Cradle Of Filth
Das Schlimmste aus beiden Welten

Interview

CRADLE OF FILTH veröffentlichen heute mit „Trouble And Their Double Lives“ ihr erstes Livealbum seit über zwanzig Jahren. Grund genug für uns, um bei Dani Filth anzurufen und ihn darüber auszufragen. Insbesondere hat uns natürlich auch interessiert, wieso er ein Livealbum als ersten Release bei der neuen Labelheimat Napalm Records gewählt hat. Zudem war da ja noch die Sache mit ED SHEERAN…

Hi, Dani! Nach über zwanzig Jahren veröffentlichst du mit CRADLE OF FILTH ein neues Livealbum. Warum jetzt?

Es waren einfach die Umstände. Die Pandemie hat uns ein Fenster geöffnet, als wir von Nuclear Blast zu Napalm Records gewechselt sind. Sie hat die Veröffentlichung von „Existence Is Futile“ verzögert und auch die Aufnahmen unseres neuen Albums, welche wir im Mai nun starten werden, damit wir das Album nächstes Jahr veröffentlichen können.

Wir haben herausgefunden, dass unser Live Engineer viele Shows der „Cryptoriana“-Welttournee aufgenommen hat, also haben wir die Aufnahmen unserem Studio Engineer gegeben, um sich da durch zu wühlen. So führte eins zum anderen und es waren dann letztendlich zu viele Songs für eine Einzel-CD-Veröffentlichung. Außerdem hatte ich den Titel „Trouble And Their Double Lives“ schon 20 Jahre in der Schublade, also ergab es einfach Sinn, ein Doppel-Livealbum daraus zu machen.

Wir hatten auch ein paar neue Studiosongs, die eigentlich hinsichtlich des neuen Albums geschrieben wurden, aber dann hatten wir einen Besetzungswechsel und so dachten wir uns, dass wir die Songs auf das Livealbum packen, um den Leuten das Beste beider Welten zu bieten.

Wann habt ihr die neuen Songs denn aufgenommen?

Irgendwann zwischen 2021 und 2022.

Und sie waren für das neue Album geplant?

Sie waren nicht richtig geplant. Wir haben Material geschrieben und hatten das halt noch in der Hinterhand.

Also sind sie stilistisch kein Hinweis auf das neue Album?

Naja, sie zeigen, was zu der Zeit, als die Songs geschrieben wurden, als Band so gemacht haben. Es zeigt also quasi den Status Quo von CRADLE OF FILTH 2023.

Warum habt ihr euch denn dafür entschieden, so ein Compilation-Livealbum zu veröffentlichen anstelle einer Aufnahme von ein oder zwei Shows?

Weil wir keine Pläne dafür hatten. Wir haben zwei sehr teure Livestreams veranstaltet und wollten die nicht einfach neu veröffentlichen, weil die Leute dafür ja schon bezahlt haben. Wir wollten sie nicht abziehen. Sonst wollten wir nichts neues aufnehmen und hatten den ganzen Kram ja schon vorliegen. Außerdem brauchten wir einen guten Mix aus Songs, wir wollten uns nicht wiederholen und nicht zu viel von einer Sache reinnehmen.

Wir haben ja zu der Zeit „Cruelty And The Beast“ komplett live aufgeführt wegen der „Re-Mistressed“-Version, aber ich wollte kein Livealbum, das von den Songs dieses Albums dominiert wird. Drum haben wir uns auf Songs der „Cryptoriana“-Welttournee fokussiert und Songs rausgesucht, die noch nicht live von uns zu hören waren. Es war ein bisschen wie das Erstellen einer Setlist, man pickt Fanfavoriten, Bandfavoriten, Anomalien, berühmte Songs und so weiter heraus. Es ist eine gute Repräsentation aller Epochen von CRADLE OF FILTH von „The Principle Of Evil Made Flesh“ bis „Cryptoriana“.

Super, du hast gerade meine nächste Frage mit beantwortet!

Oh, sorry!

Kein Problem! Wir machen einfach mit der Frage weiter, was du denkst, welche Songs in keiner Show von CRADLE OF FILTH fehlen dürfen.

