Crystallion
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Interview

Die einheimischen CRYSTALLION erteilen mit ihrem neuen Album "Hattin" nicht nur eine weitere metallische Geschichtsstunde, sondern veröffentlichen zugleich auch eines der rar gesäten Power-Metal-Highlights des laufenden Jahres. Thomas Strübler – Ausnahmesänger der Truppe – klärt auf, was es mit dem großartigen Konzeptalbum auf sich hat.

CrystallionGehen wir doch zunächst ein bisschen zurück in die Vergangenheit. Ihr habt vor zwei Jahren mit „A Dark Enchanted Crystal Night“ euer Debütalbum abgeliefert, das in der hiesigen Metalszene als eines der wenigen echten Melodic/Power-Metal-Highlights der letzten Jahre abgefeiert wurde. Was habt ihr damals besser gemacht als andere Genrevertreter?

Du hast schon recht, die Reviews – besonders in den Online-Magazinen – waren überwiegend sehr positiv. Was wir besser gemacht haben als andere, maße ich mir nicht an, zu beurteilen. Wir haben das gemacht, worauf wir Lust hatten, was uns Spaß macht, und das hört man, glaube ich.

Inwieweit wirken sich solche positiven Resonanzen eigentlich auf die Verkaufserlöse einer Platte aus? Gut, ihr habt keine Vergleichsmöglichkeiten, da es ja eure erste Scheibe war, aber merkt man dann schon, wie hilfreich solche Rezensionen sein können?

Diese Frage hat mir noch niemand gestellt… Es fällt mir auch nicht leicht, darauf ehrlich zu antworten, aber ich formuliere es mal vorsichtig: Nach den Erfahrungen mit unserem ersten Album muss ich sagen, dass ich das Gefühl habe, dass die Kritiken in den Online-Magazinen und kleineren gedruckten Blättern noch so positiv sein können – wenn man nicht in den beiden großen deutschen Branchenblättern (Rock Hard und Metal Hammer) unter den ersten zehn Scheiben ist, ist es verdammt schwierig, eine größere Zahl an Menschen zu erreichen, da die meisten einfach mehr danach gehen, was RH und MH schreiben – ist wohl leider einfach so. Dazu kommt noch, dass bei kleineren Plattenfirmen auch die Werbebudgets sehr begrenzt sind, was es auch nicht gerade einfacher macht, einen größeren Bekanntheitsgrad zu erringen.

„A Dark Enchanted Crystal Night“ erschien seinerzeit bei STF-Records, mittlerweile seid ihr bei Dockyard 1 unter Vertrag. Wie und warum kam es zu dem Labelwechsel?

Wir wollten nach dem ersten Album einfach eine Veränderung. Wir sind STF noch immer dankbar, uns die Chance gegeben zu haben, erstmals ein Album zu veröffentlichen, aber für das zweite wollten wir einfach ein größeres Label haben. Mit Dockyard 1 sind wir uns auch schnell einig geworden und hoffen jetzt, dass die Zusammenarbeit eine lange und erfolgreiche sein wird.

Das neue Album „Hattin“ steht dem Vorgänger in Nichts nach, der frische Wind weht also weiterhin, dennoch habt ihr auch einige Feinjustierungen im Sound vorgenommen. Wie würdet ihr die Entwicklung innerhalb der beiden letzten Jahre beschreiben?

Feinjustierungen trifft es gut, denke ich. Wir haben nichts Großartiges verändert, sind eher als Band stärker zusammengewachsen, haben die Stärken und Schwächen der anderen besser kennengelernt und konnten daher im Songwriting darauf Rücksicht nehmen. Was noch dazu kommt, ist, dass wir einen Gitarristen ausgetauscht haben und unser neuer (Flo) zusätzlich frischen Wind in die Band gebracht hat. Die Songwriter sind jedoch dieselben geblieben wie beim ersten Album. Stefan (Bass) hat alle Songs geschrieben und ich haben ca. die Hälfte der Texte beigesteuert.

Bereits beim ersten Album ging es im Textkonzept um die Tempelritter, nun beschreibt ihr die Schlacht von „Hattin“, die die größte Niederlage der christlichen Kreuzfahrer zur Folge hatte. Woher bezieht ihr eigentlich die ganzen Informationen über diese Geschehnisse und wieso seid ihr daran so interessiert?

