clearXcut
The Vegan Straight Edge
Interview
CLEARXCUT – eine Band aus aktuellen und ehemaligen Mitgliedern von Bands wie HEAVEN SHALL BURN, IMPLORE und KING APATHY? Mit zwei Sängerinnen und einer EP mit dem Titel „The Vegan Straight Edge“? Das ruft doch nach einem Interview und metal.de ist auch das erste Magazin, das an dem Hardcore-Quintett dran ist. Im November waren sie dann in Jugendhaus West in Stuttgart und Björn traf Matthias und Matti zum Interview.
Stellt doch zuerst bitte die Band vor, ihr seid relativ neu am Start und habt erst eine EP mit drei Songs draußen. Wer ist dabei?
Matti: Ich hab die Band gegründet, die Songs geschrieben, alles aufgenommen und dann war ich auf der Suche nach Leuten, die Bock haben das mitzugestalten. Ich spiel noch bei KING APATHY und wir haben zwei Sängerinnen. Wir haben den Matthias, ehemals von HEAVEN SHALL BURN, am Schlagzeug und Gabbo von IMPLORE am Bass. Dazu noch Marco, einen Freund aus München, an der Gitarre.
Du hast es schon angedeutet, dass ihr auf halb Deutschland verteilt seid. Wo würdet ihr euch verorten? Probt ihr irgendwo oder seid ihr dein Projekt, zu dem du Freunde dazu geholt hast?
Matti: Wir sehen es schon als Band bzw. als Kollektiv. Wir stehen zusammen für die Musik und kommende Alben werde ich auch nicht alleine schreiben. Wir proben in der Nähe von München.
Matthias: Das war zu Beginn aber auch nicht klar. Es hieß wir können dort proben, wir können uns aber auch was in der Mitte suchen. Es hat sich dann aber nicht als riesiges Problem ergeben, für mich regelmäßig runterzufahren. So hat es sich dann ergeben, das wir ständig dort proben.
Aber am Anfang war es nicht unbedingt als Band geplant. Man wollte schauen welche Leute mitmachen und wollte ohne festen Stamm die Band machen. Und dann wollte man sehen, wer hat Zeit und es sollte Leute geben, die nicht immer dabei sind. Aber mittlerweile hat es sich zur Band entwickelt. Gabbo ist heute zum ersten Mal dabei, denn vorher haben wir ohne Bassisten gespielt. Das sollte aber ganz gut klappen.
Ihr habt bei Facebook und Bandcamp auch keine Namen der Bandmitglieder angegeben.
Matthias: Matti hat es ja auch mit anderen Leuten aufgenommen und als wir die Seiten online gestellt haben, stand es gar nicht fest ob es bei diesen Leuten bleibt. Bei der Entfernung zwischen unseren Wohnorten, ist es auch kein ganz kleiner Aufwand und man weiß nie, wer kurzfristig abspringt. Wir wollen ja nicht damit Geld verdienen, uns geht es um den Spaß und die Message ist uns auch wichtig. Deswegen war es für Matti auch so schwierig Leute zu finden, die mitmachen wollen.
Dann machen wir mit der Message gleich weiter. Ihr habt einen langen Text bei Facebook stehen, was die Band und was Hardcore-Punk für euch bedeutet. Warum? Viele Bands leben das nicht und wir reden jetzt noch nicht von Straight Edge, aber Hardcore hatte für mich auch immer eine politische Aussage. Ist das für euch so wichtig es extra betonen zu müssen?
Matthias: Politisch klar, aber es gibt ja verschiedene politische Ausrichtungen. AGNOSTIC FRONT ist nun keine politisch linke Band, aber es geht ja auch viel um sozialkritische Themen. In den meisten Fällen steckt schon eine gewisse politische Aussage in die eine oder andere Richtung dahinter. Uns, bzw. Matti, war es bei der Gründung wichtig, dass es um Veganismus und Straight Edge geht. Es sollte eine Band sein, die in die Richtung geht. Sowas gibt es momentan nicht mehr viel und es hat einen gewissen Symbolcharakter.
