"Es ist eine Rückkehr zu meinen Wurzeln"
Crypta
Interview
CRYPTA ist die neue Band der ehemaligen NERVOSA-Mitglieder Fernanda Lira (Gesang & Bass) und Luana Dametto (Schlagzeug). An der Gitarre hat sich Tainá Bergamaschi neben Sonia Anubis eingefunden, die letztes Jahr bei BURNING WITCHES ausstieg. Wir haben bei der Niederländerin angerufen und sprachen mit ihr über die Zusammenarbeit in internationalen Bands, Death-Metal-Favoriten und natürlich über das CRYPTA-Debüt „Echoes of the Soul„.
Sonia, was kannst du uns über die Entstehung von CRYPTA erzählen. Wie kam die Band zusammen und wie hat es sich aus deiner Perspektive abgespielt?
CRYPTA begannen im Jahr 2019 als Nebenprojekt von Fernanda und Luana. Die beiden wollten etwas machen, das mehr Richtung Death Metal geht, als der Thrash-Metal-Stil, den sie mit NERVOSA spielten und dafür brauchten sie auch eine Gitarristin. Wir kannten uns schon aus dem Vorjahr, also aus dem Jahr 2018, als wir gemeinsam eine Show gespielt haben. Sie erinnerten sich an meine Performance und kamen zu dem Schluss, dass ich gut zu ihrem Nebenprojekt passen würde.
Ich habe schnell zugesagt, denn ich mag Death Metal wirklich sehr. Zu dem Zeitpunkt habe ich einer Heavy-Metal-Band gespielt, aber angefangen habe ich als Bassistin in einigen Death-Metal-Bands. Für mich ist es also eine Rückkehr zu meinen Wurzeln.
„Es ist eine Rückkehr zu meinen Wurzeln“.
Ja und so ging es dann los. Wir fingen an, gemeinsam Songs zu schreiben, überlegten uns einen Namen für das Projekt. Wir testeten aus, wie wir miteinander klarkommen und fühlten, dass wir eine starke Verbindung untereinander haben. Dann entschieden wir uns, eine zweite Gitarristin in die Band zu holen. Wir luden Leute aus der ganzen Welt zum Vorspielen ein und fanden schließlich Tainá aus Brasilien, die eine wirklich gute Gitarristin ist.
So wurden wir ein Quartett, was besser zu unseren musikalischen Ideen passte. Denn mit zwei Gitarristinnen können wir uns mit den Soli abwechseln, sind variabler und während eine das Solo spielt, kann die andere das Riff weiterspielen. Das ist dann auch die ganze Geschichte, wie CRYPTA Form angenommen haben.
Mit dir in den Niederlanden und den anderen drei in Brasilien seid ihr ziemlich weit auseinander. Wie läuft da mit dem Songwriting ab?
Eine Sache, die sich als Vorteil für „Echoes of the Soul“ erwiesen hat, war die Entschleunigung. Wir nahmen uns die Zeit, die wir brauchten, um das Album zu schreiben. Das konnten wir uns leisten, da die Öffentlichkeit zu Beginn gar nicht von CRYPTA wusste. Es gab also keinen Druck, schnell fertig zu werden, um irgendwelche Erwartungen zu erfüllen.
Wir haben alles auf Distanz gemacht. Mit mir in den Niederlanden und den anderen in Brasilien wäre es ja auch ziemlich schwer, uns physisch zu treffen und gemeinsam Musik zu schreiben. Solange die Kommunikation funktioniert – und das ist der Fall in der Band – klappt das aber auch so gut (lacht).
„Bei CRYPTA läuft das Songwriting demokratisch ab“.
An sich läuft das Songwriting sehr demokratisch ab. Fernanda, Luana und ich haben den Großteil der Songs auf „Echoes of the Soul“ geschrieben, was daran liegt, wir drei von Beginn an dabei waren. Wir teilen all unsere Ideen online. Ich lade Gitarrenriffs hoch, Fernanda Bassspuren und Gesangsmelodien, die ich auf die Gitarre übertrage. Ja, so funktioniert das im Wesentlichen. Wir nehmen getrennt Ideen auf und besprechen sie dann gemeinsam.
Das sind die Vorteile der modernen Welt, würde ich sagen.
Ja (lacht).
Wie seid ihr als neue Band an die Entwicklung eures eigenen Sounds herangegangen? Wie war das speziell bei dir und dem Gitarrensound? Gab es Vorbilder?
Ja, ganz unterschiedliche. Wir alle bevorzugen den Death-Metal-Sound, aber genau so wie es viele verschiedene Stile gibt, haben wir jede unsere besonderen Vorlieben. Fernanda steht zum Beispiel total auf alten Florida-Death-Metal wie OBITUARY, DEATH oder MASSACRE, bei Luana hingegen sind es schwedische Bands wie ENTOMBED. Ich selbst höre überall rein. Aktuell höre ich sehr viel polnischen Death Metal, wie VADER, HATE oder DECAPITATED.
„All diese klassischen Death-Metal-Bands haben einen großen Einfluss auf uns“.
