Dark Fortress
Aus irgendeinem Grund scheint es bei uns so zu sein, dass am Schluss immer irgendein Universum platzen muss!

Interview

Nach sechs langen Jahren melden sich DARK FORTRESS mit ihrem achten Album „Spectres From The Old World“, nach dem Vorgänger „Venereal Dawn“ von 2014, für welchen die Band damals auch bereits vier Jahre gebraucht hatte, wieder zurück. Wir sprachen darüber im Interview mit Sänger Morean und Songwriter/Gitarrist V. Santura.

DARK FORTRESS Bandfoto

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Nach sechs langen Jahren habt ihr mit „Spectres From The Old World“ ein neues Album veröffentlicht. Die offensichtliche Frage zuerst: Weshalb hat es sechs Jahre gedauert, um einen Nachfolger von „Venereal Dawn“ zu veröffentlichen? Haben inzwischen eure anderen musikalischen Betätigungsfelder eine höhere Priorität als DARK FORTRESS? Oder gab es Veränderungen in euren Leben, die zu dieser Zeitspanne geführt haben?

Morean: Viele der neuen Songs entstanden eigentlich schon kurz nach dem Release von „Venereal Dawn“, zumindest in roher Form. Bis wir das alles ausarbeiten und aufnehmen konnten verging aber viel mehr Zeit, als wir eigentlich wollten. Das hat vor allem mit der Logistik zu tun, weil die Herausforderung immer größer wird, die nötige Zeit dafür zu finden. Wir sind alle auch recht beschäftigt mit unseren anderen Bands, mit dem Bestreiten unseres Lebensunterhalts, und teilweise mit Familie, und für alles, was wir machen, müssen erst einmal Leute aus drei Ländern zusammenkommen. Somit hat dieses Mal alles leider etwas länger gedauert. Ein positiver Nebeneffekt ist allerdings, dass das Material dadurch auch mehr Zeit hatte zu reifen; und die Songs, die später noch dazugekommen sind, gehören für uns zu den absoluten Highlights des Albums.

Welche Auswirkungen hatten die Line-Up Wechsel auf die Band und das neue Album? Nach 16 gemeinsamen Jahren verließ Keyboarder Paymon DARK FORTRESS, für ihn kam Phenex (THE RUINS OF BEVERAST, SATYRICON). Auch Bassist Draug ging nach 18 Jahren.

V. Santura: Phenex hatte mit uns ja schon seit 2012 viele Konzerte gespielt, eigentlich war der Abschied von Paymon ein wenig ein Abschied auf Raten… Er hatte schon die meisten Gigs nicht mehr mit uns gespielt und konnte aus privaten Gründen nicht auf Tour gehen und kurz nach „Venereal Dawn“ ist Paymon dann eben konsequenter Weise ausgestiegen. Auf gewisse Weise ist Phenex eigentlich schon seit recht langem ein Teil der Gruppe und er hat vor allem eine große Portion Enthusiasmus und Energie in die Albumproduktion gebracht. Er war, was das ganze Songwriting betrifft, vielleicht mein größter Motivator und wir haben auch viele der Keyboardarrangements zusammen ausgearbeitet. Draug war nie ein Songwriter, insofern hatte sein Ausstieg das Album betreffend keine große Auswirkung. Aber er hat eine unfassbare Live- und Bühnenpräsenz, die fast nicht zu ersetzen ist. Privat verstehen wir uns immer noch gut, seit seinem Ausstieg haben wir fast sogar mehr Kontakt als davor….

„Spectres From The Old World“ soll das thematische Konzept von „Venereal Dawn“ fortsetzen. Kannst du uns das bitte näher erläutern? Was hat euch zu den Texten inspiriert? 

Morean: Am Ende des letzten Albums, „Venereal Dawn“, hat der Protagonist sich zusammen mit dem Rest der Menschheit in Kreaturen aus lebendem Licht verwandelt. Mich hat diesmal die Frage interessiert, wie diese Geschichte danach weitergehen könnte; das Ergebnis ist, dass dieses übergebliebene Restbewusstsein sich reinkarniert in den versteckten Dimensionen, die in der theoretischen Physik in der String Theory postuliert werden. Ich verleihe somit der Substanz des Universums eine Stimme, die Geburt, Leben und Tod eines Kosmos aus der ich-Perspektive kommentiert.

Die Inspiration hierfür stammt von meiner stetig wachsenden Faszination für den Apparat, der unser Universum ist. Ich bin natürlich nur ein mickriger Musiker, der versucht, weit außerhalb seiner traditionell höchst subjektiven fiktiven Welten einen Einblick in die Zusammenhänge der Naturgesetze zu bekommen; das, was ich dabei entdecke, dient dann auch nur als Anstoß für meine wilden Fantasierereien, genau wie auf unseren anderen Alben. Aber mich inspiriert mittlerweile sehr die Kraft, die vom Echten ausgeht, und dem haben wir sowohl textlich als auch visuell Ausdruck verliehen auf dieser Platte.

