Chthonic
Freddy Lim im Interview: "Wut, Traurigkeit, Frustration und Mitgefühl."

Interview

Um CHTHONIC ist es in den letzten fünf Jahren etwas still geworden, zumindest musikalisch. Ein Grund hierfür ist gleichzeitig die Besonderheit der Band. Sänger Freddy Lim ist nicht nur Musiker, sondern seit Februar 2016 auch Abgeordneter im taiwanischen Parlament. Mit seiner erst im Januar 2015 gegründeten Partei „New Power Party“ stellt er damit die liberale Opposition. Seine Anfänge im Amt und sein Weg dorthin wurden nun von dem deutschen Filmemacher Marco Wilms in einem Dokumentarfilm namens „Metal Politics Taiwan“ verarbeitet. Hier der Trailer:

Für einige Vorführungen kam Freddy Lim nun nach Deutschland. Im voll besetzten Kinosaal befanden sich unter anderem zahlreiche Vertreter der taiwanischen Botschaft in Berlin. „Botschaft“ ist an dieser Stelle allerdings ein umstrittener Begriff, denn da China Taiwan immer noch für sich beansprucht und es deshalb von den meisten Ländern – Deutschland eingeschlossen – nicht als unabhängiger Staat anerkannt wird, muss statt „Botschaft“ eigentlich die Bezeichnung „Vertretung“ benutzt werden. Genau um solche Politika geht es Freddy bei seiner politischen Arbeit, denn er setzt sich vor allem für die Unabhängigkeit Taiwans ein.

Freddy Lim macht aus zwei Welten eine

Am nächsten Tag treffen wir Freddy für ein Interview in der Botschaft. Er entschuldigt sich zu Anfang direkt für das formelle Setting. Zusammen mit den Eindrücken aus dem Film und der darauffolgenden Fragerunde gewinnt man das Bild einer sehr facettenreichen Person. Er gibt sehr persönliche Einblicke, kann – wenn es sein muss – auf den Tisch hauen und schafft den Spagat zwischen den Welten des Metal und der Politik. Egal, ob er über politische Themen oder CHTHONIC spricht, er tut es mit Leidenschaft und Authentizität. Es bleibt der Eindruck eines Idealisten mit einem hohen Maß an Integrität.

CHTHONIC veröffentlichen „Battlefields Of Asura“

Das Warten auf ein neues CHTHONIC-Album hat jetzt aber trotz Freddys politischer Karriere ein Ende. Im Oktober wird „Battlefields Of Asura“ veröffentlicht. In der taiwanischen Mythologie verwurzelt, vermittelt es doch weltliche Botschaften. Die zu entschlüsseln ist für den westlichen Hörer aber vielleicht gar nicht so einfach. Das Herzstück dieses Interviews ist deshalb eine Track-by-Track-Analyse, in der Freddy die Hintergründe der einzelnen Stücke bespricht.

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Hi Freddy, allem voran danke, dass du dir die Zeit nimmst! Fangen wir mal mit dem neuen CHTHONIC-Album an. Die Version, die ich bekommen habe, ist die englische Version. Ich gehe aber mal davon aus, dass es auch eine Originalversion gibt. Ist die komplett auf Taiwanisch oder auch zum Teil auf Mandarin? Das habt ihr ja auch schon gemacht.

Die ist komplett auf Taiwanisch. Früher habe ich auch Sachen auf Mandarin geschrieben, auf den ersten ein oder zwei Alben. Also wirklich in den Anfangstagen.

Wie hast du entschieden, welche Sprache du verwendest? Verlangt ein bestimmter Song zu einem bestimmten Thema einfach eine bestimmte sprachliche Umsetzung?

