Cult Of Luna
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Interview

Mit "Evika Riget" haben CULT OF LUNA ein wirklich außergewöhnliches Werk veröffentlicht. Ein Audiobook, bestehend aus Buch und DVD über eine dramatische, realitätsfremde Geschichte. Es scheint, als ob diese Geschichte, geschrieben von Holger Nilsson, einem ehemaligen Patienten einer Psychiatrischen Anstalt, die Schweden nicht mehr loslassen möchte. Was es damit auf sich hat, klärten wir mit Gitarrist Johannes Persson.

In diesen Tagen habt ihr euer Audiobook „Evika Riket“, bestehend aus einem Buch samt DVD, veröffentlicht. Damit geht ihr zurück zu der Geschichte, um welche sich auch eure letzte Veröffentlichung drehte, das Konzeptalbum „Eternal Kingdom“. Ihr verarbeitet darin eine Geschichte namens „Tales From The Eternal Kingdom“, welche aus den Tagebüchern von Holger Nilsson stammt. Diese hattet ihr in eurem alten Proberaum gefunden, welcher sich in einer ehemaligen Psychiatrischen Anstalt befand. Wann kamt ihr zum ersten Mal mit seiner Geschichte in Berührung?

Wir probten damals in dieser alten, ehemaligen Psychiatrischen Anstalt in Umea. Als diese noch aktiv war, war sie einer der größten Institutionen in Schweden, aber seit den 1990ern wurde sie umgebaut und der ganze Gebäudekomplex beinhaltet nun alles angefangen von einem Kindergarten über eine Bücherei bis hin zu einem Kulturzentrum. Als wir unseren Proberaum putzten, fanden wir einen Karton, in welchem sich noch Dinge aus den Tagen des Instituts befanden wie Zeichnungen, medizinische Protokolle und dieses Tagebuch, welches von einem Patienten namens Holger Nilsson geschrieben wurde. Das war vor drei bis vier Jahren.

Was fasziniert dich am meisten an dieser tragischen Geschichte, und was fasziniert dich an der Person Holger Nilsson?

Die Geschichte handelt darüber, was die Realität bedeutet und wie wir Menschen unsere Sichtweisen und unsere Sicht auf die Realität anpassen, um diese unseren Bedürfnissen anzupassen. Sie sagt vieles darüber aus, wie wir Menschen versuchen, unsere eigene Sicht der uns umgebenden Umwelt anzupassen. Holger kann den Verlust seines neugeborenen Kindes sowie seiner Frau nicht verstehen, also hat sein Geist eine alternative Realität erschaffen, in welcher alles für ihn einen Sinn ergibt. Wir allen tun dies, speziell ihr Journalisten, die niemals die Wahrheit einer guten Geschichte in den Weg stellen, absichtlich oder unabsichtlich.

Wann und wie kamt ihr auf die Idee zu diesem neuen Konzept einer Veröffentlichung? Und wie lange habt ihr an Buch und Album gearbeitet?

Die Idee dazu kam direkt nachdem wir das Buch gefunden hatten. An dem Album arbeiteten wir etwa ein Jahr, und das Buch benötigte zwei Jahre, bis es fertig war.

Habt ihr nun alles aus diesen Tagebüchern erzählt, oder geht die Geschichte vielleicht noch weiter? Ist in dieser Hinsicht von euch noch etwas geplant?

Im Moment haben wir keine Pläne, mit der Geschichte weiterzuarbeiten. Nur die Zeit wird zeigen, ob es dazu noch mehr von uns geben wird.

Weißt du etwas über das weitere Schicksal von Holger Nilsson? Was geschah mit ihm, neben der Geschichte in seinem Tagebuch?

Wir wissen, dass er in einem kleinen Dorf namens Yttre Akulla lebte und dass für die Ermordung seiner Frau verurteilt wurde. Er verbrachte den Rest seines Lebens in der Psychiatrischen Klinik in Umea, wo er in hohem Alter starb.

Wenn man die DVD einlegt, die gesprochenen, besonders betonten Wörter hört und sich die dunklen Bilder anschaut, entsteht schnell eine melancholische, aufwühlende und spannende Atmosphäre. Wie waren die bisherigen Reaktionen der Leute? Hatten welche auch schon Alpträume davon?
Die Reaktionen waren sehr gut. Diese Veröffentlichung brachte uns in die Literaturszene, wo wir vorher niemals waren. Es scheint, als ob die literarischen Kritiken eine stärkere Integrität und mehr Tiefe besitzen, wenn es darum geht, die Arbeit zu beurteilen, als es die Musikjournalisten tun. Ich habe tatsächlich mit Journalisten kürzlich gesprochen, welche mir erzählten, dass sie Alpträume hatten, nachdem sie das Buch lasen.

Wer hat denn diese dunklen Bilder erschaffen?

Von Zeit zu Zeit bekommen wir immer wieder Emails von Künstlern, welche mit uns zusammenarbeiten wollen, aber da wir unsere Artworks immer selber machen, lehnen wir jeden ab. Aber als wir endgültig entschieden, das Buch zu schreiben, trat Joris Vanpouke mit uns in Kontakt. Ich liebte seine Arbeiten und sie waren sehr verschieden zu dem, was wir gewöhnlich tun, ich dachte, es würde perfekt zu dem Buch passen. Unser Gitarrist Erik, welcher unsere ganzen Artworks macht, stimmte mir zu und dachte, es wäre großartig, etwas total anderes wie das „Eternal Kingdom“ Album zu tun. So schnell wie wir mit der ersten Skizze ankamen, erhielt er den Auftrag, und hatte vollkommen freie Hand, diese zu interpretieren, auf jedwede Weise, welcher er für passend hielt, und wir lieben das Resultat.

