent und Bassist Frank Itt zu "Kalt!"

Interview

Obwohl DER BOTE bereits seit mehreren Jahren unter uns weilt, hat noch kaum jemand wirklich Notiz von diesem ambitionierten Projekt genommen, auf dem sich neben FEUERENGEL-Sänger Boris Delic noch mehrere namhafte Musiker aus Pop, Rock und Metal verewigten. Musikalisch zielt DER BOTE dabei durchaus in Richtung RAMMSTEIN, wobei textlich und musikalisch trotz gewisser Parallelen grosse Unterschiede herrschen. Frank Itt, Produzent und Bassist von DER BOTE, stellte sich meinen Fragen und brachte ein wenig Licht ins Dunkle.

Der Bote

Moin, Frank! Da Boris leider nicht direkt zur Verfügung steht, möchte ich dir an dieser Stelle dafür danken, dass du dir die Zeit für die kommenden Fragen nimmst. „Kalt!“ hat mittlerweile ja schon einige Tage hinter sich und wurde bereits 2005 auf einem russischen Label veröffentlicht. Wessen Gedankengängen ist denn DER BOTE eigentlich ursprünglich entsprungen und wie kam es letztendlich überhaupt zur Zusammenarbeit mit diesem russischen Label?

Hallo Jens! Ich darf mich kurz vorstellen: mein Name ist Frank Itt und ich bin der Produzent und Bassist von DER BOTE. Boris und ich machen quasi alles gemeinsam was dieses Projekt betrifft. Ich habe auch in der Vergangenheit die Interviews übernommen, da Boris sehr zurückhaltend ist. Er lebt privat auch sehr zurückgezogen und wir haben uns damals dazu entschieden, dass ich alle Fragen in der Öffentlichkeit beantworten werde.

Ja, wie kam DER BOTE zur Welt…? Ich kenne Boris nun seit 10 Jahren, weil ich mal für seine RAMMSTEIN Tribute-Band FEUERENGEL ein Demo aufgenommen habe. Schon damals war ich von seiner kraftvollen Stimme überrascht und dachte mir, ein Projekt mit ihm hätte was. Einige Jahre später haben wir uns dann auf einem Konzert in Hamburg wieder gesehen. Boris fragte mich, ob ich nicht mal Lust hätte etwas mit ihm aufzunehmen. Meine Antwort war vorprogrammiert. Ich war damals auch noch der Bassist und Produzent von Deutschrocker LOTTO KING KARL – und so kam es, dass Lotto für uns einige Texte geschrieben hat. Da die Texte teilweise sehr inhaltsschwanger sind und wir grossen Wert auf diese „Botschaften“ legten, lag es nahe dieses Projekt DER BOTE zu nennen.

Die Zusammenarbeit mit CD-MAXXIMUM lief über Victor Smolski. Er ist ja bekanntlich ein (Weiß)-Russe und arbeitet sehr viel mit diesem Label zusammen. Victor hat 2004 einige Songs mit nach Moskau genommen und sie dem Label vorgespielt und die waren sofort an einer Zusammenarbeit interessiert, tja, und dann nahm das ganze seinen Lauf…

Mittlerweile wurde das Album dann auch auf einem deutschen Label inklusive einem Bonus-Track veröffentlicht. Wie kam das denn zustande?

Ein Freund von mir hat ein eigenes kleines Label und hatte uns gefragt, ob wir nicht Lust hätten das Album „Kalt!“ bei ihm zu veröffentlichen. Da wir nichts zu verlieren hatten und auch in Deutschland eine gewisse Nachfrage war, haben wir die Idee nach einem halben Jahr umgesetzt.

Boris ist übrigens ein grosser Fan von UNHEILIG und da sich die deutsche Version von „Kalt!“ von der russischen etwas unterscheiden sollte, entstand dann diese Idee. Er hatte diesen Song in der Urversion eigentlich für sich privat aufgenommen, weil er sich zu dem damaligen Zeitpunkt sehr mit diesem Song und dessen Text identifizieren konnte. Boris hat dann den „Grafen“, den Sänger von UNHEILIG, in Wacken getroffen und ein nettes, längeres Gespräch mit ihm geführt. Danach fragte er mich, ob wir diesen Song nicht neu aufnehmen könnten. Wir haben ihn dann in ein etwas anderes musikalisches Konzept gebracht, das etwas mehr „BOTEN-like“ daherkommt und mit der Zustimmung des „Grafen“ dann als Bonus-Track mit auf die Platte gepackt.

Ich sehe DER BOTE nicht als RAMMSTEIN-Ersatz, wie einige vielleicht denken mögen, sondern eher als eine interessante Ergänzung. Jeder, der sich für dieses Genre interessiert, kommt eigentlich nicht an euch vorbei. Warum war oder ist es heute eurer Meinung nach trotz einem qualitativ hochwertigen Album so schwer an einen Plattendeal zu kommen?