Es ist für mich einfach zu etwas Natürlichem geworden, auf Taiwanisch zu schreiben. Das ist auch viel einfacher für mich. Am Anfang habe ich auf Mandarin geschrieben, weil das in unserem musikalischen Umfeld so war. Die meisten Songs, besonders im modernen Rock und Metal in Taiwan, waren auf Mandarin. Damals, in den Neunzigern. Dem bin ich einfach gefolgt. Dann habe ich gemerkt, dass ich lieber auf Taiwanisch schreiben will, weil es für mich eben natürlicher und leichter ist.

Was die englischen Versionen angeht, ich glaube, die Idee hatten wir zum ersten Mal bei unserem zweiten Album „9th Empyrean“. Das amerikanische Label hat uns gefragt, ob wir davon auch eine englische Version veröffentlichen wollen. Ich weiß nicht, ob das deutsche Publikum das überhaupt realisiert, aber in Taiwan und vielen anderen asiatischen Ländern hören die jungen Leute westliche Musik und sind deshalb an englische Songs gewöhnt. Also dachte ich mir, dass es cool sein könnte, mal einen Song auf Englisch zu versuchen.

Dann habe ich aber gemerkt, dass unser Englisch nicht wirklich „englisches Englisch“ ist. Wenn wir das also professionell machen wollen, brauchen wir Hilfe. Für „Mirror Of Retribution“ hat uns Rob Caggiano, der Ex-ANTHRAX-Gitarrist, der auch der Produzent des Albums war, geholfen, englische Lyrics zu schreiben. Später hat uns Joe Henley, ein in Taiwan lebender Kanadier, der auch eine Metalband hat, mit den Texten für „Takasago Army“, „Bu-Tik“ und „Battlefields Of Asura“ geholfen.

Zwei Versionen zu haben, bedeutet aber auch einiges an Mehrarbeit. Wie hat das jetzt bei „Battlefields Of Asura“, dem ersten CHTHONIC-Album seitdem du Parlamentarier geworden bist, funktioniert?

Eigentlich lief der Schreibprozess zu diesem Album ziemlich reibungslos. Ich habe ungefähr zwei Wochen gebraucht, das Gerüst der Songs zu schreiben, und dann noch mal zwei Wochen für die Texte. Ich habe früher mindestens sechs Monate gebraucht, um Songs zu schreiben, aber dieses Mal nur rund einen. Ich glaube, der Grund dafür ist, dass ich in den letzten fünf Jahren so viele komplizierte Emotionen in mir gehabt habe. Ich habe so viele verschiedene Erfahrungen gemacht. Da wären Wut, Traurigkeit, Frustration und Mitgefühl. So viele verschiedene Gefühle, die in mir sind.

Ich habe ein Ventil gebraucht, um das alles rauszulassen. Deshalb lief das Songwriting so gut. In meinem Privatleben habe ich auch viele schwere Zeiten durchgemacht. Letztes Jahr ist mein Vater bei einem Unfall ums Leben gekommen. Auf der anderen Seite wurde meine Tochter letztes Jahr geboren. Das waren insgesamt fünf Jahre, die sich sehr von der Zeit davor unterschieden haben. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so fix Songs schreiben kann.

Vordergründig geht es auf diesem CHTHONIC-Album aber um mythologische Themen. Kannst du uns die Handlung der einzelnen Songs kurz beschreiben?

Im Grunde handelt jeder Song von einem Gott oder einer Göttin. Ich beschreibe sie nicht nur, sondern versuche, die Werte und Geschichten zu vermitteln, für die sie stehen. Als Abgeordneter in Taiwan muss ich meinen Wahlkreis oft besuchen. Vor allem auch rituelle Feierlichkeiten in den Tempeln. Zum Beispiel zu den Geburtstagen der Gottheiten. Deshalb habe ich in den letzten paar Jahren viel über die Hintergründe dieser Gottheiten gelesen. Als Kind bin ich immer nur in die Tempel gegangen, weil meine Eltern oder Großeltern zum Beten hingegangen sind. Ich wusste aber nie über die Geschichten dahinter Bescheid, und es war nur eine Zeremonie für mich.

