Dead Alone
Nur wir können unser Heilmittel sein!
Interview
Death Doom Metal? Melodic Death Metal? Blackened Death Metal? So ganz genau weiß man nicht, in welche Subkategorie des Death-Metal-Genres die Münchener DEAD ALONE gehören. Daran hat auch ihr neues Album „Serum“ nicht gerüttelt, auf dem der bajuvarische Vierer einmal mehr die Genregrenzen des Todesmörtels zu sprengen vermag und obendrein, wie schon auf den Vorgängern, spielend leicht den Spagat zwischen stimmungsvollen Arrangements und Eingängigkeit schafft. Wir haben uns mit Sänger und Bassist Florian Hefft, Gitarrist Fred und Schlagzeuger Beni Merl über „Serum“ unterhalten.
DEAD ALONE im Interview zu „Serum“
Moin Jungs!
Zunächst erstmal Gratulation zur Fertigstellung eures neuen Albums „Serum“.
Flo: Hallo Stephan! Vielen Dank dafür und auch herzlichen Dank für die hervorragende Review. Es freut uns tierisch, dass Dir unser neues Album so gut gefällt.
Nun sind ja auch schon rund vier Jahre vergangen, seitdem wir das letzte Mal zu „Nemesis“ zusammensaßen. Da die letzten DEAD ALONE-Alben ja alle im Zwei-Jahres-Takt lagen, liegt die Frage nahe: Warum hat’s diesmal länger gedauert?
Flo: Wir werden einfach älter und da gehen solche Sachen einfach nicht mehr so schnell! (Lacht.)
Nein, Scherz beiseite: Wir hatten die vergangenen Jahre mit ein paar Besetzungswechseln zu kämpfen, was sich natürlich auch auf das Songwriting ausgewirkt hat. Basti (ehemaliger Drummer) verließ uns Ende 2014 zum Release von „Nemesis“ und wurde durch Franz Müller ersetzt, welcher dann zum Start der „Serum“-Vorproduktion aber wieder ging. Außerdem verließ 2015 auch unser Gitarrist Martin die Band und sein Nachfolger, Michi, musste sich erstmal einleben.
Also, auch wenn es nach außen hin ruhig war, hatten wir recht stürmische Zeiten.
Ich persönlich war überrascht, wie düster „Serum“ klingt, ich höre wieder sehr viel mehr Black-Einflüsse. Wie kam es dazu?
Flo: Ich denke, dass das einfach das Resultat der vergangenen Jahre ist. Wir haben diese Zeit mit den ganzen Wechseln genutzt, um manche Sachen innerhalb der Band neu zu überdenken und unseren inneren Kompass neu auszurichten. Und wenn man über mehrere Jahre miteinander Musik macht, dann hinterlassen solche Änderungen erstmal ihre Spuren. Ganz davon abgesehen wollten wir auch wieder zurück zu einem kälteren Klangbild als wir es auf den vergangenen Alben hatten.
Fred: Hinzu kommt noch, dass die jetzige Besetzung in weiten Teilen auch einen einheitlicheren Musikgeschmack als die diversen vorigen hat. Dadurch stellt sich jeder Song im Einzelnen auf dem Album als noch düsterer dar, wie ich finde. Melodic Death und sonstige Experimente, die wir hatten, kommen beispielsweise auf „Serum“ deutlich weniger oder gar nicht zum Vorschein, als es auf den vorigen Alben der Fall war.
Das Cover-Artwork zeigt ein in Emvryonalstellung zusammengekauertes Reptil (?). Was hat es damit auf sich, und wo besteht der Zusammenhang mit dem „Serum“?
Flo: „Serum“ sollte nicht nur einfach ein Stück Musik werden, sondern in unseren Augen eine Art Gesamtkunstwerk darstellen.
Deshalb wollten wir bewusst auf eine starke Verbindung zwischen Artworks, Lyrics und Musik bauen, um eine gewisse Art von Synergie, Bindung und Gleichgewicht darzustellen. Die Menschheit ist inzwischen so ichbezogen, dass es ihr manchmal schwer fällt, zu realisieren, dass es sich nicht alles nur um Individuen dreht. Manchmal braucht es auch andere Blickwinkel und Gegensätze, um die Menschen wieder auf Kurs zu bringen. Und genau deartige Interpretationen eines „Miteinanders“ sollten sich in unserem Album immer widerspiegeln.
Mir war es wichtig, dass das Cover in erster Linie die Stimmung des Albums einfängt. Ich wollte generell eine kalte, trostlose und isolierte Welt erschaffen, in welcher nicht mehr viel Leben existiert. Eben ein apokalyptisches Setting mit wenig Farben, einem rauen und kalten Flair und vielen stein- und ascheartigen Strukturen. Für sich genommen symbolisiert es für mich den Frieden nach dem Tode. In Verbindung mit einem anderen Bild aus dem Booklet ergibt sich daraus auch eine Art Kreislauf des Lebens.
