Dekadent
Interview mit Artur Felicijan zu "Venera: Trial & Tribulation"
Interview
Seit Monaten rotiert „Venera: Trial & Tribulation“ sowohl zu Hause als auch unterwegs und entwickelt sich zunehmend zu meinem Favoriten der Slowenen. Natürlich lässt sich über Geschmack nicht streiten, aber es verwundert, dass trotz drei von der Presse hochgelobten und von den Fans regelrecht abgefeierten Alben, die diese einzigartige Avantgarde-Black-Metal-Band mittlerweile veröffentlicht hat, die ganz große Anerkennung immer noch auf sich warten lässt. Woran liegt das? Bedeuten Verkaufszahlen tatsächlich mehr als Integrität, Innovation und ein feines musikalisches Gespür für ergreifende Melodien und inhaltsvolle Lyrics? Ich bin mit Sänger und Gitarrist Artur Felicijan der Sache einmal auf den Grund gegangen…
„Venera: Trial & Tribulation“ ist bereits seit einigen Monaten erhältlich. Kannst du bereits abschätzen, ob dieses Album, verglichen mit den beiden Vorgängern, kommerziell am erfolgreichsten ist? Und wie äußert sich ein solcher Erfolg für dich persönlich als Musiker?
Das ist schwer zu sagen… Prinzipiell verhält es sich mit dem Erfolg oder auch dem Misserfolg (lacht) von „Venera: Trial & Tribulation“ genauso wie mit den beiden vorherigen Alben „The Deliverance Of The Fall“ und „Manifestation Of Seasonal Bleeding“. DEKADENT ist auf jeden Fall noch ganz weit von einem kommerziellen Erfolg entfernt. Unser Ziel bestand bisher immer darin, unsere Kunst veröffentlichen zu können, völlig unabhängig von beabsichtigten Verkaufszahlen. Darauf haben wir unser ganzes Augenmerk gelegt. Vielleicht haben wir ja eines Tages einen Partner an der Hand, der uns finanziell unter die Arme greifen kann, und dann auch weiß, wie er unsere Musik gewinnbringend auszubeuten hat (lacht), aber zum jetzigen Zeitpunkt interessiert uns soetwas nicht, denn das ist im Moment einfach nicht der Fall. Für uns – für DEKADENT – ist es das Größte, ein Album überhaupt veröffentlichen zu können und zu wissen, dass es einigen Leuten gefällt, und anderen widerum nicht.
Obwohl eure bisherigen Werke sowohl von Fans als auch von der Presse fast ausnahmslos abgefeiert werden, ist DEKADENT mehr oder weniger immer noch „nur“ ein Geheimtipp. Enttäuscht dich das nicht? Was denkst du, woran mag es liegen, dass sich diese Situation selbst nach Veröffentlichung eines Meisterwerkes wie „The Deliverance Of The Fall“ noch immer nicht geändert hat, auch mit dem Wissen im Hinterkopf, dass ihr dieses Werk zusätzlich als hochwertigen Musikfilm umgesetzt habt, was nun wirklich keine andere Band von sich behaupten kann?
Wir wussten von Anfang an, dass wir ein Problem mit Anerkennung haben würden, völlig unabhängig davon, wie großartig unsere Musik ist. Damit teilen wir das Schicksal von vielen Bands in Slowenien. Ich nehme an, dass wir weit mehr Unterstützung und Anerkennung von Musiklabeln bekommen würden, wenn wir aus einem anderen Land kommen würden, als aus Slowenien. Unser Land hat einen furchtbar kleinen Markt, und Plattenlabel wollen in der Regel natürlich nichts riskieren, selbst nicht in dem Wissen, dass der größte Absatz unserer Alben in deutschsprachigen Ländern erfolgt. Diesbezüglich bin ich natürlich schon sehr enttäuscht. Auf der anderen Seite aber weiß ich auch, dass große Veränderungen nicht über Nacht geschehen. Wir müssen einfach noch etwas länger auf unsere Chance warten. Aufgeben werden wir jedenfalls nicht.
Ist denn Geld überhaupt wichtig, für dich persönlich aber auch für dich als Musiker? Wie würde sich eure Musik ändern, wenn du nicht aufs Geld achten müsstest? Oder bist du der Meinung, dass Geld in diesem Fall keine Rolle spielt und sich eure Musik gar nicht ändern würde?