Heutzutage beschäftige ich mich viel mit diesen Geschichten. Ich muss sagen, dass es viele Politiker gibt, die nur so tun, also hätten sie etwas für diese Feierlichten übrig. Ich bin aber jemand, den Mythologie sehr begeistert. Ich glaube, dass diese Geschichten unsere Vorfahren auf eine Art inspiriert haben und mich auch heute inspirieren. Wenn ich also diese Texte über die Gottheiten schreibe, denke ich daran, wie sie mich inspiriert haben.

Im ersten Song, „The Silent One’s Torch“ geht es um die Göttin Ma-tso. Es geht darum, den Mut zu finden, sich in eine bisher unbekannte Welt vorzuwagen. Der nächste Song, „Flames Upon The Weeping Winds“, repräsentiert den Gott Thai-tsu-ia. Das ist ein Gott des Widerstands, der außerdem immer wieder aufersteht. Die Message, die ich mit den Lyrics rüberbringen will, ist, dass wir immer stärker und größer sein sollten, auch wenn wir scheitern. Wie man seine Stärke nach einer Niederlage wiedergewinnt.

Der nächste Song heißt „A Crimson Sky’s Command“. Er steht für den Gott Te-ia-kong, den Gott des Krieges. Er kann die himmlischen Heerscharen aufmarschieren lassen, um große Schlachten zu schlagen. Ich denke, Fans, die den Text lesen, werden denken, es ginge darum, all seine Feinde auszulöschen. Die Message ist aber eigentlich, dass wir den Mut haben sollten, die Wahrheit aufzudecken, statt nur zu allem ja und amen zu sagen.

Speziell, wenn es um Menschenrechtsangelegenheiten geht. Wir müssen all die Wahrheiten aufdecken, die die Regierung vor uns zu verstecken versucht. Und manchmal tut das weh und schadet nicht nur der Regierung, sondern auch den Menschen, wenn sie die Wahrheit herausfinden. Das tut jedem weh, aber es ist nötig, weil jeder weiß, dass es nicht richtig ist, wenn der Staat die Menschen unterdrückt. Wir müssen das also aufdecken, auch, wenn es wehtut.

Das nächste Stück ist „Songs Of The Revolution“. In Taiwan gibt es in Tempeln immer verschiedene Fahnen. Die Fahnen haben verschiedene himmlische Kräfte inne. Im Song geht es darum, seine eigene Fahne zu finden und all seine Ideale darauf zu projizieren, und die Fahne dann hochzuhalten. Hier muss ich noch erwähnen, dass Randy Blythe von LAMB OF GOD Vocals zu dem Song beigesteuert hat. Ich hoffe, die Hörer werden raushören, welche Screams von ihm sind.

„Taste The Black Tears“ handelt vom Gott Ong-ia-kong. Von seiner Geschichte gibt es viele verschiedene Versionen, aber hauptsächlich geht es darum, dass er die Menschen vor Krankheiten schützt. Er ist deshalb ein sehr starker Gott in Taiwan. Die Message hier ist, die Erinnerung an Dinge, die wir bereuen, zu überwinden. Manchmal kann es uns lähmen, an etwas zu denken, das wir bereuen, und wir wissen nicht, wie wir weitermachen sollen. Ich denke, wir müssen uns von diesen Erinnerungen befreien. Als ich den Song geschrieben habe, habe ich mit den Erinnerungen an die Beziehung zwischen mir und meinem Vater gekämpft. Denn unser Verhältnis war nicht gut.

In den zwei Jahren vor seinem Tod hat es sich aber wieder sehr verbessert. Politik war ihm sehr wichtig, und als ich für das Parlament kandidiert habe, kam er auf mich zu und hat thematisiert, wie wir die Wahl gewinnen und einen Wandel hervorbringen können. Statt alte Familienfehden wieder aufzubringen, hat er mir viele konstruktive Vorschläge gemacht. So hat sich unser gutes Verhältnis in diesen zwei Jahren wiederhergestellt.

