Claus Grabke
Claus Grabke

Interview

Nachdem ein großer Teil seiner Skateboards im Museum steht, THUMB und die ALTERNATIVE ALLSTARS Geschichte sind, ist Claus Grabke zusammen mit Lena Jeckel am Bass sowie Sven Pollkötter am Schlagzeug wieder da. Doch „Dead Hippies – Sad Robot“, das erste Ergebnis der Zusammenarbeit, macht es dem Hörer nicht unbedingt leicht. Claus leistete ausführliche Aufklärungsarbeit…

Claus GrabkeBeginnen wir mit etwas Offensichtlichem: CLAUS GRABKE ist ein ziemlich ungewöhnlicher Name für eine Band.

Ich hatte einfach überhaupt keine Lust noch mal The Flying Carpets oder so zu heißen – immer diese Bandnamen, die man da konstruiert… Sven, der schon bei den ALTERNATIVE ALLSTARS in den letzten Monaten als Drummer fungiert hat, hat im Grunde genommen gesagt: Bei jedem Interview fragen dich die Leute über Skateboard fahren, über THUMB und über die Band, was du da gemacht hast und wen du da produziert hast. Deine nächste Band müsste eigentlich CLAUS GRABKE heißen, weil es einfach viel ehrlicher wäre.

Ich hatte ihm auch erzählt, dass ich teilweise in den anderen Bands, gerade bei THUMB zum Beispiel, ständig Probleme damit hatte, dass die Leute Skateboard-Fragen gestellt haben. Da standen dann Leute aus der Band auf und haben das Interview verlassen, weil nur über mich was gefragt wurde – und das hat die verunsichert. Ich hatte auch Schwierigkeiten damit, dass man in diesen anderen Bands praktisch Musik schreibt, die diesen anderen Leuten auch gefällt. Nachdem Sven und ich von vorne anfangen wollten, haben wir das Label gekündigt, das Management gekündigt, das komplette Programm – auf Null. Wir haben uns dann lange verständigt, haben Musik gehört, haben gequatscht und das Konzept erarbeitet, was jetzt vorliegt – ohne Musik zu haben, nur die ganzen Ideen dahinter. Weil ich mich auch schützend über den Rest der Band stellen wollte, gehörte von Anfang an – auch von seiner Seite – dazu, dass das CLAUS GRABKE heißt. Als wir dann noch Lena gefunden haben, stand da auf einmal eine vollwertige Band, die perfekt harmonierte und keiner hatte das Gefühl, etwas zu machen, was er nicht wirklich machen wollte.
Zum Schluss sind wir einfach auch diesem Gesamtkonzept treu geblieben und haben das trotzdem CLAUS GRABKE genannt. Aber es ist mehr eine Band als zum Beispiel THUMB eine war. Wir waren zwar bei THUMB auch recht basisdemokratisch, aber dieses Band-Gefüge auch auf Tour, dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit und dass alle an einem Strang ziehen, habe ich lustigerweise nach all den Bands und all den Jahren das erste Mal mit Lena und Sven.

Was sollte man über deren musikalische Vergangenheit wissen und wie kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit? Du konntest theoretisch wahrscheinlich aus vielen Musikern auswählen?

Ja, ich kannte viele durch das Studio (Claus Grabke Studios – d. Verf.). Sven zum Beispiel habe ich auch so kennen gelernt, weil er dort für eine Band Progressive-Metal eingespielt hat. Er ist ausgebildeter klassischer Schlagwerker, spielt beim Ensemble Modern, die europaweit moderne Klassik spielen, er ist Bundespreisträger im Vibraphon und hat auch in verschiedenen Bands gespielt. Ihm wurde es irgendwann zu kompliziert, immer im 7/8 Takt zu bleiben und er hatte Bock, auch mal so richtig rudimentär draufzuhauen.

