Dekadent
Interview mit Sänger Artur zu "The Deliverance Of The Fall"
Interview
Im Januar diesen Jahres erreichte mich eine CD, die mich nach langer Zeit mal wieder wirklich beeindruckt hat: „The Deliverance Of The Fall“ von Slowenen DEKADENT! War schon der Vorgänger „Manifestation Of A Seasonal Bleeding“ mehr als nur viel versprechend, konnte die aktuelle CD erst die volle Wirkungskraft dieser Band entfesseln. Aber die Besonderheit dieses Werkes liegt vor allen Dingen darin, dass neben der Musik dem Album noch ein Film über die komplette Spielzeit auf DVD beiliegt, der die Handlung visuell umsetzt. Nach langer Wartezeit ist nun endlich auch das passende Interview fertig:
Hallo Artur, zuerst einmal Danke, dass Du Dir die Zeit nimmst, diese Fragen zu beantworten. Ihr habt gerade Euer zweites Album mit dem Namen „The Deliverance Of The Fall“ veröffentlicht. Die Besonderheit hier ist, dass es nicht „bloß ein Album“, sondern ein Konzeptwerk inklusive eines Filmes auf DVD ist. Was war Eure Motivation, so viel Extra-Arbeit in Kauf zu nehmen und eine DVD zu produzieren, anstatt einfach eine normale CD zu veröffentlichen?
Hallo Johannes! Im Grunde war der größte Ansporn, zu beweisen, dass man sehr kreativ und gut arbeiten kann, ohne irgendein Budget oder eine Crew zu haben. Man könnte sagen, dass „The Deliverance Of The Fall“ ein gutes Beispiel dafür ist, wohin man mit einem unabhängigen Projekt kommen kann. Alles, was man sieht und hört, wurde von zwei Personen zusammengetragen – mir selbst und Andraz Sedmak. Wir hatten ein bisschen Hilfe bei einigen Sachen, aber davon abgesehen ist das alles unser Blut, unser Schweiß und unsere Tränen. Es hat buchstäblich ein Jahr unseres Lebens gekostet, aber das war es definitiv wert! Ich mag es sehr, Videos zu sehen und zu machen. Von meinem Standpunkt aus ist es also ein gutes Stück epischer Poesie für jeden Metal-Fan, denn für sie ist dieses Werk. Aber ich hoffe, man erwartet nichts Vergleichbares auf dem nächsten Album, denn ich würde sterben, wenn ich so was in so kurzer Zeit noch mal täte, haha.
Meiner Meinung nach ist es Euch gelungen, ein audiovisuelles Gesamterlebnis zu erschaffen, was im extremen Metal sehr selten ist. Aber darüber hinaus habt Ihr ein Konzeptwerk mit Handlung geschrieben. Kannst Du uns ein bisschen was von der Story erzählen?
Danke! Das Hauptziel war es, wechselseitig Musik zum Video und umgekehrt zu erschaffen. Während ich an beiden Teilen gearbeitet habe, habe ich ständig überprüft, ob sie überall zueinander passen. Jede Einstellung musste zu Musik und Lyrics passen. Das war extrem wichtig, um die richtige Stimmung während des Filmes zu erzeugen. Die Geschichte ist nicht so wirklich neu, im Kern ist sie eigentlich eher banal. Ich wollte über etwas schreiben, mit dem sich viele Menschen identifizieren können, um diese speziellen Gefühle in ihnen hervorzurufen. Schließlich mussten die meisten von uns selbst schon einmal eine solche Geschichte durchstehen, wie „The Deliverance…“ sie behandelt. Im Grunde erzählt die Geschichte, wie wir als Individuen mit dem Tod geliebter Menschen umgehen – wie wir in dieser Zeit Leid, Wut und Hass erfahren. Natürlich fühlen wir Qual und Trauer, aber gleichzeitig suchen wir jemanden, dem wir die Schuld geben können, um unseren Zorn auf ihn zu laden. In diesem Fall war das Gott.
