Crypta
Interview mit Fernanda Lira zu "Shades of Sorrow"
Interview
CRYPTA befinden sich grade auf dem letzten Abschnitt ihrer Europatour zum ersten Album „Echoes of the Soul“, der Nachfolger „Shades of Sorrow“ steht aber bereits in den Startlöchern. Trotz Tourstress hat sich Shouterin und Bassistin Fernanda Lira die Zeit genommen, mit uns über das neue Album, die laufende Tour und die Herausforderungen zu sprechen, die so eine Konzertreise mit sich bringt.
Hi Fernanda, erstmal danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst.
Hi und ganz im Gegenteil, ich muss mich dafür bedanken, dass ihr mir die Gelegenheit gebt, über das neue Album zu sprechen.
Grade befindet ihr euch aber noch in den letzten Zügen eurer Europatour zum letzten Album „Echoes of the Soul“. Wie waren die Reaktionen, seid ihr zufrieden und gab es besondere Highlights?
Ja wir sind grade in Spanien und die Reaktionen bisher waren großartig. Besonders verblüfft waren wir, dass die Fans auch bei „Trial of Traitors“, einem unserer neuen Songs, total ausgeflippt sind und sogar die Gitarrenmelodie mitgesungen haben. Damit hatten wir nicht gerechnet, das war fantastisch.
Gab es auch irgendwelche nicht so angenehmen Erlebnisse?
Das Übliche, Verspätungen hier und da, man schläft auch nicht immer so gut im Tourbus, aber nichts im Vergleich zu unserer letzten Nordamerika-Tour, wo wir in einen Tornado geraten sind.
Davon habe ich gehört, das stelle ich mir echt schrecklich vor.
Ja, das war das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Wir dachten wirklich, wir würden sterben. Dagegen sind die normalen kleinen Unannehmlichkeiten im Tour-Alltag problemlos verkraftbar.
Die nächste Frage betrifft das Touren generell. Viele Bands aus Übersee, besonders aus den USA, müssen aktuell auf Grund massiv gestiegener Kosten ihre Europatouren absagen. Nun ist Brasilien auch nicht eben um die Ecke; wie geht ihr mit diesen Problemen um, lohnt es sich finanziell noch, nach Europa zu kommen?
Noch lässt es sich handhaben und das liegt besonders an der Größe der Band. Wir sind nicht so unbekannt, dass alles im Underground stattfinden würde und wir schlecht bezahlt werden, aber auch nicht so groß, dass die ganze Organisation und Logistik extrem teuer werden. Unsere Crew ist klein und unser Van sehr einfach, wir können unsere Touren also in einem erschwinglichen Rahmen durchführen.
CRYPTA sind keine besonders teure Band. Wären da nicht die verdammten Flüge, denn die sind wirklich das Schlimmste an der ganzen Situation. Als ich vor der Pandemie mit NERVOSA auf Tour war, haben die Flugtickets selbst wenn wir sie sehr spät gebucht haben maximal 800-900€ gekostet. Jetzt zahlen wir mit Gepäck fast 2000€.
Die Preise für Flugtickets haben sich also quasi verdoppelt.
Ja, mehr als das sogar, es ist echt sehr teuer. Aber wir verkaufen viel Merchandise, planen ausführlich voraus und das hilft uns, Europatouren möglich zu machen. Aber wenn sich die Situation verschlimmert und die Kosten weiter steigen, dann werden mehr und mehr Bands ihre Touren absagen, wir auch. Aber derzeit ist es wie gesagt noch machbar.
Nachdem ihr jetzt durch Nordamerika und durch Europa getourt seid, hat es dir irgendwo besser gefallen? Oder waren die Erfahrungen gleichwertig?
Nein, die Erfahrungen sind schon sehr unterschiedlich, nehmen aber alle eine besondere Stellung bei mir ein. Es ist nicht vergleichbar, die Szenen in Lateinamerika, Nordamerika und Europa sind sehr verschieden. Das sind komplett andere Welten.
Hier in Europa ist z.B. der Empfang in den Veranstaltungsorten immer sehr schön, man bekommt immer tolles Catering und wird als Band sehr gut behandelt. In den USA bekommt man in der Regel Buyouts, die Fans kaufen aber unglaublich viel Merch. Nirgendwo auf der Welt kaufen die Leute mehr als in den Vereinigten Staaten, was den Bands natürlich sehr hilft. Für beide Territorien gilt, dass man sehr viele verschiedene Landschaften zu sehen bekommt. In den USA waren wir z.B. in Wüsten, verschneiten Gebieten und an Stränden.