Ich habe in den letzten Jahren viele Urlandschaften an diversen Enden der Welt bereist, und dann fragt man sich irgendwann automatisch, wenn man mit so einer Wucht und Schönheit konfrontiert ist, was die physikalischen Prozesse sind, die sowas ohne irgendwelches Zutun der Menschheit entstehen lässt, egal ob es um Geologie, Biologie oder Kosmogenese geht. Unsere Existenz spielt sich in einem derartig mysteriösen und wundersamen Kosmos ab, dass für mich die Frage nach irgendwelchen Göttern oder Nachtodesfantasien beinahe banal und kindisch wurde. Das große Mysterium ist hier, und wir stehen mittendrin, sind Teil von ihm; man muss nur die Augen aufmachen, um das zu sehen, im Kleinen wie im Großen. Da können irgendwelche Jesusse dann von mir aus verzapfen was sie wollen – es ändert nichts an der grundsätzlichen Magie der Existenz von irgendwas. Und auch wenn ich mich durchaus nach wie vor als spirituell bezeichne, so sehe ich auch das als bisher noch schwer greifbaren Teil des physischen Universums, und muss mir nicht irgendwelche selbstgemachten Götter jenseits davon hinhängen, die das dann nur für mich, oder aus irgendeinem metaphysischen, anthropozentrischen Grund erschaffen haben, nur um die Menschheit vom masturbieren abzuhalten oder ähnlichem Bullshit. Ich bin eine winzige Ameise in einem atemberaubend riesigen und komplexen Gefüge, und meine eigene Irrelevanz in dem Ganzen ist mir durchaus bewusst, und bringt mich regelmäßig zum Grinsen.

Das neue Album klingt etwas kompakter, direkter und aggressiver als „Venereal Dawn“ und „Ylem“ und hat musikalisch wie ich finde eine stärkere Nähe zu „Eidolon“. Wie beurteilst du selbst euer neues Album und worin siehst du Unterschiede, worin Gemeinsamkeiten zu euren vorherigen Werken?

V. Santura: Eigentlich nimmst Du in Deiner Frage meine Antwort schon vorweg. Genau so sehe ich es auch. Es ist stilistisch meines Erachtens wieder näher an „Eidolon“ oder „Séance“, aber natürlich keine Wiederholung oder ein Aufguss davon. Irgendwie hatte ich dieses Mal einfach das starke Bedürfnis nach weniger ausladenden und härteren Songs.

Habt ihr was an der Art und Weise des Songwritings und des Arrangierens geändert? Was hat euch inspiriert und wie viel Spontanität steckt in den Songs?

V. Santura: Wir haben nichts Grundsätzliches an der Herangehensweise geändert. Aber ich hatte vor allem 2015 eine Phase von mehreren Monaten, in der ich auf eine sehr natürliche Art und Weise sehr inspiriert war, in der sich die Ideen einfach ergeben haben, ohne dass ich dafür hart arbeiten musste. In dieser Zeit ist auch ein großer Teil oder der Hauptblock des Albums entstanden. Mir fällt es schwer in Worte zu fassen, wie ich Musik schreibe oder was meine konkreten Gedanken dabei sind, weil schon viel auf Intuition beruht. Ich versuche aber ab einem recht frühen Zeitpunkt das große Ganze im Auge zu behalten und schreibe viel aus dem Albumkontext heraus. Oft war quasi das Ende des einen Songs die Inspiration für den Anfang des darauffolgenden Songs.

Ich habe beim Schreiben von Musik oft schwer greifbare Emotionen oder auch Bilder im Kopf. Und bei diesem Album empfinde ich, dass das Artwork und die im Booklet verwendeten Bilder die Art von Bildern, die ich beim Schreiben der Musik im Kopf hatte, so gut wie noch nie repräsentieren. Es ist eigentlich das erste Mal, dass ich mich als Songwriter zu 100% in den Bildern des Artworks repräsentiert fühle. Ich denke, dass das Gefühl das ich habe, wenn ich mich in von unserer Zivilisation weitestgehenden noch unberührter Natur aufhalte, wie z. B. im Hochgebirge oder auf Gletschern, eine gewisse Inspiration für mich war, die ich auch vertonen wollte.

Wie haben sich die neuen Songs im Laufe der Zeit entwickelt und verändert? Was waren die größten Herausforderungen im Studio und was habt ihr von diesem Album gelernt?

V. Santura: Das empfinden meine Bandkollegen vielleicht anders, aber wenn ich einen Song fertig habe, ist er normaler Weise auch fertig und ändert sich nur noch geringfügig. Natürlich klingt das erste Demo nicht so wie die finale Albumversion, aber eigentlich höre ich den Song von Anfang an so, wie er am Schluss klingen soll, und die eigentliche Herausforderung im Studio besteht darin, alles so zu recorden, produzieren und zu mischen, dass es am Ende so klingt wie es am Anfang gedacht war. Natürlich sind einige Dinge flexibel wie Drumfills und vor allem die Gesangslinien werden erst im Studio final und detailliert ausgearbeitet, wobei es auch da von Anfang an eine konkrete Vision gibt. Und es ist vielleicht am allerwichtigsten, diese ursprüngliche Vision die man hatte, als man den Song geschrieben hat, nicht zu vergessen und dieser zu folgen.

