Darkthrone
Interview mit Fenriz zu "The Underground Resistance"
Interview
Dass Fenriz nicht zu Unrecht als Prediger des alten Metal bezeichnet wird, beweist der freundliche Norweger auch im Gespräch zur neuen, bereits 16. und sicherlich polarisierenden DARKTHRONE-Langrille „The Underground Resistance„. Da gibt es eine lange Best-Of-Liste, viele Jahreszahlen und auch die Antwort auf die Frage, warum man das legendäre Duo wohl eher nicht mehr live zu sehen bekommt.
Hallo Fenriz, wie geht es dir? Womit hast du den Winter verbracht?
Mit Interviews, Trinken, Pimpern, Skilanglauf, Arbeiten, TV-Serien-Schauen und Musikhören. Alles wie immer also. Gerade höre ich MOUNTAIN – ich bin Musical Director für einen neuen Metal-, Rock- und Punk-Laden im Zentrum von Oslo, deshalb muss ich Musiklisten dafür anfertigen und MOUNTAIN ist eine der archetypischen Bands, die am frühen Abend gespielt werden, bevor es heftiger wird. Kniven heißt der Schuppen, er eröffnet im März. Zur Zeit des Inferno Festivals werden dann zwar die ganzen Poser den Laden stürmen, um CRADLE OF FILTH zu hören, aber Plastik-Metal „ist verboten“! [Fenriz äußert die letzten beiden Worte auf Deutsch – Anmerk. d. Verfassers] „Von THE SEEDS zu SARCOFAGO“ ist das musikalische Motto.
Das neue DARKTHRONE-Album „The Underground Resistance“ klingt mehr nach klassischem Heavy Metal als jemals eines eurer Alben zuvor, insbesondere deine drei Stücke. Wie siehst du das?
Das unterschreibe ich von ganzem Herzen, das ist dieses Mal halt dabei rausgekommen. Ich meine, wenn wir Material für 40 Minuten haben, schmeißen wir es einfach zusammen und fertig ist das Album. Soviel dazu, inwieweit wir irgendetwas planen.
Es hat rund zwei Jahre gedauert, das Album zu schreiben – wie kann man sich den kreativen Prozess vorstellen? Machst du dir fortwährend Notizen und kommst dann bei Gelegenheit darauf zurück? Oder gibt es eine Phase des konzentrierten Schreibens von Wochen oder Monaten?
Seit den Aufnahmen zu „A Blaze In the Northern Sky“ im Sommer 1991 habe ich beschlossen, dass wir nicht zusammen schreiben sollten, sondern jeder für sich. Und so handhaben wir es seit mittlerweile 22 Jahren. Wir haben in dieser Zeit nur zwei Lieder zusammen geschrieben – und das aufgrund besonderer Umstände. Seit 2005 komponieren wir das Stück, treffen uns und nehmen auf. Davor haben wir auf alle möglichen Arten gearbeitet – bis auf die Art und Weise, die typisch war für die Bands der 60er- und 70er-Jahre: nämlich ein Studio zu buchen und das gesamte Album spontan IM Studio entstehen zu lassen. Aber das ist lange nicht mehr möglich und wir haben es nie getan. Gut, mit Ausnahme von „Transilvanian Hunger“ und „Panzerfaust“ – da war das Studio mein Wohnzimmer und ich nahm nach der Arbeit auf. Jedenfalls treffen wir uns seit 2005 einfach mit unseren Liedern, lernen sie innerhalb von ein, zwei Stunden und nehmen auf. Erst meine, dann Teds Lieder – oder umgekehrt. Das war’s. „Fast And Loose“, wie Lemmy einst sagte.
Ein einzelnes Stück zu schreiben, kann hingegen sehr lange dauern. Bei „Valkyrie“ hat es beispielsweise eineinhalb Jahre gedauert, bis die einzelnen Teile entstanden und miteinander verbunden waren. Ich habe es nicht eilig. Ich kann zwar ein Lied innerhalb von einer Stunde schreiben, aber das sind für gewöhnlich die, die ich später verwerfe.
Was meint der Titel „The Underground Resistance“? Widerstand gegen was?
Gegen die ganze Welt, die offenbar auf beschissenen Plastik-Metal abfährt. Gut, Ende der 90er-Jahre sah es besonders schlimm aus, immerhin haben aktuell etwa 40% der Veröffentlichungen einen alten Sound – zumindest klingen die Instrumente wie die Instrumente, haha. Und 2012 war ja wohl auch DAS Jahr für den 70er-Stil, für 70er-Heavy-Metal und 70er-Heavy-Rock. Insofern: Danke, Untergrund-Widerstand!
Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, euer klassisches Logo fallen zu lassen? Es scheint so gar nicht mehr zu eurem aktuellen Stil zu passen.
Das ist eine gute Frage, da ich sie noch nie gefragt wurde. Nun, wir hatten bereits drei Logos vor dem derzeitigen, das kurz vor dem ersten Album „Soulside Journey“ im Jahre 1990 entstand. Es handelt sich um eine Vereinfachung des Logos, was wir davor verwendeten – eigentlich unser Favorit, aber es war unserer Meinung nach zugleich zu kompliziert. Jedenfalls ist unser bekanntes Logo ein Death-Metal-Schriftzug und passte auch eigentlich nie zum Black Metal. Ich denke, dass wir unseren Stil so oft verändert haben, dass wir da mit dem Logo gar nicht nachgekommen wären. Also belassen wir es doch einfach dabei. Wenn wir das Logo mit jedem Stilwechsel – die es ja auch innerhalb eines Albums gibt – austauschen würden, wäre es doch irgendwie lächerlich.
Was denkst du aus heutiger Sicht über die drei DARKTHRONE-Platten vor der aktuellen – „F.O.A.D.“, „Dark Thrones And Black Flags“ und „Circle The Wagons“? Welche hältst du für die stärkste?
Das wird die Zukunft zeigen. Die drei Alben sind mir selbst noch zu nah. Ich denke aber, dass sie extrem variabel waren und wir mit „The Underground Resistance“ da anknüpfen, wo wir mit „Circle The Wagons“ aufgehört haben. Die ersten beiden Lieder für „The Underground Resistance“ waren auch Anfang 2010 bereits fertig, als wir „Circle The Wagons“ aufnahmen. Wir nahmen danach eine Auszeit, da wir mit neuen Freundinnen zusammen kamen und es dementsprechend privat einiges zu erledigen gab. Auch die Tatsache, dass wir in unserer zeitlich weit fortgeschrittenen Karriere acht Alben innerhalb von elf Jahren (1999 bis 2010) aufgenommen haben, machte eine Pause notwendig. Ich gebe rund 100 Interviews zu jeder Platte und werde auch in der Zukunft Pausen brauchen – nicht weil ich keine Lieder mehr schreiben kann oder möchte, sondern um zu verhindern, dass die ganzen Interviews mir die Seele aussaugen.
Aber zurück zu den drei von dir angesprochenen Alben: Es scheint, als würden sie als eine Art Triologie gesehen. Die Menschen sind sehr stark visuell beeinflusst und die Cover der drei Alben sind im gleichen Stil gehalten. Der Hauptunterschied zu „The Underground Resistance“ ist der Fokus auf klassischem Metal und das Mastering durch Jack Control, was der Scheibe diesen organischen „Morbid Tales“-Bassklang verleiht. Großartig!
Viele alte Fans beschweren sich darüber, dass DARKTHRONE seit den letzten vier, fünf Alben kein Black Metal mehr sind. Was denkst du darüber?
Sie beschweren sich bereits seit 1995 und werden mit jedem Mal lauter. Was ist denn mit denen, die darüber motzen, dass wir keinen Death Metal mehr spielen? Oder keine Mischung mehr aus diversen Metal-Spielarten, wie wir es in unseren Anfängen um 1988 taten? Warte – wir sind gerade an diesen Punkt zurückgekehrt! Wohoo! Wer nicht wahrgenommen hat, dass wir uns mit jedem Album langsam verändert haben, ist uns einfach nicht aufmerksam genug gefolgt. Wer 80er-Black-Metal und „Under A Funeral Moon“ mag, soll einfach BATHORY, TORMENTOR oder irgendwelche anderen 80er-Sachen hören. Und neues Zeug wie RUST aus Schweden.
2012 ist einige Wochen vorüber – was sind deine musikalischen Favoriten? Und auf welche Scheiben freust du dich in diesem Jahr besonders?
Ich fiebere neuer Musik schon lange nicht mehr entgegen – das war bereits vorbei, als ich Ende der 80er-Jahre zu viel Kram in meiner Sammlung hatte. Wenn, dann lasse ich mich positiv überraschen. Wie im Falle OBLITERATION: Marte und ich waren kürzlich in Kolbotn [Vorort von Oslo – Anmerk. d. Verfassers] und haben ihnen beim Proben zugeschaut, großartig.
Ich hasse es zwar, Listen anzufertigen, aber da jeder darauf zu stehen scheint, sind hier meine Favoriten aus dem Jahr 2012:
VOMITOR – „Escalation“: Klingt wie eine Mischung aus SODOM zu „Obsessed By Cruelty“-Zeiten und der INCUBUS-7-Zoll.
