D-A-D
Interview mit Jesper Binzer zu DIC.NII.LAN.DAFT.ERD.ARK - Deutsch
Interview
Was haben High Heels, Frühlingszwiebeln, die dänische Königin und Frankfurt mit Disneyland zu tun? Bei Licht betrachtet nicht viel, nach Einbruch der Dunkelheit sieht das jedoch ganz anders aus. Mit ihrem am 11.11.11 erscheinenden 11. Album beweisen die Dänen D-A-D einmal mehr, dass in Disneyland nach Einbruch der Dunkelheit alles möglich ist. Wir haben uns nur zwei Stunden, nachdem das Master Tape in die Produktion geschickt wurde, mit Jesper Binzer über „DIC.NII.LAN.DAFT.ERD.ARK“, das Video zur Single „I Want What She’s Got“ und all die zuvor genannten Dinge unterhalten.
Darf ich fragen, was Du heute trägst?
Jesper: Ich trage dunkelrote Hosen, eine Lederjacke von Penfield und ein Paar Vans.
Du bist also kein Fan von Federn, Pailletten und High Heels geworden?
Jesper: Nein, definitiv nicht! Das war nett zum Probieren, aber ich verstehe jetzt, was meine Frau meint, wenn sie sagt ‚Ich brauche qualitativ hochwertige Schuhe. Sie sind teuer, aber das ist es wert, da ich gut darin gehen kann.‘ Seit dem Videodreh ist es viel einfacher, so viel Geld für ihre High Heels auszugeben, denn ich habe festgestellt, wie schwer es ist, länger als eine halbe Stunde darin zu laufen. Man lernt jeden Tag etwas dazu, dies ist meine Erkenntnis aus dem Videodreh.
Habt Ihr es geschafft, elegant in den Schuhen zu gehen, oder habt Ihr Euch fast das Genick gebrochen?
Jesper: Wir sind alle die ganze Zeit rumgestolpert, es war ein harter Videodreh.
Erzählt das Video eine Geschichte oder ist es im Wesentlichen ein Performance Video in extravaganter Kleidung?
Jesper: Es ist ein Performance Video. Die Idee war, D-A-D im Proberaum zu zeigen – natürlich ist es nicht unser echter Proberaum, aber er ist sehr musikbezogen. Uns ging es im Wesentlichen darum, dass wir vier zusammen spielen, die Frauenkleider sind nur ein Extra. Ich muss sagen, mir ist erst klar geworden, worum es dem Regisseur ging, als ich das Ergebnis gesehen habe. Wir sollten weder Frauen spielen, noch uns darüber lustig machen in Frauenkleidern zu sein, sondern einfach unsere Musik in Frauenkleidern spielen. Ich habe gestern einen Test Clip gesehen und es funktioniert. Es ist wirklich ein einzigartiges Video!
Inzwischen wurde das Video zu „I Want What She’s Got“ veröffentlicht und Ihr könnt Euch selbst von dessen Einzigartigkeit überzeugen:
Anfang des Jahres wurde auf Eurer Homepage ein Video mit dem Titel „D-A-D leaks“ veröffentlicht, das wohl eine Studiosession zeigt. Es scheint sich bei dem Song um „The End“ zu handeln, allerdings mit einem anderen Text. Was ist aus dem damaligen Text geworden, oder war das nur Quatsch?
Jesper: Als wir die Basic Tracks aufgenommen haben – die ersten Aufnahmen waren vor ungefähr einem Jahr – waren die Texte noch nicht fertig. Alles was wir hatten, als wir ins Studio gegangen sind, waren die Texte für die Refrains. Wir wussten auch nicht, ob die Songs, die wir in den Sessions ausprobierten, auf das Album kommen würden, daher habe ich mehr oder minder Quatsch gesungen. Wörter, die die Stimmung des Songs einfangen. Wir waren uns einig, dass wir uns mit den Texten später befassen, schauen, was verändert werden muss und wie es besser klingen könnte. Aber am Anfang ist es immer Quatsch, die Texte schreibe ich später.
Wann wurden denn die Texte für das Album geschrieben? Ich glaube, selbst bei der Studiosession im Mai, als Ihr drei Songs vorgestellt habt, hatte nur „A New Age Moving In“ den endgültigen Text.