Geld würde schon etwas ändern. Wir würden das Geld aber ausschließlich für den Ausbau und die Weiterentwicklung von unserem Sound, unserer Produktion und auch von unseren Videos verwenden. Momentan versuche ich das Beste aus der Situation zu machen, aber ohne finanzielle Unterstützung stehen wir immer irgendwie vor einem Problem, denn wir zahlen alles aus eigener Tasche. Von dem Geld, das wir mit unseren täglichen Jobs verdienen, müssen wir neben Musik auch unser Leben finanzieren. Das ist nicht immer leicht, aber logischerweise auch notwendig.
Ich empfinde „Venera: Trial & Tribulation“ musikalisch als einen angemessenen Schritt zurück, so dass sich das Album ziemlich perfekt zwischen „Manifestation Of Seasonal Bleeding“ und „The Deliverance Of The Fall“ einfügt. Warum habt ihr euch dazu entschlossen, wieder etwas aggressiver zu klingen als auf dem Vorgängeralbum?
Meiner Meinung nach passt diese gewisse Aggressivität hervorragend zu DEKADENT. Während ich „Manifestation Of Seasonal Bleeding“ als Demo bezeichne, steht „The Deliverance Of The Fall“ völlig für sich allein. Ein solches Album schreibt man vermutlich nur ein einziges Mal im Leben. Das ist OK. „Venera: Trial & Tribulation“ steht stellvertretend für DEKADENT. Ich betrachte dieses Album nicht als Schritt zurück, sondern als Fortführung unseres ganz eigenen musikalischen Weges.
Obwohl „Venera: Trial & Tribulation“ sehr aggressive Songs beinhaltet, und das Album insgesamt einen sehr harten und schweren Eindruck vermittelt, spürt man beim Hören trotzdem eine gewisse Wärme und einen positiven Grundtenor, so dass man am Ende ordentlich mit Energie versorgt wurde und voller Hoffnung ist, während beim Hören ähnlicher Bands auch schonmal das Gegenteil eintritt und völlig hinabzieht. Das klingt vielleicht etwas seltsam, aber hat dir soetwas schon jemand gesagt?
Es tut unheimlich gut, eine solche Resonanz auf unser Album zu bekommen. Tatsächlich haben wir an diesem Aspekt gearbeitet und offensichtlich haben sich unsere Bemühungen gelohnt. Es erfüllt mich mit Stolz zu wissen, dass unsere Musik eine positive Wirkung ausüben kann und darüberhinaus sogar anregend wirkt. Es ist nämlich ein großer Unterschied, Musik so aufzufassen, wie du sie wahrnimmst, oder Musik als fröhlich oder possierlich einzuschätzen. Ich hasse nichts mehr als fröhliche, hibbelige Musik, vor allem im Metal. DEKADENT – das ist seriöse Musik und dedizierte Kunst! Unser Ziel ist es, ehrliche Musik zu machen und keine künstlich getrimmte Black-Metal-Scheisse mit einem besonders bösen Image, kindischen Texten und gerade angesagter Atmosphäre. Jeder Trend interessiert mich einen Dreck. Wir wollen nicht cool sein. DEKADENT machen ehrliche Musik mit aufrichtiger Hingabe.
Das Artwork des neuen Albums mag auf dem ersten Blick sehr simpel erscheinen, betrachtet man sich das Cover allerdings mal etwas genauer, wird man viele Details entdecken, die sicherlich alle etwas zu bedeuten haben. Vielleicht kann man sagen, dass hinter jeder Schönheit immer auch ein Übel zu finden ist. Welche Bedeutung aber steckt tatsächlich hinter diesem Artwork?
Im Prinzip hast du recht. Die auf dem Cover abgebildete personifizierte Gottheit strahlt sowohl Schönheit als auch eine geheimnisvolle Düsternis aus. „Venera“ steht für Liebe, die wunderschön und prächtig sein kann, aber auch negative Seiten hat. Deshalb der Zusatz „Trial“ (Versuch) und „Tribulation“ (Trübsal). Unser Album beschäftigt sich übergreifend mit dem Thema Liebe. Unabhängig davon, ob es sich dabei um die Liebe zu einem anderen Wesen handelt, deinem Heimatland gegenüber oder dem Leben ganz allgemein. Dabei gehen Liebe und eine gewisse Enttäuschung oder ein Leid immer Hand in Hand…
Mit den vorherigen Fragen und deinen Antworten im Hinterkopf…bist du eigentlich damit zufrieden oder einverstanden, wenn man DEKADENT dem Black Metal zuordnet, oder trifft eine andere Genrezugehörigkeit vielleicht sehr viel besser ins Schwarze?