GOAT – „World Music“: Das Frischeste, was ich in 2012 gehört habe.
HOUR OF 13 – „333“: Eine der wenigen Bands, die DARKTHRONE auf eine merkwürdige Art ähnlich sind. Brillant.
CHRISTIAN MISTRESS – „Possession“: Alter Metal mit einer besonderen Atmosphäre – ich unterstütze sie schon lange.
NEKROMANTHEON – „Rise, Vulcan Spectre“: Ich bewundere Arilds Gesang und seine Leads.
DEATHHAMMER – „Onward To The Pits“: Keine Überraschung, aber ich liebe sie seit den Demos.
GOLD – „Interbellum“: Bis auf das erste Lied ist die Platte verdammt stark!
VANDERBUYST – „Flying Dutchmen“: Bis auf das erste UND drei weitere Lieder grandioser Hard Rock!
ROYAL THUNDER – „CVI“: Dynamisch wie Hölle und einer der besten Basstrommel-Klänge überhaupt.
SHIPWRECKED – „The Last Pagans“: Total atypischer 79er-Punk aus Norwegen, unglaublich.
Zudem verdienen Beachtung: CORSAIR, CHAPEL OF DISEASE, RAVEN’S CREED, TURBONEGRO, HOODED MENACE, AURA NOIR, WITCHCRAFT, YEAR OF THE GOAT, EL DOOM & THE BORN ELECTRIC, VETTER, BURZUM, THE SABBATH ASSEMBLY, GRAVEYARD , TRIAL – und haben JESS AND THE ANCIENT ONES letztes Jahr auch ein Album rausgebracht?
Du erwähnst BURZUM – gefallen dir die Scheiben ab dem 2010er-Comeback grundsätzlich?
Ja, ich habe sie mir alle auf Vinyl besorgt. Eines der Stücke auf der neuen – „Golden Age“? Ich erinnere mich jetzt gerade nicht genau – war ein treuer Begleiter auf den letzten Camping-Ausflügen im Marka-Wald.
Hast du denn noch Kontakt zu Varg Vikernes oder anderen Protagonisten der Black-Metal-Szene der frühen 90er-Jahre?
Necrobutcher hat mich letztes Jahr angeschrieben und gefragt, ob er zum Skilanglauf mitkommen könnte. Also habe ich ihn mitgenommen. Zudem habe ich Kontakt zu Cato von RED HARVEST, der jetzt der Schlagzeuger von ENSLAVED ist. Auch Grutle und Ivar sind sehr interessiert an altem Rock und Metal. Viele Leute von damals interessieren sich jedoch heute eher für modernen Metal oder gänzlich andere Musik, die totale Hingabe zum alten Stil findet man nur sehr selten. Immerhin gibt es hier mehr Anhänger des 80er-Stils als Frühe-90er-Typen und auch meine Kenntnis bezüglich der frühen 90er ist beinahe nicht existent vergleichen mit meiner Kenntnis der späten 80er-Jahre.
Vor einigen Monaten äußerten Grutle und Ivar von ENSLAVED im Gespräch, dass sie sehr stolz sind auf die alte norwegische Black-Metal-Szene, Norwegens größten Exportschlager. Sie seien stolz auf die alten Alben, stolz darauf, dass jede Band ihren eigenen Weg gegangen ist und stolz darauf, dass die meisten davon immer noch existieren. Würdest du zustimmen?
Ja, warum nicht. Ich bin jedoch eher stolz auf die Menschen, die damals die Gitarre verzerrt haben – wie Link Wray im Jahre 1959. Das war hart, das war ein wirklicher Einschnitt – nach einer Ewigkeit mit lediglich unverzerrten Gitarren, hehe.
Besteht die Chance, dass man DARKTHRONE – mit Nocturno Culto und dir – eines Tages noch mal auf einer Bühne zu sehen bekommt? Es wäre doch schön, euch euren neueren Kram zusammen mit ein paar alten Klassikern wie „In The Shadow Of The Horns“ und „To Walk The Infernal Fields“ zocken zu sehen.
Ja, das sagen sie alle und natürlich ist es angenehm, musikalisch noch begehrt zu sein. Aber ich hasse es, zu reisen, und ich kenne bereits zu viele Menschen. Reisen bedeutet, noch mehr zu treffen. Wir bekommen teilweise wahnwitzige Beträge von Leuten geboten, die ein Konzert mit uns auf die Beine stellen wollen. Wie gesagt, schön zu wissen, dass die Möglichkeit besteht, aber ich denke, dass es sehr schwierig wird, mich diesbezüglich zu überzeugen.
Danke für das Gespräch.