Lena war hier in Bielefeld bei uns in der Gegend in vielen Bands und hat zum Beispiel bei FIOR gespielt – nicht mit Deal, aber hat viel gemacht und war einfach ein Kandidat, mit dem wir es mal probieren wollten. Bei Sven wusste ich es ja schon durch die Zusammenarbeit mit ALLSTARS und bei ihr hat sich es einfach noch herauskristallisiert – ist cool, klappt.

Wie ist dann das Schreiben der Stücke abgelaufen – ich schätze, du wolltest deine neuen Mitmusiker nicht gleich wieder durch Diktatur verschrecken?

Ne, also Diktatur ist ja so ein ganz, ganz schlimmes Wort. Grundsätzlich zu dem Thema: Wenn einer ’ne Idee hat, muss man hinterherlaufen. In der Musik gibt es viel zu viele Bands, die auch bei mir im Studio rumlaufen, bei denen es total darum geht, dass jeder was gesagt haben muss, sonst ist das Stück nicht gut. Ich bin aber vielmehr der Meinung, manchmal hat der Bassist die rettende Idee – und dann ist es eine Idee. Ein Album ohne Idee oder ohne Aussage finde ich sehr blöd – also nur weil die jetzt technisch toll gespielt haben, ist es noch kein Album. „Dead Hippies“ hat ja durchaus eine Sound-Idee dadurch, dass es keine Overdubs hat. Das heißt, solche Sachen waren Ideen, die ich hatte. Ich produziere, es ist mein Studio, ich habe gesagt, dass ich das gerne so machen würde und die anderen haben mir vertraut, dass es klappen kann.

Beim Songwriting selbst war es so, dass viele Sachen aus einer Grundidee, die ich hatte, entstanden sind oder auch, dass einem im Proberaum beim Checken der Verstärker ein Riff in die Hand fiel. Dann wurde so klassisch dadaistisch ausprobiert, Vocals improvisiert und dazu macht man dann praktisch den Text fertig, weil man aus dem Unterbewusstsein heraus so eine Art Idee formuliert hat. Und für die Entwicklung oder Abwandlung der Ideen war es dann halt wichtig, dass da drei Leute dabei waren. Also Diktatur gab es eigentlich gar nicht.

Für ’You Were All To Me’ hast du mit einem Orchester zusammengearbeitet. Ist das nicht ziemlich teuer gewesen für den Schmachtfetzen?

Sage ich dir jetzt mal ganz offiziell: hat exakt 200 EUR gekostet. Die waren für die Zugfahrt von dem Komponisten. Auf den Liner Notes zum Album steht’s und es ist wirklich so passiert: Ich bin Fahrrad gefahren und hab’ während der Fahrt diese Melodie gehabt, bin zu Hause angekommen und hab’ den kompletten Text per Aufnahmefunktion ins Handy gesungen, auf der Gitarre geguckt, welche Akkorde das sind, hatte aber auf dem Fahrrad schon die Idee mit dem Orchester. Sven angerufen und der sagt: Ist kein Problem, mein isländischer Kumpel Steingrimur Rohloff ist gerade in Frankfurt, der wird kommen, ich ruf’ den mal an – alles was der braucht ist vielleicht ein Zug-Ticket. (Im Booklet steht zwar Streingrimur, aber gemeint sein dürfte er hier: www.steingrimur-rohloff.de – d. Verf.)

Drei Tage später saß er im Studio. Wir haben über Emotionen gesprochen und einen Spannungsbogen mit Farben aufgemalt. Dann haben wir ein paar CDs gehört, die von der Instrumentierung her ähnlich waren – Frank Sinatra, Dusty Springfield. Per E-Mail haben wir Noten hin und her geschickt und Sven hat über einen Kontakt einen Dirigenten besorgt, Knud Jansen. Der ist auch in Detmold an dieser Musikhochschule, an der Sven auch unterrichtet. Und der hat dann sehr gute Schüler zusammengestellt, die das dann tatsächlich auch live so eingespielt haben.