Wir müssen nichts, aber die Leute erwarten manche Dinge. Wenn du zu einem EUROPE-Konzert gehst, wärest du ziemlich angepisst, wenn sie nicht „The Final Countdown“ spielen würden. Ich habe mal CELTIC FROST auf der „Into The Pandemonium“-Tour gesehen und war komplett abgefuckt, dass sie nicht „Into The Crypt Of Rays“ gespielt haben.

Bei uns sind es auf jeden Fall „Her Ghost In The Fog“ und „Nymphetamine“. „From The Cradle To Enslave“ ist noch einer. Ein oder zwei davon würdest du immer erwarten, dass sie auftauchen.

Wir waren ja gerade mit DEVILDRIVER auf Co-Headlining-Tour in den USA, großartig, viele ausverkaufte Locations, es wird einen zweiten Teil davon bald geben auf der anderen Seite von Amerika. Da hatten wir wegen der Co-Headliner-Sache nur eine Stunde Spielzeit. Also mussten wir eine Setlist erstellen, die da irgendwie zu passt. Wir haben da auch schon „She Is A Fire“ gespielt, also war es sehr schwierig. Normalerweise spielen wir eine Stunde und 45 Minuten, also hatten wir 45 Minuten weniger als sonst.

In der Zukunft wird es noch härter werden, da wir auf das nächste Album zumarschieren und ich hoffe, dass sich davon einige Songs in der Setlist halten werden. Es wird also nicht einfacher, außer wenn wir anfangen, drei Stunden pro Abend zu spielen. Aber das könnten wir nicht. Ok, vielleicht einmal.

Du hast es zwar schon zum Teil beantwortet, aber warum habt ihr euch für ein Livealbum als ersten Release bei Napalm Records entschieden?

Unser neues Album ist zwar schon fertig geschrieben, aber noch nicht aufgenommen. Und wenn es aufgenommen ist, dann braucht es noch eine gewisse Promophase. Die Pandemie ist letztlich Schuld an allem. Wir mussten bei „Existence Is Futile“ ein Jahr warten, bevor wir es veröffentlichen konnten, weil wir es nicht betouren konnten.

Dass es zu dieser Art Livealbum keine filmische Komponente gibt, ist ja klar, aber was hältst du von einer ordentlichen Blu-Ray-Veröffentlichung eines Konzertes für die Zukunft?

Wir hatten ja die Livestreams, die ganz schön teuer waren. Wir haben Crew aus Amerika eingeflogen, die sich erst isolieren mussten und so weiter. Die haben wir aber nicht veröffentlicht, denn da wurde ja schon für bezahlt von den Fans.

Welche CRADLE-OF-FILTH-Songs spielst du am liebsten live?

Ich singe „Honey And Sulphur“ sehr gerne. Er ist sehr einfach für mich, aber es gibt einige Gründe, die dafür sprechen. „Funeral In Carpathia“ ist noch so ein Song. Wir wollen auch einige Songs in neuen Versionen demnächst spielen, vielleicht davon auch welche.

Ich mag „She Is A Fire“ auch sehr gerne, es ist ein sehr hymnischer, schneller Song. „Gilded Cunt“ spiele ich auch gerne live, weil er aggressiv, melodisch und auf den Punkt kommend ist. Es ist immer ein großartiger Opener. „Under Huntress Moon“ ist noch einer, auch wegen des Gesangs.

Ein weiterer Song ist „Courting Baphomet“, das war ursprünglich eine B-Seite für „Thornography“. Den haben wir nie live gespielt. Ich würde mich auch freuen, die Kollaboration mit ED SHEERAN mal live zu spielen, die bald kommen wird. Das würde sicher Spaß machen. Witzigerweise ist unser Bassist gerade heute im Studio, um seine Parts für den Song aufzunehmen. Ich habe meine Sachen bereits eingesungen und Ed hat schon vor Weihnachten seine Gitarren- und Gesangsparts beigesteuert. Ich hoffe, dass wir es im Sommer als Charitysingle veröffentlichen können.