Jesper: Ja, aber alle Texte – selbst wenn sie fertig zu sein scheinen – sollten bis zum Ende offen für Veränderungen bleiben, sodass sie jederzeit im Arbeitsprozess umgeschrieben werden können. Es ist wichtig, sich alle Möglichkeiten bis zum letzten Tag offen zu halten. Nichts ist heilig, nichts ist in Stein gemeißelt; das ist unsere Arbeitsweise. Wenn man sich traut, Veränderungen zuzulassen und auf seine eigene Kreativität vertraut, dann erzielt man meines Erachtens nach die besten Ergebnisse. Wir wollen keine Songs über Dinge schreiben, die vor 25 Monaten passiert sind, es muss thematisch so nah an der Veröffentlichung sein wie nur möglich. Daher ist es wichtig, alles offen zu lassen und zu schauen, was passiert.
Ich denke, Eure Herangehensweise an dieses Album muss sich von früheren Alben unterscheiden, denn Ihr scheint bisher getrennte Studio- und Tourphasen gehabt zu haben. Diesmal hattet Ihr jedoch während der Albumproduktion fast jedes Wochenende mehrere Festivalauftritte. Wie hat das Eure Arbeit beeinflusst?
Jesper: Vielleicht dachten wir am Anfang, wir würden mit dem Album fertig sein bevor die Sommertour beginnt. Ich weiß nicht, ob irgendjemand das wirklich geglaubt hat, aber wir haben die Situation ziemlich schnell in einen Vorteil verwandelt und die Live-Energie am Montag mit ins Studio gebracht. Wenn wir Donnerstag, Freitag und Samstag spielten, hatten wir Sonntag einen freien Tag und sind dann voller Energie direkt ins Studio gegangen. Das hat uns sehr geholfen, das Vertrauen in unsere Fähigkeiten permanent aufrecht zu erhalten. Manchmal, wenn man im Studio ist, wird es zu abgehoben und die Dinge laufen in der Gemütlichkeit eines Studios aus dem Ruder. Vielleicht hätten wir es schon viel früher wie dieses Mal machen sollen, aber die Hauptsache für uns ist, dass wir immer wieder einen neuen Weg finden. Wir machen schon seit so vielen Jahren Musik, da sind neue Herangehensweisen inspirierend und gut für das Ergebnis.
Anscheinend hast Du in einem Interview von einer Art neuem Selbstvertrauen in Bezug auf dieses Album gesprochen, das sich in der erneuten Wahl von Nikolaj Foss als Produzenten widerspiegelt. Was macht die Arbeit mit ihm so besonders für Euch im Gegensatz zu anderen Produzenten?
Jesper: Das sind eine Menge kleiner Dinge. Ein wichtiger Aspekt ist, dass sich Nikolaj wirklich in der Verantwortung sieht und bis zum Ende an einem Album arbeitet. Das Master Tape wurde vor zwei Stunden weggeschickt, vor vier Stunden hat er die letzten kleinen Änderungen vorgenommen. Er hört nicht auf zu arbeiten, bis es so klingt, wie er es haben will. Abgesehen davon hat er eine positive Einstellung, ist ein guter Coach und da er selbst kein Musiker ist, versucht er nicht seine eigenen Ideen in die Musik einzubauen. Es sind unsere Ideen, unsere Herangehensweise, aber er ist ein sehr guter und positiver Coach. Es ist einfach großartig, in einem positiven Umfeld zu arbeiten und Nikolaj ist selbst an schlechten Tagen gut gelaunt. Da kann sich unser Talent richtig entfalten.
Wenn es so großartig ist, mit ihm zu arbeiten, warum habt Ihr ihn dann nicht auch für die Vorgängeralben als Produzenten gewählt?
Jesper: Einer der Gründe war, dass er zu einem anderen Label wechselte während wir auf Grund unseres Vertrages beim gleichen Label geblieben sind. Wir konnten also nicht mit ihm arbeiten, weil er bei einem anderen Label war und wir nicht abwarten konnten, bis er Zeit für uns hat. Wir haben „Helpyourselfish“, „Scare Yourself“ und „Monster Philosophy“ ohne Nikolaj aufgenommen. Ich kann mich gerade nicht erinnern, welche Alben wir noch ohne ihn gemacht haben, aber weil wir so viel zusammen arbeiten wird es auch ein bisschen zu vorhersehbar. Vielleicht ist das einer der Gründe. Auf jeden Fall mussten wir das Label wechseln, um wieder mit ihm arbeiten zu können.