Doch dann ist er bei einem Unfall ums Leben gekommen und ich habe es so bereut, die Beziehung nicht viel früher wieder verbessert zu haben. So hatten wir nur diese ein, zwei Jahre miteinander. Es war sehr schwer, über dieses Gefühl hinwegzukommen und nach vorne zu schauen. Ich wollte aufgeben. Als ich den Song geschrieben habe, wurde mir bewusst, dass ich da durch muss und weitermachen muss. Ich werde mich immer im Positiven an meinen Vater erinnern, aber ich kann nicht in der Vergangenheit leben. Darum geht es also in dem Song, und ich denke, dass viele diese Erfahrung teilen.

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„One Thousand Eyes“ ist ein Song, der die Göttin Kuan-im-ma repräsentiert. Diese Gottheit gibt es in ganz Ostasien und sogar in Indien als Avalokitesvara. Sie ist sehr mitfühlend und versucht, alles und jeden zu retten. Für mich ist die Message diese: Manchmal kommen wir uns sehr klein vor, verglichen mit dem Universum und dem großen Ganzen. Es ist, als wären wir nichts. Wenn du aber ein kleiner Teil des großen Ganzen bist, bedeutet das nicht, dass du nichts bist. Es bedeutet, dass du mit allem und jedem in Verbindung stehst. Statt uns klein zu fühlen, sollten wir Nächstenliebe und Mitgefühl empfinden.

„Carved in Bloodstone“ befasst sich mit dem Gott Sing-hong-ia, einem Schutzgott einer Stadt oder einer Nation. Es ist ein Song über Solidarität. Solidarität mit allen Wesen der Gegenwart, aber auch mit allen Seelen, die schon weitergezogen sind. Ich wünsche mir, dass alle Menschen eine Gemeinschaft sein können. Diese Solidarität ist wichtig für das unterdrückte Volk.

Der nächste und letzte Song heißt „Millennia’s Faith Undone“. Darin geht es um die Macht all der Gottheiten, die wir schon erwähnt haben. All diese Macht kommt in einer Figur zusammen, nämlich in der Hauptfigur unseres Albums „Mirrors Of Retribution“. Fans, die sich mit den Geschichten der früheren Alben auskennen, werden vielleicht merken, dass es sich hier um das Prequel dazu handelt. Die drei weiteren Songs, die Instrumentale, haben auch eine Verbindung zu anderen Stücken auf diesem Album und den letzten Alben, und man kann einige Melodien wiederfinden.

Habt ihr auf „Battlefields Of Asura“ musikalisch etwas anders gemacht? Mir kommt es so vor, als würden die traditionellen Instrumente mehr mit den orchestralen Arrangements im Hintergrund verschmelzen als auf früheren CHTHONIC-Alben.

Ja, auf jeden Fall. Diese Entwicklung hat sich durch unsere letzten Alben gezogen. Am Anfang wollten wir die Erhu, die zweisaitige Laute, in den Vordergrund stellen. Also haben wir diese traditionellen taiwanischen Melodien geschrieben. Mit all unseren anderen Instrumenten haben wir immer noch westlichen Metal gespielt. So haben wir also Songs geschrieben. Aber dann haben wir von Album zu Album gemerkt, dass wir alles miteinander vereinen müssen.

Wir können nicht nur einen Teil in den Fokus stellen. Das macht keinen Sinn, weil wir einen Song als ein Ganzes schreiben. Wir haben also alles immer mehr miteinander verwoben. Heute hörst du diese taiwanischen Melodien nicht nur als eigenes Element, sondern auch vermischt mit dem Orchester. Dann merkst du, dass sogar die Streicher und die Gitarren diese Melodien spielen.

Sprechen wir mal über Livetermine. Zumindest internationale CHTHONIC-Auftritte sollten mit deinem Terminkalender wahrscheinlich nur schwierig vereinbar sein.

