Communic
fachsimpeln im Gespräch über ihr neues Album

Interview

COMMUNIC sind seit 2005 ein wahrer Nicht-mehr-ganz-so-Geheimtipp in der Power-Progressive-Szene. Oft verglichen mit NEVERMORE und SANCTUARY haben sie doch ihre ganz eigene Nische gefunden und bringen aktuell mit „Hiding From The World“ ihr sechstes Album unters Volk. Das war Grund genug für uns, sich mit Bandleader, Sänger und Gitarrist Oddleif Stensland zum Interview via Skype zu treffen und – unter anderem – über das neue Album zu sprechen.

Gratulation zum Release des neuen Albums, welches wieder richtig gut geworden ist. Wie schafft ihr es, Material auf ausschließlich hohem Niveau zu schreiben? Spürt ihr einen gewissen Druck?

Ich persönlich fühle den Druck nicht, wenn wir daran arbeiten. Wir sind eine Band, die versucht, nicht so viel darüber nachzudenken, ob andere Leute mögen, was wir tun. Wenn ich, Erik und Tor zusammen spielen, fühlen wir sofort, wenn eine gewisse Energie vorhanden ist, ein Gefühl, das wir mögen. Und daran arbeiten wir. Dabei denken wir dann nicht an dich und an die anderen Hörer, sondern nur an uns.

Wir haben also keinen Druck, wenn wir am Album arbeiten, aber dafür, wenn wir es veröffentlichen. Wenn das Album fertig ist, es promotet werden muss, man Interviews geben muss und so weiter, dann spüren wir auch etwas Druck. Wir sind uns schon sicher in dem, was wir tun, aber wir sind uns auch bewusst, dass wir keine Musik für jedermann spielen. Die Musik, die wir machen, ist recht weit weg vom Mainstream, also wissen wir nicht, ob Leute es mögen werden. Wenn du natürlich nur Death und Black Metal magst, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass du unsere Musik nicht magst (lacht). Außer du bist offen für andere Genres, dann könnte es schon sein, dass du mit uns was anfangen kannst.

Auf der einen Seite versuche ich, dass es mich nicht so interessiert, aber auf der anderen Seite haben wir ein Label, das wir glücklich machen wollen, loyale Fans, die seit 2005 dabei sind, die wir zufriedenstellen wollen. Also ja, der Druck fängt nach der Veröffentlichung an.

Wie liefen das Songwriting und die Aufnahmen ab?

Ich schreibe eigentlich permanent Musik und packe sie in mein Archiv. Manche Sachen warten seit 15 Jahren darauf, benutzt zu werden. Das Meiste vom neuen Album wurde in den letzten vier bis fünf Jahren geschrieben. Ich habe schon vor „Where Echoes Gather“ angefangen, daran zu schreiben. Allerdings habe ich auch schon vor der Fertigstellung dieses Albums schon wieder neue Musik für die Zukunft geschrieben, auch wenn ich noch nicht weiß, wann das veröffentlicht wird. Neue Musik schreiben ist für mich eigentlich nur, etwas aus meinem System zu spülen.

Dieses Mal haben wir versucht, die Musik nicht zu sehr zu verkomplizieren. Ich hatte das Gefühl, dass die Texte und die Geschichten dahinter kompliziert genug sind und wollte es deswegen nicht zu progressiv machen. Wir haben viele Vocals auf dem Album und diese brauchen Raum, sich zu entfalten. Ich wollte mehr über die Lyrics kommunizieren als mit coolem Technik-Kram anzugeben.

Wir haben im Januar angefangen, das Album aufzunehmen. Dann kam der Lockdown und unser Studio wurde mitten während den Aufnahmen für zwei, drei Wochen geschlossen. Die Aufnahmen haben wir letztendlich im Mai abgeschlossen und dann fingen wir mit dem Mix an.

Was hat dich beim Schreiben des neuen Albums beeinflusst?