Es gibt also eine große Breite an Death-Metal-Bands, die wir mögen und das spiegelt sich auch auf „Echoes of the Soul“ wider. Es gibt Songs, die gehen in eine eher düstere Black-/Death-Metal-Richtung, andere sind brutaler. Diese Unterschiede hörst du gut, wenn du die Singles „From the Ashes“ und „Starvation“ vergleichst. Der eine Song hat düstere Melodien, der andere gibt einfach brutal auf die Fresse.
Jeder Song ist eigenständig, was, denke ich, an unseren verschiedenen Einflüssen liegt. Aber wenn ich mich festlegen muss, dann denke ich, dass MORBID ANGEL, DEATH, all diese ganzen klassischen Death-Metal-Bands, den größten Einfluss auf uns haben und unseren Sound prägen.
Ich musste beim ersten Höreindruck, das war die Single „From the Ashes“ an DEICIDE denken, wegen der Vocals aber auch wegen der Gitarren.
Ja, das würde passen. Ich habe häufig als Reaktion auf den Song gelesen, dass man uns mit CRADLE OF FILTH verglichen hat. Das sehe ich nicht so wirklich, was aber auch daran liegen kann, dass ich so gut wie nie CRADLE OF FILH höre (lacht). Es ist schon witzig, denn in diesen Song sind viele meiner Ideen geflossen, aber was die Melodien angeht, war ich eher von VADER inspiriert, insbesondere weil ich gerne diesen neo-klassischen Sound hinzufügen wollte. An CRADLE OF FILTH habe ich jedenfalls nicht gedacht, aber es hat wohl jeder seinen ganz eigenen Zugang dazu.
Du hast eingangs bereits erwähnt, dass du vorher in einer Heavy-Metal-Band warst und jetzt zum Death Metal zurückgekehrt bist. Wie fühlt sich dieser Wechsel an?
Ehrlicherweise fühlt es sich sehr natürlich an. Ich habe ja einen starken Death-Metal-Background. Vor BURNING WITCHES habe ich, lass mich nicht lügen, fünf Jahre Bass in mehreren Death-Metal-Bands gespielt. Es fällt mir also leicht, mich auf diesen Vibe einzulassen und Death-Metal-Riffs zu schreiben. Es ist schon so, als würde es zwei Sonias geben: die eine schreibt Songs für COBRA SPELL, die andere für CRYPTA.
„Es ist so, als würde es zwei Sonias geben“.
Ich nehme die Rolle an, die ich in der jeweiligen Band habe – und das gefällt mir auch sehr. Denn bei CRYPTA kann ich die ganzen brutalen Ideen verwenden, die bei COBRA SPELL nicht so gut funktionieren würden (lacht). Andersherum kann ich bei COBRA SPELL catchy Melodien verwenden, die mir in den Sinn kommen, ich bei CRYPTA aber nicht benutzen könnte, weil ich da den (überlegt) brutality factor im Hinterkopf behalten muss (lacht nochmal). Es ist schon verrückt und klingt kompliziert, aber in meinem Kopf ergibt das Sinn.
Kommen wir mal zu diesem unangenehmen Pandemie-Thema, das uns nun schon einige Monate begleitet. Wann hast du das letzte Mal auf einer Bühne gestanden?
Uuuh, das ist meiner Meinung nach viel zu lange her. Länger als ein Jahr auf jeden Fall (überlegt). Das war entweder in Schweden oder Frankreich. Mit BURNING WITCHES war ich beim House of Metal-Festival in Umeå, aber auch in Clermont-Ferrand. Das war beides im Februar 2020, ist also schon ziemlich lange her und aktuell kann ich es kaum erwarten, mal wieder auf die Bühne zu kommen.
Das glaube ich dir.
Ja, es ist bereits so, dass ich beim Üben eigene Konzerte in meiner Vorstellung gebe, nur um ein bisschen das Gefühl zu haben (lacht).
Vielleicht bald dann ja mal mit CRYPTA. Plant ihr alternativ vielleicht einen Livestream oder so etwas?
Das werden wir häufig gefragt. Es gab auch schon Anfragen von Livestream-Festivals, ob wir daran teilnehmen wollen, aber das ist nur schwer zu realisieren. Ich wohne ja in den Niederlanden und die anderen weit verstreut in ganz Brasilien. Als Band zusammenzukommen, ist also schwierig, zumal die Corona-Situation in Brasilien aktuell erschrecken ist. Es ist viel schlimmer, als in den Niederlanden, also ist Reisen keine Option.
Wenn wir etwas machen, dann wollen wir es richtig machen und nichts überstürzen. Mit dem Reisen warten wir also, bis die Situation sich erledigt hat und wir als Band gemeinsam auf die Bühne können, was dann hoffentlich wieder vor Publikum ist.
Für die Aufnahmen musstet ihr euch dann aber doch treffen, oder? Ihr habt ja auch gemeinsam vor der Kamera gestanden, um das Musikvideo zum „From the Ashes“ zu drehen.