War das eigentlich ein Herzenswunsch von dir? Im Prinzip kann man ein Orchester doch sicherlich auch bis zu einem gewissen Punkt im Studio nachahmen?

Kannst du alles. Ich sträube mich aber gerade bei meinen eigenen Sachen davor. Ich versuche, bei allem was ich mache, Sachen zu umgehen, die jeder machen kann. Wenn ich ein Computer-System mit Plug-Ins habe, kann ich bestimmte Effekte oder Streichersounds fahren, aber das ist so wie bei H&M einzukaufen: sieht geil aus das Teil, aber ich weiß in dem Moment wo ich es kaufe, dass morgen halb Deutschland damit rumläuft. Musik ist für mich hochgradig individuell und da habe ich natürlich am liebsten ein echtes Instrument am Platz. Beim ersten Stück spielt zum Beispiel ein Mandolinen-Orchester. Da spielen tatsächlich alte Leute um die fünfzig, für die ich als Gegenleistung eine Weihnachtsplatte aufgenommen habe.

Zum etwas ekelhaften Coverartwork: Das ist so eine Mischung aus „Nevermind“-Baby im algenverseuchten Gewässer und Goldrahmen-Kitsch…

Du bist jetzt der Vierte, der das meint. Jemand hat gesagt, dass es wie die traurige, harte, neue Realität von dem Baby ist, das damals noch im Los-Angeles-Pool schwimmen durfte und nach Dollars taucht. Ich hatte einfach diese philosophische Idee, dass das Leben wie das Meer ist – mit dem Tiefen, Dunklen unter dir und dem Hellen, nie Erreichbaren über dir, gefangen sein in den Gezeiten und so weiter. Das sind auch so Kinderängste, die da bei mir noch mit durchkommen.
Die weitere Gestaltung richtet sich sehr stark an so 60er-Jahre-Sachen, die ich gut finde. Ich wollte auch eine Farbkombination haben, die ich noch nicht auf einem Album-Cover gesehen hatte. Es ist aus einem künstlerischen Gedanken entstanden, nicht aus einem grafischen. Es soll kein reißerisches Album-Cover sein, so wie auch das ganze Album kein reißerisches, nach Erfolg und Pop-Status strebendes sein soll, sondern einfach eine Bestandsaufnahme und ein sehr, sehr ernst gemeintes Statement: Das ist unsere Band, so klingen wir und das sind die beiden Tiefen und Höhen, zu denen wir fähig sind.

Du warst auf dem Skateboard unterwegs, hast mit relativ erfolgreichen Bands zu tun gehabt, dürftest also wissen, was trendy ist. Den Traum des alternativen Mainstreams hast du mit „Dead Hippies – Sad Robot“ jedoch höchstwahrscheinlich nicht vorgelegt.

Ne, das ist bewusst gar nicht trendy. Ich glaube, ich bin auch als Produzent sehr untrendy. Hier war die Vermeidung eines Trends immer im Vordergrund und es ging für uns darum, aus der Gruppendynamik etwas Eigenes zu schaffen und auf Platte zu bannen. Das erste Album heißt auch bewusst „Dead Hippies“, um schon mal diese Hippie-Pop-Ideen im Ansatz zu zerstören. Ich finde es sehr hippiemäßig, heutzutage noch zu glauben, man wird Pop-Star – besonders in meinem Alter und bei meinem Typ.

Neulich hast du im Uncle Sally’s die Demo-Ecke gemacht und an den dort vertretenen Bands sehr oft Eigenständigkeit sowie Mut zur Innovation vermisst. Zumindest „Dead Hippies“ ist jetzt aber auch nicht wirklich die Neuerfindung des Rades.