Besteht ein Zusammenhang zwischen dieser Geschichte und der skandinavischen Mythologie?

Wir haben eine reiche folkloristische Tradition im nördlichen Teil der Geschichte. Aber die einzige wirkliche Verbindung ist das Lied, welches Elisabeth ins Wasser lockt. In der schwedischen Folklore haben wir eine Kreatur, welche „Näcken“ heißt, welche Frauche in Flüsse lockt, indem sie auf der Geige spielt. Näcken ist die Reinkarnation von Satan.

Die Musik spielt auf „Eviga Riket“ ja eher eine Nebenrolle. War dies von Anfang an so geplant?

Unser Plan war es, ein Buch zu schreiben und eine Erzählung daraus zu machen, nicht ein neues Album zu schreiben.

Wie kam der Kontakt zwischen euch und den beiden Schauspielerinnen Sara Arnia und Anna Guthrie zustande?

Es waren zwei Schauspielerinnen, welche wir für den Job engagierten. Wir bekamen sie gut weiterempfohlen. Es gab zwischen ihnen und CULT OF LUNA keine Verbindung vor diesem Projekt.

Sara Arnie ist eine bekannte Schauspielerin aus Nordschweden, sie hat an Filmen, für das Fernsehen, für das Theater und an Radio Dramen seit Jahrzehnten gearbeitet. Sie befindet sich nun im Ruhestand, und wir waren sehr glücklich, dass wir mit ihr arbeiten konnten, da sie heutzutage nicht mehr viel macht. Sie hat viel an Erzählungen gearbeitet, und hat diesen nordischen Akzent, welcher zu dem Text passt. In Schwedisch hat „Eviga Riket“ eine Art nordische Charakteristik, geschrieben mit provinziellen Wörtern und Themen. Wir kontaktierten sie, und nachdem sie ein rohes Skript gelesen hatte, stimmte sie dem Projekt zu, was sich für uns überwältigend anfühlte.

Anna Guthrie ist eine Schauspielerin aus Edingburgh, und wir kamen über unseren Übersetzer, Paul McMillen, mit ihr zusammen. Sie hat mit Erzählungen schon einige Male gearbeitet, und hat auch einige Verwandte in Schweden, und spricht auch ein wenig Schwedisch. Davon wussten wir allerdings noch nichts, als wir sie für den Job engagierten, wir suchten sie einfach aus, nachdem wir einige Samples ihre bisherigen Arbeiten angehört hatten. Aber da viele schwedische Namen und Orte in dem Text enthalten sind, waren ihr schwedischen Kenntnisse sehr passend. Sie ist eine sehr professionelle Schauspielerin, mit der man hervorragend zusammenarbeiten kann.

Das Erzählen von Anna und Sara unterscheidet sich etwas, was ich für sehr gut halte. Es gibt einen Unterschied zwischen Englisch und Schwedisch, und wir wollten auch, dass sie sich unterscheiden, anstatt dass Beides das Gleiche ist. Beide hoben die Geschichte auf eine komplett neue Stufe, gaben ihr eine ruhige, feste Stimme. Persönlich gefällt mir am besten die unterschiedlichen Übersetzungen des „Capercaille King“.

„Eviga Riket“ ist eure erste vollkommen eigene, unabhängige Veröffentlichung, nachdem ihr mit Earache Records zusammengearbeitet hattet. Weshalb hattet ihr euch dazu entschieden, euer künftiges Material von nun an selbst zu veröffentlichen?

Nachdem „Eternal Kingdom“ draußen war, waren mir nicht mehr an einen Vertrag mit Earache gebunden. Das bedeutet nicht, dass wir nicht mehr befreundet sind, aber es verschafft uns Freiheit darin, zu tun was immer wir wollen. Ich glaube nicht, dass irgendein Label „Eviga Riket“ veröffentlicht hätte, da es zu teuer ist, um daraus Profit zu schlagen. Daher können wir mit unserem eigenen Label das Ganze aus einer rein künstlerischen Seite betrachten. Wir haben keine ökonomischen Erwartungen von dieser Veröffentlichung, nur der künstlerische Wert ist wichtig. Wir müssen uns jetzt schon entscheiden, ob wir weitere Alben veröffentlichen werden, soweit ich weiß haben wir noch kein Geld für dieses Projekt.

Wie war die Atmosphäre in eurem alten Proberaum in der Psychiatrischen Anstalt?

Wie in einem gewöhnlichen Proberaum, es gibt nichts besonderes darüber zu erzählen.

Habt ihr dort noch weitere Tagebücher gefunden, welche euch faszinierten?

Nein.

Hörst du dir viele Hörbücher an? Welche gefallen dir?

Tatsächlich versuche ich so viele Hörbücher wie möglich zu hören, wenn ich zu Hause bin. Ich habe mir von Albert Camus „The Plague“ vor einigen Wochen angehört, es hat mir sehr gefallen.

Letzte Frage: Was ist in nächster Zeit geplant bei CULT OF LUNA?

Wir werden den Rest des Jahres 2010 damit verbringen, neue Musik für das nächste Album zu schreiben. Wir wissen genau, wohin wir gehen werden, wir wissen die Richtung, aber nicht, wie es klingen wird. Aber nachdem wir mit dieser Geschichte so viele Jahre gelebt haben, fühlt es sich richtig gut an, etwas komplett anderes anzufangen. Es ist ein kreativer Antrieb.

23.03.2010

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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