Auf den Song freue ich mich auch schon total, meine Frau mag ED SHEERAN gerne und ich bin großer Fan von CRADLE OF FILTH. Da bekommen wir das Beste aus beiden Welten.

Oder das Schlimmste aus beiden Welten (lacht).

Ok, wir müssen uns also in Acht nehmen. Danke dir auf jeden Fall für die Songliste, da waren einige spannende Titel bei.

Oh, habe ich dir noch nicht genug Songs genannt?

Doch klar, aber wenn dir noch mehr einfallen, gerne raus damit!

Ich liebe „Bathory Aria“, der ist zwar nicht auf dem Livealbum drauf, aber das liegt auch daran, dass er 13 Minuten lang ist und den Platz eines weiteren Songs wegnehmen würde. Deswegen ist es ein Song, den wir selten live spielen. Er fühlt sich beim Spielen auf Grund seiner Länge wie ein Epos an und hat dieses stürmische Ende.

Ich finde auch „Necromantic Fantasies“ ist ein toller Song zum live spielen. Er hat einen besonderen Vibe für CRADLE OF FILTH, er ist mehr auf Gothic-Themen basierend. Ich würde es auch toll finden, einfach eine zufällige Coverversion zu spielen. Wir haben das in der Vergangenheit schon gemacht, nicht oft, aber wir haben ein paar, die wir schon gemacht haben oder bald machen werden. Das würde Spaß machen, einfach weil es was anderes ist als wir sonst tun.

Wären das Coversongs von anderen Metalbands oder von Bands anderen Genres?

Ein Metalsong und ein Song aus einem komplett anderen Genre. Wir haben aber noch nichts aufgenommen, wir haben sie bisher nur ausgewählt.

Also müssen wir euch bald mal auf einer Liveshow besuchen.

Nicht zwingend, wir denken darüber nach, sie auf die B-Seite des neuen Albums zu packen.

Ist es eigentlich schwerer geworden für euch zu touren, seitdem Großbritannien kein Teil der EU mehr ist?

Ja, es ist schwieriger. Alles ist teurer und es gibt mehr Restriktionen. Als wir letztes Jahr getourt sind, hat es uns mindestens 30.000 Pfund mehr gekostet. Wir wollen die Ticketpreise eigentlich stabil halten, aber das ist schwierig.

Das war’s dann auch von meiner Seite, wenn du noch was hinzuzufügen hast, dann kannst du das gerne machen.

Ich danke immer gerne den Fans, die das hier lesen für ihre Unterstützung. Es ist einfach Wahnsinn, dass du irgendwo in Alburquerque aufkreuzen kannst und dann sind da 1000 bis 1500 Leute, die dich sehen wollen. Das ist irgendwo auch seltsam, gerade nach der Pandemie, wo alle irgendwie an sich selbst und an der Menschheit im Allgemeinen gezweifelt haben, weil ja alles irgendwie in die Hose ging zu dem Zeitpunkt.

Wir haben noch viele Probleme vor uns. Der Preis für das Touren steigt, Visa werden teurer, manche Konzertlocations wollen einen großen Anteil an den Merchverkäufen, Leute können nicht mehr so viel kaufen wie früher, Benzinpreise steigen, Busmieten kosten viel Geld. Es gibt also viele Hürden in der Musikindustrie, die wir bewältigen müssen.

Ich rede da eigentlich nicht gerne drüber, weil ich finde, dass Musik eigentlich Eskapismus von all diesen Alltagsproblemen ist. Aber leider ist Metal mittlerweile in dieses Loch gezogen worden. Ich kenne so viele Bands, die mittlerweile den Stecker gezogen haben oder die Band nur noch als Hobby betreiben, weil sie es sich sonst nicht leisten können.

Wir haben im Metal das Glück, dass die Fans sehr loyal sind. Sie gehen auf die Tour, sie kaufen das Merch, sie kaufen das Album in einer Special Edition, die marbled Vinyl, den zeremoniellen Grabschleier oder was weiß ich. Dafür sind wir dankbar. Aber das Problem lässt sich nicht wegreden.

Danke Dani für deine Zeit!

Quelle: Interview mit Dani Filth
28.04.2023

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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