Ja, ich war für einen Monat in Brasilien, um alles zu erledigen, was das Album betrifft. Das war unumgänglich. Also bin ich im Januar hingeflogen. Dort haben wir dann das Album aufgenommen, Bandfotos gemacht, das Musikvideo und auch die anderen Videos wie die Playthroughs und so gedreht. Alles, was wir irgendwie in diesem Monat machen konnten, den wir Zeit miteinander verbringen konnten.
„Der Dreh des Musikvideos war der Wahnsinn“.
Es war stressig, aber es war natürlich klasse, uns endlich mal als gesamte Band zu treffen, zu jammen und zu proben. Der Dreh des Musikvideos war der Wahnsinn. Der Produktionsaufwand war immens. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas mal mit einer Metal-Band, zumal einer gerade erst gegründeten, erleben würde. Es war eine großartige Erfahrung. Ich bin es sonst von Musikvideos gewohnt gewesen, dass du da einen Kameramann hast und… tja, sonst nix (lacht).
Um uns herum waren so viele Leute, alleine für die Requisiten und unsere Outfits. Es war also wirklich eine schöne Erfahrung, wie man sicher auch im Making Of sehen kann.
Das habe ich mir vorhin angeguckt. Du bist darin vergleichsweise selten zu sehen, insofern ist es interessant, auch einmal dich über den Dreh reden zu hören.
Dass ich darin so selten zu sehen bin, liegt vermutlich daran, dass die Crew fast nur Portugiesisch geredet hat, was ich nicht sprechen kann. Nun, zumindest hoffe ich, dass es daran liegt und ich nicht unnahbar oder so wirke (lacht). Aber ich war auf jeden Fall die ganze Zeit dabei.
Aber wo wir gerade bei deiner Persönlichkeit sind: Dein Künstlername ist Sonia Anubis und auch sonst verwendest du gerne altägyptisch wirkende Accessoires oder Motive in deinem Outfit. Woher kommt dein Interesse am alten Ägypten?
Die Frage wird mir tatsächlich sehr oft gestellt. Ich habe mich schon in sehr jungen Jahren für das alte Ägypten interessiert, da meine Mutter mir kindgerechte Sachbücher zu dem Thema geschenkt hat. Darin ging es um altägyptische Geschichte, Hieroglyphen, die Pyramiden und die Mythologie. Mich hat das alles fasziniert und sah sehr cool aus. Ich konnte stundenlang einfach nur dasitzen und mir diese Bücher ansehen.
Mit den Jahren habe ich mir das Thema und die Hintergründe dann mehr und mehr erschlossen, weil die Faszination nicht nachließ. Meine Mutter hat was in die Richtung studiert und konnte mir viel erklären. Und, ja, das Ankh trage ich die meiste Zeit und immer, wenn ich auf der Bühne stehe. Es steht für ewiges Leben. Anubis ist der Gott der Totenriten und der Mumifizierung, was, nun (überlegt), ziemlich Metal ist (lacht). Also habe ich diesen Namen als Künstlernamen gewählt. Das ist auch ganz praktisch, da Nusselder, mein bürgerlicher Name, meistens falsch ausgesprochen wird.
„Ohne sie kann ich nicht auf die Bühne“.
Die Augen des Horus und die Hand der Fatima, die ich auf der Bühne trage, sind alte Schutzzeichen. Die Horusaugen trage ich nun schon so lange auf meine Hände auf, dass ich richtig abergläubisch geworden bin. Ohne sie kann ich nicht mehr auf die Bühne, ohne nervös zu werden. Sie aufzutragen ist für mich inzwischen ein wichtiges Ritual (lacht).
Hast du dich mit diesen Interessen auch in den Lyrics bei CRYPTA eingebracht? Zu einer Death-Metal-Band würde es ja passen.
Nun, nein. Als Musikerin drücke ich mich über mein Instrument aus, über die Noten. Meine Gefühle teile ich in den Riffs. Texte zu schreiben, mich mit Worten auszudrücken, fällt mir schwer, insbesondere bei Death Metal. Die Texte auf „Echoes of the Soul“ stammen alle von Fernanda. Sie könnte also viel mehr dazu sagen. Ich beschäftige mich eher mit dem Komponieren und fühle mich da souveräner.
Da du jetzt viel häufiger mit Brasilien zu tun hast: Was ist das beste brasilianische Metal-Album?
Ich mag „Schizophrenia“ von SEPULTURA sehr gerne, also, ja das wäre meine Wahl. Ansonsten würde ich SARCOFAGO wählen. Sehr rohes Zeug, aber musikhistorisch sehr wichtig.
Gute Wahl. Das wäre es von meiner Seite dann auch. Möchtest du unseren Lesern noch etwas sagen?
Danke für das Interview. Ich ersuche euch alle, in unsere Songs auf den gängigen Streaming-Plattformen reinzuhören. Schaut euch die wirklich Musikvideos zu „From the Ashes“ und „Starvation“ an. Unterstützt eure lokalen Bands, insbesondere jetzt, wo wir nicht live auftreten können. Bleibt gesund.