Ich denke, nächstes Jahr werden wir ein paar Festivalshows für CHTHONIC auf die Beine stellen. Für mich ist es viel einfacher, für ein Konzert nach Europa zu fliegen, wenn es an einem Samstag ist. Das kollidiert dann nicht mit meiner Arbeit. Also ja, ich hoffe, das klappt nächstes Jahr.

Zu deinem Dokumentarfilm. Du hast es ja gestern Abend schon ein wenig angesprochen, aber kannst du für uns noch mal kurz abreißen, wie es zu dieser Zusammenarbeit mit einem deutschen Filmemacher kam? Und wie gefällt dir überhaupt das Endergebnis?

Marco kam vor zwei oder drei Jahren nach Taiwan, um seinen Film „Art War“ vorzustellen. Jemand hatte ihm von mir erzählt und er war der Ansicht, dass das ein interessantes Thema sei, zu dem er etwas machen sollte. Deshalb kam er auf mich zu und hat mich gefragt, was ich davon halte würde. Zuerst dachte ich, dass das eine gute Idee wäre. Aber dann hat er mich mehr als ein Jahr lang „verfolgt“. Es gab so viele Momente, in denen ich einfach nur explodieren wollte und es nicht mehr ertragen habe (lacht).

Doch das Ergebnis ist toll. Ich bin so froh, dass ich durchgehalten habe. Er hat mich immer wieder überzeugt, weiterzumachen. Es gibt darin viele Momente, die mich emotional berühren. Zum Beispiel der Teil mit dem Dalai Lama. Der Dalai Lama war neben meiner Familie die erste Person, der ich gesagt habe, dass ich Vater werde. Ich wollte mein Privatleben nicht so offen im Film haben, also habe ich ihn gebeten, das Material nicht zu verwenden. Er hat dann versucht, mich zu überreden und mir schließlich die erste Fassung gezeigt. Dann war ich überzeugt. Er hat eine sehr gute künstlerische Vision.

Im Film – oder auch jetzt gerade, denn schließlich machen wir dieses Interview hier gerade in der Botschaft – verschwimmen deine beiden Rollen immer wieder miteinander. Das scheint alles sehr gut zu funktionieren. Gibt es manchmal trotzdem Konflikte?

(Macht eine längere Denkpause) Ja, manchmal gibt es schon Konflikte. Hier muss ich den Dokumentarfilm als Beispiel nehmen. Wenn es um mein Privatleben oder meine Musikerrolle gehen sollte, wollte ich das erst nicht machen und habe gesagt, dass ich jetzt Abgeordneter bin, kein Schauspieler oder Entertainer. Das hat bei mir für einen inneren Konflikt gesorgt. Ich habe mein Team gebeten, mit Marco zu reden und ihm zu sagen, dass wir das Projekt beenden müssen. Ich konnte ihn mich nicht weiterhin begleiten lassen, denn ich war zwar immer noch Musiker, aber eben auch ein Abgeordneter, der professionell sein muss.

Manchmal, wenn wir unterwegs waren und er das Gefühl hatte, dass der Shot noch nicht gut genug war, ist er zu mir gekommen und hat gesagt, „kannst du noch mal von da nach da laufen?“ Da bin ich ausgerastet (lacht). Ich habe gesagt, „Nein! Ich gehe jetzt ins Büro. Ich arbeite. Ich bin kein Schauspieler!“ Er meinte dann, „bitte, der Take muss perfekt sein“, und so was alles. Das ist so oft vorgekommen!  Ich musste mir selbst klarmachen, dass ich ein professioneller Abgeordneter bin und dass ich so was nicht mache.

Zu solchen inneren und äußeren Konflikten ist es oft gekommen. Doch eines Tages hat er mir gesagt, dass dieser Film für Taiwan sprechen wird. Er war überzeugt, dass das auch Teil meines Jobs ist, vor allem weil ich dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten angehöre. Diese Art von Soft Power ist sehr wichtig. Er hat mich überzeugt, und danach gab es solche Konflikte nicht mehr.

