Daturah
Interview mit Gitarrist Mathias zu "Reverie"
Interview
Mit „Reverie“ haben die bislang unbekannten DATURAH ein sehr feines Scheibchen abgeliefert und dürften damit jeden Post-Rock-Feinkostliebhaber vollends beglücken und verzücken. Ein Grund mehr, etwas mehr über die Truppe in Erfahrung zu bringen und so schnappte ich mir kurzerhand Gitarrist Mathias, der mir bereitwillig Auskunft über die Band und drumherum gab.
Dadurch, dass DATURAH bisher nicht allzu bekannt sein dürften, muss ich leider ganz typisch und auf konservative Weise beginnen. Wer ist DATURAH und seit wann gibt es euch?
Uns gibt es seit 2003. Wir sind zu fünft auf der Bühne – Drums, Bass, 2 Gitarren (manchmal auch 3) und ein bisschen Elektronik (Samples, Synthie). Zudem haben wir live noch einen sechsten Mann dabei der bei unseren Gigs Video-Projektionen macht. Wir sind alle aus dem Großraum Frankfurt (eigentlich nur ein wirklicher Frankfurter dabei) und kennen uns eigentlich alle schon relativ lange, teilweise schon zehn und mehr Jahre, und haben auch schon vorher immer mal in verschiedenen Bands zusammen musiziert.
Ich muss gestehen, dass mir außer euch keine andere ernstzunehmende deutsche Band bekannt ist, die ähnliche Musik spielt wie ihr. Vielleicht hab ich diesbezüglich auch grade ein Loch im Hirn. Deshalb finde ich es erstaunlich positiv, wie stark ihr musikalisch auftrumpft.
Warum also gerade diese Art Musik? Was fasziniert euch daran?
Ist es die Art, wie man sich musikalisch ausdrückt, geht es um Gefühle oder ist es einfach die Leidenschaft für die Instrumente und alles andere ergibt sich automatisch?
Naja, mir würden da schon einige einfallen (z.B. TEPHRA, IRA, OMEGA MASSIF, u.v.m.). Und bei der Faszination geht es definitiv mehr um Gefühle und musikalische Ausdrucksformen als um instrumentale Perfektion. Dementsprechend kann ich auch nicht genau sagen wieso eben diese Musik dabei herauskommt, das passiert einfach. Wir haben da keinen Masterplan, wir stehen einfach auf atmosphärische, intensive, melancholische, vielleicht auch etwas epische Songs, und natürlich tüfteln wir auch gerne mit außergewöhnlichen Sounds rum.
Wie entsteht die Musik bei euch und was ist die Inspirationsquelle?
Das ist unterschiedlich. Manche Songs schreibe und arrangiere ich quasi schon vor und nehme so ne Art Skizze am Computer auf und dann versuchen wir das im Proberaum umzusetzen. Manchmal kommt aber auch nur einer mit einem Riff oder Sound daher und wir jammen solange damit rum bis etwas entsteht. Inspirationen sind dabei ganz unterschiedlich, da wir alle relativ viele verschiedene Sachen hören.
Ist es OK, wenn ich euch dem Genre Post Rock zuordne? Wenn ja, was verbindest du mit diesem Genre, bzw. was bedeutet es dir und wenn nicht, warum seid ihr kein Post Rock?
Das ist OK, denke ich. Wenn ich auch nicht zu sehr auf diese Begrifflichkeit stehe. Wenn mich einer fragt sage ich immer wir machen epischen instrumentalen Ambient-/Noise Rock. Keine Ahnung was bei uns „Post“ sein soll, aber gut, die meisten Leute können sich dann ungefähr grob was darunter vorstellen, von daher ist das schon OK.
„Reverie“ hat mich sehr schnell umgehauen. Zwar brauchte ich etliche Anläufe, um jeden Song und seine entsprechenden Facetten zu begreifen, aber je mehr ich in das Album eintauchte, desto mehr zieht es mich in seinen Bann.
Vielleicht ist die folgende Frage an dich als Künstler des Werkes etwas gewagt, aber was macht die Faszination des Albums aus? Beschreibe „Reverie“ mit deinen Worten…
Da bin ich jetzt wahrscheinlich genau der falsche für diese Frage, da ich als einziger von uns an der kompletten Produktion von Anfang bis Ende mitgewirkt habe (was nicht immer ganz einfach war) und echt kein Blick/Ohr mehr für das Album als solches habe. Ich habe es einfach zu oft gehört. Frag mich das doch in einem Jahr oder so noch mal.
Wieso benutzt ihr keinen Gesang? Ein paar verträumte, atmosphärische Clean-Vocals mit passenden Texten wären doch vielleicht sogar eine Bereicherung…
Ja, bestimmt. Wir schließen das auch gar nicht generell aus, dass wir damit auch etwas experimentieren werden. Bisher hat es sich aber einfach so ergeben.