Musikalischen Einfluss gab es nicht viel, da ich beim Schreiben hauptsächlich ich selber mit meiner Gitarre bin. Ich sehe mich nicht als besonders versierten Gitarristen an, ich benutze die Gitarre eher als Werkzeug, um Songs zu schreiben wie man einen Hammer benutzt, um ein Haus zu bauen. Wenn ich Musik schreibe, reflektiert diese einfach nur die Stimmung, die ich habe. Der Einfluss auf die Lieder ist dann letztlich das, was die anderen beiden zu meinen Songs, die ich mitbringe sage und, welche Ideen sie hinzufügen. Wir kommen aus verschiedenen Genres. Ich stehe am meisten auf US-Thrash-, Power- und Progressive-Metal. Erik ist mehr so ein 70er-Typ, er hört viel BLACK SABBATH, DEEP PURPLE, RUSH und sowas. Tor Atle ist mehr ein Fan von modernem, groovy Kram wie PANTERA, MACHINE HEAD und auch brutalerem Death Metal.

Was die Lyrics angeht, geht es dieses Mal viel über meine Gedanken und Reflektionen über das Leben. Wo kommen wir her und wo gehen wir hin? Die Idee, mit der es begann, war, dass ich darüber nachdachte, dass es viele Künstler gab, deren Werke heute so viel wert sind, dass keiner sie bezahlen kann. Aber als die Künstler noch lebten, waren sie so arm, dass sie nicht von ihrer Kunst leben konnten. Doch nach ihrem Tod hat sich auf einmal jeder für sie interessiert. Andere Leute bekommen dann die Aufmerksamkeit, die der Künstler zu seinen Lebzeiten verdient hätte.

In den letzten 10 Jahren sind meine Lyrics immer persönlicher geworden. Zu Zeiten von „Waves Of Visual Decay“ waren es noch Themen, die mich in der Außenwelt beeinflusst haben. Das Album handelt zum Beispiel davon, wie wir die Welt in den Medien wahrnehmen. Während und nach „The Bottom Deep“ hatte ich eine ziemlich schlimme Phase und da sind die Lyrics dann persönlicher geworden. Durch das Schreiben hatte ich das Gefühl, dass ich besser mit dem Erlebten klar komme. Ich habe es quasi dem Hörer zugeschoben. Ich weiß immer nicht, wie persönlich ich werden kann, aber ich versuche, das zu ignorieren und schaue, ob ich mit der Message in Zukunft immer noch glücklich bin.

Es ist auch immer schwierig, da Englisch nicht meine Muttersprache ist, also habe ich Probleme mit Grammatik und so weiter. Ein Freund von mir ist Englischlehrer, der hilft mir dabei, bestimmte Sachen zu korrigieren. Außerdem versuche ich im Studio immer so wenig Akzent wie möglich zu haben beim Singen, sodass man beim Hören nicht denkt, dass ich aus Norwegen komme.

Hast du Favoriten auf dem neuen Album?

„Forgotten“ ist einer meiner Favoriten. Vielleicht, weil es ein Song ist, bei dem ich nicht dachte, dass der auf dem Album landet. Es ist ein Song, den ich auf Akustikgitarre geschrieben habe und ich hatte wenig Lyrics für ihn. Der Text war interessant, aber es hat sich nicht wie ein COMMUNIC-Song angefühlt. Die Idee war, diesen Song als Akustik-Vocal-Song zu belassen und ihn vielleicht einfach aufzunehmen, um ihn auf meinen YouTube-Channel zu stellen. Als ich ihn den anderen vorgespielt habe, fingen sie einfach an mitzujammen und so baute dieser sich zu diesem großartigen Albumende auf. Das zeigt, wie cool es ist, mit Leuten zusammen zu arbeiten. Die Anderen fügen Dinge hinzu, auf die ich nie gekommen wäre. „Born Without A Heart“ und „Hiding From The World“ gefallen mir auch sehr gut, das waren die ersten Songs, die wir für das Album geschrieben haben.

Wie plant ihr, „Hiding From The World“ zu promoten?

Wir haben ein Festival in Norwegen gebucht für 2021. Ansonsten müssen wir schauen, wann Konzerte wieder erlaubt sind. Wir würden natürlich gerne die neuen Lieder auf Tour präsentieren. Das muss natürlich so geschehen, dass es für uns auch passt, da Tor und ich beide unsere eigenen Firmen haben und wir viel arbeiten müssen und wir auch Familie haben. Vier Wochen auf Tour gehen ist für uns nicht einfach. Wir sprachen darüber, kürzere Touren über fünf oder sechs Tage zu spielen, wieder heim zu fahren und das Ganze ein paar Wochen später zu wiederholen. Dabei wollen wir keine Supportshows spielen, sondern als Headliner mit lokalen Supports. Es wäre einfach interessant zu sehen, wo wir als Band stehen. Kommen zehn Leute zu unserer Show oder 200? Wir waren 2012 das letzte Mal in Europa, seitdem haben wir nur innerhalb Skandinaviens gespielt.