Flo: Ja, „Serum“ war von Anfang an als Konzept geplant. Ich nutzte die Zeit nach „Nemesis“, um mir über viele Themen wie Rassismus, Intoleranz, Ausgrenzung, Umweltverschmutzung und auch verschiedenste Arten von Manipulation Gedanken zu machen. Gerade bei diesen teils chaotischen und beängstigenden Entwicklungen der vergangenen Jahre stand für mich schnell die Frage im Raum: Wo stehen wir eigentlich in dieser Welt? „Serum“ ist eine gewisse Reflexion dieser Themen. Dabei handelt das Konzept in einer fiktiven Geschichte, in welcher die Menschheit ihre eigene Apokalypse heraufbeschworen hat. Mir war es wichtig, die inneren Zweifel, Ängste und persönlichen Kämpfe irgendwie herauszuarbeiten.
Das Wort Serum kann sowohl als Bestandteil unseres Blutes verstanden werden, als auch als Heilmittel. Und so verhält es sich auch mit uns Menschen. Einerseits kämpfen wir Tag für Tag mit unseren inneren Dämonen wie Hass, Gier, Intoleranz, aber auf der anderen Seite können nur wir auch das Heilmittel sein. Wir Menschen sehen uns nur zu gern als Krone der Schöpfung. Aber was bringt es uns, wenn wir uns in unserer Arroganz gegenseitig und auch unsere Natur vernichten? Das ist wirklich frustrierend … und auch irgendwie ironisch, wenn wir doch eigentlich besser sein könnten, wenn wir mal für uns selbst realisieren, was mit mehr Toleranz, Gleichberechtigung und Rücksicht machbar wäre.
Nochmal zurück zu eurer Musik: Was mich bei DEAD ALONE-Alben spätestens seit „Ad Infinitum“ immer wieder aufs Neue überrascht, ist diese scheinbare Leichtigkeit, mit der ihr stimmungsvolle Arrangements und Eingängigkeit in Einklang bringt. Wie macht ihr das eigentlich? Sprich: Wie geht ihr an einen Song heran, wo liegt euer Hauptaugenmerk und wann kommt der Rest?
Fred: Flo kam schon gegen Ende der Produktion von „Nemesis“ mit der Idee um die Ecke, ein Konzeptalbum zu machen. Er hatte den Vorschlag, uns erste Entwürfe vom neuen Artwork zu schicken, worauf ich beispielsweise „Faith…“ gebaut habe. Die eigentliche Idee war von mir, einen sehr einfachen, düsteren wie monotonen Song zu haben, was er zumindest zu Beginn auch war. Flo hatte immer den Wunsch, diverse Orchestren drauf zu bauen – ich eher nicht. (Lacht.) Glücklicherweise habe ich genau zu diesem Zeitpunkt Frieder Loch (Ex-TODTGELICHTER) kennengelernt, der es sehr gut versteht, passende Arrangements auf so etwas zu komponieren. Die einzige Schwierigkeit bestand am Ende darin, das als am besten Empfundene aus dem wirklich sehr guten Gesamtmaterial zu nehmen.
Auf der einen Seite steht eben ein simples Gitarren-Riff und eine inzwischen möglichst genauso simple Songstruktur, auf der anderen Seite steht der Wunsch nach mehr. Wir haben zum Glück das richtige Händchen, das gewünschte „mehr“ passend umzusetzen.
Flo: Ja es war dieses mal unbeschreiblich schwer, alles unter einen Hut zu bekommen und den roten Faden nicht zu verlieren. Aus den Artworks ergaben sich Ideen für die Musik, daraus hatte ich wiederum Einfälle für die Texte, was zu neuer Inspiration für das Artwork führte. Es klingt wahnsinnig chaotisch und das war es teils auch. (Lacht.) Aber letztendlich hat alles ganz gut funktioniert und wir sind mit dem Ergebnis extrem zufrieden.
Euer letztes Album haben ja Fotis und Christos aus dem SEPTICFLESH-Umfeld produziert. Diesmal konnte ich dazu keine so prominent gefeatureten Infos finden – wie lief das denn bei „Serum“ ab?
Fred: Für Bass, Gitarren und Vocals waren wir in Alexander Eckers Pearlsound Studio. Es war eine großartige Zeit mit ihm, wir hatten und haben immer wieder neue Ideen und mussten uns des Öfteren auch mal zügeln, um nicht über das Ziel hinauszuschießen. (Lacht.) Wie aber schon bereits vorhin erwähnt, für die Arrangements haben wir uns Frieder Loch ins Boot geholt, ihm verdanken DEAD ALONE auf „Serum“ einen großen Anteil des Epos. Ganz ohne einen Hauch SEPTICFLESH ging es aber auch diesmal nicht, denn für Mix und Mastering haben wir uns deren Live-Gitarristen Dinos Prassas und seine SoundAbuseProductions ins Boot geholt. Sicher stellt sich die Frage, warum der Kader nicht immer der Gleiche ist. Aber häufig sind es eben auch so banale Dinge wie ein Terminkalender, die einem einen Strich durch die Rechnung machen können.