Ich habe es bereits in meinem Review zum Album erwähnt, aber ich finde, ihr seid wahre Meister der Dynamik. Das Auf und Ab der „Lautstärke“ und der Intensität in den Songs fesselt mich immer wieder aufs Neue. Dieser Aspekt macht die Songs verdammt ausdrucksstark. Habt ihr diesbezüglich ganz klare Vorstellungen oder kommt das „einfach so“? Ich meine, selbst Genre-Größen wie PELICAN oder EXPLOSIONS IN THE SKY kriegen das kaum besser hin…
Danke für das Kompliment (wobei PELICAN gleich ’ne weitere Band ist, die ich ziemlich langweilig finde, aber auch noch nie live gesehen habe). Das kommt eher einfach so. Wenn wir die Songs im Proberaum spielen entstehen solche Sachen von ganz alleine, da wir die Musik ja vor allem für uns spannend halten wollen.
Habt ihr den Sound für die Scheibe selbst zusammengezimmert? Ihr habt dafür in zwei verschiedenen Studios aufgenommen, wie ich dem Booklet entnehmen kann. Wieso das?
Im weitesten Sinne schon. Wir hatten zwar für die Aufnahme einen Freund, der Tontechniker ist, der uns geholfen hat und den Mix haben auch nicht wir selbst gemacht, wobei ich wie schon erwähnt die ganze Zeit dabei war und mitgewirkt habe, aber wir hatten keinen Produzenten in dem Sinne. Die 2 Studios sind einfach deshalb zustande gekommen, da wir im Hazelwood Studio den Hauptpart in einer Live-Session aufgenommen haben, also so wie wir es auf der Bühne auch machen. Danach sind wir in unser kleines Proberaumstudio und haben in Ruhe noch etwas an zusätzlichen Overdubs und vor allem auch an den elektronischen Elementen gearbeitet.
Braucht man einen Produzenten für diese Art Musik?
Das weiß ich nicht. Kann schon sein. Bisher haben wir es aber immer ohne gemacht. Unsere erste Platte habe ich ja komplett mit unserem Bassisten zusammen alleine produziert. Und bei „Reverie“ waren es halt, wie gesagt, vor allem technische Hilfen. Mal sehen wie wir beim nächsten Mal vorgehen.
Golden Antenna Records haben euch an Land gezogen. Was versprichst du dir, bzw. ihr euch davon? Ich meine, dass ihr keine riesengroßen Sprünge machen könnt und werdet, bzw. Golden Antenna, ist angesichts eures Underground-Status schon klar, aber ihr werdet doch sicher kleine Ziele haben? Was ist der nächste realistische Schritt für DATURAH?
Was ja schon mal super ist, dass sich Timo von Golden Antenna um die ganze Produktion der Tonträger und die Promotion gekümmert hat. Das ist schon mal sehr viel wert, dass wir uns da nicht auch noch mit rumscheren mussten. Und ich denke schon, dass wir dadurch auch noch mal mehr und andere Zuhörer erreichen und ein bisschen mehr Aufmerksamkeit erhaschen können. Von daher hat das schon seinen Sinn erfüllt.
Werdet ihr das Album live umsetzen? Ist in der Richtung etwas geplant?
Natürlich werden wir das Album auch live umsetzen. Ehrlich gesagt sind die Songs ja auch schon alle live erprobt und wir haben dann quasi für die Aufnahmen versucht den Livesound auf Platte zu bringen. Leider haben wir als kleine unbekannte Band eben nicht die Möglichkeit mal eben ein Jahr Pause zu machen um ein Album zu schreiben und dann aufzunehmen, denn irgendwie muss das alles ja auch bezahlt werden und finanzieren tun wir uns eben vor allem durch Konzerte und den Merch-Verkäufen bei eben diesen.
Wenn du die Bühne, den Saal und überhaupt das Event ohne Rücksicht auf Kosten und Mühen frei gestalten könntest, wie würde es aussehen? Was wäre die ultimative Kulisse, das entscheidende Ambiente, um die Musik von DATURAH in vollen Zügen live genießen zu können?
Oh, das ist schwierig. Auf jeden Fall auch was im Freien (wobei das Sound-mässig immer mal etwas schwierig sein kann), vielleicht direkt am Strand oder in einer Burgruine. Da würde ich den Großteil der Gestaltung aber auch einfach unserem Video-Operator Raul überlassen, der hat da immer wieder sehr gute Ideen. Nächste Woche spielen wir hier in Frankfurt in einer Kirche, in der Raul auch eine Ausstellung mit Lichtinstallationen im Raum macht, das wird bestimmt auch schon eine sehr schöne Geschichte.