Ich hab mich gefragt, wie ein zukünftiges Album von DEKADENT aussehen könnte. Natürlich ist es ein wenig unfair, das zu fragen, wo Ihr gerade erst mit Eurem derzeitigen Release fertig seid, aber hast Du schon irgendwas im Kopf, wie Ihr Euch selbst noch übertreffen könnt, beim nächsten Mal? Oder möchtest Du Dich vielleicht gar nicht mit Deinen eigenen Kreationen messen? Wollt Ihr noch mal mit einem audiovisuellen Konzept arbeiten?
Als wir das ganze Album und den Film zusammengebastelt haben, habe ich gesagt, das würde das letzte Mal sein, dass ich so etwas mache. Hauptsächlich, weil es so viel Zeit und Energie gekostet hat. Aber jetzt, wo ich ein bisschen darüber geschlafen habe, denke ich nicht, dass ein Nachfolger völlig außer Frage stehen würde. Davon abgesehen habe ich bereits das meiste Material für das nächste DEKADENT-Album. Einige Lieder wurden direkt nach dem „Manifestation…“-Album geschrieben, daher könnten sie vielleicht ein wenig mehr nach dem Debüt klingen. Ich habe beschlossen, mir selbst mehr Freiheit auf dem nächsten Album zu gewähren und nichts zu machen, womit ich nicht völlig zufrieden bin. Das neue Material wird nicht wie „Deliverance..“ oder „Manifestation..“ klingen, aber es wird definitiv 100% DEKADENT sein. All das, was Leute an meiner Musik mögen, wird in den neuen Songs noch deutlicher zu hören sein. Noch mehr von der Atmosphäre, die man nur bei DEKADENT findet.
Ich habe gelesen, dass Ihr auch bei Euren Konzerten optische Elemente nutzt, wie zum Beispiel große Bildschirme auf der Bühne. Greift Ihr bei den Konzerten auch auf die Story oder Teile davon zurück? Wenn ich das richtig sehe, plant Ihr auch, durch Deutschland zu touren, gibt’s da schon was Neues? Was können wir von DEKADENT live erwarten?
Wir hatten schon ein paar Gigs mit dem neuen Material. Wir zielen darauf ab, möglichst viel von der Atmosphäre des Albums auf die Bühne zu bringen, auch wenn es nie das gleiche ist. Während auf dem Album jedes Instrument eher Teil eines großen Ganzen ist, sticht live jeder von uns ein bisschen mehr heraus. Wir sind dann eher eine Live-Band, während wir auf den Alben symphonischer und so weiter klingen. Einigen gefallen wir live sogar besser, weil auf den Alben eine Menge Dinge hinten anstehen müssen. Wenn wir live spielen, genießen die Fans die Komplexität der Songs sehr.
Wir benutzen in der Tat Hintergrundanimationen und große Leinwände, aber natürlich ist das nicht in jedem Club möglich. Einige Bühnen sind zu klein oder haben eine zu niedrige Decke.
DEKADENT hat sich auch musikalisch stark weiterentwickelt. Es scheint mir, als ob Du der Musik mehr Zeit und Raum gegeben hättest, um sich im Laufe der Lieder zu entwickeln und zu steigern. Gab es Aspekte im Songwriting, die Du aktiv verbessern wolltest, nach „Manifestation Of A Seasonal Bleeding“?
In der Zeit, als ich „Manifestation..“ schrieb, war ich nicht so konzentriert, wie bei dem neuen Album. „Manifestation of Seasonal Bleeding“ war mehr oder weniger ein Experiment, an dem ich gearbeitet habe, ich wusste ehrlich gesagt nicht, wie das Ganze werden würde. Hätte ich gewusst, dass es veröffentlicht werden würde, hätte ich definitiv mehr Sorgfalt in die Produktion und in die Song-Strukturen gelegt. Aber auf der anderen Seite glaube ich, es war besser, dass alles so geworden ist, wie es ist. Das Album hat so einen besonderen Charme. Bei dem Neueren wusste ich, dass ich etwas Hörerfreundlicheres machen musste, jedenfalls was die Produktion anbelangt. Auch wenn es immer noch sehr nach Black-Metal klingt, finden einige Leute, die keine extreme Musik gewöhnt sind, dass man es gut hören kann. Aber ich muss zugeben, dass ich viel mehr Wert auf den Gesamtsound, die Produktion und den Mix gelegt habe, als bei dem Debüt-Album.