Aber es gab ja mal eine Welle und mir fällt spontan eine Thüringer Band ein, die das X gestrichen hat, als sie bekannter geworden ist. Für euch ist es aber Voraussetzung, dass alle Mitglieder Straight Edge sind.
Matthias: Ja, das war das Konzept, wenn man es so nennen will. Man kann auch mit anderen Leuten Musik machen, aber diese Band steht dafür. Es ist von jedem einzelnen eine kleine Facette, wir machen mehr als Vegan Straight Edge, aber das ist das Hauptthema.
Matti: Für mich ist es ein Gegenentwurf zu unserer aktuellen Gesellschaft, wo die Umwelt zerstört wird, wo Menschen ausgebeutet werden, wo Tiere ausgebeutet werden und in diesem Genre, Vegan Straight Edge Hardcore, wurde sich oft diesen Themen angenommen. Das war für mich eine sehr ansprechende Art und Weise und in diese Fußstapfen treten wir. Das Ziel der Band ist es, die genannten Themen anzusprechen und eine Basis an Menschen zu haben, die diese Themen leben.
Matthias: Es gab ja eine Zeit auch Straight Edge Bands, die über das Macho-Ding gekommen sind. Sie haben einen Männlichkeitskult gelebt und waren stolz darauf Straight Edge zu sein und für mich sind wir dazu auch ein Gegenentwurf. Natürlich ist beim Sprücheklopfen auch immer Provokation dabei, aber wir wollen uns auch von militanten Straight Edge Bands abgrenzen. Die Grundidee für mich ist es, bei Verstand zu sein und vernünftig zu handeln. Da brauch man nicht stolz drauf zu sein, das ist für mich normal. Wichtig für mich ist es noch, dass diese Straight Edge Band auch einen politischen Anspruch hat. Das Thema Tierrechte geht auch lange nicht mehr Hand in Hand mit Straight Edge.
Matti: Außerdem haben wir zwei Sängerinnen und damit ist der Feminismus auch ein Thema für uns und wird zum Alleinstellungsmerkmal. Das hebt sich schon von vielen anderen Bands ab.
Schreibst du alleine die Texte? Bei der EP war es ja so. Wie sieht es jetzt aus? Ihr seid dran an der nächsten EP?
Matti: Die ersten Skizzen stehen.
Matthias: In deiner Einsamkeit, als du keine Bandmitglieder finden konntest, hast du ja schon die EP geschrieben und eine ganze Platte aufgenommen. Die ist schon komplett fertig und kommt im April 2019. Da waren wir noch nicht so viel daran beteiligt, nur dabei es auf die Bühne zu bringen. Jetzt setzen wir uns so langsam zusammen an neue Sachen.
Ihr kommt teilweise von Bands, die schon größeres erreicht haben, einen Plattenvertrag haben und viel getourt sind. Habt ihr euch für CLEARXCUT Ziele gesetzt oder wollt ihr einfach nur eine geile Zeit haben?
Matthias: Verbunden mit der Message, die ist das Hauptaugenmerk. Aber wenn es keinen Spaß machen würde, würden wir es nicht machen.
Matti: Es geht darum die Message herauszubringen und Leute zu erreichen. Wir wollen auch eine gute Zeit und haben uns nicht das Ziel gesetzt groß zu werden und Geld zu verdienen.
Matthias: Wir fahren jetzt auch diese Tour, weil SECT eine Band ist, mit der es thematisch gut zusammen passt. Musikalisch ist es anders, aber die Themen sind in ähnlichen Bereichen angesiedelt.
Ihr habt in eurer Bandbeschreibung etwas von autoritären Politikern geschrieben und wir machen das Interview jetzt am Tag der Midterm-Wahlen in den USA. Matthias, du kennst dich ziemlich mit dem Thema Brasilien aus und kommst auch noch aus dem Osten. Auswandern und wenn ja, wohin?