Zur letzten Frage, die ein wenig politischer ist. Ein Thema, dass vor Kurzem verstärkt in den Medien diskutiert wurde, ist das chinesische Sozialkredit-System. Welchen Einfluss wird das auf Taiwan haben? Man wird China schließlich nur schwer davon abhalten können, Daten über taiwanische Bürger zu sammeln.

Da das Sozialkredit-System in China besteht, werden alle Taiwaner, oder auch Bürger aller anderen Staaten, betroffen sein, wenn sie nach China reisen. Wenn die erst mal deinen Pass gescannt haben, speichern sie alle deine Daten und tracken dich dann überall. Das wird alle Ausländer betreffen, egal, was man tut. Der zweite Punkt, und das ist der gefährliche: Sie durchsuchen alles, was du online gepostet hast. Das ist in Taiwan schon passiert. Wenn du – außerhalb von China, sogar in Europa – etwas gegen China und deren Menschenrechtsverletzungen sagst, sammeln sie alle diese Informationen.

Wenn du dann die Grenze nach China überschreitest, kann es sein, dass sie dich verhaften. Manche Journalisten hatten in China schon diese Probleme. Viele Taiwaner haben Schwierigkeiten in China, weil sie mal etwas auf Facebook gepostet haben. Sie tracken also nicht nur die chinesischen Bürger, sondern die ganze Welt. Aktuell betrifft das Regisseure von Dokumentarfilmen und Journalisten, die keine China-Fans sind. Diese Art von Leuten betrifft es zuerst. Aber das wird sich ausweiten.

Ein Beispiel. Im Avengers-Film „Doctor Strange“ gibt es den Charakter „Ancient One“. Im Original ist das ein Tibeter. Im Film haben sie das geändert, um der chinesischen Regierung nicht auf die Füße zu treten. Es gibt also zwei Arten von Konsequenzen. Die eine ist, dass die Leute, die die chinesische Regierung nicht mag, entdeckt werden und dann Probleme bekommen, wenn sie nach China reisen. Die andere ist, dass die Leute sich bei der chinesischen Regierung einschleimen wollen, um eine Chance auf dem chinesischen Markt zu haben und nicht die Bösen zu sein. Sie müssen bei der chinesischen Regierung auf lieb Kind machen, selbst in Hollywood.

Credit: Michael Witting

Taiwan steht hier an vorderster Front. Wir haben das vor 20 Jahren schon erlebt. In anderen Ländern hat das erst vor drei bis fünf Jahren angefangen. Für den Rest der Welt ist das also neu. Weil es Taiwan schon seit 20 Jahren so geht, können wir mit Informationen und Erfahrung zur Seite stehen. Wir müssen uns zusammenschließen, um einen Weg zu finden, mit China umzugehen. Das kann nicht jedes Land alleine bewältigen, weil die gerade so groß und so stark sind. Taiwan, die EU, die USA, Japan – alle können zusammenarbeiten.

Beim Umgang mit China sollte es nicht nur um Handel gehen, sondern es sollte auch die Menschenrechtslage und die freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit angesprochen werden. Ich denke, die Welt wird eine Lösung finden, aber wenn es jetzt so weiter geht, werden die Dinge schwieriger zu lösen sein. Ich hoffe, dass so was wie bei „Doctor Strange“ öfter vorkommt und sich die Filmemacher fragen, „wieso? Wieso sollte ich mein Script umschreiben? Da stimmt doch was nicht,“ und sich die Leute dann zusammentun.

Damit sind wir am Ende angekommen. Gibt es trotzdem noch was, was du loswerden willst?

Ich hoffe, allen gefällt das neue CHTHONIC-Album. Wenn ihr nicht warten könnt, bis wir zu euch kommen, kommt nach Taiwan zu unserer Show.

Danke für das Interview!

Danke!

Quelle: Freddy Lim, Chthonic
11.08.2018

headbanging herbivore with a camera

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