Qualität entscheidet leider nicht, ob man einen Deal bekommt oder nicht. Wäre es so, sähe unsere Musiklandschaft komplett anders aus. Vielen war die Nähe zu RAMMSTEIN ein Grund zur Ablehnung, obwohl textlisch wie musikalisch doch grosse Unterschiede herrschen. Ein Gitarrensolo in der Qualität eines Victor Smolski sucht man bei RAMMSTEIN vergebens, dafür hat diese Band ganz andere Qualitäten, die dieses vermeindliche Manko mehr als wett machen. Ich bin kein Marktforscher und muss diese Entscheidungen so akzeptieren. Umso glücklicher bin ich, dass diese Platte über dieses kleine Label MSP-Records in Deutschland heraus gebracht wurde und nun in CD-Läden oder bei Amazon zu bestellen ist. Es war für uns beide aber ganz wichtig, dass es qualitativ so gut wie es eben geht aufgenommen und produziert wurde. Nicht ohne Stolz kann ich sagen: wir brauchen uns nicht zu verstecken!

Habt ihr eigentlich handfeste Zahlen parat, wie oft euer Album bereits über die Ladentheke ging, oder breitet man darüber lieber den Mantel des Schweigens?

Das ist kein Geheimnis, trotzdem können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine genauen Zahlen nennen.

OK, du hast vorhin schon Victor Smolski erwähnt. Eurem Album haben neben Victor auch noch weitere namhafte Musiker zur Seite gestanden und ihr Scherflein beigetragen. Ich erwähne jetzt nur mal Jörg Michael, Stefan Schwarzmann und Sascha Gerbig, aber da gab’s ja auch noch jede Menge anderer Leute. Wie habt ihr die eigentlich alle dazu gebracht, euch zu unterstützen?

Die Musiker auf dem Album sind alles Freunde von Boris und mir. Wenn man wie ich über zwanzig Jahre als Musiker arbeitet, kommen Freundschaften zustande, die manchmal auch etwas länger halten, als gerade die Projekte, an denen man gemeinsam arbeitet. Boris ist ja auch schon über zehn Jahre im Business. Als es damals darum ging dieses Album mit einer Band aufzunehmen, haben wir in unserem Freundeskreis einfach gefragt, ob Interesse und Zeit bestünde diesen Traum mit uns zu verwirklichen. Es haben fast alle zugesagt, die wir gefragt haben. Damit hatten wir Anfangs gar nicht gerechnet. Es war natürlich logistisch ein riesiger Aufwand, all die Leute unter einen Hut zu bringen. Darum haben wir für die Aufnahmen auch ziemlich lange gebraucht. Es war eine grosse Erfahrung mit so vielen Musikern an einer Platte zu arbeiten. Beim nächsten Album wird es aber eine feste Besetzung geben. (grinst)

Mit wem von den Gastmusikern hat die Arbeit ganz besonders viel Spass gemacht und warum?

Die Arbeit hat mit allen Musikern sehr viel Spass gebracht, gerade weil sie teilweise aus unterschiedlichen Genren kommen. Es war echt interessant, was sie aus unseren vorgegebenen Demos so gemacht haben. In der Vorproduktion habe ich die Gitarren gespielt und die ganze Programmierung erstellt. Dennoch bin ich kein Gitarrist. Wenn jetzt Victor Smolski oder Marcus Deml kommt und erweist sich als total kreativ, dann lass ich ihn machen und freue mich wie ein kleines Kind über die wunderbaren Sachen, die letztendlich zu hören sind. So war es dann auch mit Stefan Schwarzmann, Ralf Gustke, Jörg Michael und Sascha Gerbig. Ich war erstaunt, wie stressfrei und ohne auch nur den Ansatz von Popstar-Gehabe die Aufnahmen vonstatten gingen.

Du bist bereits auf die Texte zu sprechen gekommen… „Kalt!“ bietet nämlich nicht nur musikalisch Einiges, sondern auch die Texte, die mir manchmal recht kryptisch vorkommen, haben’s in sich. Welche Botschaft überbringt uns denn DER BOTE wirklich? Welche Absicht steckt hinter den Songs und dem Projekt an sich?

