Décembre Noir
"Kritiken nehmen bei uns keinen Einfluss auf das Songwriting"
Interview
DÉCEMBRE NOIR haben mit ihrem dritten Longplayer „Autumn Kings“ durchaus für Furore in der Szene gesorgt. In vielen Magazinen, natürlich auch bei uns, hat das Album beste Kritiken eingefahren und diverse Kommentare machen deutlich, dass es auch bei Euch richtig gut angekommen ist. Wir haben uns Gitarrist Sebastian zur Brust genommen und ihn ein wenig zur Entstehung, zum Labelwechsel und der Erfurter Metalszene ausgequetscht.
Hallo Sebastian! Erzähl doch gleich zum Start ein wenig zur Entstehung von „Autumn Kings“. Das dritte Album einer Band wird ja sehr gerne als wegweisend bezeichnet. Habt Ihr Euch dadurch selber ein wenig unter Druck gesetzt?
Diesen Mythos, der sich um das dritte Album rankt, habe ich erst sehr spät mitbekommen, als ich einen Artikel über THE OFFSPRING gelesen hatte. Ich glaube unser vorangegangenes Album „Forsaken Earth“ übte da schon von ganz alleine genug Druck aus. Es wurde von vielen Leuten sehr hoch gelobt, und ist oft als „Album des Jahres“ bezeichnet worden. Das Schwert saß uns natürlich etwas im Genick, aber wir zweifelten nie an „Autumn Kings“. Ganz im Gegenteil, wir sahen es von Anfang an als würdigen Nachfolger.
In einer Kritik zum Vorgänger „Forsaken Earth“ habe ich gelesen, dass diesem ein wenig die Melodien fehlen. Tatsächlich stehen getragene, melancholische Melodien dieses Mal stärker im Vordergrund. Habt Ihr Euch im Songwriting bewusst darauf konzentriert?
Kritiken nehmen bei uns keinen Einfluss auf das Songwriting. Jeder scheint da eine andere Auffassung und ein anderes Hörempfinden zu haben. Es ist uns sehr wichtig, dass die Songs ehrlich geschrieben werden und nicht in der Dienstbarkeit, den richtigen Leuten gefallen zu müssen. Wir machen die Musik, wie wir sie hören wollen, wie sie uns emotional einfängt. Wenn wir damit nicht zufrieden wären, würden wir sie anders machen. Wir blicken auch nicht zurück und versuchen Erfolge neu aufzulegen. Es gibt Songs, die sind geschrieben worden und die wird es auch nur einmal geben.
In „Hymn of Sorrow“ verwendet Ihr Teile des Gedichts „Do not go gentle into that good night“ des walisischen Schriftstellers Dylan Thomas, das er für seinen sterbenden Vater geschrieben hat. Wie entstand die Idee, dieses Gedicht einzubauen und wer hat den Text eingesprochen?
Von den ersten Melodiebögen her stand dieser Song mit dem Arbeitstitel „Trauersong“ zu Buche. Er entstand schon vor dem Release des letzten Albums. Mir brannte dieser Gedanke auf der Seele, einen solchen Song zu verfassen. Als die Aufnahmespuren dann zu Kevin kamen, um das Schlagzeug einzuspielen, erzählte er uns von dem Gedicht. Allen gefiel das so gut, dass wir fast ein Video dazu gedreht hätten. Ein guter Freund der Band, Kai Telemann, der schon auf den beiden anderen Alben mitgewirkt hatte, bekam den Auftrag das einzusprechen. Die Version von Anthony Hopkins gefiel uns eigentlich am besten, aber leider sind wir uns preislich nicht einig geworden.
Die Cover Artworks der bisherigen DÉCEMBRE NOIR-Alben waren zwar stimmig, sie wurden aber vermutlich eher mit Photoshop verwirklicht. Dieses Mal habt Ihr auf wunderschöne, handgezeichnete Bleistiftskizzen zurückgegriffen. Kam die Idee von Euch, oder wie ist es dazu gekommen?
Wir lassen das eigentlich während der Entstehungsphase auf uns zukommen. Es entwickeln sich Bilder im Kopf und Vorstellungen. Dieses Mal hatten wir das Glück auf einen russischen Künstler zu treffen, der unsere Vorstellungen umsetzen konnte, bzw. uns das Cover schon direkt vor die Nase hielt. Anhand des Front Covers entwickelte sich der Rest in Anlehnung an die Texte. Alles griff ineinander. Wir konnten sagen was wir brauchten und nahmen, was uns gefiel. Besser konnte es nicht laufen.
Nach zwei Releases bei F.D.A. Records seid Ihr nun bei Lifeforce untergekommen. F.D.A. ist ansonsten ja für klassischen Death Metal bekannt, während das Roster von Lifeforce Records eher in eine melodischere Richtung geht. War das auch der Grund für den Wechsel?