Nö, auf keinen Fall. Aber ich finde, es ist eine verdammt gute Interpretation von Rock’n’Roll! Schau’s dir gerne heute Abend an und sage mir, ob du da anderer Meinung bist. Ich meine damit auch nicht, dass die das Rad neu erfinden sollen – das ist ja nun schon erfunden und Rock-Musik mit den entsprechenden Eckpfeilern ist auch schon erfunden. Aber ich muss mir auf einem Demo nicht zum tausendsten Mal DEFTONES anhören oder zum tausendsten Mal eine DONOTS-Variante. Wenn schon im Info steht: „Wir machen California-Fun-Punk“, dann fällt mir da gar nichts mehr zu ein. Das ist ja: „Wir malen nach Zahlen.“ Malen nach Zahlen ist unsere Platte weder textlich noch musikalisch – da ist das eine oder andere Riff, was du so schon mal bei DAVID BOWIE oder IGGY POP gehört hast, aber das ist nicht der Punkt. Es klingt anders, es ist vom Grundansatz anders und deshalb halte ich das, was wir da mit dem lauten Album machen, für sehr legitim. Es ist unser eigenes Rad und traut sich was – und das tat der Großteil der Bands, die dort vertreten waren, eben nicht.

Viele Bands fangen doch im Rock-Bereich eh nicht an, weil sie künstlerisch innovativ sein wollen, sondern weil sie sich an irgendwelchen Vorbildern orientieren.

Ich habe das nicht getan! Ich habe meine kurze BEATLES-Phase, meine relativ lange DEEP-PURPLE-Phase gehabt, meine DAVID-BOWIE-Phase, dann schwimmt man so ein bisschen mit und guckt was neu ist. Aber: Wenn ein Musiker ein Demo verschickt, dann ist das für mich so ein Heiligtum. Und wenn man davon ein Review haben möchte, um zu wissen, wo man steht, dann kann ich nur eine gewisse Ehrlichkeit geben und es sagen, wenn mir die Band zu sehr nach einer anderen klingt.

Zurück zur „Dead Hippies – Sad Robot“. An den Texten fällt auf, dass die erste Seite sehr rebellisch ist und auf der anderen Seite zeigst du Verletzlichkeit, es geht um Liebe. Da drängt sich natürlich die Frage auf, ob du dich selber als unreif bezeichnen würdest? Teilweise macht das Ganze fast den Eindruck von Teenager-Befindlichkeiten.

Viele Leute fahren ihr Leben lang den selben Streifen. Für mich ist es dagegen ein unglaublicher Reiz, mich immer wieder neu zu erfinden. Ich habe auf diesem Album halt gleich zwei Seiten ausgetobt. Ich finde auch fast die erste Seite des Albums textlich zerbrechlicher. Oftmals ist für mich vielleicht auch nur der eine Satz in einem Text wichtig und alles, was drum rum passiert, ist Bollwerk. Aber teenageresk finde ich das zu keinem Zeitpunk. Ich such’ mich nicht, ich fühl’ mich auch nicht unreif, sondern habe ganz oft ganz kleine Momente genutzt, die ich dann textlich aufgeblasen habe – ähnlich wie bei guter Prosa: Du siehst vielleicht eine alte Frau über die Straße gehen und füllst fünf Seiten nur mit diesem Moment.

Ich würde sagen, die Kritiken pendeln sich alles in allem im oberen Mittelfeld ein. Beeinflusst oder berührt dich dieser direkte Rücklauf von Medien und Hörern? Du schreibst ja im Booklet, dass der Entstehungsprozess für euch die beste Zeit eures Lebens war. Ärgert es dich also, wenn es die Leute nicht als den absoluten Hammer empfinden?