…und wie sollte man das Album zuhause konsumieren, wenn du eine Anleitung dazu abgeben müsstest?
Bei mir hat es sich zum Beispiel bewährt, es im Dunkeln anzuhören; mitunter sogar in der Nacht, bei vollkommen entspannter Atmosphäre.
Im Dunkeln und spät abends oder nachts ist glaube ich schon eine ganz gute Sache. Vielleicht dann noch dazu bei Regen/Sturm aus dem Fenster schauend… stelle ich mir gut vor. Oder dann halt auch über Kopfhörer irgendwo im Wald oder am Meer, oder auf einer Zugfahrt durch die Nacht…
„Reverie“ ist wie von dir bereits erwähnt nicht eure erste Veröffentlichung. Der selbstbetitelte Erstling erschien 2005. Worin siehst du persönlich die qualitative, musikalische Steigerung innerhalb der Band, wenn du dir beide Scheiben vor Augen hältst?
Die erste Scheibe war ja ursprünglich mal als Demo angelegt. Das sind die ersten Songs die wir jemals überhaupt geschrieben haben. Die neueren Sachen sind auf jeden Fall etwas vertrackter und abwechslungsreicher, facettenreicher und vielschichtiger. Und da wir diesmal eben nicht alles selbst aufgenommen haben (keiner von uns ist Tontechniker oder hatte vorher irgendwelche Erfahrungen damit, wir haben einfach ausprobiert) und bessere Studiotechnik zur Verfügung hatten, ist der Sound natürlich auch etwas fetter und runder.
Soweit ich eurer Website entnehmen kann, habt ihr das gute Stück hier in Deutschland in Eigenregie veröffentlicht, während in den U.S.A. Graveforce Records zuständig waren. Erstaunlich, dass ihr da drüben einen Deal ergattern konntet. Normalerweise heißt es doch, dass es sehr schwer ist in den U.S.A. Fuß zu fassen. Ist der Markt überm Teich größer oder einfacher für derartige Musik, wie ihr sie zelebriert?
Würd ich jetzt gar nicht mal sagen. Aber Graveface Records sind auch nur ein relativ kleines, aber sehr feines Indielabel und die Platte ist ja dort auch nur in einer 1000er Auflage erschienen. Die Connection kam übrigens zustande, da ich in Frankfurt ein Konzert für Ryans (Graveface Labelboss) Band DREAMEND organisiert hatte. Da hab ich ihm dann ein Demo zugesteckt und er hat sich quasi noch auf Tour schon gemeldet und gesagt, dass er das unbedingt rausbringen will.
Hörst du Privat auch Musik die allgemein mit dem Begriff „Post“ (-Rock, -Metal, -Core etc. etc.) in Verbindung gebracht wird? Wer sind deine Favoriten?
Ja klar, auch, aber bei weitem nicht nur, ich bin da relativ weit gefächert in dem was ich höre und nicht genremässig begrenzt. Wen ich momentan sehr geil finde sind THIS WILL DESTROY YOU aus Texas und THE DRIFT aus San Francisco. Ansonsten sind natürlich GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR nach wie vor immer noch ein Überhammer. Sowohl live wie auch auf Platte.
Auch wenn es vermutlich noch viel zu früh ist, aber gibt es bereits Pläne für das nächste Album?
Wir sind auf jeden Fall schon dabei neue Songs zu schreiben. Ein bisschen was wird es wahrscheinlich schon auf der anstehenden Tour zu hören geben. Die wollen wir dann eigentlich auch so schnell wie möglich und zeitnah aufnehmen. Ob dann daraus direkt ein Album wird oder wir erst nochmal was anderes machen wird sich zeigen…
Was benötigt ihr für die Zukunft, um eure Ideen und Vorstellungen verwirklichen zu können?
Geld und Zeit, vor allem aber Zeit. Momentan ist es nicht gerade einfach, da einige von uns echt in stressige Jobs eingebunden sind.
Zum Abschluss noch eine simple Frage: Woher kommt der Name DATURAH?
Das ist der botanische Begriff für die Engelstrompete oder auch Stechapfel. Wobei bei der Namenswahl der Drogenaspekt nicht der ausschlaggebende war (wie vielleicht viele vermuten), sondern wir vor allem den Klang des Wortes sehr gut fanden und die Vorstellung von Engelstrompeten auch ganz treffend zu unserer Musik fanden.
Gibt es etwas, das dir noch auf der Zunge brennt und was du unbedingt loswerden möchtest?
Wenn ihr in der Nähe wohnt, kommt doch zu einem unserer Konzerte, wir würden uns freuen. Tourdates findet ihr immer aktuell auf www.daturah.de
Vielen Dank für das Interview. Ich drücke euch für die Zukunft fest die Daumen.
Danke für dein tolles Review und die auch mal etwas anderen Interviewfragen…