Unser Vertrag bei F.D.A. war erfüllt und wir konnten uns umsehen. Wir haben in alle Richtungen geschaut und einige Angebote bekommen. Lifeforce war bereit all unsere Vorstellungen umzusetzen. Wir trafen nicht auf ein „oh, das wird schwierig“ oder ein „viel zu teuer“. Wir konnten unsere Vorstellungen äußern und bekamen ein OK. Das war uns eigentlich am wichtigsten. Es bringt ja nichts, so viel Herzblut in eine Produktion zu stecken, welche dann bei einem „großen Label“ als Ramsch mitgeschleift wird und daher ein Schattendasein führt.
Wie läuft der Songwritingprozess bei DÉCEMBRE NOIR ab? Entsteht alles gemeinsam im Proberaum oder schickt Ihr Euch eher einzelne Fragmente vorab zu und bastelt daraus etwas?
Da wir räumlich immer etwas getrennt leben, schicken wir uns Material zu, was sich allerdings in den letzten Jahren als sehr effektiv erwiesen hat. Jeder hat Zeit für sich zu agieren und ist nicht, wie im Proberaum, gleich dem Stirnrunzeln der anderen ausgeliefert. Ich denke das ist dann eine sehr unverfälschte Form und eine einfache Weise, wie sich die doch verschiedenen Musiker im Song etablieren können, ohne gleich in endlosen Diskussionen den Faden zu verlieren.
Woraus zieht Ihr am ehesten die Inspiration für Eure Musik? Ist diese persönlicher Natur oder begründet sie sich eher aus allgemeinen Stimmungslagen? Gibt es andere Bands, die Euch besonders beeinflusst haben?
Der Einfluss anderer Bands ist ja immer gegeben, sobald man Musik hört, oder dem Sound einer Band verfallen ist. Ich kann hier auch nur für mich sprechen, da ich selbst eher wenig Musik konsumiere, nicht mal ein Autoradio besitze und mir wohl doch eher ganz gezielt Songs heraussuche. Beim Schreiben der Songs ist mir nur wichtig, wie es am besten für mich klingt. Da gibt es keine Ziele. Es muss für mich stimmig sein. Sicher wird jeder Hörer beim Beschreiben von DÉCEMBRE NOIR andere, bekanntere Bands zum Vergleich heranziehen. Ich denke wir haben unseren eigenen Sound, der sich allerdings auch immer etwas ändern wird.
Denkst Du, dass Ihr im Vergleich zu Bands aus anderen Ländern, vor allem aus Skandinavien, ein wenig im Nachteil seid? Aus diesen Ländern erwartet man irgendwie DIE nächste große Doom-Band, Deutschland ist da ja eher für andere Metal-Spielarten bekannt.
Das ist sicher ein allgemeines „deutsches Problem“. Ich habe manchmal den Eindruck, dass für manche einheimische Metal-Fans eine skandinavische Band allein durch ihre Herkunft mehr Gewicht hat. Da können manchmal Bands im Proberaum nebenan um Welten besser sein und werden nie diese Begeisterung darüber erleben können. Obwohl sicher der Norden den nötigen Hintergrund liefert, um melancholische Musik zu schreiben, gibt es doch fast überall Perlen zu entdecken.
Die Szene der klassischen deutschen Metal-Hochburgen ist ja relativ bekannt. Kannst Du ein bisschen über die Situation in Eurer Heimatstadt Erfurt berichten? Gibt es viele Clubs und eine lebendige Szene, oder ist es schwierig, etwas auf die Beine zu stellen?
Um ganz ehrlich zu sein, dreht sich die Erfurter Metal-Szene um ein paar wenige Leute, die den Mut hatten und trotz vieler Niederlagen ständig an der Sache festgehalten haben. Alle Clubs schlossen, viele Bühnen machten dicht. Der kulturelle Abbau in Erfurt macht auch vor dem Metal nicht halt. Für die Szene wurde es eng, aber diese Leute haben trotzdem einen Club etabliert. Das „From Hell“ ist mittlerweile eine sehr angesagte Adresse in Erfurt geworden. Wir hoffen, dass es noch lange so bleibt. Denn wir können nur den Hut vor solchen Leuten ziehen, die ihre Existenz für den Erhalt der Szene aufs Spiel setzen.
Für Ende 2018 habt Ihr ein paar einzelne Gigs zum Release von „Autumn Kings“ angekündigt. Ist für kommendes Jahr auch eine größere Headliner-Tour geplant? Werdet Ihr im Sommer auf Festivals präsent sein?
Wir halten zur Zeit Augen und Ohren offen, um touren zu können. Die Headliner-Tour wird es sicher noch nicht sein. Wir arbeiten in alle Richtungen. Auch mit Festivals sind wir im Gespräch. Wir wollen auf jeden Fall so viel spielen, wie wir können. Die ersten Konzerte mit dem neuen Material haben wir hinter uns. Die Songs der anderen Alben wissen wir nicht weniger zu schätzen, aber es ist immer noch etwas anderes, neue Songs auf die Bühne zu bringen.
Vielen Dank für das Interview, Sebastian!
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Stile | Death-Doom Metal, Melodic Death Metal |
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