Ein neues Element, das mich sehr beeindruckt hat, ist der tiefe Gesang. Ist es Dir schwer gefallen, mit Deiner Stimme in so tiefe Regionen vorzustoßen? Ich denke, Deine Arbeit hier ist verdammt gut dafür, dass dieser Gesang vorher noch nie in der Band eingesetzt wurde. Oder hast Du schon mal woanders so gesungen?
Danke für das Kompliment. Es war kein Stück schwer. Als ich diese Zeilen aufgenommen habe, dachte ich eigentlich, dass sie noch viel tiefer klingen müssten. Aber dann entschied ich, dass ich nicht versuchen sollte, zu tief zu klingen und ließ die Vocals wie sie waren. Als ich mit dem Aufnehmen einiger Lieder des „Deliverance..“ fertig war, meinten ein paar Leute, dass mein Gesang sich immens entwickelt hätte, aber in Wirklichkeit ist er nicht so viel anders als auf unserem Debüt-Album. Der Hauptunterschied liegt in der Produktion und im Mix. Der Gesang klingt viel besser, weil er nicht so verzerrt und entfernt klingt, wie auf „Manifestation..“. Es macht mir sehr viel Spaß, clean zu singen, aber ich bin da sehr kritisch. Ich möchte klaren Gesang nur rein nehmen, wenn er 100%ig gut ist. Daher benutzen wir ihn auch nur so wenig, haha.
Überhaupt, was für eine musikalische Ausbildung hast Du durchlaufen? In den Credits stehst Du als für die gesamte Musik verantwortlich und außerdem begann DEKADENT als Dein Solo-Projekt. Das ist in Anbetracht der Komplexität des Materials sehr beeindruckend. Arbeitest Du auch in Deinem Job mit Musik? Oder ist DEKADENT Dein einziger Job im Moment?
Nein, DEKADENT ist nicht mein eigentlicher Job, es ist nur etwas, was ich für mich selbst tue. Vielleicht ist es besser so, um nicht zu sehr mit kommerziellem Erfolg und Finanzen beschäftigt zu sein. Ich habe immer sehr gerne selbst Musik gemacht, ich habe nie Cover-Songs gelernt, jedenfalls nicht im großen Stil. Mein Vater ist ein klassischer Musiker, er spielt im Slowenischen Philharmonie Orchester, daher war es für mich ziemlich klar, seinem Weg zu folgen. Ich war den Großteil meiner Kindheit in der Musikschule, habe im Chor gesungen und später Flöte und französisches Horn gespielt. Aber ich mochte aggressive und extreme Musik immer lieber, daher war es für mich natürlich, eine Gitarre in die Hand zu nehmen und mein Können auszuprobieren. Es war mir wichtig, verschiedene Instrumente zu beherrschen, daher habe ich die Grundlagen von Keyboard, Saiteninstrumenten und Percussion gelernt. Jetzt wo ich Musik produziere, ist es einfacher für mich, da ich die Instrumente und ihre Eigenschaften kenne.
Deine Musik erscheint mir sehr emotional. Ich habe eine simple, aber auch sehr komplexe Frage: Wie viel von Artur Felicijan steckt in der Band DEKADENT? Es scheint mir sehr bezeichnend, dass Du auch der Hauptdarsteller im Filmteil von „The Deliverance..“ bist. Portraitiert DEKADENT den Mann Artur Felicijan? Oder ist das nur ein Teil von Dir? Oder sehe ich das vielleicht komplett falsch und Du bist einfach nur ein Band-Mitglied?
Wenn es um den Film geht, möchte ich es vermeiden, den männlichen Hauptcharakter Artur Felicijan zu nennen. Ich wollte ihn nur darstellen, nicht autobiographisch spielen. Aber mit der Zeit und wenn Leute mich fragen, ob es sich in dem Film um persönliche Erfahrungen handelt, kann ich es nicht abstreiten. Ein Großteil der Story ist biographisch, sehr poetisch ausgedrückt. Aber traurigerweise wahr. Ich möchte die anderen Bandmitglieder nicht zur Seite drängen damit, aber „The Deliverance Of The Fall“ ist wahrhaftig meine Geschichte, so wie DEKADENT meine Band ist. Die komplette Musik und alle Texte, genau wie das Artwork und die Videos sind von mir. Daher nehme ich Kritik sehr persönlich, sei sie positiv oder negativ. Glücklicherweise bekomme ich mehr von Ersterem.