In Lateinamerika wiederum ist das Publikum absolut unschlagbar, das ist der Wahnsinn. Dort zu touren ist allerdings verdammt hart, weil die Distanzen so groß sind und man ständig fliegen muss, war sehr ermüdend sein kann. Du siehst also, grundsätzlich lassen sich diese Orte schwer vergleichen, alles hat seine Vor- und Nachteile.
Aber das ist eben auch das Schöne und Spannende am Tourleben. Wir sind Anfang nächsten Jahres zurück in den USA und im Frühling nächsten Jahres kommen wir zurück nach Europa und ich kann es jetzt schon kaum erwarten, weil wir dann wieder neue Orte kennenlernen.
Dann lass uns doch mal über das neue Album sprechen. Ich mochte „Echoes of the Soul“, finde aber, dass „Shades of Sorrow“ in Sachen Fokus, Kompaktheit und generell beim Songwriting eine deutliche Verbesserung darstellt. Ihr klingt, als hättet ihr euren Rhythmus gefunden. Würdest du dem zustimmen und habt ihr im Vergleich zum ersten Album etwas anders gemacht?
Ja, beide Alben klingen zwar nach CRYPTA, aber sie sind auch sehr unterschiedlich. Und ich stimme dir auch zu, dass „Shades of Sorrow“ einen Schritt nach vorne darstellt. Das liegt teilweise daran, dass wir auf „Echoes of the Soul“ noch viel experimentiert haben um herauszufinden, wie CRYPTA eigentlich klingen soll und was die Essenz unserer Musik ist.
Bei „Shades of Sorrow“ wussten wir, was funktioniert, was den Fans gefällt und wie wir klingen wollen und haben dann anhand dieser Erfahrungen unseren Sound weitergesponnen. Deswegen klingt das Album reifer, aber natürlich auch, weil wir uns als Musikerinnen und Songwriterinnen weiterentwickelt haben. Das ist ganz natürlich, man versucht seine Grenzen weiter auszuloten.
Ich denke das Album ist auch atmosphärischer, dunkler und emotionaler. Wir und die Fans haben diese Mischung aus Melodik und Aggression als Hauptcharakteristik von CRYPTA identifiziert und diesen Aspekt weiter erforscht. Auf „Echoes of the Soul“ wussten wir aber noch nicht so genau, welche Art von Melodien wir eigentlich nutzen wollen, da ging es noch eher in eine epische Richtung. Auf „Shades of Sorrow“ sind die Melodien dunkler und das liegt daran, weil Tainá (Bergamaschi, Gitarre) und ich zusammengearbeitet haben und wir uns beide zu diesen dunklen Melodien hingezogen fühlen.
Auf „Echoes of the Soul“ scheinen auch noch deutlicher eure Thrash-Wurzeln aus der Zeit bei NERVOSA durch, während „Shades of Sorrow“ puren Death Metal bietet.
Ja genau, das ist ein Teil dieser natürlichen Weiterentwicklung. Ich mochte Death Metal schon immer, aber ich musste mich erst daran gewöhnen, ihn auch zu komponieren nachdem ich bei NERVOSA über eine Dekade lang Thrash Metal geschrieben habe.
Ein großer Unterschied zum ersten Album ist aber auch, dass diesmal Tainá an den Songs mitgewirkt hat. Als sie zur Band gestoßen ist, war „Echoes of the Soul“ bereits fertig und sie konnte sich nicht mehr ins Songwriting einbringen. „I Resign“ stammt zwar von ihr, das war aber eine separate Single und diesmal hat sie das Album gemeinsam mit mir geschrieben. Wir haben uns gut ergänzt, denn sie liebt auch diese dunklen Melodien und wir haben im Prinzip das ganze Album zusammen ausgearbeitet.
Ich wusste auf „Echoes of the Soul“ auch noch nicht, wie man für zwei Gitarren komponiert, denn bei NERVOSA hatte ich ja immer nur Songs für eine Gitarre geschrieben und das ist eine komplett andere Welt, da man mit zwei Gitarren natürlich viel mehr Möglichkeiten hat. Meine Kompositionen auf dem ersten Album sind also sehr roh, während ich auf „Shades of Sorrow“ wusste, was ich mit zwei Gitarren anstellen kann und so wurde auch mein Songwriting vielseitiger.