Matthias: Ich weiß es nicht, es ist momentan echt alles sehr verrückt.
Wie erklärt ihr euch denn diesen weltweiten Trend? Wir können in Australien anfangen, Brasilien, diverse afrikanische Staaten, USA, fünf, sechs, sieben Staaten mit einem Rechtstrend in Europa.
Matthias: Das hat ja nichts mehr mit einem gesunden Menschenverstand zu tun. Es wird immer von einem Bildungsrückstand oder von abgehängten Leuten geredet, aber wenn du dir PEGIDA anschaust, dann siehst du dort Männer von 40 oder 50 Jahren, wo einige Akademiker dabei sind. Das nichts mit von der Gesellschaft abgehängten Leuten zu tun. Vielleicht sollte man akzeptieren, dass es scheiß Leute gibt, die anderen nicht das Schwarze unterm Nagel gönnen. Ich bin mittlerweile auf dem Standpunkt. Natürlich gibt es auch Leute, die haben Angst, weil es ihnen an die Existenz geht, sie kommen nicht zurecht und machen andere dafür verantwortlich. Im Großen und Ganzen muss man sich aber davon verabschieden, dass es Außenseiter sind. Das ist momentan die Mitte der Gesellschaft. Leider. In letzten Zeit sind durch die AfD und durch Trump in den USA viele Hemmschwellen gefallen. Sachen, die man vor zehn Jahren nicht gesagt hätte, hört man jetzt. Diese Aussagen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch recht vernünftige Leute gehen den Rechten mittlerweile auch auf den Leim.
Matti: Der Kapitalismus insgesamt funktioniert wie Monopoly. Wenn du unbedarft herangehst, wirst ermutigt, dich wie ein Arschloch zu verhalten, um für dich selbst etwas zu erreichen. Im Monopoly geht es darum, deinen Mitspielern die Kohle aus der Tasche zu ziehen, sie auszunutzen und am Ende hat der mit dem meisten Geld in der Tasche gewonnen. Das ist sehr kurz formuliert, aber so funktioniert der Kapitalismus.
Du weißt mit welchem Zweck das Spiel erfunden worden ist? Um vor den Gefahren des Kapitalismus zu warnen.
Matti: So funktioniert es halt, wenn du auch Geld und Statussymbole haben willst, dann musst du halt Leute ausnutzen. In solchen Systemen ist Ungerechtigkeit mit ins Fundament gegossen.
Matthias: Im Kapitalismus kann halt jeder richtig was werden, aber nicht alle gleichzeitig. Es fällt immer jemand komplett hinten runter und dieses Ungleichgewicht sorgt für Unruhe. Der Fehler ist das System und der Kapitalismus ist eine gescheiterte Gesellschafts- oder Marktform wie der Sozialismus, den es auch nie in einer reinen Form gegeben hat. Aber das sind ja sowieso alles nur Modelle. Vielleicht muss man sich davon verabschieden, dass ein Modell alleine komplett funktioniert und auch andere Ideen einbeziehen. Vielleicht muss etwas Neues konstruiert werden, wie auch immer das gehen soll, aber das Wesen des Menschen änderst du nicht. Der Mensch will immer mehr, auch wenn er es gar nicht braucht. Warum kriegen die Manager ihre Abfindungen, wenn gleichzeitig Arbeiter entlassen werden? Man wäre ja doof wenn man darauf verzichten würde, mit diesem Gedanken fängt es ja an. Leute, die abgesichert sind, wollen trotzdem immer noch mehr um es anzuhäufen. Das ist irgendwo nicht mehr begreifbar.