Okay, lass uns das mal von der anderen Seite betrachten: Wie viel DEKADENT steckt in Artur Felicijan? Wenn man nach der Menge an Arbeit geht, die so eine Band macht, wenn alles mehr oder weniger in den Händen einer einzelnen Person liegt, würde ich vermuten, dass DEKADENT einen großen Teil Deiner Zeit verschlingt. Das hier ist natürlich fast eine rhetorische Frage, aber wie wichtig ist die Band Dir persönlich? Was ist Dein Antrieb, einen Teil Deines Lebens der Musik zu widmen?
Also, DEKADENT ist mein Herzblut, aber ich versuche, jedem Mitglied so viel Verantwortung wie möglich zu geben. Auch wenn ich die gesamte Musik und die Lyrics kreiere, will ich meinen Jungs die Möglichkeit geben, sich voll in DEKADENT einzubringen. Ich habe sie um mich, weil ich denke, dass sie meine Vision in einem breiteren Rahmen darstellen können. Jedes Mitglied steuert seinen eigenen Teil bei, auch wenn es vielleicht nur darum geht, meine Kompositionen zu performen. Natürlich könnte ich niemals das loslassen, was mein Drummer Andraz kann, auch könnte ich die Bass-Linien niemals mit so einer Leichtigkeit spielen wie Andrej. Wir sind eine starke Einheit mit einer guten Verbindung und was ich am meisten respektiere, ist ihr Vertrauen in mich, sie zählen auf mich und was ich tue und unterstützen mich voll und ganz.
Ich denke, was mich antreibt mit DEKADENT, ist die Chance, kreativ zu sein. DEKADENT ist eine Art Zuflucht für mich, da ich so dem täglichen Stress und der Arbeit entfliehen kann. Wenn ich Musik erschaffe, kann ich machen, was ich will, ich kann mich voll und ganz offenbaren. Da ich viel in meinem Herzen trage, was ich teilen will, wird die Geschichte sich definitiv weiterentwickeln.
Vermutlich ist es für Dich nicht besonders spannend, immer wieder nach Deinem Heimatland gefragt zu werden, aber ich finde es sehr interessant, mehr von ausländischen Musikszenen zu hören. Könntest Du mir und den Lesern also ein paar Bands empfehlen, die Du für die besten musikalischen Exporte Deines Landes hältst? Meinst Du, die Metal-Szene ist bei Euch anders, als in anderen Ländern?
In Slowenien ist die Musik-Szene sehr unterschiedlich, aber glücklicherweise orientiert man sich eher alternativ als zum Mainstream. Ich kann nicht sagen, dass Metal ein Revival erlebt in Slowenien, da wir nie größere lokale Acts hatten, aber wir erfahren definitiv eine größere Neugeburt dieser Subkultur. Die Metal-Bewegung hier wird immer stärker, die ganze Zeit entstehen neue Bands, während Ältere wieder zueinander finden. Wir haben einige der größten Metal-Festivals in der Gegend und wir haben sogar ein brandneues Magazin, das sich ausschließlich mit Metal und hauptsächlich mit der slowenischen Szene beschäftigt: Metal Planet. Es gibt hier einige sehr coole Bands wie NEGLIGENCE, NEUROTECH oder GRIMOIR. Es ist eine neue Hoffnung für die Metal-Szene hier, ohne Zweifel!
So, das Interview geht damit zu Ende. Zum Abschluss kannst Du uns ja vielleicht von Euren Zukunftsplänen erzählen und wenn Du noch irgendwas sagen möchtest – die letzten Worte gehören Dir. Alles Gute!
Danke für alles! Hoffentlich kriegen wir unsere Ärsche dieses Jahr nach Deutschland. Wir wissen, dass die meisten unserer Fans Deutsche sind, daher ist das mindeste, was wir tun können, in ihrem Heimatland zu spielen!
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Stile | Dark Metal, Melodic Black Metal |
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