Du hast recht, wenn du kryptisch als Synonym für metapher-beladen gebrauchst. Die Botschaften sind sehr unterschiedlich. Der Titelsong zum Beispiel ist der Versuch, eine Vergewaltigung aus der Sicht des Opfers zu beschreiben; „Schuldig“ wird der gesprochen, der die Wahrheit in einer Welt voller Lügen ausspricht; „…und es regnet“ stellt die Macht- und Geldgier der Menschen zur Disposition; „Vorbei“ beschreibt den unstillbaren Wissensdurst der Wissenschaften, auch wenn dadurch die Menschlichkeit zum Opfer fällt und „Einsam“ wird man nicht ohne eigenes Dazutun… Du siehst, es gibt nicht „DIE BOTSCHAFT“, sondern es sind vielmehr einzelne kleine Geschichten, die evtl. beim wiederholten Hören zum kritischen Denken anregen können und sollen.

Und welcher Song vom Album hat eine ganz besondere Bedeutung und warum?

Der Song „Vorbei“ ist eine der Nummern, die schon eine grosse Bedeutung haben. Als wir diesen Song geschrieben haben, war die Grossmutter von Boris gerade verstorben. In der hiesigen Zeitung hatte seine Familie dann wie üblich eine Todesanzeige gesetzt. An diesem Tag war aber auch noch eine andere Anzeige drin, die Boris sehr bewegt hat. In dieser Anzeige handelte es sich um ein verstorbenes Kind aus dem Nachbarort. Zu lesen war dort: „Wir sind dankbar für 9 wunderbare Monate und einen kurzen Augenblick von Zärtlichkeit danach.“ Mit diesen Zeilen kam Boris damals zu mir und sagte, dass er gerne einen Song über dieses Thema machen möchte. Und als ob dies alles nicht genug wäre, verpassten wir dem totgeborenen Kind noch eine sehr seltene Krankheit. Somit sahen sich die Eltern des Kindes von der Wissenschaft zur Freigabe des Leichnams gedrängt und hatten so gut wie keine Chance, sich von ihrem Kind zu verabschieden, zumal es ja nie beerdigt werden kann…

Boris ist ja nicht nur der Sänger bei DER BOTE, sondern auch bei FEUERENGEL. Wie erklärt ihr euch den grossen Erfolg einer reinen RAMMSTEIN Tribute-Band, während DER BOTE leider bisher etwas unterging?

Wenn wir eine wirklich schlüssige Antwort auf diese Frage hätten, bräuchte sie gar nicht gestellt zu werden. Hier ein Versuch: Bei einer reinen Cover-Band stellt sich der Erfolg mit der Qualität der Darbietung ein und ist einzig und allein auf die Live-Auftritte beschränkt. Bei einem eigenen Projekt wird das Ganze viel subtiler, vielschichtiger und komplizierter. Hier prallen Befindlichkeiten der Plattenindustrie und die der Künstler teilweise frontal aufeinander, der Künstler versteht die Plattenfirma nicht und umgekehrt. Jeder möchte seinen Senf dazugeben, weil er glaubt, nur so geht es die Erfolgsleiter hoch. Der eine denkt monitär, der andere inhaltlich und keiner hat tatsächlich den Überblick. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht und wird es nie geben. Letztendlich entscheidet die Gunst des Hörers. Nur sie ist der objektive Gradmesser des Erfolgs. Will der Künstler aber überhaupt den reinen kommerziellen Erfolg? Oder buhlt er gar nicht um die Gunst des Hörers, sondern will eine Form der Selbstverwirklichung, eine Nische, in der er einigermassen leben kann, ohne dem Mammon des grenzenlosen Erfolges nachzueifern. Das könnte man noch lange fortführen…

Also werdet ihr tatsächlich irgendwann an einem Nachfolger zu „Kalt!“ arbeiten, oder war es das?

Nein, natürlich war es das noch nicht! Wir haben 2006 damit begonnen neue Songs zu komponieren. Leider haben wir nicht mehr so oft die Möglichkeit im Studio zu arbeiten, da ich nun nach Mannheim gezogen bin, um an der Popakademie Baden-Württemberg zu unterrichten und nur noch selten in Stade bin. Bei Boris hat sich auch einiges im Privatleben verändert, so dass wir wirklich nur selten weiterarbeiten können. Bisher haben wir 9 fertige Playbacks, wofür nun die Texte geschrieben werden müssen. Unser Ziel ist es 11 Songs zu haben, die dann auch veröffentlicht werden sollen. Wie und in welcher Form, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Und welche Wünsche habt ihr weiterhin für dieses Projekt?

Wir wünschen uns natürlich, dass wir tatsächlich noch die Möglichkeit haben werden, weitere CDs zu veröffentlichen und mit der Zeit auch mehrere Menschen damit erreichen können.

Frank, vielen Dank für das Interview!

Wir möchten uns bei dir und METAL.DE ganz herzlich für die Möglichkeit bedanken, etwas über unser Projekt DER BOTE berichten zu können und freuen uns, wenn der ein oder andere geneigte Leser jetzt Interesse an unserem Projekt bekommen hat.

24.03.2008

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