Natürlich ist es einfach uns in die Black-Metal-Schublade zu stecken. Das ist ja auch nicht falsch. Man kann uns aber auch gern als Avantgarde-, Symphonic- und Atmospheric-Metal kategorizieren – alles ist in gewisser Weise richtig. Black Metal bleibt der Kern unseres Schaffens und unseres Sounds, während unsere Musik an sich, unsere Kompositionen, vielleicht sogar zum New Age oder zur Klassik gezählt werden könnten.
DEKADENT waren bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht auf Facebook anzutreffen, wobei ich mir denke, dass gerade Facebook im Moment das größte Potential in sich birgt, neue Fans zu finden. Warst du eigentlich nie an diesen ganzen Social-Media-Aktivitäten interessiert?
I fucking hate Facebook! Ich habe auch kein eigenes Profil, denn meiner Meinung nach verbringt man, wenn man sich mit diesen Dingen tatsächlich auseinandersetzt, viel zu viel wertvolle Zeit in diesen Netzwerken. Ich glaube schon, dass einige Leute irgendeinen Nutzen aus dieser Geschichte ziehen können und tatsächlich unkomplizierter mit ihren alten Freunden in Kontakt bleiben können, aber das, was in Netzwerken wie Facebook geschrieben wird, sind doch zu einem Großteil nur belanglose Dinge, die eigentlich niemanden wirklich interessieren und die niemand wirklich wissen will oder muss. Online echte „Freunde“ oder echte „Fans“ zu finden betrachte ich zum jetzigen Zeitpunkt als Zeitverschwendung. Für mich hat dieser Gedanke eher etwas Surreales und klingt witzig, als dass ich ernsthaft darum bemüht bin, mit unserem Facebook-Profil auf die Jagd nach neuen Fans zu gehen.
Habt ihr denn bereits Ideen für neue Songs? Denn ich hoffe doch, dass DEKADENT noch viele weitere Alben veröffentlichen werden. Kannst du dir vielleicht vorstellen, weitere, vielleicht sogar genrefremde Elemente in euren Sound zu integrieren?
Mit DEKADENT wird es definitiv weiter gehen. Denn ohne größere finanzielle Unterstützung bleiben wir natürlich auch weiterhin völlig unabhängig und können tun und lassen was wir wollen. Niemand kommandiert DEKADENT, außer mir selbst (lacht). Aber das bedeutet auch, dass wir nur sehr, sehr langsam von der Stelle kommen, um an neuem Material arbeiten zu können. Ideen haben wir bereits einige, aber wie gesagt, zur Zeit können wir nur langsam daran arbeiten. Musikalische Barrieren bestanden für uns übrigens noch nie, egal um welches Genre es sich handelt. Auf „Venera: Trial & Tribulation“ findest du zum Beispiel eine Menge Einflüsse klassischer Musik genauso wie Einflüsse aus dem elektronischen Bereich, von Jazz über Ambient, Psychedelia und anderen Stilen. Mit Gewissheit kann ich jetzt schon sagen, dass unser nächstes Album auf jeden Fall noch DEKADENTer klingen wird, als es mit dem aktuellen Album der Fall ist.
Artur, ich danke dir sehr für das Interview und wünsche euch auch weiterhin viel kreative Kraft. Die Musikszene braucht Bands wie DEKADENT, die einen eigenen Stil und Sound prägen, ohne Scheuklappen zu tragen und auf gerade angesagte Trends zu achten. Möchtest du unseren Lesern noch etwas ergänzend mitteilen?
Unser Dank geht wie immer an unabhängige Medien wie metal.de, die sich die Zeit nehmen Musik zu verstehen und zu verinnerlichen, und die rezensierten Bands mit Respekt und würdiger Unterstützung honorieren. Selbstverständlich auch ein großes Dankeschön an diejenigen, die unsere Musik mögen – wir wertschätzen jeden einzelnen von euch – und an unsere weltweit expandierende Fanbase.
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