Anscheinend hat Jacob gesagt, dass dies Euer bestes Album seit Langem ist. Stimmst Du dem zu, und wenn ja, was hebt dieses Album von seinen Vorgängern ab?
Jesper: Ich stimme auf jeden Fall zu! Ich stimme zu, weil es ein sehr natürlicher Prozess war. So lässt es sich vermutlich am besten beschreiben. Dass sich Tour, Songwriting und Aufnahmen überschnitten, war großartig, da wir während der ganzen Produktion in Bewegung waren. Ich denke, auch die Tatsache, dass Nikolaj kurz nachdem wir begonnen hatten, dazu kam, hat sich positiv ausgewirkt. Er kam schon in einem sehr frühen Stadium in den Proberaum, hat sich die ersten fünf Songs angehört und konnte von Anfang an sehen, in welche Richtung wir dieses Mal gehen sollten. Dadurch befanden wir uns schon sehr früh im Dialog mit einem Außenstehenden, dem wir vertrauen konnten. Nikolaj ist wirklich zuverlässig, er ändert seine Meinung nicht, je nachdem welcher Tag ist, oder ob es gerade regnet oder die Sonne scheint. Das hat uns Vertrauen für die Arbeit und die Kompositionen gegeben, sodass wir uns sehr früh bewusst waren, wo es lang geht und wir nicht plötzlich an unserem Weg zweifelten. In langen Phasen des Komponierens passiert es leicht, dass man plötzlich das Ziel aus den Augen verliert, es hat gut getan, das nicht durchzumachen. Außerdem haben wir die Musik diesmal zusammen geschrieben, keiner saß zu Hause, hat einen Song geschrieben und dann in den Proberaum gebracht. Bei „Monster Philosophy“ haben wir es so gehandhabt, dass jeder fast fertige Songs mitgebracht hat und die anderen halfen, die Songs fertigzustellen. Diesmal hat es mit einem Riff begonnen und wir haben zusammen vom Riff bis zum halbfertigen Song daran gearbeitet.
Klingt, als ob Ihr diesmal sehr viel anders gemacht habt.
Jesper: Definitiv! Wir sind vieles anders angegangen, aber der größte Unterschied für mich ist – sehr langweilig, aber sehr bedeutend -, dass mein Autoradio kaputt ist und ich seit fast zwei Jahren nicht mehr Radio gehört habe. Die Musik muss aus einem selbst kommen, wenn sie einem nicht mehr permanent serviert wird. Plötzlich ist keine Musik da und sie beginnt in Deinem Kopf zu wachsen. Ich denke, das ist ein kleiner aber wesentlicher Teil, zumindest für mich.
Aber die Musik muss doch auch schon in der Vergangenheit in Deinem Kopf gewachsen sein!?
Jesper: Ja, aber auf andere Art. Wenn Du Radio hörst, erhältst Du Inspirationen: ‚Ich habe heute etwas großartiges im Radio gehört, wir müssen auch so klingen!‘ Wenn Du Dich mitten in einem langen und manchmal sehr langweiligen Prozess befindest, lässt Du Dich gerne von dem ablenken, was um Dich herum passiert. Aber diesmal war ich nicht abgelenkt, ich war vollkommen in die Songs versunken, an denen wir arbeiteten und es war leichter, sich auf das zu konzentrieren, was wir machten.
Bei Eurem Wacken Showcase hast Du erwähnt, dass „Breaking Them Heart By Heart“ den Arbeitstitel „Nordlied“ hatte weil er entstanden ist, als ihr in Frankfurt im Studio wart. Was ist der „Frankfurt-Teil“ an dem Song?