Dass es im ersten Album ebenfalls ein Konzept gab, stimmt nicht ganz. Es war einfach so, dass sich der ein oder andere Song um dieses Thema drehte und wir (bzw. die damalige Plattenfirma) das für die Promotion des Albums genutzt haben. Dass da gleich ein Konzept dahinter steckt, haben wir nie behauptet 🙂
Dass wir diese Thematik nun tatsächlich für ein Konzeptalbum verwendet haben, hängt damit zusammen, dass unser Hauptsongwriter Stefan einfach ein Faible dafür hat. Er hatte schon einiges dazu gelesen und ich hab mich einfach im Internet informiert, das geht heutzutage ja einfacher als noch vor zehn Jahren.

Muss man die Texte eigentlich als eine Art Wertung verstehen, sprich: steckt da eine antichristliche/antiimperialistische Message dahinter oder rezitiert ihr lediglich geschichtliche Fakten, die euch schlicht privat faszinieren?

Ja, letzteres trifft zu. Wir wollten einfach mal Metal mit einer kleinen Geschichtsstunde kombinieren, haben deshalb auch jedem Song einen kleinen Erklärungstext beigefügt, um die Geschichte für interessierte Hörer leichter verständlich zu machen. Es kann ja mitunter schwierig sein, nur anhand der Songtexte, die ja zahlreiche verschiedene Charaktere beinhalten, den Überblick zu behalten.

Das Antichristliche überlassen wir dann unseren Black Metal-Kollegen 🙂

Eine Death-Metal-Band wie NILE befasst sich ja fast ausschließlich mit dem Thema „Ägyptologie“. Wird das Tempelritter-/Kreuzfahrer-Thema nun auch zu einem solchen Markenzeichen für CRYSTALLION oder könnt ihr euch vorstellen, auch mal was komplett anderes zu machen?

Das können wir uns in der Tat vorstellen und wir haben auch schon damit begonnen. Das nächste Album wird zwar wieder ein Konzeptalbum, das Thema wird jedoch ein komplett anderes sein. Ohne zuviel verraten zu wollen, sei gesagt, dass es sich um einen „großen“ kleinen Mann zur Wende vom 18. zum 19. Jhd. drehen wird (und damit meine ich nicht Ronnie James Dio :)).

A pro pos „anders machen“: Es gibt nur wenige Bands, die kein Problem damit haben, wenn sie von anderen Leuten eindeutig kategorisiert werden, schließlich möchte ja keiner zugeben, dass er bzw. die Band keine eigene Identität besitzt. Ohne euch nahetreten zu wollen, aber eure Einflüsse sind ja doch sehr offensichtlich. Wie würdet ihr also euer Markenzeichen bezeichnen? Was unterscheidet euch von den anderen?

Es ist tatsächlich nicht einfach, sich in unserem Bereich von seinen Einflüssen zu emanzipieren und komplett eigenständig zu sein. Ich glaube, man findet fast keine Band, aus deren Musik man nicht Einflüsse irgendeiner anderen Band hören kann und das finde ich auch nicht schlecht. Im Gegenteil nervt es mich, wenn Bands, auf die man sich verlässt, plötzlich ihren Stil komplett ändern und dadurch glauben, innovativ und einzigartig zu sein.

Was unterscheidet uns von den anderen, den oft genannten Einflüssen? Geschichtsunterricht macht nicht jeder und Abwechslungsreichtum geht auch vielen ab. Aber das sollen die Kritiker beurteilen.

Auch auf dem neuen Album spielt das Keyboard eine wichtige Rolle. Ich nehme mal an, dass die ausgeprägte symphonische Seite von CRYSTALLION hauptsächlich auf jenem Instrument basiert. Genrekollegen mit etwas mehr Kohle in der Tasche setzten in den letzten Jahren verstärkt auf Orchester aus Fleisch und Blut. Würde euch das auch reizen? Und wie steht ihr zu klassischer Musik? Joey DeMaio als alter Wagnerianer meinte ja mal sinngemäß, dass Heavy Metal die logische Weiterentwicklung klassischer Musik sei…

Da kann ich jetzt nur für mich sprechen: Klar ist es nochmal ein anderes Feeling, ein echtes Orchester auf einem Album zu hören als mit Keyboard-Sounds zu arbeiten, aber heute gibt es schon so viele Möglichkeiten, das auch so gut klingen zu lassen, dass ein Orchester keine Notwendigkeit darstellt um symphonisch zu klingen.