Bei den meisten Kritiken wird es ja im Zusammenspiel der beiden Alben zum Durchschnitt. Ich finde es lustig, dass dann teilweise das eine Album als Totalausfall empfunden wird, während das andere dann irgendwie anmacht. Wenn einer mit Worten umschreibt, dass er die eine Platte geil findet und die andere nicht, dann kann ich das nachvollziehen. Dabei ist es ja beide Male der gleiche Künstler. Wenn ich jetzt Leuten wie dir Rede und Antwort stehe, gebe ich natürlich eine Art Gebrauchsanweisung und kann sagen, wie es gemeint ist. Ich habe einfach für beide Alben eine Notwendigkeit empfunden, sie rauszubringen und ohne die würde ich heutzutage auch keine Platte mehr machen. Ich höre das total oft von Bands: Oh, wir sind spät dran, wir müssen jetzt mal wieder…
Wir sehen die Kritiken eigentlich als Dialog. Wie viele Bands da draußen würden sich denn wünschen, dass du jetzt ein Interview mit ihnen für ihre Platte machst – und du denkst vielleicht einfach stumpf: die gefällt mir partout nicht…

…oder interessiert mich nicht, weil sie nicht kontrovers genug ist.

Meinethalben! Und wenn denn das Kontroverse an sich jetzt der Grund ist, weshalb du das Interview suchst, dann ist das für mich doch fantastisch – was anderes such’ ich ja gar nicht. Weil hätte ich was anderes gesucht – den einen Teil musst du mir definitiv zugestehen -, dann hätte ich ein populäreres Album aufgenommen. Mit so einer Art THUMB-Revival-Platte hätte ich es mir definitiv leichter gemacht.

Ein Mitarbeiter von Metal.de hat diverse Biere für eine dauerhafte THUMB-Reunion in Aussicht gestellt.

Also ich trinke ja keinen Alkohol und es wird diese Reunion nicht geben. THUMB ist tot. THUMB ist langsam gestorben und alle waren zu viel Fan, als dass man das Ende hätte aussprechen wollen. Die Chemie mit dem Ersatzgitarristen war auch nicht ganz so gut wie mit dem Originalmitglied und deswegen ist das letzte THUMB-Album auch schon nur durchwachsen. Außerdem kennt man die Marotten seines Hinter- und Vordermanns und muss damit leben, wenn man ständig unterwegs ist. Es gab Streit, hohe Erwartungshaltungen und die Charaktere sind so unterschiedlich, dass wir uns die Köpfe einhauen würden – die Band würde einfach nicht mehr funktionieren.

Wie erlebst du das eigentlich, dass viele THUMB den ALLSTARS vorziehen? Ich habe oft gelesen, dass bei den ALLSTARS diese Massenkompatibilität bemängelt wurde.

Ich finde ALLSTARS wesentlich schlechter als THUMB, aber ich finde ein paar Songs echt geil. Deswegen werden wir heute Abend auch ’110% Rock’ spielen. Mit den ALLSTARS waren wir damals bei Gun Records, es gab viele Compilations und ich habe sehr viel Geld damit verdient. Wir hatten ja zu VIVA-2-Zeiten regelrecht zwei Hits mit ’Rock On’ und ’Supersonic Me’. Dadurch kennen das sehr, sehr viele Leute. Ich war beim Tierarzt und die Tierärztin kennt ALLSTARS: Ja, die hör’ ich immer im Auto! Du musst da drüber stehen. Irgendwelche Skater von früher finden, dass EIGHT DAYZ die beste Band war, die ich hatte, weil sie vielleicht nie etwas Anderes gehört haben. Oder Leute sagen mir, dass THUMB Gott war, aber eine andere Sache scheiße. Du musst einfach damit leben, dass sich Leute Gedanken machen. Aber die Gedanken, die sich Leute machen, den Kommentar, den sie abgeben, das ist doch eigentlich das, was du haben willst.

Du hast in deinem Leben schon viele Dinge gemacht. Es gab den Sport, Mode, das Schreiben für Magazine, das Produzenten-Dasein, zudem hast du auch selber in unzähligen Bands mitgewirkt. Gab es da nie einen Augenblick, zu dem du sagen wolltest: „Verweile doch, du bist so schön“?