Ich finde die Gitarren stechen auch sehr heraus. Sie sind oft etwas dissonant und manchmal klingt es bei den Leads so, als würdet ihr die Kontrolle verlieren, aber dann kriegt ihr die Kurve und kreiert damit diese dunkle Stimmung.
Genau das ist diese Mischung aus Tainás und meinem Songwriting, wir mögen es finster.
Nachdem eure frühere Gitarristin Sonia Anubis (Ex- BURNING WITCHES, COBRA SPELL), die ja keine Brasilianerin ist, die Band verlassen hat, leben nun alle Bandmitglieder in Brasilien. Hat dieser Umstand den Songwriting- und Aufnahmeprozess erleichtert?
Ja, das hat definitiv einen Unterschied gemacht. Es war schon sehr cool mit Sonia zusammenzuarbeiten, sie kommt heute übrigens auch zu unserer Show. Wir konnten zwar nicht sehr viel mit Sonia machen und mit ihr touren, weil sie die Band vorher verlassen hat, aber heute weiß ich, dass es organisatorisch kompliziert geworden wäre mit drei Brasilianerinnen und einer Europäerin.
Da wir nun alle vier in Brasilien leben, erleichtert das die Vorbereitung auf Touren, die Aufnahmen oder Dinge wie Fotoshoots, Videoclips und alles andere, was irgendwie mit der Band zu tun hat. Und es ist natürlich auch erschwinglicher. Wenn wir z. B. durch Brasilien touren oder ein paar Wochenendgigs spielen wollen, sind wir vier schon da und müssen nicht erst jemanden einfliegen.
Ihr seid stilistisch zwar im Oldschool Death Metal verwurzelt, klingt aber dennoch zeitgemäß und keineswegs angestaubt. War die Mischung von Oldschool Death Metal mit modernen Ansätzen das, worauf ihr abgezielt habt oder hat sich das einfach so ergeben?
Das hat sich ganz natürlich so ergeben. Wir haben mit CRYPTA nie genau geplant, wie wir klingen wollen und welche Elemente wir benutzen oder vermeiden möchten. Der Sound ist im Grunde durch all unsere Einflüsse entstanden. Ich mag sehr rohen Oldschool Death Metal aus Florida oder schnellen, brutalen Death Metal aus Polen wie z. B. VADER. Das aggressivere Zeug kommt also meistens von mir.
Luana (Dametto, Schlagzeug) steht auf Black Metal und melodischen Death Metal aus Schweden, daher kommt also auch der melodische Ansatz. Und Tainá mag beides, aber auch moderne Sachen wie GOJIRA und JINJER. Wenn du das alles zusammen in einen großen Topf wirfst, hast du CRYPTA.
Deine Texte handeln nicht von den für viele Bands typischen Death-Metal-Themen wie Horror und Splatter, du beschäftigst dich aber dennoch mit sehr dunklen Themen. Kannst du uns ein bisschen was über deine Texte erzählen und woher du die Inspiration dafür nimmst?
Ich habe mir schon vor „Echoes of the Soul“ überlegt, was für Texte ich für CRYPTA schreiben will. Ich wollte schon düstere Themen behandeln, ich hätte aber gar nicht das Repertoire, um über Horror, Splatter, Dämonen oder Satanismus zu schreiben, das ist einfach nicht mein Ding. Mich stört das natürlich bei anderen Bands überhaupt nicht, aber das sind keine Themen, mit denen ich mich befasse und ich kann das ja auch nicht faken, nur damit die Lyrics besonders nach Death Metal klingen.
Also habe ich mich dazu entschlossen, mich mit den dunklen Aspekten der menschlichen Psyche zu beschäftigen. Auf „Echoes of the Soul“ habe ich bereits damit angefangen, viele Texte auf diesem Album waren aber auch noch mystisch angehaucht. Auf dem neuen Album habe ich mich auf die Themen konzentriert, von denen ich durch Gespräche mit unseren Fans wusste, dass sich viele Leute besonders damit identifizieren können, wie z. B. der Kampf mit psychischen und mentalen Problemen.