Wie würdest du allgemein die musikalische Entwicklung von DARK FORTRESS beschreiben?

V. Santura: Ich denke wir haben bei DARK FORTRESS eigentlich bei jedem Album ein ähnliches Ziel gehabt. Natürlich das zu diesem Zeitpunkt bestmögliche Album zu schreiben, wobei man diese Aussage auch als langweiliges Promogefasel abstempeln könnte… Aber für mich gab es von Anfang an drei Hauptaspekte: Unsere Musik ist zu einem Teil aggressiv und hart, aber es gibt auch eine melancholische Komponente und eine sehr düstere, atmosphärische Komponente. Alle diese drei Aspekte findet man auf jedem DARK FORTRESS Album, nur jeweils in anderer Gewichtung.

Bei den beiden vorhergehenden Alben wurden wir sicherlich progressiver, aber „Spectres From The Old World“ ist, was die Progressivität betrifft, eigentlich ein Schritt zurück in eine härtere in direktere Richtung.

Im Kern ist sich die Band meiner Meinung nach treu geblieben, aber als Musiker und Songwriter sind wir in den letzten Jahren vielleicht einfach besser geworden, wobei ich diesen Ausdruck nicht besonders mag und ich nach wie vor auch auf unsere vorherigen Alben stolz bin.

Würdest du eure Musik eher als konstruktiv oder destruktiv bezeichnen?

Morean: Seltsame, aber interessante Frage. Die heftige Musik bedarf auch entsprechender emotioneller Abgründe in den Texten natürlich, und aus irgendeinem Grund scheint es bei uns so zu sein, dass am Schluss immer irgendein Universum platzen muss. Somit neigt man als Texter dann auch gern zu apokalyptischen Szenarien, weil es Spaß macht, sowas im Kopf komplett auf die Spitze zu treiben, und es passt halt auch super zur Musik.

Aber abgesehen davon finde ich allgemein Kreation sehr viel interessanter und inspirierender als Zerstörung. Zur Zerstörung gehört überhaupt nichts; jeder Depp kann mit dem Hammer irgendwas kaputt hauen, während man mit Schöpferischem regelmäßig Berge versetzen muss und echt eine Ahnung haben muss von dem, was man versucht zu erschaffen. Ist ja auch in der Musik so. Es gehört jahrelanges sich-abmühen dazu, geile Songs schreiben, spielen und produzieren zu können, während jeder noch so armselige selbsternannte Wohnzimmer-DJ mit ein paar Clicks auch den besten Song zerstören kann, wenn er eine beschissene Technoversion davon auf den Markt schmeißt. Somit würde ich sagen, dass es uns absolut um die Schöpfung unserer eigenen Welt geht, auch wenn die transportierten Inhalte oft gern morbide und apokalyptisch sind.

Wie ist der aktuelle Stand eurer anderen musikalischen Bands und Projekte neben DARK FORTRESS?

V. Santura: Diese Frage würde sicherlich ein eigenes Interview füllen können, und ich beschränke mich einfach auf meine anderen Bands. Mit TRIPTYKON veröffentlichen wir im Mai; sofern es das Coronavirus zulässt, das TRIPTYKON / CELTIC FROST Requiem. Das Stück wurde letztes Jahr zusammen mit dem Metropol Orkest auf dem Roadburn Festival aufgeführt und erscheint nun in Studioqualität auf CD/DVD und LP.

Außerdem bin ich in eine neue Band namens ROOTBRAIN involviert. ROOTBRAINs Musik ist eigentlich ziemlich stark vom Metal der 90er Jahre beeinflusst mit einer gewissen grungigen- / ALICE IN CHAINS artigen- Schlagseite. Heavy, groovig, düster, aber durchaus melodiös mit einem brillanten Sänger. Ich hoffe dass wir dieses Jahr noch unser Debütalbum veröffentlichen werden.

Was habt ihr mit DARK FORTRESS in nächster Zukunft alles geplant?

V. Santura: Ja, in der gegenwärtigen Situation macht es leider wenig Sinn irgendetwas zu planen. Aber das betrifft ja nicht nur uns sondern die ganze Welt. In ein paar Tagen hätten wir unsere offiziellen Releasekonzerte gespielt, diese können nun natürlich nicht stattfinden. Geplant wären auch einige Konzerte in den USA, Maryland Deathfest im Mai und dann California Deathfest Ende Juni und eine Tour an der Westküste. Mittlerweile befürchte ich aber auch dass zumindest das Maryland Deathfest dem Coronavirus zum Opfer fallen könnte.

Im Oktober planen wir eine Headliner Tour durch Europa, aber wie gesagt, planen ist momentan schwierig. Ich bin gespannt wie viele Clubs und Veranstalter die aktuelle Lage mit Wochen oder womöglich Monaten ohne einen Cent Einkommen überleben werden…

Galerie mit 14 Bildern: Dark Fortress - Wave Gotik Treffen 2016
31.03.2020

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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