Es hat mich geärgert, dass Boris Becker dieses Goethe-Zitat genommen hat für seine Biografie („Augenblick, verweile doch…“ – d. Verf.).
Ja, andauernd, es nervt unglaublich, wenn du in Amerika mit THUMB auf Warped-Tour bist; du siehst dieses Indianer-Gebiet, das du sonst nur aus Cowboy-Filmen kennst, willst da für zwei Stunden reingehen, aber du kannst diesen Bus nicht anhalten. Ich habe das lustigerweise dieses Jahr schon öfter gemacht, dass ich an Orten angehalten habe, an denen ich früher mit Bands vorbeigefahren bin. In dieser neuen, besseren Konstellation ist es möglich zumindest ein bisschen dort zu verweilen, wo vorher der Zug weitergefahren wäre, weil vier andere Leute noch was saufen wollen.

Die Frage bezog sich auch darauf, ob du immer etwas Neues anfangen wolltest oder ob es nicht zum Beispiel Momente im Sport oder Bands gab, mit denen du ewig hättest weitermachen wollen?

Ich fahre ja seit ’76 Skateboard und mache das jetzt im dreißigsten Jahr. Es gibt in Stuttgart eine Retrospektive im Skateboard-Fieber-Museum (www.skateboardfieber.de). Ich glaube, von den 30 Jahren waren zehn professionell, also das ist schon sehr beständig. Professionell Musik mache ich auch schon seit ’85, habe mit EIGHT DAYZ und THUMB jeweils drei Platten rausgebracht, mit ALLSTARS zwei. Das ist ja schon eine Zeit. Ich halte mich auch für beständig insofern, als dass ich seit sehr langer Zeit das Feuer in mir habe Musik zu machen. Wenn sich der Drummer von den ALLSTARS plötzlich in seine Jugendflamme verliebt und nach England zieht und der Bassist lieber in der Gastronomie arbeiten möchte, dann steht man halt da und macht etwas Neues.
Und ich habe so wahnsinnig wenig Lust aufzuhören damit. Wenn man jetzt auf der Tour mit DATSUNS Leute trifft, die einen schon länger kennen und wissen, dass man mit THUMB den Besucherrekord im SO36 hatte, dass die BEATSTEAKS auf einer Deutschland-Tour als Vorband gespielt haben, dann wundern die sich, ob es nicht der totale Abstieg ist, wenn man mit einem gemieteten Bulli fährt, selber abbaut, keinen Mischer und keinen Lichtmann dabei hat. Dann sage ich: Nein, beste Zeit meines Lebens – wollte ich immer so haben! Ich hab’ den ganzen Scheiß mit Nightliner und tausend Mann Personal und Star-Allüren innerhalb der Band und Diskussionen total scheiße gefunden.

Können das dann Musiker aus anderen Bands nicht verstehen?

Doch, total. Weil sie die Romantik der Straße sozusagen auch verstehen. Wir proben im Studio, können dort vernünftig aufnehmen und müssen uns nicht einen Sound aufzwingen lassen. Das selbst machen zu können, ist eine riesige Möglichkeit. Dann diese Frechheit, zu sagen, wir warten nicht darauf, dass uns irgendjemand Geld in den Arsch schiebt, damit wir da und da mitfahren. Wir haben unserem Veranstalter gesagt, dass wir bei THERAPY? und so schon hinkommen. Dann mieten wir uns halt total billig von einer anderen Band einen Bulli für einen Apfel und Ei – FIDGET heißen die, ich glaub’, die waren bei euch auch schon mal drin (Eine Weile her, aber stimmt – d. Verf.). Von den verkauften CDs am Abend zahlen wir den Sprit – und gut is’. Wir haben mit DATSUNS gespielt, mit NICK OLIVERI gespielt, werden noch eine eigene Tour machen, werden mit „Sad Robot“ noch eine bestuhlte Tour machen und so weiter… Wir sind unterwegs und darum beneiden uns andere Bands!

25.11.2006

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