Gibt es dann nur noch zwei Wege? Laut aufschreien oder „Pop songs about getting drunk on the beach and waiting for the end of the world?“
Matti: Viele sehen auch einfach die Problematik nicht. Der Klimawandel ist seit Jahrzehnten in Gang und es gibt immer noch Leute, die sagen, dass das nicht stimmt. Das ist auch mit dem Zitat über die Pop Songs gemeint. Die Leute feiern und freuen sich und denken, dass es keine Probleme gibt. Der Mensch hätte durch seinen Fortschritt und seine Gesellschaftsordnung ein tolles Paradies auf der Welt erschaffen. Aber gleichzeitig werden die Wälder abgeholzt, Tiere fallen tausendfachem Mord zum Opfer und Menschen werden ausgebeutet. Ich sehe da wenig positives. Natürlich gibt es positive Sachen in unserem Leben, aber die sind alle auf Ausbeutung gegründet. Ich finde es sehr schwierig, wenn Leute das nicht akzeptieren wollen, da gerade der Zugang zu Informationen sehr einfach ist.
Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung der Menschen und ist so hoch wie nie, es leben immer weniger Menschen in Armut und es gibt die wenigsten Tote durch Kriege seit dem Zweiten Weltkrieg.
Matthias: Das ist natürlich auch immer eine Definitionssache, wann ein Konflikt ein Krieg ist, aber generell ist die Welt momentan gewaltfreier wie vor 100 Jahren. Man bekommt nur mehr mit und es fühlt sich dadurch ganz anders an.
Matti: Ein spannender Punkt ist, dass es auf Menschen betrachtet weniger Tote gibt. Aber wenn man die Umweltzerstörung oder Tiere mit einbezieht, dann ist es Wahnsinn. Wenn man Fische mit einbezieht, sterben täglich 44.000 Tiere für den menschlichen Konsum. Wir sind nicht alleine auf dem Planeten, man muss über die eigene Spezies hinausgucken. Wir zerstören diesen Planeten. Wir wissen, dass wir es tun. Es ist aber nicht unser eigener Planet, wir sind nur eine Spezies von ganz vielen und es ist uns scheißegal. Das finde ich richtig bitter. Das oberste Ziel müsste es sein diesen Planeten zu erhalten und nicht nur für uns selber. Das ist man den Mitbewohnern dieses Planten schuldig. Wir zerstören den Lebensraum von Tieren und Pflanzen auf der ganzen Welt und es ist uns egal.
Matthias: Selbst in uns steckt es ja auch noch komplett drin. Wir sehen auch über vieles hinweg und sind nicht so konsequent wie wir es eigentlich sein müssten. Das ist der Fehler im eigenen System.
Geht das überhaupt?
Matthias: Irgendwas ist immer.
Matti: Es gibt kein Richtiges im Falschen.
Matthias: Es ist eine Vermeidung von Sachen. Der erste Schritt ist es, worauf kann ich ohne Probleme verzichten oder was kann ich anders machen. Das ist kein Wettbewerb wer der Beste ist, sondern man guckt was man selbst machen kann.
Wenn sich jemand tiefer mit dem Thema beschäftigen will, was könntet ihr empfehlen? Musik, Buch, Filme.
Matti: Es gibt auf jeden Fall gute Filme, bei Büchern ist vielleicht die Hürde etwas größer. Bei Filmen würde ich „Before the flood“ mit Leonardo DiCaprio empfehlen. Der dreht sich um das Thema Klimawandel und ist sehr informativ, spannend und Augen öffnend. „END:CIV“ kann ich denjenigen empfehlen, die noch tiefer einsteigen wollen. Das ist aus einer anarchistisch-ökologischen Perspektive, die sich auch viel mit Gewalt innerhalb demokratischer Strukturen befasst. Dann kann ich „Vivir La Utopia“ empfehlen. Da geht es um die spanischen Anarchisten, die in den 1930er Jahren ein Gesellschaftssystem aufgebaut haben, das auf Gleichheit basiert. Das ist sehr inspirirend. An Büchern kann ich „Endgame“ von Derrick Jensen nur jedem empfehlen. Das zeigt wie Gewalt in unseren Systemen inhärent ist.
Dann danke ich euch für das Interview.