Ich wollte mich mit Themen beschäftigen, die einerseits sehr persönlich für mich sind und die mir selbst passiert sind, zu denen aber auch viele andere Leute einen Bezug finden können. Jeder macht ja mal harte Zeiten durch und deshalb habe ich mich mit den verschiedenen Emotionen befasst, die in solchen Situationen entstehen. Angst, Ablehnung, Einsamkeit, Wut, damit kommen wir ja alle irgendwann mal in Berührung und darum geht es auf dem Album.
Ich habe dafür z. B. auch in meinen alten Tagebüchern gelesen, um mir diese Gefühle wieder ins Bewusstsein zu rufen und mich an diese Zeiten zu erinnern, es war also in gewisser Weise sehr kathartisch, all diese schlechten Erinnerungen in etwas Positives zu verwandeln und ich denke auch, dass es wie eine Art Umarmung für Leute ist, die Ähnliches durchgemacht haben.
Euer Video zu „Trial of Traitors“ sieht ein wenig so aus, als wäre es nachts in einem heruntergekommenen Gebäude irgendwo im Wald aufgenommen worden und ich habe allein beim Zuschauen ein Gefühl von Klaustrophobie bekommen. Kannst du uns etwas über den Drehort erzählen und wie der Videodreh ablief? War es so gruselig, wie es im Video aussieht?
Ja, es ist ein verlassener Ort in einem Park in der Nähe von São Paulo, wo Bands öfter Videos filmen, eben weil es dort so gruselig aussieht. Es war aber gar nicht so klaustrophobisch, weil das Gebäude kein Dach mehr hat und nur noch ein paar Mauern stehen. Aber es war unheimlich dort zu filmen, denn es war spät nachts und es gab absolut kein Licht. Wir hatten nur Taschenlampen und unser Equipment und man konnte Tiere und vielleicht auch Menschen herumschleichen hören.
Das war schon sehr komisch, ging aber auch sehr schnell. Wir haben drei verschiedene Takes aufgenommen und das wars. Das Video besteht ja, wie dir vielleicht aufgefallen ist, aus nur einem langen Take und es gibt keine Schnitte. Wir haben es also dreimal aufgenommen und uns dann die beste Version ausgesucht, die Aufnahmen selbst haben nicht länger als 20 Minuten gedauert. Es war auch nicht wirklich sicher dort, wir haben also den Dreh durchgezogen und sind dann schnell wieder abgehauen.
Dann lass uns zum Ende doch nochmal kurz einen Bogen zum Anfang des Interviews schlagen. Du sagtest ja bereits, dass ihr nächstes Jahr zurück nach Europa und in die USA kommt. Wie sehen denn die Pläne direkt nach der Veröffentlichung von „Shades of Sorrow“ aus?
Wir kehren jetzt erstmal zurück nach Brasilien und spielen dort die letzten Konzerte der laufenden Tour. Danach machen wir einen Monat Pause und dann beginnen wir mit den Proben für das neue Album, bevor es im September dann wieder auf Tour geht.
Die fängt natürlich in Brasilien an und für den Rest des Jahres sind wir dann in Lateinamerika unterwegs. Es gibt eine kleine Tour durch Mexiko und ein paar einzelne Dates in anderen südamerikanischen Ländern. Für den Anfang des nächsten Jahres sind wir außerdem für die 70.000 Tons of Metal Cruise bestätigt, die direkt in die US-Tour übergeht.
Anschließend kommen wir für eine kleine Headliner-Tour zurück nach Europa und dann kommt ja auch schon der Sommer. Im Grunde werden wir die ganze Zeit auf Tour sein. Wir schauen uns auch Angebote für Gebiete an, in denen wir noch gar nicht auf Tour waren, wie z. B. Ozeanien und Asien. Mit NERVOSA war ich schon in Japan und ich kann es kaum erwarten dorthin zurückzukehren.
Dann war es das von mir und ich bedanke mich nochmal, dass du dir Zeit für das Interview genommen hast. Ich wünsche euch außerdem viel Erfolg auf dem Rest der Tour und eine gesunde Heimkehr. Gleich geht es ja noch auf die Bühne, oder?
Ja, in etwa zwei Stunden und überhaupt kein Problem, ich freue mich über die Möglichkeit, über die Band und das neue Album sprechen zu dürfen, ich muss mich also bedanken!