Beni: Die Drums habe ich mit Alexander Ecker im Forester Studio von Max Forst aufgenommen, der selbst auch bei HERETOIR mitwirkt. Max hat sich dort ein wirklich tolles Studio hochgezogen, und wir waren vom ganzen Recording-Prozess sowohl im Forester- als auch im Pearlsound Studio allesamt begeistert.
„Serum“ ist ja nicht nur euer erstes Album bei Reaper Entertainment, sondern auch die erste Platte überhaupt, die dieses noch junge Label herausbringt. Wie kam es dazu?
Flo: Ich kenne die Mannschaft hinter Reaper Entertainment schon ein paar Jahre und ich weiß, welche hervorragende Arbeit sie bisher geleistet hat. Auch wenn das Label noch recht jung ist, so hatten wir von Anfang an die gleichen Vorstellungen. Sie teilen dieselbe Faszination für Musik wie wir und für sie ist eine Platte nicht nur ein beliebiges Produkt. Und das ist in meinen Augen für eine Hobbyband doch extrem wichtig. Wir sind auch jetzt noch mit der Zusammenarbeit extrem zufrieden und könnten nicht glücklicher sein.
In den letzten Jahren hat sich das Bandkarussel bei DEAD ALONE ja mehr oder weniger flott gedreht. Konstante sind Florian und Fred, dafür wurden die beiden anderen Positionen, soweit ich weiß, teils gleich mehrfach gewechselt. Wie kam es dazu? Und wer sind die aktuellen Köpfe?
Fred: Die Gründe für das „Warum?“ sind so menschlich wie banal: Im Laufe eines Lebens ändern sich eben die Interessen und Prioritäten eines oder auch gleich mehrerer Menschen. Entweder wurde das Interesse am Musikmachen selbst verloren, oder das Privatleben wurde einfach wichtiger. Einen günstigen Zeitpunkt gibt es für eine Trennung beinahe nie. Aber wo ist das schon so? Ich denke, wir haben das Beste draus gemacht, auch wenn wir zwischendurch ganz schön zu kämpfen hatten.
Beni: Allerdings war der Zeitpunkt, an dem wir zusammengefunden hatten, auch kein schlechter. Als die Jungs auf mich zukamen, standen bereits die meisten Songideen, die Drums waren aber noch nicht geschrieben. So konnte ich noch in das Songwriting einsteigen und meine eigenen Vorstellungen für die Stimmung der Platte mit einbringen.
Gibt es bereits Pläne, „Serum“ auch live vorzustellen?
Fred: Ja, die gibt es. Wir hatten am 24. Februar unsere Release-Show. Im Sommer werden wir natürlich an Gigs mitnehmen, was sich spielen lässt. Es lohnt sich wirklich, bei uns auf dem Laufenden zu bleiben!
Und last but not least:
Wie sieht für DEAD ALONE die nähere Zukunft aus? Gibt es bereits konkrete Pläne?
Fred: Unser Hauptaugenmerk liegt natürlich wie immer auf Live-Shows. Das ist in den vergangenen Jahren aus den verschiedensten Gründen leider sehr ins Hintertreffen geraten. Von daher sind die konkretesten Pläne nunmal Shows.
Und da das Metaljahr 2018 ja noch jung ist: Was waren denn so eure Albumhighlights 2017?
Flo: Also für mich persönlich war „Codex Omega“ von SEPTICFLESH ein absolutes Highlight. Aber auch auch die neuen Platten von PARADISE LOST, DISBELIEF oder SVART CROWN haben es mir extrem angetan.
Beni: Für mich war „The Great Collapse“ von FIT FOR AN AUTOPSY das stärkste Album im vergangenen Jahr, dicht gefolgt von der „Necrobreed“ von BENIGHTED.
Fred: Ich müsste mir ehrlich gesagt einiges aus den Fingern saugen, um darauf antworten zu können. Meine Highlights wurden bereits alle 2016 released. Ich habs wohl nicht so mit den ungeraden. (Lacht.)
Das wars soweit von mir. Ich danke euch für eure Zeit und eure Antworten! Die berüchtigten letzten Worte gehören natürlich euch …
Flo: Vielen Dank für Deine Zeit und das nette Interview! Wir wünschen Euch allen viel Spaß mit „Serum“. Es war für uns eine spannend Angelegenheit und ich hoffe, Ihr könnt dies auch raushören.