Jesper: Ich weiß nicht. Der Song ist fast schon zufällig entstanden, auf jeden Fall wurde ihm in Frankfurt Leben eingehaucht. Wir haben so viel Zeit im Nordend verbracht. Aber wenn wir die Songs benennen, ist nicht wirklich eine Bedeutung dahinter. „Nordlied“ war ein Titel der hängen geblieben ist. Obwohl wir den Text für den Refrain schon hatten, als wir nach Frankfurt gingen, wurde der Song durchweg „Nordlied“ genannt.
Und was haben Frühlingszwiebeln mit Nimmerland zu tun? [Der Song „Last Time In Neverland“ wurde beim Wacken Showcase als „Spring Onion“ angekündigt. Anm. d. Red.]
Jesper: Das Thema des Textes war von Anfang an das Gleiche, aber als Jacob mit dem Riff für die Strophen angekommen ist, sagte er, dass dieses Riff für alles genutzt werden könnte. Er meinte, es würde als Strophe, Refrain oder C-Teil funktionieren. Also meinte ich, egal ob wir Schichten darauf legen oder abziehen, es bleibt das Gleiche. Das ist wie bei einer Zwiebel, ob Du nun die Schichten abziehst, oder wieder darum legst, es ist sozusagen innen und außen das Gleiche.
Ihr habt als Cover eine Flagge mit einem Wappen gewählt. Ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl für die dänische Königin, dass sie Euch einen Adelstitel verleihen sollte, so wie Elton John von Queen Elizabeth geadelt wurde?
Jesper: [lacht] Nein! Wir hatten die Idee mit der dänischen Flagge in schwarz-weiß schon eine ganze Weile da wir der Meinung waren, dass es einen Punkt gab, an dem in der dänischen Politik viel falsch gelaufen ist. Inzwischen haben wir glücklicher Weise eine neue Regierung, aber unter der alten Regierung kam nicht wirklich viel Liebe aus Dänemark. Dadurch schien es uns, als ob Dänemark ein ziemlich düsterer Ort geworden wäre. Das ist der Grund für die schwarz-weiße Flagge. Abgesehen davon haben wir einfach mit verschiedenen Einflüssen gespielt. Wir haben das Gefühl, eine Band aus Veteranen zu sein, wir haben eine lange Geschichte und man nennt uns die „Könige des dänischen Rock“. Wir haben all das in das Cover gepackt, aber ausgewählt haben wir es hauptsächlich, weil wir denken, dass es gut aussieht.
Ist es nur ein Photoshop Artwork oder hat jemand eine echte Flagge genäht?
Jesper: Es ist eine echte Flagge, die in Photoshop nachbearbeitet wurde. Das Ganze ist handgemacht und das Logo wurde aus Lehm, Wachs und anderen Materialien modelliert.
Wie groß ist sie?
Jesper: Ich würde sagen ein bisschen größer als ein altes LP-Cover, ungefähr eineinhalb LP-Cover.
Bekommt Molly wieder ein Facelifting?
Jesper: Molly ist so, wie sie immer war. Sie ist auch modelliert, aber es ist eine klassische Molly.
Meine letzte Frage betrifft den Titel des Albums „DIC.NII.LAN.DAFT.ERD.ARK“: Wie soll er ausgesprochen werden?
Jesper: Er soll so ausgesprochen werden wie unser Name früher einmal.
[Anm. d. Red.: Der ursprüngliche Bandname DISNEYLAND AFTER DARK, musste 1989 zu D-A-D gekürzt werden, um eine Klage der Disney Company abzuwenden. Mehr Informationen stehen in der Bandbiographie]
Wirklich? Die Schreibweise wurde doch leicht verändert und die Interpunktion eingefügt.
Jesper: Ja, es ist das „Hyponymously Titled Album“. Der Titel des Albums ist der Name der Band.
Also ähnlich „The Artist Who Was Formerly Known As Prince“?
Jesper: Ja, genau.
Vielen Dank für das Interview, hast Du noch ein paar letzte Worte?
Jesper: Ach, ich habe viele letzte Worte, aber ich habe sie alle vergessen. Nein! Was ich sagen kann ist: Wir haben das Album heute fertiggestellt. Heute! Heute wurde es in Produktion geschickt. Wir sind alle sehr glücklich und haben definitiv das Gefühl, dass dies eines der besten D-A-D Alben ist. Es ist also gerade eine sehr aufregende Zeit für D-A-D.
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