Wir sprechen noch darüber, ob wir einen Livestream machen wollen. Einfach ein paar Kameras im Studio aufstellen und das als Releaseparty feiern. Natürlich bekommst du da nicht die gleiche Energie wie bei einem echten Konzert, aber ich glaube, dass das den Leuten gefallen könnte. Natürlich nicht als Big-Budget-Konzept, sondern als kleine, intime Sache.

Was hat sich im Sound und Stil von Communic die letzten 15 Jahre verändert?

Das sind eher Kleinigkeiten. Im Prinzip klingt unsere Musik immer noch nach dem, was wir vor 15 Jahren angefangen haben zu tun, aber wir bauen immer wieder neue Nuancen ein. Es finden sich zum Beispiel Blastbeats auf dem neuen Album, die haben wir vorher nicht benutzt. Wir setzen uns da aber auch keine Grenzen. Wenn einer eine coole Idee hat, dann probieren wir die aus.
Wir versuchen eher, bestimmte Trademarks zu perfektionieren, wie zum Beispiel die Dynamik in Liedern wie „Hiding From The World“, welches ruhig startet, sich zu einem Höhepunkt aufbaut und danach wieder abfällt und so weiter. Wir versuchen, die verschiedenen Dynamiken, Tempi und Geschwindigkeiten, die man in einer Band mit drei Personen nutzen kann, auszuloten. Zum Beispiel haben wir versucht, subtil den Energielevel eines Liedes zu erhöhen, ohne dass du als Hörer es wirklich merkst. Wenn du im Refrain die Geschwindigkeit von 155 auf 160 bpm anhebst, merkst du das als Hörer nicht, aber es gibt dem Song eine ganz neue Dynamik.

Vor dem Release von „Where Echoes Gather“ haben wir einige Zeit gebraucht, um uns zu überlegen, in welche Richtung wir gehen wollen. Alleine die Auswahl des Plattenlabels hat über 2 Jahre gedauert. Wir wollten alle Details so haben, wie wir uns das vorstellen. Daher bin ich kein Fan von Deadlines. Wir setzen uns erst eine Deadline im Songwriting, wenn wir alles so perfekt wie möglich haben und diese Deadline ist dann das Buchen des Studios und eines Mixers.

Nenne mir deinen Lieblingssong und dein Lieblingsalbum von NEVERMORE.

Mein Lieblingsalbum ist das selbstbetitelte Debüt. Der Sound und die Songs sind großartig. Mein Lieblingssong könnte jeder auf dem Album sein, „Garden Of Grey“ und „What Tomorrow Knows“ um zwei zu nennen. Die EP „In Memory“ ist auch super. Ich war nie ein großer Fan von 7-String-Gitarren und NEVERMORE haben nach dem zweiten Album angefangen, diese zu benutzen. Ich mag aber den 6-String-Sound der ersten beiden Alben am liebsten. Ich kann verstehen, dass die Leute uns mit NEVERMORE vergleichen. Es ist zwar nicht die gleich Musik, sondern liegt mehr an der Art wie ich singe. Das sehe ich mal als Kompliment (lacht). Ich finde es großartig, dass wir mit ihnen verglichen werden, da sie großartige Musik machten.

Habt ihr Pläne, die 15. Geburtstage von „Conspiracy In Mind“ und „Waves Of Visual Decay“ zu feiern?

Wir würden gerne eine Tour spielen, auf der wir die beiden Alben hintereinander wegspielen. Ich denke, das würden auch einige Leute sehen wollen. Vielleicht mit ein paar Bonus-Songs hintendran, mal schauen. Oder wir spielen erst einmal nur die „Conspiracy In Mind“ und spielen danach ein Set, um das neue Album zu promoten. Und kommen dann noch einmal zurück, um das „Waves Of Visual Decay“-Album zu spielen. Diese beiden Alben verdienen auf jeden Fall diese Art von Aufmerksamkeit.

Danke dir für deine Zeit!

Quelle: Interview mit Oddleif Stensland
03.12.2020

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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