Aber mit Joey DeMaio stimme ich in diesem Punkt überein, ich denke, dass Klassik und Heavy Metal die ehrlichsten Musikrichtungen sind und es ohne Klassik keinen Metal gäbe. Aber das trifft wohl auch auf alle anderen Stile zu.

Auf eurer Homepage kann man lesen, dass „Hattin“ im August sogar in den USA veröffentlicht wird. Ich nehme mal an, dass ihr das eurem neuen Label zu verdanken habt. Amiland gilt allerdings ja nicht als der größte Markt für traditionellen Metal. Was erhofft ihr euch davon und wie sieht der Plan für den Rest der Welt aus?

Erhoffen tun wir uns mal gar nichts, außer natürlich, dass wir die Billboard-Charts toppen! Nein, im Ernst: Wir freuen uns natürlich, dass man uns bald auch in den USA offiziell hören kann und würden natürlich auch liebend gerne den Rest der Welt „beglücken“, große Erwartungen zu haben wäre jedoch fehl am Platz – wir wissen ja, wie schwierig es ist, auf einem so riesigen Markt Fuß zu fassen.

Konzertmäßig habt ihr bisher offenbar eher kleinere Brötchen gebacken, immerhin gab es wohl mal einen Gig mit RUNNING WILD. Im Juni gibt es dann eine Minitour zu „Hattin“. Erzählt mal etwas darüber und was kann man in dieser Richtung in Zukunft noch von euch erwarten? Irgendwelche Festivals in Aussicht? Ach ja, wie war’s denn eigentlich mit RUNNING WILD :)?

Mit Live-Auftritten ist es bisher wirklich nicht so gelaufen, wie wir das gerne hätten. Es waren zwar ein paar wirklich gute Auftritte mit interessanten Bands und z.T. fanatischen Fans dabei, eine richtige Tour kann das aber natürlich nicht ersetzen. Der Auftritt mit Running Wild war cool und wohl auch unser bisher größter. Wir sind recht gut angekommen, aber Backstage gab es strikte Trennung der Bands.

In näherer Zukunft sind keine Festival-Auftritte geplant, erst im Oktober sind wir am HELION-Festival in München zu sehen, dazu kommen noch einige kleinere Auftritte, die alle auf unserer Homepage www.crystallion.net nachzulesen sind. Auf unsere kleine Release-Tour am 12., 13. und 14. 06. freuen wir uns natürlich. Wir werden in München, Rosenheim und Töging am Inn zu sehen sein und den Fans einen Querschnitt unserer beiden Alben präsentieren, wobei der Schwerpunkt natürlich eindeutig bei „Hattin“ liegen wird.

CRYSTALLION bestehen aus insgesamt sechs Leuten, also doch eine recht große Besetzung für eine Metalband. Macht diese große Anzahl die Arbeit in einer Band eigentlich einfacher, weil die Last auf mehreren Schultern verteilt wird, oder doch schwerer, weil sechs Leute manchmal sechs Meinungen haben können?

In unserem Fall weder das eine noch das andere. Die Last wird insofern nicht wirklich auf mehreren Schultern verteilt, weil Stefan ja bisher alle Songs geschrieben hat und auch einen Teil der Texte beisteuert. Klar tüfteln die Gitarristen Paddy und Flo sowei Keyboarder Manu ihren eigenen Soli aus und Manu kann auch durch sein großes Fachwissen in kompositorischer/arrangemant-mäßiger Hinsicht einiges beitragen, aber die „Last“, wenn man so sagen will, liegt eindeutig bei Stefan. Und sollte es mal Meinungsverschiedenheiten geben, haben wir ebenfalls genau geregelt, wie entschieden wird. Bisher war das also kein Problem.

Angenommen ihr hättet einen Wunsch frei: Was würdet ihr euch für CRYSTALLION wünschen?

Das ist wohl keine allzu große Überraschung: Wir würden uns wünschen, dass wenigstens so viele Leute unser Album „Hattin“ kaufen, dass wir mal auf Tour gehen können um live zu beweisen, was wir drauf haben. Alles, was darüber hinaus geht, ist wohl Glücksache und nicht planbar, deshalb setzen wir uns auch realistische Ziele.

15.06.2008

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